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Full text of "Badisches Sagenbuch"

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J 
27 








y- 


Dadifches Sagenbuch. 


von 


Auguft Schnezler. 


Badiſches 


Sagen-Buch. 


Eine Sammlung 
der 
ſchoͤnſten Sagen, Geſchichten, Maͤrchen und Legenden 
des Vadiſchen Landes 


aus Schrifturkunden, dem Munde des Volkes und der 
Dichter. 


Herausgegeben 


Auguſt Schnezler. 


> [4 * 





Zweite Abtheilung: 
Von der Ortenau bis zum Mainthal. 


Karlsruhe. 


VDruck und Verlag von Creuzbauer und Hasper. 
1846. 











Das Nheinthal. 


Strom der Heimath, mir ſo lieb! haſt Jahrtauſende geſehen, 
Die nicht auf den Tafeln ſtehen, welche die Geſchichte ſchrieb. 


Doch verzeichnet ſind ſie dort in den wild gethürmten Schichten; 
Was die Berge uns berichten, ift ein unvergänglich Wort. 


Eine neue Sonne fcheint, feit Die treuen Heliaden 
An den öden Schilfgeftaden um des Bruders Tod geweint. 


Haben nicht den Dattelwein fromme Völker hier getrunfen ? 
Doc die Palmen find verfunfen und ihr Marf gefror zu Stein; 


Und des Delbaumd heilig Laub, das des Markwalds Höhen 
ſchmückte, 


Das der Schlangentödter pflückte, wurde des Gewäſſers Raub. 


Ja, ein Eden hat geblüht in des Rheines mildem Thale, 


An des Himmels erſtem Strahle, eh' der Kaiſerſtuhl geglüht; 


Eh' noch Jovis Sternenring ſich zum feſten Kern verdichtet, 
Eh’ ein Gott die Welt gerichtet, und die Nacht den Styr umfing. 


Ach, in dunklen Sagen nur hat fich jene Zeit erhalten, 
Und des Nordes Stürme walten auf der Paradieſes⸗Flur. 


Das dämoniſche Gefchlecht, deſſen Hüften wir entiprungen, 
Spie zum Himmel Läfterungen, trotzend auf ein Götterrecht. 


„Menſchen, unfre Kinder, ihr mögt die Erde von ung erben, 


jenes beffre Reich erwerben über Sternen wollen wir.” 


Und fie klimmen keck hinan zu dem hohen Wolfenfige, 
Und fie achten nicht ber Blitze auf des Kampfes luft'ger Baba. 
I. 1 





Aber plöglich braußt das Meer, Feuerbaͤche gießen nieder, 
Ueber der Titanen Glieder wälzen ſich die Berge ber. 


Eine Wüfte fleigt empor: Lavafelſen aus den Gluthen, 
Knochenberge aus den Fluthen — Sinnend fleht der Menſch 
2 davor ; 


Wohl, die Tobten ſchweigen nicht, reden müſſen, die verweſen, 
In der Aſche kann er leſen, in den Gräbern brennt ein Licht. 


Dald auch regen ihm die Hand Kräfte feiner Riefen-Ahnen, 
Stimmen bört er, die ihn mahnen an fein altes Vaterland. 


Und zum Kampfe faßt er Muth, zwingt die Erde, ihm zu die⸗ 
nen, 
Weiß die Gottheit zu verfühnen, muß es feyn, mit eignem Blut. 


Und des Rheines öder Grund wandelt fih zum Blumengarten, 
And die Hände, die ihn warten, fchlingen ſich zum Freiheits- 
bund; 


Städte fpiegeln Tih im Strom, Schönheit waltet in dem Leben, 
In die Wolfen hoch erheben muß fih Erwins ſtolzer Dom. 


Und in Ton und Farb’ erblüht, was fein ird'ſcher Sinn ver⸗ 
nommen, 
Was von Oben nur gefommen in das Tiebende Gemüth. — 


Schönes Thal am blauen Rheine , mit verfunfnen Helden⸗ 
malen ! 


Herrlich wird dein Name ſtrahlen bis zum legten Sternenfdein. 


Deiner Söhne heil’ge Scham) nimmer wird fie Niedres dulden, 
Was die Zeiten auch verfchulden:, löſt fie. fromm am Blutaltar. 
Aloys Schreiber. 


( In Bezug auf vorſtehendes Gedicht, welches uns wieder in das lachende Rhein⸗ 
thal einführt, vergleiche die zweite Note zu Joſ. Baders Einleitung 


im iten Bande.) 474 X u. 
8 


+30 3 


) 











j Örtenen. » 


295» 


Kippenheim. 


Die erlöfte Schlange. 


Einer hochſchwangeren Frau von Kippenhbeim, bie 
Mittags in den bortigen Weinbergen fchlief, kroch eine Schlange 
in ben offenen Mund. Ihr Töchterlein, welches neben ihr faß 
und dies bemerfte, wollte die Schlange noch am Schwanze paden 
und zurüdsiehen; es war aber zu fpät, fie fchlüpfte ber Frau 
ganz die Kehle hinunter in den Leib, wo fie fih ruhig verhielt 
und der Schwangeren feine weitere Beſchwerde verurfacte. 
Als aber die Frau bald darauf eines Kindleins genaß, hatte 
fich ihm Die Schlange fo feſt um den Hals gewidelt, daß man fie 
nur durch ein Milchbad davon losbrachte. Ste wich aber nicht 
- von bed Kindes Seite, Tag ftets bei demfelben im Bett und fraß 
aus feiner Schüffel. Weil fie dem Rinde dabei nichts zu leide 
that und von ihm fehr geliebt wurde, Tiefen die Eltern beide 
ungeftört beiſammen. Sechs Jahre waren fo verfloffen, als 
einft die Schlange die allzugroßen Brobflüde in einer Milchſuppe 
nicht freffen wollte und dadurch Das Kind fo böfe machte, daß es 
ihr den Löffel auf den Kopf ſchlug mit den Worten: „Friß auch 
Moden, (Broden) nicht lauter Schlappes!” (Brühe) Bon 
Diefem Augenblid an wurde die Schlange ganz traurig und ver- 
ſchwand nad einiger Zeit ganz aus dem Haufe. Man fuchte 
fie überall von Dach bis zu Keller, endlich in dem großen Stein= 
haufen, der feit dem Schwedenfrieg unerforfcht im Hofe gelegen. 


*) Unter diefem Namen, ben im Mittelalter ein großer Gau trug, welcher das Land zwi⸗ 
ſchen ver Waflerfheide des Schwarzwaldes im Dften, der Bleich im Süden, dem Rheine 
im Welten und dem Dosbade mit ver Murg im Norben, alfo Beinahe das ganze Mit- 
tefftüd des jetzigen Badens umfaßte, begreift man jest im Munde des Volkes nur nod) etwa 
die Gegenden von unterhalb ber Blei an, von Offenburg mit einer Heinen Strede das 
Kinzigthal aufwärts, dann die Strede des Rheinthals über Appenweiber und Ren- 
hen bis gegen Bühl hinunter. 

1* 


A Drtenau — Rheinthal. 


Darin fand man unten einen Keffel voll Goldſtücke und daneben 
die Schlange todt Tiegen. Auf einmal war fie weg und an 
ihrer Stelle ſtand ein fehneeweißer Mann und ſprach: „Sch war 
bie Schlange, und das Kind zu meiner Exrlöfung beflimmt; nun 
habt ihr das Geld und feyd reich, ich aber gehe ein in die ewige 
Freude.“ — Nach diefen Worten war er verſchwunden. 


(Rab mündlicher Ueberlieferung — v. Bernhard Baader i in Mone's Anzeiger 
für teutſche Vorzeit. Jahrg. 1839.) 


St. Landolins Bad. 


Aus Schottland kam der Miſſionair Landolin in dieſe 
Gegend. Damals ſtanden blos einige Hütten daſelbſt und 
in einer derfelben wohnte ein redlicher Dann, Edulf genannt, 
mit Weib und Kindern. Der gab dem Pilgrim ein Obdach, 
bis er ausgeraftet hatte. Nachdem Landolin ihm dafür mit Er- 
theilung feines Segen gedankt, zog er weiter hinauf und fuchte 
ein abgelegenes Pläschen zu feiner Niederlaffung. Ein ſolches 
fand er in dem friedlichen Waldthale, mo der Lautenbach und 
bie Unditz fich vereinigen und baute ſich daſelbſt eine Klaufe. 
Selbſt das Wild des umliegenden Forſtes ſchien von der Sanft- 
muth und Srömmigfeit des Einſiedlers bezaubert, Fam oft ver- 
traulich aus feiner Hand zu effen, und rettete ſich in feine Hütte, 
als in die ficherfte Freiftätte vor den Verfolgungen der Jäger. 
In geringer Entfernung von der Stelle, wo Landolin wohnte, 
hatte fi ein Häuptling der Gegend, Namens Gifof, auf den 
Trümmern eines Römerfaftelld eine Burg erbaut, deren Reſte 
noch heutzutage Die Gifenburg heißen. *) Ein Jäger Giſoks traf 
den frommen Mann, ale er eben ein Flekchen Feld bei feiner 
Klaufe urbar machte und erfchlug ihn, theils aus Grimm, dag fo 
vieles Wild ſich in defien Freiftätte flüchtete, theils bloß. von 
roher Mordluft getrieben. Da entfprangen aus dem Boden, 
ben das Blut des Märtyrers überftrömt hatte, fünf Heilquellen, 
bie jegt St. Tandolins Bad heißen und noch häufig befucht 
werden. Edulf und die Seinigen ahnten nichts Gutes, als fie 
fo lange Zeit ſhren alten Gaſt nicht mehr im Thale ſahen. Sie 

*) Im achten Jahrhundert wurde fie zerſtört und die Steine ſpäter zum Bau des Kloſters 


Ettenheimmünſter verwendet; den Platz, wo das Schloß ſtand, deckt nun Wald, man nennt 
aber die Stätte noch jetzt Heibenfelter, 


Ortenau. — Rheinthal. 5 


gingen aus, ihn aufzuſuchen und fanden ſeinen blutigen Leich⸗ 
nam, den fie unter heißen Thraͤnen und unter Verwünſchungen bes 
Mörders begruben, Auf biefer Stelle bauten ſich nachher 
Mönche ein Klofter und der Ort erhielt den Ramen Mönchs⸗ 
zell. - 


Das Erucifix von Bittenweier. 


Nachdem die Bewohner des Dorfes Wittenmeier zum us 
therthum übergetreten waren, fchafften fie von ihrem Kirchhofe 
das fteinerne Erucifte weg, fanden es jedoch am nächſten Mor⸗ 
gen wieder am felben Plage aufgerichtet. Noch zweimal thaten 
fie e8 hinweg, allein es fehrte jedesmal in der Nacht dahin zu= 
rüd, während die Wachen, die man auf dem Gottedader aufge: 
ftellt hatte, in unbezwingbarem Schlafe lagen. Hierauf warfen 
die MWittenweterer dag Kreuz in dem Nhein, und aus dem fam 
ed nie wieder heraus. Seitdem aber riß der Rhein, der vors 
ber bort ganz frieblich floß, das dießſeitige Ufer ſtückweiſe weg, 
j0 dag Wittenweier fchon. dreimal mußte zurüdgebaut werben. *) 

( S. Mone's Anzeiger für Runde ber teutiden Vorzeit. Jahrg. 1839.) 


_—— -— + 90& 


Lahrs Urfprung. 


ihren Namen foll die Stadt von den Gewerben haben, die 
auch jegt noch in ihr blühen: von den Tohgerbern. Man 
nannte nemlich den Ort Anfangs „In der Loh“ wegen den 
Lohmühlen und Gerbehäufern an der Schutter, aus welchen 
wahrfcheinlih nach und nad ſich eine Dorfgemeinde bildete, 
woraus zuerft der Flecken Lohr und fpäter das Städtchen 
Lahr entftand. Die Grafen von Gerolpged erbauten fi 
bier ein Schloß und eine Linie nannte fih von Geroldsed-tahr. 
Ein Unglüd war e8 für die Stadt, daß biefe Grafen ausftarben 
und die Herrfchaft unter weit entfernte Gebieter Fam: die Gra- 
fen von Mörs und fpäter an die von Naffau. Im dreißigiäh- 
rigen, ferner im franzöfifchen Raubmordfriege unter Ludwig XIV., 





*) Diefe und ähnliche Sagen gehen auf die Bilderſtürmerei des 16. Jahrhunderte zurück. 


\ 


6 Ortenau. 


litt auch Lahr ſehr viel und brannte im Jahr 1677 ganz ab. 
Es lebten damals zweiunddreißig adelige Familien dort, die ſich 
von dieſer Zeit an alle hinwegzogen. Später, unter Naſſauiſcher 
Herrſchaft in den glüdlichen Zeiten des Friedens, fing die Stabt 
wieder an aufzublühen und der Haupt-Marktplatz für das 
Schutterthal und das Ried zu werden. Gerberei, Weberei, 
Garn» und Leinwandhandel, Krämerei aller Art bildeten die 
vorberrfchendfien Gewerbe. Die Leute vom Land fanden hier 
ihre Bedürfniffe und eine Menge Kleiner Krämer ihren Unter- 
halt. Und 
Klein auf Klein 
Baut fein Neft das Vögelein. 

Aus den Krämern wurden endlich wohlhabende, ja reiche 
Kaufleute und Fabrikbefiter In der Zeit des franzöflfchen Re⸗ 
volutionskrieges, in den neunziger Jahren, wo ber Rhein und 
Straßburg gefperrt waren, zogen die betriebfamen Lahrer ben 
Speditionshandel von Straßburg und Kehl größtentheils in ihre 
Stadt. Seitdem blieb ihr For immer in fleigender Zunahme 
und jest ift fie nach Mannheim die bedeutendfte Handelsſtadt 


d 
es Großherzogthums D. 8%. 


Urſprung von Hohengeroldseck. 


Links ab von der ſchönen Straße, welche von Lahr in 
das Kinzigthal führt, nicht weit von Biberach, liegen auf einer 
Anhöhe die Trümmer des einſt für unüberwindlich gehaltenen 
Schloſſes Hohengeroldseck. An Alter und Wechfel der Schick— 
ſale übertrifft vielleicht kein edles Haus auf dem weiten Gebirge 
den Stamm ber Geroldsecker, und in Zeiten, in welchen wir ge⸗ 
wohnt find, unfre Sagenfreife zu finden, Iebte bier ſchon eine 
ältere Sagenwelt. in dem Munde der Edeln. Als Pipin der 
Kurze — fo erzählen fie — der König der mächtigen Franken, 
an’ feine Mannen aufbor, um jenfeits der Alpen bie ftolzen 
Longobarden und ihren König Aftolf zu bändigen, folgte ihm 
ah Marfiliug, ein Herzog vom Schwabenlande. Seine 
treuen Dienfte machten ihn bald zum Liebling des Frankenkönigs, 
und ale ihm Regarda, bie Tochter Hildebrands von Andechs, 











Ortenau. 7 


des Grafen über Bayern, einen Sohn gebar, gab er ihm, nach 
einer Straße in Rom, den Namen Gerol dsect. („De platea 
in Roma Geroltzeck, ibi dicta stirps est progressa;“ dies foll 
die Umfchrift eines alten Steines in der Empfinger Kirche ge- 
weſen feyn.) Diefer Gerold war folglich der Bruder der 
Hildegarde, der Gemahlin Karls des Großen. Ihm über- 
trug deßwegen biefer Kaiſer bie herzogliche Würde in Bayern, 
das Markgrafenthum in Oeſterreich und die Grafichaft in der 
Reichenau. Dem Heerbann leiftete Gerold jederzeit treufich 
Folge; in den Sadıfenfriegen erfchlug er mit eigener Hand den 
weitgefürdhteten Wittefind und gegen die Allesverheerenden 
Hunnen ſchützte ein herrlicher Sieg feine Markgrafſchaft. Allein 
er verfolgte den Feind mit allzugroßem Eifer; die Heiden 
wandten ſich plöglich gegen ihn, denn er war nur noch von 
weniger Mannjchaft begleitet, und erfchlugen den Tapferen. 
Seine Reihe wurde nad der Reichenau geführt und im Chor 
des Münfters auf der rechten Seite des Hochaltares begraben. 
Der Märtyrertag Gerolds ift der zweite Detober bes 
Jahres 799. *) 

*) An diefen Gerold, als Erbauer von Geroldsed, foll die Inſchrift 
eined Steines erinnern, der zu Enve des vorigen Jahrhunderts aus den 
Trümmern der Burg hervorgezogen worden iſt: 

„Hohen Geroldseck mich bawen ließ 
Herr Gerold mit Namen hieß 

Dem großen Karlo werdt 

In viel Ritterlichen Thaten bewerdt 
Ward Markgroff in Oeſtereich 

In Schwoben Herzog zugleich ꝛc. ꝛc. 

Das Haus Geroldseck beſaß eine Menge Herrſchaften und Lehen: 
die Burgen Schenfenzell, Romberg , die Städte Mahlberg und Lahr, im 
Elzthale die Schwarzenburg; in den benachbarten Thälern des Kin— 
zigthals die einft blühende Münzftätte Prinzbach, Selbad mit ergie- 
bigen Silberiverfen, und auf ver Höhe dem Schimberg gegenüber die 
Burg Lützelhardt. (S. für Iehtere die folgende Sage.) Prinzbach ifl 
jeßt nur noch ein Weiler; der Berfall des einft reichen Städtichens wird 
in das elfte Jahrhundert hinaufverlegt und den Kreiburgern zugefchrieben, 
welche am Charfreitage (1001) heimlich die Mauern erftiegen und vie 
Wohnungen ausplünderten. Münzen und Mauertrümmer,, die man am 
Drte findet, weifen indeffen auf eine römiſche Pflanzſtadt hin, die bort 
gelegen haben mag. " 


(S. Mar von Rings „Malerifche Anfichten ver Ritterburgen Teutſchlands. Seftion 
Baden, 1te8 Heft der 2ten Abtheilung.) 


8 Ortenau. 


° Walther von Geroldsee, ” 


Mitter Diebolt, genannt Geroldseck, weil er das 
Schloß diefes Namens bewohnte, ftammte aus einer Nebenlinie 
des Geroldsedifhen Haufes ab. Er war ein böfer, neidiſcher 
und rachgieriger Mann, der aber feine Tüde gar meifterlich zu 
verbergen wußte. Drei Sabre lang trug er einen heimlichen 
Groll gegen Ritter Walthern, den Burgherrn zu Öohen- 
geroldged, im Herzen, weil biefer ihn bei einem Schimpf- 
fpiel vom Roffe geworfen, und bald darnach, als Schiedemann 
feines Widerparts, in einer ungerechten Sache gegen ihn ge= 
ſprochen hatte. 

Eines Tages ging Herr Walther ganz allein, blos von 
feinem Hunde begleitet, auf die Jagd. Er durchſtrich die Wal- 
dungen, die fi, von dem Fuße feiner Burg an, Meilen weit 
durch das Thal erfiresften, und gedachte nun, da er furz zuvor das 
Lager einer trächtigen Hindin ausgefpürt hatte, feinen Junkern 
mit einem kleinen Reh eine Kurzmeil zu machen. Diebolt 
hatte einen Buben, der ein gar fehlauer Wicht war, und viele 
Zage lang, ale ein Betteljunge verkleidet, um dag Schloß 
Geroldseck herſtrich, damit er den Augenblid, da Walther 
allein ausgehen ober ausreiten würde, ablaufen und feinen 
Herren davon benachrichtigen könne. Dieſes war in langer 
Zeit nicht gefchehen, und als ihm der Bube die Botfchaft brachte, 
freute er fich fo fehr darüber, daß er ihm einen Goldgulden 
fihenfte. Hierauf nahm er vier handfefle Männer von feinen 
Leuten zu fih, mit denen er in den Forft eilte, wo er Wal- 
thern zu finden hoffte. Er und feine Gefährten waren vers 
mummt, und er hatte ihnen den firengften Befehl gegeben, fein 
Wort zu fprechen. Mehr als eine Stunde lang durchſtreiften 
fie das Dieficht, ohne den Ritter anzutreffen; endlich fanden fie 
ihn am Fuße einer Eiche ſitzend, wo er einen Kuchen verzehrte, 
den feine Gemahlin, Frau Hedwig, des Abends zuvor geba= 
den und ihm in feine Jagdtaſche geftect Hatte. Als der Hund 
in dem Gebüſch ein Geraͤuſch vernahm, fprang er auf und fing 


*) ©. Bernhard Herzogs Elfäßer⸗Chronik. Straßb. 1592. 5tes Buch. S. 120 ff. 


Ortenau. 9 


an zu bellen; einer von den Knechten aber ſchoß ihm einen 
Bolzen ins Herz, daß er tobt zu Boden ſtürzte. Alsdann fielen 
fie alle über Walthern ber, warfen ihn nieder, bevor er fein 
Waidmeſſer ziehen fonnte, und banden ihm die Hände. auf den 
Rüden, nachdem fie ihm das Wamms vom Leibe geiiffen hatten. 
Hierauf ftedten fie ihm einen Knebel in den Mund, verbanden 
ihm die Augen, und führten ihn mit fi fort. Einer von den 
Knechten befprengte das Wamms mit dem Blute des Hundes, 
und ließ ed am Fuße ded Baumes liegen. In diefem Zuftande 
fohleppten die Räuber ihren Gefangenen etliche Tage lang um- 
her, Nachts in verborgene Herden und Felfen ihn verftedend, 
wo fie ihm Speife und Tranf reichten, und fodann wies 
der mit ihm fortzogen, fo daß der Ritter wähnte, daß er in ein 
fremdes Land hinweggeführt würde. In der vierten Nacht 
brachten fie ihn auf das Schloß Lützelhardt, warfen ihm 
einen ſchmutzigen Kittel um, und legten ihn, mit Ketten bes 
fhwert, in einen finftern Thurm. Frau Hedwig erwartete 
ihren Herrn vergebens mit dem Mittagsmahle, und als er auch 
die Nacht über wegblieb, fandte fie des folgenden Morgens alle 
ihre Knechte aus, um ihn zu ſuchen. Diefe fanden feinen Hund 
und das blutige Wamms nebſt dem Waidmeſſer unter der Eiche, 
und dachten nicht anderd als, ihr Herr fei von Moͤrdern' er- 
ſchlagen und eingefcharrt worden. Vergebens ſuchten fie fein 
Grab oder feinen Leichnam, und famen des Abends mit dem 
Gewehr und dem Kleide traurig nad Hohengeroldseck zu- 
rüd. Ad Frau Hedwig die grauenvolle Nachricht vernahm 
und das blutige Wamms erblickte, das einer von den Knechten 
unter feinem Kittel hervorzog, ſank fie ohnmächtig nieber und 
mußte zu Bette getragen werben, Drei Wochen fonnte fie das lager 
nicht verlaffen, und Jedem, der ihren Sammer mit anfah, brach 
faft das Herz. Ritter Walther war ein eben fo guter Herr, ald 
er ein guter Gemahl und Vater war; er wurde von Alt und“ 
Jung beweint, und mehrere von feinen Bauern machten ſich 
freiwillig auf, um Kundſchaft über ihn einzuziehen; fie famen 
aber Alle unverrichteter Sache wieder zurüd, und niemand zwei⸗ 
felte mehr an feinem Tode. 

Unterbeffen lag Herr Walther immer in feinem Gefäng- 
niffe anf der Burg Lützelhardt, ohne daß er wußte, wo er 


10 Ortenau. 


war. Der Thurmwart brachte ihm täglich zu effen und einen 
Krug Waffer; wenn er aber von ihm angerebet wurde, fo gab 
er dem Gefangenen feine Antwort: — Wißt Ihr, wen Ihr fo 
graufambehandelt? — fragteeinft Walther voll Berzweiflung. — 
Sch will es nicht wiffen, — erwieberte der Dann, — und habe Bes 
fehl, Euch zu tödten, fobald Ihr Euren Namen ausfprecht. — Der 
Nitter glaubte nicht anders, als daß er von fremden Räubern, 
die ein ſchweres Löfegeld für ihn verlangten, in ein fremdes 
Land geführt worden, und wunderte fi oft, wie feine gute 
Gemahlin und feine Freunde ihn fo gar verlaflen konnten. 
Zwei Jahre ſchmachtete er in dieſem Kerfer, ohne ein einziges _ 
Mal die Sonne zu fehen, oder die freie Luft zu athmen. Nur 
wurde bisweilen in der Höhe ein Loch geöffnet, um den fau⸗ 
len Dünften einen Ausgang zu verfchaffen, da dann einige 
Lichtſtrahlen in dieſe Wohnung des Grauens herabglitten. 
Bei diefer Gelegenheit vernahm einft der Gefangene den lauten 
Schall eines Hornes, der ihn aufmerffam machte. Es dünkte 
ihm, diefe Muſik ſchon irgendwo gehört zu haben; er wußte 
fi) aber des Ortes nicht zu erinnern. Einige Zeit hernad), 
als es wieder, und zwar in dem Augenblick erſcholl, da ein 
anderer Wächter, der ihn erft feit drei Monden bediente, ihm 
zu eſſen brachte, erfühnte fh Walther, ihn zu fragen, wo 
boch Diefes große Horn geblafen würde? Der Knecht gab ihm 
zwar feine beftimmte Antwort; dennoch aber glaubte Walther, aus 
einigen Reden bie jener fallen ließ, und aus verfchiedenen Eleinen 
Umftänden, die er damit verglich, den Ort feiner Gefangen- 
haft errathen zu haben. An einem andern Tage fragte 
Walther diefen Knecht nad, feinem Namen und nad) feinem 
Baterlande. Er mußte diefe Fragen mehrmals und auf vers 
ſchiedene Weife wiederholen, eh’ er ihm die Antwort ablodte, 
daß er aus tem Lützelthal, Geroldsedifcher Herrfchaft, ges 
bürtig fey, und daß fein Gefchlecht den Namen Rublin führe. 
Nun zweifelte Walther nicht mehr, daß er auf der Burg Tür 
tzel hardt gefangen läge, und entdeckte zugleich in dieſem Ru b⸗ 
Yin einen feiner leibeigenen Dienſtleute. Er trug daher Fein 
weiteres Bedenken, fih ihm zu erfennen zu geben, und that 
es mit der rührenden Würde der bebrängten Unſchuld. Er 
befchwur ihn bei Eid und Pflicht und unter den vortheilbafteften 





Drtenaum 11 


VBerheißungen, das Werkzeug feiner Befreiung zu feyn. Rube 
Lin hatte feinen Gefangenen nicht gekannt, und von feinem 
Herrn, als er ihm die Stelle des verflorbenen Thurmhüters 
übertrug, das Verbot erhalten, fich bei Lebensftrafe in fein Ge⸗ 
fpräch mit ihm einzulaffen. Als er nun vernahm, daß er, ohne 
es zu wiſſen, der Kerfermeifter feines Herrn geweſen, fiel er ihm 
zu Füffen, bat ihn um Vergebung, und verfprach, ihm herauszu- 
helfen. Wäret Ihr, ſprach er — nicht mein natürlicher Herr, fo 
würde fein Geld noch Gut mich bewegen, Euch zu Willen zu 
leben. — Nun erwartete Walther mit Ungebuld den Tag 
feiner Erlöfung, der nicht lange mehr ausblieb. 

An dem hi. Pfingftfefte, da Ritter Dieboft abmwefend und 
der größte Theil der Burgleute nah Selbad in die Kirche 
gegangen war, fam Rubin in das Gefängniß, nahm Wal⸗ 
thern feine Ketten ab, und entfchlüpfte mit ihm in einen ent- 
fegenen Winkel des Zwingers. Hier klommen fie auf die Mauer, 
woran er ein ftarfed Hafengarn befeftigte, das die Stelle einer 
Strickleiter vertrat, an welcher Beide ſich glücklich hinunter 
ließen, 

Walther war einem Tobtengerippe ähnlich; feine Beine 
fonnten ihn kaum tragen und hatten faft das Gehen verlernt. Dies 
ſes bewog feinen Retter, den gebahnten Weg zu verlaffen, wo 
man fie wegen ber Langſamkeit ihres Zuges leicht hätte einholen 
fönnen, und fich feitwärts in eben die Waldungen zu fchlagen, 
Durch welche der Ritter einft fo Tange herumgefchleppt wurde. 
Sie wanden fich Durd die wildeſten Heden und durch das un- 
wesfamfte Dickicht, und erquicten fi von Zeit zu Zeit mit dem 
Wein und den Speijen, die Rublin mit fih genommen hatte. 
Endlich erreichten fie um Mitternacht das Burgthor von Ho—⸗ 
hbengeroldsed. Walther hatte vier zum Theil erwachlene 
Söhne zurüdgelaffen ; diefen wollte er fich zuerſt entdeden, um 
zu verhüten, daß fein plößliches Erfeheinen und feine armfelige 
Geftalt feiner Gemahlin einen Schreden verurfade. Als ihn 
daher der Thorwart nach feinem Namen fragte, gebot er ihm, 
den vier Zunfern zu fagen, fie möchten herunter fommen, indem 
fie ein Fremder einer wichtigen Runde wegen insgeheim fprechen 
wolle. Nach einigen Minuten erfchienen die vier Jünglinge, 
mit Dolchen bewaffnet, vor der Pforte, und fragten den Frem⸗ 


12 Ortenau. 


ling, wer er waͤre? — Euer Vater! — ſchluchzte Walther, indem er 
ſeinem Erſtgebornen in die Arme ſtürzte. Die Jünglinge um⸗ 
ringten ihn und einer von ihnen hielt ihm ein Licht vor das 
Geſicht; keiner aber konnte ſeinen Vater erkennen, da ihn der 
feuchte Kerler und die kümmerliche Nahrung gänzlich entſtellt 
hatten. — Ihr ſeyd ein Betrüger! — riefen ſie — unſer Vater iſt 
ſchon zwei Jahre todt; er wurde im Forſt auf der Jagd erſchlagen. — 
Ihr wollt mid) nicht erfennen, — ſprach Walther weinend, — freilich 
hat man Euch betrogen. Allein der Betrüger war Der, welcher bie 
Nachricht von meinem Tode ausfprengte. Diebolt von 
Lützelhardt wares, der mich zwei Jahre Yang in der härteften 
Gefangenschaft hielt. — DO, nun fehen wir’s, — riefen Die Söhne, — 
dag Ihr ein Betrüger feyd! Nitter Diebolt iſt felbft mit 
jeinen Knechten ausgezogen, um die Mörder unfers Vaters auf- 
zufuchen, und hat bei unferer Mutter über deffen Tod Thränen 
vergofien. — Diefer Zug, — rief Walther, — fehlte noch, um ihn zum 
Zeufel zu machen. Nun fo holet mir Eure Mutter, diefe wird 
mich nicht verfennen! — Die vier Brüder verfündigten ihrer Mut⸗ 
ter, die unruhig ihre Rückkunft erwartete, daß ein Mann, der 
ſich fälſchlich für ihren Vater ausgebe, fie zu fprechen verlange. 
Frau Hedwig befann fi einige Augenblide; dann dachte fie 
bei fich ſelbſt: vielleicht Haben meine Kinder den Fremden miß- 
verfianden, und er hat ihnen von dem Tode meines Gemahle, 
oder von den Urhebern deffelben, Kundſchaft zu geben. — Sie ftieg 
baher hinunter an die Pforte und hieß ihre Söhne im Hof fie 
erwarten. — Wo ift der fremde Mann? rieffie beim Deraustreten. — 
Hier ift er, dein Gemahl, dein Walther! Meine Söhne haben 
mich verfannt; wird auch mein Weib mich verfennen? — Eure 
Züge, — ſprach Hebwig, — find nicht Walthers Züge; aber Eure 
Stimme, wiewohl fie fhwac und heifer tönet, hat Aehnlichkeit 
mit der feinigen. — Dein Ohr, dein Auge, — verſetzte Walther, — 
mag dich täufchenz; aber dein Herz, Das Herz meiner Hebwig 
wird mich nicht verläugnen! Gewiß hat es jenen Abend nicht 
vergeffen, da fie mir zum erſtenmal ihre feufchen Arme öffnete; 
da ich ihr den Halsfoller löſte, und bie Erdbeere, die ich auf 
ihrer Bruft entdedte ..... Bevor er ausreben fonnte, hing 
fhon Hedwig an feinem Halfe und überftrömte feine bleichen 
Wangen mit ihren Thränen: Du bift ed, ja du bift mein Ge⸗ 


/ 


Ortenau. 13 


mahl! — rief fie mit gebrochenen Worten, — Gott hat dich mir wies 
der gegeben! — Walther drüdte fie mit zttternden Armen an fein 
Herz und theilte dann feiner Gattin noch verfihiedene geheime 
Wahrzeichen mit, welche alle ihre Zweifel gehoben hätten, wenn 
ihr noch einer übrig geblieben wäre. 

Nun rief Hedwig ihre Söhne herbei: Umarmt Euern 
Bater! Er iftes, ich ſchwoͤr' es Euch bei meinem Mutterherzen! — 
Die Söhne warfen fi ihrem Bater zu Füßen, und baten ihn 
wn Verzeihung. Walther bob einen nach dem andern von ber 
Erde, umfchlang ihn mit feinen Armen und drüdte feine Lippen 
auf deſſen Mund. Dann führte Hedwig ihren Gemahl, von fei- 
nen Söhnen umgeben, in die Burg, wo er ihnen die Verrätherei 
feines Betters Diebolt und feine Befreiung durch den getreuen 
Rublin erzählte. Des folgenden Morgens war großer Jubel 
im Schloffe: das geſammte Hofgefinde drängte ſich herbei, um 
feinen guten Herrn zu bewillfommen. Walther reichte ihnen 
feine abgezehrte Hand, an der noch die Malzeichen der Feſſeln 
zu fehben waren. Alle Füßten und nebten fie mit ihren 
Thränen. Nach etlihen Tagen fehrieben die Söhne einen Brief 
an alfe Berwandte, Freunde und Lehensleute ihres Vaters, und 
Hagten ihnen, wie ehrlos Diebolt von Lützelhardt an ihm 
gehandelt, wie er ihn heimlich entführt und in einen fchredlichen 
Kerfer geworfen habe, um ihn darin verfchmacdhten zu Taffen. 
Sie forderten alle diefe Männer im Namen der Ehre und der 
Freundfchaft auf, mit ihnen auszuziehen, um diefe Unbilde zu 
rächen. “Die nächſte Woche darauf erfchienen die Freunde bes 
Herrn von Geroldseck mit 200 Reifigen auf feiner Burg und 
rüdten gegen dag Schloß Lügelhardt, das fie zehn Tage lang be⸗ 
lagerten. Diebolt wehrte ſich anfänglich mit dem Muthe der 
Verzweiflung ; ald aber bie lebensmittel ausgingen und er feine 
Leute, anftatt Viebreich fie zu tröften, täglich graufamer behan- 
belte, fo wollten fie ihn zwingen, die Veſte zu übergeben. Da 
entfloh der Ritter des Nachts durch einen unterirdifchen Gang, 
‚ und Niemand wußte, wo er bingefommen war. Das Schloß 
aber ergab fi am folgenden Morgen, und wurde gänzlich zer- 
ftört, wie man folches noch an dem Burgftall fieht. 

Der bievere Rublin wurde von Ritter Walther mit feinem 
ganzen Gefchlechte von der Leibeigenfchaft Yosgefprochen, und 


14 Drtenam. 


mit fchönen Gütern und flattlihen Freiheiten begabet, die er 


auf feine fpäteflen Enkel vererbt hat. 
G. ©. Pfeffer. 
(S. deffen „Proſaiſche Verſuche.“ V. Th. Tübingen 1811.) 


Klofter Schuttern. 


"Un der Schutter, zwifchen Offenburg und Lahr, Tiegt das 
ehemalige BenebiktinersKiofter Schuttern. Nach der Sage fol 
baffelbe feinen Urfprung einem ehemaligen englifchen König, 
Dffo, verdanken. Es ift wahr, daß das Klofter Schuttern in ' 
alter Zeit den Namen Offenzell führte, und daß die Stabt 
Dffenburg, welche den nämlichen englifchen König zu ihrem 
Gründer haben foll, ehemals einen Engel auf ihre Münzen 
prägte; was, wie die Engel auf den Zinntellern, wohl etwas 
Engliiches bedeuten Tann, aber nicht immer wirklich bedeutet. 
Es ift ferner wahr, daß es einen König Offa von Mercien in 
England gegeben hat, welder Thron und Gemahlin verließ, 
nah Rom pilgerte und dann irgendwo ein Mönd wurde; 
aber das gefhah im Jahr 707, und das Klofter Offenzell ift 
fhon wenigftens hundert Jahre vorher geftanden. Der Grüns 
ber von Offenzell, wie von Offenburg, feheint ein Adeliger der 


Gegend, mit Namen Dffo, gewefen zu feyn. 
3. 8. B. 





220 


Offenburgs Arſprung. 


Dffenburg foll von Dffo,*) einem Britanifhen Fürften- 
fohne, um's Jahr Chrifti 600 gegründet worden feyn. Er 
befehrte in diefen Gegenden die wilden Alemannen zum Chris 
ſtenthum, fliftete das Kloſter Schuttern und nahm als 
Statthalter des Königs der Franken in Dffenburg feinen 
Sig. Man gibt in diefer Stadt noch die Gegend an, (bei 
dem Gaſthaus zum Ochfen) wo fein Schloß geftanden haben 


2) ©, obige Sage, 








Ortenau. 15 


"fol. Auch zeigt man noch Münzen, von denen man behauptet, 
daß er fie habe ſchlagen laſſen. Später hielten hier die von 
den teutfchen Königen und Herzogen von Schwaben beftellten 


Grafen der Ortenam ihren Hof und ihre Gerichte. 
2.2.8. 


Ritter Peter von Stauffenberg und die 
Meerfeye. 


In ſteben RNomanzen. 
(Wahrhafte Geſchichte Herrn Peter v. Stauffenberg.)“ (Straßbg. bei B. Tobias Erben 1595.) 


I. 


Vorüber zieht manch edler Aar. 
Herr Peter ein theurer Ritter war, 
Er war fo feufch, er war jo rein, 
Wie feined Antlitzs edler Schein, 
Er war bereit zu jeder Zeit, 
Zu Schimpf, zu Ernft, zu Luft, zu Streit. 


In junger Kraft, in fremdem Land, 
Sein Mannheit machte ihn befannt, 
Als er nah Haufe kehrt zurüd, 
Bedenkt in fih fein hohes Glück, 
Langſam zur Burg hinauf thut reiten, 
Was fieht fein Knecht zu einer Seiten ? 


Er fieht ein fhönes Weib da figen, 
Bon Gold und Silber herrlich blitzen, 
Bon Perlen und von Edelftein, 

Wie eine Sonne reich und rein, 
Der Knecht winkt feinen Heren zu ſich: 
„Gern diente’ diefer Frauen ich!“ 


Der Ritter grüßt in großer Zucht, 
Er drüdt an fich die edle Frucht. — 
„Ihr ſeyd e8 Ritter, edler Herr! 
„Das Wunder das mich treibet her, 


ee — — — — — — 


16 


Ortenau. 


„In allen Landen, wo Ihr wart, 
„Hab' ich euch glücklich ſtets bewahrt.“ — 


„„Kein ſchöner Weib hab' ich erblickt, 
Ich lieb euch wie es aus mir blickt. 
Ich ſah euch oft im tiefſten Traum, 
Jetzt glaub ich meinen Sinnen kaum, 
Wollt Gott, ihr wärt mein ehlich Weib, 
In Ehren dient ich eurem Leib.““ 


„Run fo wohl hin!“ ſprach da bie Zart: 
Auf diefe Red hab ich gewart, 
Ich z0g dich auf mit Liebeskraft, 
Die alles wirft, die alles fchafft, 
Ich bin die Deine, ewig Dein, 


Doch muft du auch der Meine feyn! 


„Nie darfft du nehmen ein ander Weib, 
Dir eigen ift mein ſchöner Leib 
Sn jeder Nacht, wo bu begehrft, 
Und Macht und Reichthum dir befchert, 
Ein ewig enbelofes Leben, 
Will ich Durch meine Kraft dir geben. 


„Unangefocht wirft du nicht bleiben, 
Man wird Dich treiben, dich zu weiben. 
Wo du's dann thuft, red ich ohn Zagen, 
So bift du tobt in dreyen Tagen; 

Sieh weg von mir und denfe nad, 
Was dir dein eignes Herze ſagt!“ — 


„„Nun, herzigs Weib, ift dem aljo, 
Sp werbet meiner Treue froh. 
Was fol ich für ein Zeichen haben, 
Daß Ihr von mir wollt nimmer laſſen ?““ — 
„Ss trag von mir den goldnen Ring, 
Bor Unglüd ſchützet dich der Ring.“ 


Mit fpiefendem Kuß er Abſchied nahm, 
Nah Nußbach er zur Meſſe kam, 


Drtenan. 


Da ging er mit den Kreuzen audh, 
Und nabte fi dem Weiheraudh, 
Sein Leib und Seel er Gott befahl, 
Er follt ihn fchügen überall. 


H. 


Als er auf Stauffenberg nun kam, 
Schnell ab fprang da der edle Mann, 
Ein jeder wollt ihn fehen, hören, 

Ein jeder wollt ihn höher ehren. 
Bon feinen Dienern große Eil, 
Don Fraun und Mädchen groß Kurzweil. 


Zu Bette trachtet nur der Herr, ' 
Nach feiner Frau verlangt er fehr, 
Biel herrlich Rauchwerf ward gemacht, 
Das Bett verhängt mit großer Pracht, 
Den Dienern bald erlauben thät, 

Daß fie ſich legten all zu Bett. 


Er zog fich ab, feßt ſich aufs Bett, 
Und zu ſich felber alfo redt: 
„O hätt ich fie im Arm allein, 
Die heut ich fand auf hohem Stein!“ 
Als er die Worte kaum noch ſprach, 
Die Schöne er mit Augen ſah. 


Biel froher Minne fie begehn, 
Sie mochten einander ind Herze fehn, 
Wenn einer thät dem nachgedenken, 


Sp möchte ihn wohl die Sehnfucht Fränfen. 


Als er erwachte, glaubt ers kaum, 


Er fand den Ring, fonft ware ein Traum. 


II. 


„Ihr wiſſet nun zu dieſer Friſt, 
Daß unſer Geſchlecht im Abgang iſt, 
II. 


17 


18 


Ortenau. 


„So nehmt ein Weib, berühmt und reich, 
Ihr ſeyd ſchon jedem Fuͤrſten gleich, 

Wir bringen euch viel Fräulein ſchön, 
Die euch gar gerne alle fehn.” 


Herr Peter war erfchroden fehr, 
Sein Bruder fohweigt, da fprach der Herr: 
„Ich dank euch edle Brüder mein, 
Doch kann es alfo noch nicht feyn, 
Zur Kaiferfrönung geh ich hin, 
Nah Ruhm und Ehre fteht mein Sinn.” 


Die Meerfey gab ihm diefen Rath, 
Sie hat es ihm voraus gefagt, | 
Sie giebt ihm Gold und edlen Schmud, 
Wie Keiner ihn fo herrlich trug, 

Sie füffet ihn und warnet ihn, 
Daß er fih nicht gab Weibern hin. 


IV. 


Der Zierlichfle meinte ein jeder zu ſeyn. 
Der Stauffenberger zog auch ein, 
Seins Gleihen war zugegen nicht, 
Der fo zierlich einher ritt, 
Der König nahm fein eben wahr, 
Dazu die Frauen ernfthaft gar. 


Trommeten fingen an zu blafen, 
Die Pferde fingen an zu tofen, 
Da Iuflig ward fo Roß ald Mann, 
Wie das Turnier gefangen an, 
Herr Peter alle darnieder rennt, 
Er macht dem Rennen bald ein End. 


Als nun der Abend fam herbei, 
Bon neuem ging Trommetenſchrey, 
Als fie zu Hof gegeffen hatten, 

Den fürftlichen Tanz fie allda thaten, . 


Drienan. 19 


Des Königs Bafe fchön geziert, 
Den erfien Dank in Handen führt. 


Bon Gold und Perlen diefen Kranz, 
Dem Ritter fett fie auf zum Tanz, 
Thät auf das gelbe Haar ihm fegen, 
Thät freundlich ihm den Finger pfeken, 
Gab ihre Lieb ihm zu verftehn, 

Durch manden Blick ſchön anzufehn. 


V. 


Der König lag in ſeinem Bett, 
Des Nachts ſeltſam Gedanken hätt, 
Und ſeine Gedanken gingen ein 
In ſeiner Baſe Schlafkämmerlein, 
Und immer ſchwerer kamen wieder, 
Wie Bienen ziehn vom Schwärmen nieder. 


Am Morgen ſchickt er ſeinen Zwerg, 
Zu Peter Herrn von Stauffenberg: 
„Die Baſe mein von hoher Art, 

Die Fürſtin, jung und reich und zart, 
Die will ich geben Euch zum Weib, 
Mit ihrem Kärntnerland und Leut.“ 


Kein Wort kam aus des Ritters Mund, 
Erſchrocken ſtand er da zur Stund; 
„Mein Red halt mir für keinen Spott, 
Und nimm hiemit zu Zeugen Gott, 

Daß es mein ew'ger Ernſt fürwahr, 
Daß Euer die Fürſtin ganz und gar.“ 


Herr Peter ſprach mit großen Treuen, 
Der hohe Lohn könnt' ihn nicht freuen, 
Wie er der Meerfey ſchon verlobt; 

Der Untreu ſey der Tod gelobt, 
Sonſt ſey er frei von Noth und Leid, 


Mit Gut und Geld von ihr erfreut. 
2* 





20 


Drtenau, 


„Beh Eurer Seele an dem Ort! 
Sie ift verloren bier und dort, 
Seht Gottes Auge nimmermehr, 
Wenn hr Euch nicht von ihr abkehrt; 
Sollt Ihr nen Geift zum Weihe haben, 
Nie werden euch die Kinder laben. 


„Dem Teufel feyb ihr zugefellt, 
hr armer Mann! Ihr theurer Held!” 
Sp ſprach der Bifchof und der König, 
Der Ritter fagt darauf zum König: 
„Es geht mir tief zu meinem Herzen, 
Und Gottes Gnad will nicht verfcherzen.“ 


Herr Peter ward verlobt fogleich, 
An Gold und edlen Steinen reich, 
O heller Glanz der Jungfrau fein, 
Wie ftrahlt er ihm mit Freubdenfchein! 
Nah Stauffenberg fie ziehen fort, 
Zu feiern ihre Hochzeit dort! 


hr düftren Wälder auf dem Wege, 
Was ftredt die Hefte ihr entgegen, 
Biel froher Schaaren ziehen ja, ' 
Mit hellem Klange fern und nah, 
Mit bunten Bändern, Scherz und Streit, 
Iſt alles Luft, ift alles Freud. 





VI. 

Auf Stauffenberg zur erften Nacht, 
Zur ſchönen Frau fein Herze dacht, 
Alsbald an feinem Arıne lag, 

Die fein mit fleten Treuen pflag, 
Sie weinte, ſprach: „Nun wehe bir! 
Du folgteft gar zu wenig mir, 


„Daß du ein Weib nimmft zu der Ep, 
Am dritten Tag Vebft du nicht mehr, 





Drtenau. 


„Ich fag dir was gefchehen muß: 
Ich laſſe fehen meinen Fuß, 

Den follen fehen Frau und Mann, 
Und ſollen ſich verwundern dran. 


„Sp nun dein Aug den auch erficht, 
So ſollſt du länger fäumen micht, 
Denn e8 fich immer anders wendt, 
Empfang das heilge Saframent, 

Du weift, daß ich dir Glauben. halte, 
Auf ewig find wir nun zerfpalten.” 


Mit naffem Aug fie zu ihm ſprach: 
„Here denfet fleißig nach der Sad, 
Ihr dauret mid) im Herzen mein, 

Daß ich nicht mehr kann bei Euch feyn, 
Daß mich nun nimmer fieht ein Mann, 
Ich fall in ew’ger Liebe Bann.” 


Dem Ritter liefen die Augen über: 
„Sol ich denn nie dich fehen wieder, 
So ſeys geklagt dem höchſten Gott, 
Der ende balde meine North, 
Ach daß ich je zu Ruhm gekommen, 
Daß mid) ein fürftlid Weib genommen !“ 


Sie füßte ihn auf feinen Mund, 
Sie weinten beide zu der Stund, 
Umfingen einander noch mit Lieb, 
Sie drüdten zufammen beide Brüft : 
„ac flerben das ift jest Euer Gewinn, 
Ich nimmermehr wieber bei Euch bin !« 





VII. 


Kein Hochzeit je mit ſolcher Pracht, 
Gehalten ward bis tief in die Nacht, 
Viel Lieder und viel Saitenſpiel, 
Man hörte in dem Schloſſe viel, 





Razeran 


22 


Drtenau, 


Und alles bei dem Tiſche faß, 
Man war da fröhlich ohne Maaß. 


Sie faßen da im großen Saal, 
Alsbald da fah man überall, 
Die Männer fahens und die Frauen, 
Sie konnten beide es anfchauen, 
Wie etwas durch die Bühne ftieß, 
Ein Menfchen-Fuß ſich fehen Tieß. 


Bios zeigt er ſich bis an das Knie, 
Kein fihönern Fuß fie fahen nie, 
Der Fuß wohl überm Saal erfcheint, 
Sp fhön und weiß wie Elfenbein, 
Der Nitter fill faß bei der Braut, 
Die fchrie bald auf und fehrie gar Taut. 


Der Ritter, als er den Fuß erfah, 
Erſchrack er und ganz traurig ſprach: 
„O weh, o weh, mir armen Mann !’ 
Und wurde bleich yon Stunde an. 
Man bracht ihm fein kriſtallnes Glas, 
Er fah es an und wurde blaß. 


Er fah in dem Kriftall-Pofale, 
Ein Kind, das fehlief beim lauten Mahle, 
Es fchlief vom Weine überbedt, 
Ein Füßchen hat ed vorgeftredt, 
Doc wie der Wein getrunfen aus, 
Sp ſchwand das Kindlein auch hinaus. 


Der Ritter ſprach: „Der großen Noth ! 
„In dreien Tagen da bin ich tobt.” 
Der Fuß, der war verfchwunden da, 
Ein jeder trat der Bühne nah, 
Wo doch der Fuß wär kommen bin, 
Kein Yoch fah man da in der Bühn. 


AU Freud und Kurzweil war zerflört, 
Kein Inftrument wurd mehr gehört, 
Aus war das Tanzen und Das Singen, 
Turnieren, Kämpfen, Fechten, Ringen, 


— 





Ortenau. 23 


Das alles ſtill darnieder leit, 
Die Gäſte fliehn in die Felder weit. 


Die Braut nur bleibt bei ihrem Mann, 
Der Ritter ſieht ſie traurig an: 
„Geſegne dich du edle Braut, 
Du bleibſt bei mir, haft mir vertraut,” — 
„„Durch mic, verliert Ihr euer Leben, 
In geiftlihem Stand will ich nun leben.““ 


Das heilge Del empfing er dann, 
Nach dreien Tagen rief der Mann: 
„Mein Herr und Gott in deine Hänbd, 
Ich meine arme Seele fend, 

Mein Seel thu ich befehlen Dir, 
„Ein fanftes Ende giebſt du mir.” 


Ein Denkmal warb ihm aufgericht, 
Bon feiner Frau aus Liebespflicht, 
Dabei fie baut die Zelle Hein, 

Und betet da für ihn fo rein; 

Dft betend kam auch die Meerfey hin, 

Sie ſprach mit ihr aus gleihem Sinn. 
(Siehe „Des Knaben Wunderhorn 20.” Bd. L) 


Staufenberg, ein noch wohl erhaltenes, von Otto von Staufen- 
berg, Bifhof von Straßburg, erbautes und neuefter Zeit von ©. 8.9. 
dem Großherzog geſchmackvoll hergeftelltes Schloß, Liegt auf einem Hügel 
bei Durbach, 2 Stunden norvöftlih von Offenburg. 

Die Sage nach dem Bollsmunve, aus welcher Fouque das Original 
zu feiner UUnd ine“ gezogen haben fol, ifl auch von Aloys Schreiber 
bearbeitet worden. Sie fteht in veffen „Sagen aus der Umgegend von 
Baden” und, in gebundener Darftellung, im Jahrgang 1819 ver Cornelia. 

Siehe ferner: „Der Nitter von Staufenberg,“ ein altteutfches Ge- 
dicht von Egenolt. Mit Tritifchen Bemerkungen herausgegeben von 
Engelhard. Straßburg 1823. 


Nitter Stauffenberg. 
/ ‚(Andere Berfion.) 

Sin reicher Flur, auf waldumbüfchten Höhen, 
Wo ſtolz der Rhein begrüßt die Ortenau, 
Sieht man der Burg bemooſte Trümmer ftehen, 
Bon ferne ſchon, auf Felſen fteil und rauh: 


Drtenam 


Dort tönt e8 in der Morgenwinde Wehen‘. 
Oft füß, wie Harfenflang — im Abendihau 
Erhebt fih neu die fhaurig — milde IBeife, 
Und Geiftertritte wandeln ernft und leiſe. 


Dort wohnte Staufenberg, ein edler Ritter, 
Mannhaft und kühn, wie Richard Löwenherz; 
Groß war fein Muth im Schlachtenungemitter, 
Und Lanzenbredden war ihm Spiel und Scherz. 
Der Liebe Reiz auch kannt' er, füß-und bitter, 

In mander Wonn’, in manchem wilden Schmerz, 
Und bleiben fol, weil ihn ein Weib betrogen, 
Eein Sinn allein der freien Luft gewogen. 


Einft kehrt mit feiner Schaar aus Thal und Sträuchen 
Der Ritter von der Jagd im dunfeln Hain, 
Und als das Dörflein Nußbach fie erreichen, _ 
Läßt er die Knappen vor, und bleibt allein : 
Nah’ ift ein Duell, ummweht von alten Eichen, 
Und glänzend nun im goldnen Abendſchein; 
Hier weilt er oft, und läßt in Traum und Sehnen 
Auf feiner Laut’ ein Minnelied ertönen. 


Wie ftaunt fein Bid, als er an diefer Duelle 
est eine wunderfchöne Jungfrau fand: 
Sie ſchaut mit Lächeln auf die Silberwelle, 
Ihr blondes Haar umfchlingt ein Roſenband; 
Mild ift ihr Angeſicht, wie Frühlingshelle, 
Und weiß wie Schnee ihr ſchimmerndes Gewand. 
Er grüßt: die Maid erhebt fi aus dem Grünen 
Und danket ihm mit fittig holden Mienen. 


Und ald mit Namen fie Darauf ihn nennet, 
Berwundert fich Darob der Ritterömann : 
„Es fcheint, o Fräulein, daß Ihr ſchon mich Fennet ?“ 
Die Schöne fagt: „„Mein Eig ift neben an; 
Ich ſeh' Euch oft, wenn Ihr im Fluge vennet 
Dem Walde nach feldab und hügelan; 
Und fhöpft ihr dann den Trunf am Duell der Wiefen, 
Hör’ ich die Jäger Euch mit Namen grüßen.” 





Ortenau. 


Sie ſpricht noch mehr in himmliſch holden Tönen; 

Der Liebesgättin gleicht fie yon Geſtalt. 

Der Ritter fühlt ein unnennbares Sehnen, 

Es Hält ihn feſt mit zaubriſcher Gewalt. 

Er horcht der feinen Sprache diefer Schönen 
Entzückt; doch ad! die Stunde flieht zu bald; 

Da geht er bei des fanften Mondes Blicke, 

Und fehrt beim nächften Abendroth zurücke. 


Er fett fich hier auf einen Felfen nieder, 
Schaut in das Feld, auf die kriſtallne Flut; 
Ein füßer Schauer wallt durch feine Glieder, ' 
Und in dem Herzen brennt der Liebe Gluth. 
Doch warten ift umfonft, fie fehrt nicht wieder: 
Er fhleicht zur Burg; ihm finfen Kraft und Muth — 
So fommt er jeden Abend ber und klaget, 
Daß ihm nicht mehr erfcheint die holde Maget. 


Am fechflen Tag, im fpäten Dämmerlichte, 
Harrt Staufenberg und feufzt: „Ach! wie fo lang! 
Wil denn mein Loos, daß ich auf fie verzichte ?" 
Da tönt ein leiſer, Tieblicher Gefang. 
Er horcht, und ſpäht bis in des Haines Dichte. 
Doch ſchien's, daß aus dem Duell Die Stimme drang; 
Da fit, ald nun fein Schritt zum Waſſer eilet, 
Die Jungfrau auf dem Stein, wo er geweilet. 


O weldes Glück! Er hat fie nun gefunden! 
Schon lächelt ihm der ſchönſten Träume Ziel: 
Do fol fein Fragen nichts von ihr erfunden, 
Und lächelnd feherzt fie nur im Wörterſpiel. 

Ah! füß betäubt, zu mächtig überwunden, 

Befennt er nun fein liebendes Gefühl; 

Sie finnt voll Ernft und fpridt: „An diefer Stelle 
Seyd morgen früh, noch vor des Tages Helle!“ 


Und eh’ die Stern’ entflohn auf andre Bahnen, 
Erfcheinet, faum der Wonne ſich bewußt, 
Der Held, ed wehn des Morgens lichte Fahnen, 
Da ſteht die Reizende vor ihm, o Luſt! — 


25 


26 


Drtenau. 


Umfrängt ihr Haar von bläulichen Cyanen, 
Gefhmüdt mit jungen Rofen ihre Bruft. 
Sie fieht ihn an mit unſchuldvollen Blicken, 
Und Worte faum vermag er auszubrüden. 


Sie winkt zum Sig: er folgt ihr gluthbefeelet, 
Faßt ihre Lilienhand und fagt dabei, | 
Wie ſtets um fie die Flamme noch ihn quälet; 

Die Maid antwortet: „Eine Wafferfei 

Bin ih — von folden wird ja oft erzähle — 
Auch Menſchen Tieben wir; doch reblich fei, 

Wer ein Berlangen fühlt, um und zu werben; 
Sonft wird und tiefe Dual, und ihm — Verderben. 


„Gern, Ritter, ſah ih Euch an dieſer Stelle; 
Drum, wenn Ihr mein Gemahl zu feyn begehrt, 
Dleib’ Eure Treu’ fo rein, wie meine Duelle, 


‚Und dauernd, wie der Stahl an Eurem Schwert! 


Doch wenn fih von Erlinen je der fchnelle 
Und leichte Sinn zu andern Frauen kehrt, 

Wird Noth und Fall fih über Euch vereinen, 
Und nur mein Fuß zum Zeichen noch erfcheinen.” 


Er ruft: „Ha! ohne Dich ift mir fein Leben, . 
Und ewig fefte Treue ſchwör' ich Dir!” 
Sie eilt erröthend ihm ein Pfand zu geben: 
Es ift ein Ring von Demant und Saphir. 
Er drüdt fie an die Bruft mit füßem Beben 
Und fpridht: „Ach! welche Wonne finden wir, 
Nicht mit dem Gold der Erde zu erfaufen, 
Auf holder Flur in meiner Burg zu Staufen !“ 


E8 wird beflimmt, daß mit dem jungen Strahle 

Des vierten Tags die Trauung foll gefchehn. 

ALS dieſer naht, und jeßt auf Flur und Thale 
Der Morgen fteigt herab von Purpurhöh'n, 

Da eilt aus dem Gemab zum hohen Saale 

Der Ritter fchon, und fieht drei Körbehen ftehn, 
Recht Fünftlich fein, geweiht dem Minnefolde, 

Und voll von Silber, Edelftein und Golde. 





Ortenau. 27 


Bald öffnen ſich des Marmorſaales Thüren: 
Erlina tritt im Hochzeitsſchmuck herein; 
Sechs Mädchen folgen noch aus den Revieren 
Ded Duellenreihe, Undinen, blond und fein. 
Schon fieht das Volk zur Burgfapelle führen 
Die Glüdlichen, wo, ihren Bund zu weih’n, 
Der Priefter harrt, und bald dem edlen Paare 
Den Segen fpridt am heiligen Altare. — 


Wie felig fühlt fih an Erlina’s Wangen 
Der Ritter nun! Wie dünkt ihm öd' und rauh 
Die ftürm’fche Luft der Welt! Sie ift vergangen, 
Sein Herz ſchlägt nur der häuslich-milden Frau. 
Sn fanfter Schönheit lockt fie fein Verlangen, 
Sp wie den regen Welt die Blumenau: 
Ein Jahr entfloh, da lacht — o füße Gabe 
- Des Bundes! — ihr im Schooß ein holder Knabe. 


est hört man, dag dem Frankenkönig dräuet 
Mit ftarfer Macht ein Feind von Süden her, 
Und daß der Held die edlen Schaaren reihet, 
Der Gränze nah’, zur tapfern Gegenwehr. 
Schon ordnet rings im Waffenglanz und freuet 
Sich auf den Streit das fieggewohnte Heer; 
Auch Ritter von dem rechten Nheingeftade, 
Betreten fühn mit ihın des Ruhmes Pfade. 


Und Staufenberg? — das rüflige Beginnen 
Entflammt auch ihn zu neuer Ritterthat: 
Er will zur Liebe neuen Ruhm gewinnen, 
Wiewohl er Rorbeern ſchon errungen hat; 
Und vor die Gattin tritt, nach langem Sinnen, 
Der Rittersmann, fragt zärtlich fie um Rath, 
Wie er fol thun; weil Angft und Kummer litte 
Ihr Herz vielleicht, wenn er zum Kampfe ritte. 


Da fließt, der Perle gleih an Saba’s Strande, 
Ein Thränden von Erlinens Angeficht; 
Sie faßt fi und erwiedert: „Heil’ge Bande, 
Wie unfre, tilgen Zeit und Ferne nicht. 


Drtenau 


Geliebter, eile denn zum Schuß der Lande ! 
Nicht hemmen werd’ ich deine Ritterpflicht; 

Nur, bis dich gute Stern’ und wieder fchenfen, 
Woll' treulich mein und deines Kinds gedenken!“ 


Der Ritter ſchwört es ihr bei Heil und Leben, 
Drückt fie an’s Herz, und bald im Morgenfihein 
Zieht er, vom Trupp der Reifigen umgeben, 
Dur heim’fche Fluren fort und übern Rhein. 
Wo Herzog Otfrieds Banner ſich erheben, 

Reiht er ſich fehnell mit feinen Kämpfern ein; 
Dann eilt das Heer fernhin, auf manchen Wegen 
Zu Roß und Fuß, dem wilden Feind entgegen. 


Nicht lange drauf erfchallt die hohe Kunde: 
„Sm Byrenä’ngebirg war eine Schladht, 
Auf Felſenhöh'n und in des Thales Schlunde ; 
Bald wich, bald drang voran des Könige Madıt. 
Es fchlug der Kampf wohl manche heiße Stunde -— 
Doch plötzlich ward ein heft'ger Stoß gebracht 
Des Feindes Heer’, es fielen alle Schranten, 
Die Heiden flohn, und Sieg ummeht bie Sranfen.” 


So ift ed. Doch wer brah im Schladhtgewühle 
Der Gegner Mitte nun? Wer hat erhellt 
Dem tapfern Heer die Bahn zum frohen Ziele ? 
Bor Allen Staufenberg, der fühne Held: 
Das erfte Treffen lenkt’ er, und noch viele 
Der Kämpfe fehn Berg, Haine, Thal und Feld, 
Dis ſich des Feindes Kräfte ganz ermüden, 
Und glorreich fchließt mit ihm der König Frieden. 


Ad! ſüße Tön’ in Leid und Sorgen waren 
Erlinen dies; ſchon Tächelt Wiederfehn ! 
Dald hört man, daß der Krieger tapfre Schaaren 
Nach ihrer Heimat) im Triumphe gehn; 
Doch hat vorher noch Staufenberg erfahren, 
Wie Geift und wackre That den Mann erhöhn: 
Der König läßt ein goldned Schwert ihm reichen, 
Und Michaels geweihte Ordenszeichen. 








Drtenam. 29 


Auch Otfried, Herzog in dem Rhein'ſchen Franken, 
Will ihn, der ruhmvoll feine Schaar geführt, 
Bor dem der Sarazenen Banner fanfen, 
Hoch ehren, wie dem Helden es gebührt, 
Und möcht' ihm gern auf würd’ge Weife danken: 
Da, wo fein Hof des Rheines Gauen ziert, 
Lädt er in einen Kreis erhabner Gäſte 
Den Rittersmann zum hohen Siegesfefte. 


Wie glänzt der reihe Saal in ſtolzer Feier! 
Wie wird beim Mahl die Freude hoch und Taut! 
Der Minnefang ertönt zur goldnen Leier, 

Und an der Fürftentochter Seite fchaut 

Man Staufenberg, der Allen werth und theuer ; 
Ein Flüftern geht: „Nur er verdient die Braut!” 
Auch fpricht er gern zur ſchönen Adeline; 

Gern lauſcht fie ihm mit Huld und fanfter Miene. 


Als froh der zweite Tag in Schatten finfet, 
Da tritt in fein Gemad ein Höfling ein, 
Und fpricht: „Ihr wünſcht, o Herr, wie und bebünfet, 
Der reizenden Prinzeffin euch zu weih’n, 
Auc fie — vernehmt, wie Glanz und Wonne winfet ! 
Scheint nicht dem Helden abgeneigt zu feyn. , 
Drum, wollet mir nur Eure Wünfche nennen, 
Der Herzog wird Euch gern ald Sohn erfennen ! 


Und Staufenberg verfegt in Gluth und Beben: 
„Nicht jet — doch morgen fei mein Wunfch erklärt !” 
Er fühlt in ſich der Ehrfucht hohes Streben 
Und daß fein Herz die Liebliche begehrt; 

Als des Gewiſſens Schauer ſich erheben — 

Denft er: „Wer ew’ge Treu’ der Gattin fehwört, 
Sollt' eben fo die heil’gen Worte brechen, 

Wie ihm ein falfhes Weib? — Gott wird ed rächen |” 


In wankendem Entfhluß, in Noth und Thränen, 
Geht ihm die fehlummerlofe Nacht vorbei. 
Zu Otfried eilt er, als die Vögel tönen 
Ihr Morgenlied, und fagt ihm endlich frei, 


30 


Drienam 


Nah der Erhabnen flehe nur fein Sehnen, 
Do knüpf' ihn fchon Das Band an eine Fey. 
Der Herzog flaunt ob ſolchen Wunderbingen 
Und meint, Died werd’ ein böfes Ende bringen. 


Er finnt vergebeng, ob ein Rath ſich fände; 
Darum befragt er feinen Hoffaplan. 
Der fpricht: „Erlauchter Fürft, der Himmel wende 
Das Unheil ab von diefes Edlen Bahn! 
Nur wenn fih eine Gattin ihm verbände, 
Die Lehr’ und Taufe, fo wie er, empfah’n, 
Könnt er ded Spuks verworfne Bande Idfen 
Und ſich befrei'tn von dem Geſpenſterweſen.“ 


Der Rittersmann entfchließt fih: ach! er trauet 
Sp bald dem gleisnerifchen Priefterwort ! 
Der Bund, auf den er ſtolze Plane bauet, 
Die neue Gluth, reißt ihn gewaltfam fort. 
As auf die Flur der dritte Abend thauet, 


- Sieht man verlobt am glanzerfüllten Ort 


Den tapfern Staufenberg mit Adelinen ; 


Rings tönts: „Ein ſchönes Paar!— Heil, Heil fey ihnen!’ — 


Sie ſchauen foll der zwölfte Tag verbunden; 
Da langt zuvor ein Knecht von Staufen an. 
Der Ritter ſtutzt, und fragt ihn, welche Kunden 
Er melden foll? Hierauf verfest der Mann: 
„Herr! mit dem Kind ift Euer Weib verfchwunden 
Sp ſchnell, dag Niemand es begreifen Tann; 
Dies war am Abend der Berlobungsfeier.” 
„„Seltſam, ruft Staufenberg, und nicht geheuer!““ 


Es war, — fo denft er — jener Bund gefchloffen, 
Wenn chriftlich, doch in ſchlimmer Geifter Sinn; 
Wohl mir, dag fih Das wahre Licht ergoffen ! 

Und leichten Muths geht er zur Trauung bin. 
Schon Yacht der Mai und milde Bächlein floffen 
In dem Gefild; es blüht der Hain, worin . 


- Des Fürften hohes Luftfchloß fich erhebet, 
Bon Dienern und von Zofen neu belehet, 








Ortenau. 31 


Dort, als vollbracht die firchlihen Gebräuche, 
Empfängt die Tafel rund im Ritterfaal 
Den Hof, auch viel der Großen aus dem Reiche, 
Der Herrn und Damen zu dem Hochzeitmahl. 
Horch! Hörnerfhall! die Braut, die göttergleiche, 
Deut lächelnd ihrem Lieben den Pokal, 
Er nimmt ihn, blidt empor — wird wie verfteinet, 
Weit — an der Wand ein Frauenfuß erfcheinet. 


Kalt fährt es ihm und heiß durch alle Glieder; 
Nur er Tann fehn den niedlichsfchönen Fuß; 
Der fchwindet nun: Der Ritter faßt ſich wieder, 
Trinkt vafch und murmelt: „Geh's denn, wie ed muß |“ 
Man will, da ſchon die Sonne fteigt hernieder, 
Zur Hofburg ziehn noch vor des Tages Schluß. 
Doch Staufenberg? — — Man fieht, er kann nicht hehlen, 
Daß plöslich ihn geheime Echauer quälen. 


Die Wagen gehn im ftolgen Pomp zurüde; 
Mit Knechten folgt zu Roß der Bräutigam; 
Er tauſcht mit feiner Holden Liebesblicke, 
Und birgt nad) aller Macht den innern Gram. 
Im offnen Feld erfcheint die Bogenbrüde, 
Und während jegt der Zug hinüber Fam, 
Will durch den feichten Flug vor feinen Knappen 
Der Ritter fohnell, und Ienft hinein den Rappen. 


Dod in der Mitte fchnaubt Das Roß — nicht weiter 
Wil es voranz nichts helfen Sporn und Hand; 
Es baumt und überfchlägt fi mit dem Reiter — 
Ha! diefer fällt, der Hengft entfpringt an's Land. 
Schnell wächſt der Strom, ergießt fi wild und breiter, 
Und überfluthet fchon den hoben Strand; 
Er raufıht, die Wellen thürmen fih voll Graufen 
Hochauf, der Donner hallt und Stürme faufen. 


Wie läßt fih laut der Frauen Klage hören! 
Ja, auch den Männern finft der tapfre Muth; 
Ah! die Bermählte bebt in heißen Zähren — 
Da fieh! mit einmal weht der Stürme Wutb; 


32 Ortenau. 


Neu will die Au’n der Sonne Schein verflären, 
Das Waſſer fällt und fanft hin wallt die Fluth; 
Die Lerche fingt, des Zephirs Hauche wehen — 
Jedoch der Ritter ward nicht mehr gefehen. *) 

Karl Geib. 


(Aus Geib's „Bolksfagen des Rheinlandes ꝛc. ꝛc.“ Heidelb. 1828. Vergl. mit: 
„Ritter Peter von Stauffenberg und die Meerfeye” in des Knaben Wunder⸗ 
born, (S. die vorige Sage im Bollston.) 


Meluſine im Stollenwald. 


Am Durbader Thale fieht man noch im großen Stollen- 
wald die Trümmer einer alten Burg; am Eingang des Thas 
les aber erhebt fich links das Schloß Staufenberg. Bon jener 
alten Burg geht folgende Sage: 

Einft wohnte ein Amtmann zu Staufenberg, der hatte einen 
Sohn, Namens Sebald. Diefer Tiebte den Vogelfang und begab 
fih im Herbft oftmals an den Fuß des großen Stollenwaldes, 
um Maifen zu Floben. Da Hört’ er einmal vom Berg herab 
fo Tieblih fingen, daß er hinauf ging, um zu fehen, was es 
wäre. Auf dem Gipfel des Stolfenberges ward er in einem Gebüfche 
ein wunderfchönes Weib gewahr, das zu ihm fagte: „Erbarme 
dich meiner und erlöfe mich; ich bin verwünfcht, und harre 
feit Yanger Zeit auf dich; erhöre meine Bitte, du darfſt mid 
nnr dreimal dreifach Füffen, fo bin ich erlöſt.“ Sebald fragte 
fie, wer fie denn fey? und fie gab zur Antwort: „Ich bin 
Himmel-Stollens Tochter, und heife Melufine; *) ich babe 
einen großen Brautſchatz, und wenn bu mich erlöfeft, fo bin 
ih und der Schatz bein eigen. Du mußt mich drei Morgen 
nach einander, um neun Uhr in der Frühe, auf beide Wangen 
und auf den Mund füffen, dann ift die Erföfung vollbracht. 
Fürchte Dich nicht, befonders nicht am dritten Tag.” Sebald 
betrachtete Melufinen, die aus dem Buſche hervorkam, 
fehr genau. Sie war blond, hatte blaue Augen und ein ſchö⸗ 
ned Angeficht, aber an ihren Händen Feine Finger, fondern 
eine trichterartige Höhlung, und flatt der Füße einen Schlan- 


*) Ein Ritter Hans Stol von Staufenbergdkommt in Sad’ Bar. Geſch. HI. 246, vor. 


Drtenam. 33 


genſchwanz. Sebald gab ihr Die erfien drei Küffe, worüber 
Melufine fehr froh war und ihn bat, am zweiten und dritten 
Tag wieber zur rechten Zeit da zu feyn. Sie kroch in ihren 
Buſch zurük und fang: „Komm und erlöfe deine Braut, — 
hüte Dich wohl, zu erfchreden, 
Sebald, nimm dich wohl in Acht! 
Einmal war e6 recht gemacht.“ 

Da verjank fie vafch in die Erde und Sebald ging heim. Am 
andern Tage fam er zur rechten Zeit wieder in den Stolfenwald 
und hörte fie auf der Höhe fingen. Dieſes Mal hatte fie Klüs 
gel und einen Drachenſchweif, aber Sebald nahte ſich ohne 
Furcht und gab ihr die drei anderen Küffe. Sie fang ihm 
wieder dankbar zu, wie am erften Tage und bat ihn, wieder 
zu kommen, worauf fie abermals in die Erde verfehwand. Ser 
bald konnte bie Nacht über nicht ruhen und ging früh wieber in 
ben Stollenwald und hörte Meluſinens Lied, wie an ben vorigen 
Tagen. Aber diedmal hatte fie einen Krötenfopf und der Drachen⸗ 
ſchwanz umfchlang furchtbar ihren Leib. Es graufte Sebalben vor 
diefer giftigen Geftalt und er ſprach zu ihr: „Kannſt du bein 
Antlig nicht entblößen, fo kann ich dich nicht füffen.“ „Nein!““ 
rief fie, und ſtreckte mit einem lauten Schrei ihre Arme nach ihm. 
Die Angft ergriff den Sebald, er fprang den Berg hinab und 
gerade ſchlug es neun Uhr, als er im ſchnellſten Lauf in der 
Burg bei feinem Vater anfam und Diefem erzählte, was ihm 
begegnet war. Er ward jedoch über feine Furchtſamkeit von dem 
Vater gefcholten, der bie Gefchichte zum ewigen Angedenfen aufs 
Schreiben Tieß, wodurd fie bis auf den heutigen Tag befannt iſt. 

Sp vergingen zwei Jahre. Sebald befuchte nicht mehr den 
Stollenwald und dachte wohl manchmal daran, daß er die Me- 
Iufine betrogen habe. Doch war ihm feitdem nichts gefchehen. 
Als er nun den Dienft. feines Vaters befommen follte, fo fah 
fih Diefer um eine Frau für feinen Sohn um, und gab ihm bie 
Tochter eines Amtsvogtes. Bei der Hochzeit im Schlofie Staus 
fenberg war Alles vecht fröhlich am Tifche, als auf einmal bie 
Decke des Saales einen Spalt befam, woraus ein Tropfen in den 
Teller Sebaldg fiel, der, ohne dies zu wiflen, von der Speife aß, 
augenblicklich aber todt niederfant. Man fah zu gleicher Zeit einen 

3 


34 Ortenau. 


kleinen Schlangenſchweif ſich in die Decke zurückziehen. Noch 
iſt die Geſchichte in Stein gehauen auf dem Staufenberg zu 
ſehen. | 


(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mon 
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,” Yahrg. 1834, ©. 88) 


Der Tenfelsftein auf der Schiehald.” 


 Micht weit von den zwölf Steinen ifl ein Berg, der heißt 
bie Schiehald, da feht der größte Stein. Den bat einft ber Teu⸗ 
fel dahin getragen, und wollte Damit die St. Wendelinus-Rirche 
im Thal zerfchmettern. Er nahm ihn von den zwölf Steinen 
weg, ging damit durch das große Rappenloch und fam his auf 
die Mitte der Schiehald, wo er den Felfen ablegte und ausruhen 
wollte. Nachher konnte er aber den Stein nicht mehr aufheben, 
da diefer mit dem fpigigen Ende im Berg. fledden blieb, und noch 
ſieht man daran das runde Loch, welches die Schulterfnochen 
des Teufels hineingedrückt haben, als er den Stein hertrug, 
Noch ſteht er auf der Schiehald und heißt der Teufelsftein, 
und fo blich die Kirche verfehont. Der Teufel fährt aber manch⸗ 
mal auf jenem Plate mit ſechs Geisböcken herum und man hört 
ihn um Mitternacht mit der Peitfhe knallen. Es iſt nicht gut, 
Nachts an jenem Orte vorbeizugehen, felbft mit Sadeln nicht, 
denn fie werden Einem ausgelöfcht und die Leute dann in der 
Irre herumgeführt. 


(Nah mündlicher Ueberlieferung, mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
nAnzeiger zur Kunde ber teutfhen Vorzeit.“ Jahrg. 1834. ©. 88.) 





Der Schas im Stollenberge. 


Im Jahr 1779 diente ein fünfzehnjähriges Hirtenmädchen, 
welches die Melufine oft gefehen bat, zu Durbac auf dem 
Eifenbähl. Ein Play Hinter dem Stolfenwald heißt „bei den 
zwölf Steinen,” da erfchien Melufine dem Mädchen und führte 
es beim Wolfsloch in den offenen Stolfenberg hinein. Da Tagen 
am Eingang drei ungeheure Riefen, mit Speer und Harniſch 


*) Vergl. mit dieſer Sage die verwandte; Seite A80 diefer Abtheilung. 





Drtenan. 35 


bewaffnet, und ſchliefen. Als fie weiter kamen, fahen fie große 
Kiften und auf jeder faß ein fhwarzer Hund. Vor der Melufine 
fprang aber jeder Hund gehorjam herab und fie öffnete die Ki- 
fien mit ihrem Sclüffelbund. Es waren feche, alle mit Geld 
angefüllt, welches Melufine dem Mädchen verfprach, wenn es 
fie erlöfen wollte, Die Kiften wurden wieder gefchloffen und 
die Hunde fprangen darauf, um fie zu bewachen. Sie gingen 
nun zu ben zwölf Steinen zurüd und der Berg fchloß fich bei 
ihrem Ausgang wieder zu. Dort erzählte Melufine dem Hir- 
tenmädchen: „Wenn du 18 Jahre alt bift, Fannft du mich er- 
Löfen, denn ich bin verwünjcht, und will Dir al das Gold geben, 
das du geſehen haſt. Schon lange hab’ ich auf Dich gewartet 
und gefchlafen bis zu deiner Ankunft. Hier bei diefen Steinen 
mußte erft ein doppelter Tannenbaum aus einer Wurzel fproffen, 
und als er hundert Jahre alt war, mußten ihn zwei Tedige junge 
Leute am Wunibaldstage umbauen. Der flärffte Stamm wurde 
auf einem Schlitten hinab ins Thal geführt auf Dagoberts- 
tag, und aus ben Brettern dieſes Stammes deine Wiege ge- 
macht.“ — Noch oft Fam Melufine an diefem Ort mit dem Mäd— 
hen zufammen und man fprad im ganzen Thale davon, daß 
die Berwünfchte erlöft werden follte. Viele Leute gingen zu dem 
Mädchen und gaben ihm Gefchenfe zur Aufmunterung, bie enb- 
lich der Pfarrer die Leute abmahnte und dem Mädchen mit 
Kirchenbußen drohete. Da kam die Erlöfung nicht zu Stande; 
wer aber von Sünden rein ift, wird doch zulest die Melufine 
mit ihren Schäßen erlöfen. 

Das Hirtenmäbchen nähte in ihrem fpäteren Alter um Lohn 
bei den Leuten und lebte noch zu Anfang diefes Jahrhunderts 
fehr ftill, Tieß fich aber nicht mehr ein, dieſe Gefchichte ihrer Ju⸗ 
gend zu erzählen. — Bei den zwölf Steinen find noch zwei 
Zannen zu feben, die aus einer Wurzel entfproßt find und da⸗ 
mals hundertjährig waren. Man heißt fie Melufinen-Baum. 


(Mitgetheilt von Bernhard Baader in „Mone's Anzeiger für Runde der 
teutſchen Borzeit,” Jahrg. 1834.) 


3* 


36 Drtenau. 


Der Zuß in der Wand. 


(Nachträglich zu den zwei anderen Bearbeitungen berielben Sage. Seite 15 u. 23 vief. 328.) 


Der Staufenberger ritt zu feiner Burg geſchwinde; 
Wie bald entließ der Graf fein läftig Jagdgeſinde! 


Zur Ruhe fehnt er fh, er war fo müd' geritten; 
Er dachte: „Lieb, o Lieb!” — Da kam fein Tieb gefchritten. 


Sie gab ihm Kuß auf Kuß die furze Nacht voll Wonne, 
Er meint, e8 wär’ der Mond, da fehien die lichte Sonne. 


‚Er ſprach: „Du bift fo fchön, wie könnt' ich dein vergeffen ? 
Den lodt fein ander Weib, der ſolch ein Glück beſeſſen!“ — 


„„So leicht ift Treue nicht, ſchlau wird man dich umgarnen, | 
Drum fey wohl auf der Hut, mein Lieb, ich muß Dich warnen! 


„„Ich bin Kein ſterblich Weib, ich bin der Feyen eine, 
Mein Reich iſt in der Fluth, mein Schloß im tiefen Rheine. 
„„Wir lieben Einmal nur, die Liebe nimmer ſchwindet, 

Der muß gar fläte ſeyn, der ſich mit mir verbindet. 
„„Biſt du ein ftäter Mann, will ich dir Freude geben, 
Und Reihthum, Ehre, Macht, dazu ein langes Leben. 
vn &enn du die Treue brächft, fo müßt’ ich ewig ragen, 
Du aber fiechteft hin und fürbeft in drei Tagen. 


„Du fähft nichts mehr von mir, als diefen Fuß, erfcheinen, 
Du hörteft auch nichts mehr, als mein inbrünftig Weinen.” — 


Der Staufenberger ſchwur, ihr ſtets getreu zu bleiben, 
Er ſchwur dem fohönen Weib, ſich niemals zu beweiben. 


Sie gab ihm hohen Muth und reiches Gut und Ehre, ' 
Und dacht? er: „Lieb, o Lieb!” — fo ftand bei ihm die Hehre. 
Sie gab ihm Glück und Sieg bei jedem Ritterfriele, 
Wenn er die Lanze ſchwang, fo traf er ſtets zum Ziele, 


Wie hat er oft den Dank aus fhöner Hand empfangen ! 
Des Kaiſers Töchterlein ergriff ein füß Verlangen. 





Drienau. 37 
Sie ſprach dem Kaifer zu, der Kaifer ſprach zum Grafen: 
„Mein funges Töchterlein laͤßt Liebe nicht mehr ſchlafen. 


„Willſt du mein Eidam ſeyn, ſo kommt es wohl ins Gleiche, 
Ich gebe dir Tyrol und Kärnthen von dem Reiche!“ — 


Er ſprach: „„Ich bin vermählt, Herr, laßt es Euch vertrauen: 
Es iſt fein ſterblich Weib, die Schönfte doch der Frauen.““ — 


„So weh dir, theurer Held! mußt ewig ſeyn verloren, 
Biſt du dem Geiſt vermählt und haſt ihm Treu' geſchworen. 


Doch bindet nicht der Eid, der Biſchof kann ihn löſen, 
Geweihtes Waſſer tilgt das Bündniß mit dem Böſen.“ — 


Dem Ritter wurde bang, er nahm es ſich zu Herzen: 
nicht will ich Gottes Huld und Eure Gunſt verſcherzen!““ 


Viel Meſſen laſen ſie; der Weihrauch ſtieg zum Himmel, 
Und an die Brüfte ſchlug der Graf im Volksgewimmel. 


Man hat vie Hochzeit fhön und herrlich ausgerichtet, 
Biel Rofen hingeftreut und Lieder viel gebichtet. 


Als es zu Tifche ging, wie die Pofaunen Eangen ! 
Wie fchienen rofenroth die Raunen und die Wangen! 


. Das Pärchen ſaß vergnügt, die Männer und die Frauen, — 
Da ließ fih an der Wand ein feltfam Wunder ſchauen: 


Die Wand blieb unverlegt, doch kam hindurchgefahren 
Ein Frauenfuß, fo fhön, als jemals Füße waren. 


Bloß war er bis zum Knie und weiß wie elfenbeinen, 
Sp zarten fab man nie, noch nie fo zierlich Heinen. 


Auch ward ein Jammerlaut gehört in allen Kammern, 
Und in dem Saal zumeift ein Weinen und ein Jammern. 


Sie fonnten von dem Fuß die Blicke nicht verwenden, 
Der Graf erfchrad, pas Glas zerbrach ihm in den Händen. 


Er fah den fchönen Fuß, fein Herz zerfchnitt das Klagen, 
Er ſprach. „Das ift mein Lohn, nun flerb’ ich in drei Tagen! 


35 Ortenau — Hanauer Ländchen. 


„Du, edle Braut, bift frei, mich tödtet bald die Neue; 
Wähl' einen andern Mann und halt’ ihm fläte Treue. 


„Wähl' einen Königsſohn, der deinem Stand gebühret, 
Du fiehft, zu welchem Leid ungleiche Ehe führe!" — 


Ins Klofter ging die Braut, das ſchien ihr gleiche Ehe. 
Am dritten Tage brach des Grafen Herz vor Wehe. 


K. Simrod. 
(Siehe Deffen „Rheinfagen ꝛc.“) 





3980 





Hanauer Ländchen. 


Sage vom Korker Waldgericht. 


Merlwürdig ift das Korfer Waldgericht, das ehe 
mals mitten im Dorf unter Eichen, die zum Theil noch ftehen, 
gehalten wurde und, nad dem Korker Waldbrief von 1476, fol- 
genden Urfprung haben fol: 

„Ein Herr hat geheißen Herr Eppel und feine Hausfrau 
Uze, feynd gefeflen auf Fürftened bei Oberkirch; Derfelbig 
Herr iſt fo reich gewefen, daß er Fürſtengenoß war, und bie= 
felbig ehelich Gemächt hat gehabt eine einzige Tochter, hat ges 
heißen Sungfer Stefel, diefelbe ift zu Nußbach an einem” 
Tanz gähling geftorben. Zu berfelben Tochter Seelenruhe haben 
fie gegeben Korfer Gewälde den Kirchfpielen Kork, Boders⸗ 
weyer und Tine zu rechten Gottesgaben; Wittwen und Waifen, 
Arm und Reich zu gebrauchen. Umb diefelbe Gottesgabe feynd 
bie drei Kirchfpiele Kork, Bodersmeyer und Linr uneing ge= 
worben, daß Zodtfchläge deßhalb gefchehen.” 

Zur Beilegung diefer Streitigfeiten nahmen diefe Gemein- 
ben anfangs noch Appenmeier und Windſchläg in Gemeinfchaft. 
Als die Zwiſtigkeiten doch noch fortvauerten, gab eine hohe 
Perfon den Rath: „man folle ein Wucher-Rind nehmen, das 
ein Farr war’, fünf Jahr alt, und es einftellen Jahr und 
Zag, daß ed Sonn’ und Mond nicht febe, (was auch geichah), 
dann folle man das Rind führen auf den Hof zu Kork an ber 


Ortenau — Hanauer Ländchen. 39 


Eichen und wohin es gehe, es ſeye zu Weſterholz oder anderſt 
wohin, ſoll ein Mark ſeyn derſelben Spanne.“ — Dies ge⸗ 
ſchah ſo; und nun wird weitläufig erzäht, was das Rind für 
einen Weg genommen und wie ed mitten in das alte Rhein- 
bett gegangen, ſich dort dreimal gefchüttelt und wieder umges 
wendet; und wie es wieder in den Korfer Bann gefommen, 
„da habend die Glocken zu Kork fich felbften geläutet, und iſt das 
Rind fommen bis auf den Hof zu Kork unter der Eichen und hat 
ihm daſelbſt Das Herz abgeftoßen und baffelbe Rind ift an eine 
geweihte Statt begraben worden, als ob es ein Chriftenmenich 
wäre gewefen. Und fo die Herren, die Amtleute und Wald- 
genofien geſehen haben das große Zeichen von dem unvernünf- 
tigen Rindvieh nnd wie daffelbe nach dem Umgang auf dem 
Hofe fein Herz abgeftoßen bat, (jo fchloßen fie) das gebe 
Urfah, daß alle Verhandlung wegen berielben Gotteögabe 
(des Waldes) auf demfelben Hofe und nicht weiter berechtigt 
und vertheibigt werben ſoll.“ — Wenn Einer einen Waldfrevel 
beging, („Wald und Weide verbricht”) der foll nur unter fol- 
gender Bedingung wieder zur Gemeinfchaft fommen: „Er fol 
zu Kork auf dem Buhl ftehen auf einen Sonntag zu Ausgang 
der Meß und fol bei ihme haben 24 Maaß rothen Wein, 24 
Semmelwel, 24 neue hölzerne Becher, darin der Wein feyn 
fol und foll fprechen: Ich Habe Wald und Weide verbroden 
und bitte alle Waldgenoffen, arm und reih, daß man mid) 
wieder darein ap! — Wenn er das gethan, follen ihn die von 
Kork wieder in Wald und Weide Yaffen, veffelben Weins und 
Brots Jedermann zu effen und zu trinfen Macht haben foll.” 
(S. d. Lahrer hink. Bothen vom Jahre 1815.) 


% 


Biſchofsheim N 


unterfcheidet fi) Durch den Beinamen‘: „am hohen Steg” 
von den andern Drtfchaften dieſes Namens. Bor Zeiten war 
nemlich ein hoher Steg über dem Helchenbach, der durch den 
Flecken fließt, angebracht, auf welchem man vermittelft vieler 
Stufen hinauf und herunter fieg. Die Fuhrwerke mußten 
durchs Waffer. Hier war bie ehemalige Reſidenz ber Grafen 


40 Drtenau — Hanauer Ländchen. 


von Hanau. Der letzte derſelben wurde da geboren, und das 
Haus, worin er das Licht der Welt erblickte, ſteht noch. Es 
war damals in ſehr ärmlichem Zuſtande, nicht weil es dem Gra⸗ 
fen an Geld fehlte, — vielmehr hatte die Amtsſchaffnerei ſehr 
reiche Einkünfte, — fondern weil man ed damals nicht befier ge- 
wohnt war. Indeſſen fing biefer letzte Graf doch einen größeren 
Bau an, farb aber noch vor deffen Vollendung. Es ift eine 
plumpe Steinmaffe, woraus man mit vielen Koften eine Beam⸗ 
tenwohnung zugerichtet hat. Als Refivenz hatte Biſchofsheim 


ehemals auch eine eigene Münsftätte und hohen Abel. 
8.9.8. 


Der Leichenzug zu Scherzheim und das 
wilde Heer. 


Zu Scherzheim bei Licht en au iſt jest eine neue Kirche; 
vordem aber ſtand eine da, die man für die älteſte im ganzen 
Lande hielt. Viele alte Leute haben an ihr vorüber oft einen 
Leichenzug von Geiſtern geſehen. Im Advent bis Weihnachten, 
wo die Geiſter gehen, wenn ed Nachts 11 Uhr geſchlagen, hebt 
ber Zug im Kälbelögäßel an, voraus mit Kreuz und Fahnen, 
mit Prieftern im Gewande; fo gehn fie linfer Hand langſam 
fort, fingen dumpfe Lieder, als ob fie einen Todten zur Ruhe 
brächten, und tragen eine Bahre, über Die weiße Tücher gehängt 
find. Wenn fie an der Kirche ankommen, fo gehn fie rings um 
diefelbe herum, bis fie wieder an das Thor derfelben fommen, 
wo dann zur linken Seite Alles auf einmal verſchwindet. Fuhr⸗ 
leute, die von fernen Gegenden herkommen und nichts von die⸗ 
fen Geiſtern wiſſen, haben fchon oft dieſen Zug gefehen, und im 
Revolutionskrieg hatten die Defterreicher Kanonen auf dem 
Kirchhof und eine Wache dabei; aber der Umgang ließ ihnen 
feine Ruhe; fie mußten Die Kanonen in’s Feld fielen und die 
Wachen aufheben. Im Kärbelsgäßel hauft der Teufel manch⸗ 
mal bei Nacht und man hört auch dort Das wilde Heer mit ges 


waltigem Lärme baherbraußen. 
(Siehe Mone's Anzeiger ıc, v. 3. 1834.) 


— 1 > — 











En 


Renchthal um Seitenthäler. 


+367o 


Der Bannader. 


An der Nähe der Ulmburg bei Oberkirch liegt ein 
Ader, der obigen Namen führt, von deſſen Urfprung die Sage 
Folgendes berichtet : 

Frau Judith, die Wittwe des Kaftelland von Ulmburg, Tebte 
feit ihres Mannes Tode in einem Häuschen unweit der Burg 
größtentheils vom Ertrag eines Feldſtückes, das ihr zugehörte. 
Sie hatte nur eine einzige Tochter, Imma, die zum fchönften 
Mädchen der ganzen Gegend herangeblüht war. Ad Imma 
fechszehn Jahre zählte, bepflanzte Frau Judith einen Ader mit 
Flachs, den follte ihr Töchterlein ſelbſt fpinnen und die daraus 
gewobene Leinwand zu ihrer Mitgift aufbewahren. 

Es wohnten aber in der Nachbarfchaft einige loſe Gefellen, 
die e8 für bequemer hielten, zu ſtehlen, als zu arbeiten, und ed 
befonders auf die Plünderung der Feldgüter abgefehen hatten. 
Der Flachs, den Frau Judith gefäet, war ganz vortrefflid ges 
biehen und der ſchönſte in der ganzen Gemarkung, fo daß bie 
Wittwe fid) nicht genug ihre Freude darüber ausdrücken Fonnte. 
Aber Imma fagte dann jedesmal traurig: „Ach, die Diebe wer- 
den ihn gewiß bald davontragen!“ 

„Da wollen wir ihnen ſchon einen Hemmbaum vorfchieben 1” — 
verſetzte die Mutter. — „Ich weiß ein Sprüdjlein, das lernſt 
du auswendig, gehſt hinaus auf den Flachsacker und fagft ed 
Taut her und wie die Diebe das Feld betreten, werben fie feft- 
gebannt und können nicht mehr yon der Stelle weichen.“ 


4) Renchthal und Seitenthäler. 


Imma lernte den Segen auswendig und als am nächften 
Sonntag bie erfte Feftglode Täutete, ging fie hinaus nnd ſprach 
folgendes Bannſprüchlein: | 


„Dieb oder Diebin, fommet nur an! 
Sch bind’ euch alle hier mit dem Bann, 
Mit dem Herr Chriftus die Hölfe bunden, 
Mit feines Leibes heiligen Wunden, 

„Es ftehn drei Lilien in Blüthe 
Auf unfers Herrgotts Grab; 

Die erſt' ift feine Güte, 

Die zweit’ fein fanft Gemüthe, 
Die drit? fein göttlicher Wil. 
Mer drunter ifl, muß halten ftil, 
Sp lange Gott und ich es will, 


„Wohl dreiunddreißig Engel 
Die faßen beieinand’ 
Und pflogen mit Maria 
Der Ehren allerhand ; 
Da Sprach der heilge Daniel lieb: 
Schaut, liebe Frau, dort fommen Dieb’, 
Die wollen dein Kind dir flehlen, 
Das kann ich dir nicht verhehlen ! 
Da ſprach unfre liebe Frau mit dem Rind 
Zu St. Peters: Bind’, St. Peter, bind’ ! 
Da fprah St. Peter: ich habe die Dieb’ 
Schon feftgebunden mit einem Band, 
Und zwar mit Gottes felbfteigener Hand. 
Jetzt mögen fie ftehlen, drinnen und draus, 
Im Wald, im Felde, Hof oder Haus!“ 


Nachden Imma diefen Segen gefproden, kehrte fie nad 
Hauſe zurüd, nicht ohne Vertrauen auf den guten Erfolg, ber 
auch nicht Iange ausblieb. Denn als fie am folgenden Mor⸗ 
gen vor Sonnenaufgang mit der Mutter auf den Flachsacker 
hinaus ging, um nadzufehen, fand fie daſelbſt zwei unge 
Burſche fefgebannt, die fih nicht um ein Härchen von ber 
Stelle bewegen konnten und fih mächtig fehämten, in ſothane 
Falle geratben zu feyn. Laut jammernd flehten fie die Frauen 


Renchthal und Seitenthäler.- 43 


an, ſie doch vom Banne zu loͤſen; aber obgleich das Herz der 
Frau Judith nicht arm an Mitleid war, ſo konnte ſie doch 
bie Bitten der Gefangenen nicht erfüllen, weil fie die Löſungs⸗ 
formel vergeffen hatte, und man mußte zulegt einen Geiftlichen 
herbeiholen, um bie Gefellen vom Banne zu löfen. Dadurch 
verbreitete füh Die Kunde von dem Vorfalle weit und breit 
und das Flachsfeld erhielt vom Volke den Namen „der 
Bannader.” 


(S. AM. Schreibers „Sagen aus den Nheingegenven, ben Vogeſen, und bern 
Schwarzwalde.“) 


Der Ning. 


Ueber dem Oppenauer Thalgrund erhob ſich einſt die 
ftattlihe Bärenburg, von deren Mauern aber längſt nichts 
mehr fihtbar iſt. Bald nah ihrer Zerflörung hatte fih das 
Gerücht verbreitet, Daß ein großer Schag an Gold und Koftbar- 
feiten aller Art in einem unterirdifchem Gewölbe dortfelbft ver- 
borgen liege. Einem jungen kecken Edelfnechte von dem benach⸗ 
barten Shlog Bofenftein ſchwoll das Herz vom Gelüften, 
ben Schag zu heben. Ein fahrender Schüler, der damals in 
der Gegend herumzog, Tehrte ibn Die zu deffen Beihwörung ' 
nöthige Formel, mit deren Sprud er ſich wirffich den Eingang 
in das tiefe modrige Gewölbe dffnete, worin bie Ahnen der Bä- 
renburger in ihren Särgen lagen. Er bob verwegen einen Dedel 
nach dem andern auf, Doch lauter Gerippe flarrten ihm entgegen 
und son Kleinodien war nicht das geringfte zu erbliden. Ends 
lich fand er im letzten Sarge den noch unverweften Leichnam 
einer Jungfrau von Bärenburg, der Letzten ihres Stammes, 
welcher mit ihr ausgefiorben war. Ihren Finger fehmüdte ein 
bligender Diamant und ihren Naden eine ſchwere goldene Kette. 
Raſch nahm ihr der Edelknecht Beides ab und floh Damit nach 
Haufe. Doch, noch nicht begnügt mit dieſem Funde, fland er 
fhon des anderen Tages wieder im Todtengewölbe, um weitere 
Nachforſchungen anzuftellen. Da richtete fich die bleiche, geftern 
von ihn beraubte Jungfrau langſam in ihrem Sarg empor, 
faßte plöglich feine Hand und fprach mit ſchauerlichem Tone: 


44 Renchthal und Seitenthäler. 


„Haſt mir den Ring genommen, 
Mein Kettlein auch dazu, 

Nun biſt du mein Verlobter, 
Leg' dich bei mir zur Ruh!“ 

Mit geſträubtem Haare riß der Edelknabe ſeine Hand aus 
dem Griffe der ihrigen eiskalten los und ſtürzte hinaus, fort 
nach Boſenſtein zurück. Doch wenige Tage darauf warf ihn ein 
Fieber auf die Leichenbahre. 


(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden ꝛc. ꝛc.“) 


— — — — — 


Allerheiligen's Stiftung. ” 


So ſprach Frau Uta, die Herzogin: 
„Ich will ein Klofter ftiften, 
Ihr Räthe, fagt, wo ſtell' ichs hin?“ 
Da gabs viel Reden und Schriften 
Bol „ſintemal“ und „alldiweil,“ 
„Inmaßen“ und „berowegen.” 
Faſt Jeder fuchte das Gegentheil 
Bom Andern darzulegen. — 
„Sp wird mein Wille nie zur That, 
Der Nebel immer dichter ; 
Geht, holt mir einen Flügern Rath, 
Der fey des Zweifels Schlichter 7 — 
Ein Efel wars. Den fchidt fie hinaus, 
Bepackt mit reihen Schäßen : 
„Run, lieber Getreuer, fuch mir aus 
Den beiten von allen Plätzen!“ 
Rath Langohr fchleicht im trägen Gang, 
Dem weiland amtsgemäßen, 
Als wär’ er all fein Leben lang 
Herzoglicher Rath gewefen. 
Bald wirds ihm heiß auf feiner Bahn, 
Die Thäler glühn und dampfen, 
Ein grimmig Dürften fällt ihn an, 
Drob hebt er an zu flampfen; 


Renchthal und Seitenthäler. 


Doch kaum hat ſeines Hufes Schlag 
Den lockern Grund getroffen, 

Da ſprudelt ein klarer Quell zu Tag, 
Da hat er ſich ſatt geſoffen. 

Und weiter ſchleppt er ſeinen Sack, 
Bis an des Felſens Schiefe 

Er jählings feinen ſchweren Pad 
Wegfchleudert in die Tiefe. 

„Freund Langohr, Flug iſt bein Entfcheid ! 
Hier unten will ich bauen; 

In wilder Bergeseinfamfeit 

Soll man das Klofter fchauen.” — 
Und fo nad Efelsrath ward dort 
Sogleich auf der Frau Ita Wort 
Der Kiofterbau begonnen 

Und raſch vollführt; nah diefem Ort 
Fließt noch der Eſelsbronnen. 


Zulegt noch eine gute Lehr’ 
Für Alle, fo dies Iefen: 
Des Efels Rath frommt öfters mehr 
Denn hochgelahrtes Wefen. 


Allerbeiligen’s Ende, 
Adels-Preis und Herrlichkeit, 
Prieſtermacht und Glanz verbleichen, 
Denn im Weft mit biutgen Zeichen 
Steigt empor die neue Zeit. 


Eduard Braser. 


45 


*) Die fromme Frau Uta, Toter eines Grafen von Calw, und die 
Gemahlin eines Herzogs aus dem Geflecht ver Welfen, bewohnte 
die Shauenburg, deren Trümmer von einem hoben Felfenblode auf 
einem Berge nahe beim Städtchen Oberfirch herunterfehen. 
Shauenburg hat ihren Nanten nicht umſonſt; denn von bier aus 
genießt man einer wundervollen Fernſicht ind Rheinthal und Die Gebirge. 
Das fie diefen Namen deßhalb erhalten, weil vie Straßburger fie einft 
vergeblich belagerten und beim Abzuge fich felbft zum Hohne gefagt hät- 
ten: „Wir fchauen an die Burg!“ ift wohl nur aus der Luft gegriffen. 


Die 


46 Renchthal und Seitenthäler. 


Auch Frau Ut a's Gotteshaus 
Iſt dem Untergang verfallen, 
Traurig aus den Kloſterhallen 
Zieht der Mönche Schaar hinaus. 


Und des Hauſes Gründerin, 
Uta, fihwebt herab zur Erbe; 
Was aus Allerhbeifgen werde, 
Forſcht fie mit betrübtem Sinn. 


Sieh, da pflegen juft die Herrn 
Rath mit hochgelehrten Mienen: 
Wie der Bau nun möge dienen, 
Ob als Strafhaus, als Kaſern'? 


Reden, fehreiben hin und ber 
Mit bedächt’ger Ueberlegung, 
Ziehen gründlichſt in Erwägung 
Diefer Das und Jenes Der. 


Uta hört geduldig lang, 
Wie die Herren fich verflügeln, . . 
Doch nicht länger mag fie zügeln 
Ihres Unmuths heißen Drang. 


Bon des Schwarzwalds Felfenfig 
Gießt fie finftre Wetterfchauer : 
Weh! des Kiofters höchſte Mauer 
Spaltet ein gewaltiger Blitz! 


„Run ihr Herren! mit Verlaub, 
Sparet euch des Nathens Mühen!" — 
Flammen zifchen, Funken fprühen, 
Und das Klofter finft in Staub. 


Eduard Brauer. 


‚*) Diefes Gedicht bildet das Gegenſtück zu dem vorftehenden. Nicht 
minder außergewöhnlich und bemerfenswerth als deſſen Gründung (nad) 
der in der Klofterchronif aufbewahrten Sage) war auch das Enbe des 
Klofters. Im Jahr 1803, als kaum die Mönche das Klofter verlaffen 
hatten, und man darüber ſich beratbfehlagte, zu welchem Zwecke das Ge⸗ 


Er: RT, ⸗ fe Au WA Kr) A A A 
mu IK Yale x fd 7 kır oc 
Renchthalund Seitenthäler. 47 


bäude nun verwendet werden ſollte, (als Correctionshaus, Spinnerei, 
Kaſerne ꝛc. 20.) warb es vom Blitze getroffen und brannte gänzlich nie⸗ 
der, Nur bie Kirche blieb ſtehen. (Vergl. Kolbs Lexikon und das Univer⸗ 
Talleriton von Baden.Jf” 


Allerheiligen. 
‚Die Felſenkirche. 


Nach der ehemaligen Abtei Allerheiligen führt, von 
Dppenau her, der Weg Durch ein wildes Thal aufwerts. Nicht 
weit davon liegt, auf einer einfamen Walpftelle, ein viefiger 
Selfen, der beinahe die Form einer halbzerfallenen Kirche hat. 
Wirklich fol er auch in uralten Zeiten eine Kirche, und zwar 
eine der erſten chriftlichen Kirchen des Landes gewefen feyn, Die 

- ein edler Alemanne geftiftet habe. Bon dieſem geht folgende 
Sage: 

Er hinterließ fieben Töchter, die eben jo ſchön als fromm 
waren und auf der väterlichen Burg miteinander in tiefer Stille 
und Eingezogenheit lebten. Es war um die Zeit, ald der Hun⸗ 
nenkönig Attila, die Geißel Gottes genannt, mit feinen unzähl- 
baren wilden Horben an den Rhein fam, um aud Gallien zu 
überfhwemmen. Er Tieß eine ungeheure Menge Flöße bauen, 
um darauf überzufegen. Bon den Haufen, bie ausgeſchickt wur- 
den, um das nöthige Holz dazu im Schwarzwalde zu fällen und 
berbeisufchaffen, kam einer durch Zufall auf Die Burg, wo die 
Schweftern hauften. Diefe rohen Kriegsmannen ehrten eben fo 
wenig die Tugend als die Wehrlofigfeit, und wollten ihren fre= 
chen Begierden freien Zügel laſſen. Die Jungfrauen fahen bier 
nur die Wahl zwifchen Tod und Schande; aber fie waren 
augenblicklich entſchloſſen, erfteren vorzuziehen. Da rieth ihnen 
ein alter getreuer Diener, ſich gegen Abend burch einen unter- 
irdiſchen Gang in die Kirche zu flüchten, welche ihr Vater er- 
baut hatte, Er hoffte, bis dahin die wüften Gefellen beim Trunfe 
binhalten zu können und meinte, fie würden nicht fo Leicht Darauf 
verfallen, auch in die Kirche zu dringen, die hinter einem Wäld⸗ 
hen ziemlich verſteckt lag. Die fieben Schweftern befolgten die— 


48 Renchthal und Seitenthäler. 


ſen Rath und erreichten auch glücklich die heilige Stätte; aber 
ein treuloſer Knecht, der ihre Flucht bemerkt hatte, verrieth den 
Hunnen das Geheimniß. Dieſe ſtürzten wutherfüllt nach der 
Kirche; als ſie aber deren fußdicke eichene Pforte verriegelt fan⸗ 
den, fällten ſie einen jungen Tannenſtamm, um damit wider die⸗ 
ſelbe Sturm zu rennen und ſie zu ſprengen. Doch als ſie vom 
Walde zurückkehrten, um dies Vorhaben auszuführen, war der 
Eingang zur Kirche nicht mehr zu finden. Nirgends eine Spur 
mehr von einer Pforte; ſogar die Fenſter und anderen Oeffnun⸗ 
gen waren verſchwunden. Wohl ſtand die Kirche noch da, jedoch 
nur als ein mächtiger, undurchdringlicher Fels, aus deſſen Innern 
leis und ſchauerlich ein Pſalmenchor jungfräulicher Stimmen 
ertönte. 

Noch vernimmt zuweilen der einſame Thalbewohner in ſtil⸗ 
len Nächten liebliche Geſänge, die aus dem Felſen zu erklingen 
ſcheinen, und das Herz mit frommem Sehnen erfüllen. 


Auguſt Kopiſch hat obige Sage kurz und fräftig geſun⸗ 
gen, wie folgt: 


Die Felſenkirche. 
Die wilden Hunnen werfen den Knecht: 
„Wo find die Fräulein ? ſag' es recht!" — 
„„Die fieben Fräulein find entflohn 
Zur Kirch’ und beten zu Gottes Sopn.““ 
Die Hunnen rennen zur Kirche dar, 
Der Kirche Thür’ verſchloſſen war. 
Die Hunnen fällen die hohe Tann 
Und rennen wider die Thüren an. N 
Die Fräulein zu Maria fehrei’n, 
Die Kirche wird ein Felfenftein. 
Der Wandrer, der vorüber zieht, 
Hört noch im Stein der Frommen Lied. 


Eine Reihe von Felfen in der nächſten Umgebung viefer Felſenkirche 
wird jeßt noch die „Siebenfhwefterfelfen” genannt; nahe dabei 
erhebt fich ein anderer Felfen „ner Reiterfprung”. (Siehe die fol- 
gende Sage.) Diefer Punkt wird vom „Känzele“, einer Felſenhöhle 
aus, am beften gefehen. 

(5. WU, Schreiberd „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”) 


Renchthal und Seitenthäler. 49 


Der Neiterſprung. 


Unweit des Kloſters Allerheiligen rauſcht Die Lierbach in 
einem fehauerlichen Abgrunde über gewaltige Felfen und Stein- 
blöde. Den Neugierigen,, der an den Rand der Klippen tritt 
und in bie jähe Tiefe hinabſchaut, faßt plöglicher Schwindel. 
Ein einziger Fehltritt — und unvermeiblicher Tod wäre das Loos. 
Bis hierher verfolgten im breigigjährigen Kriege einige Defter- 
reichifche Reiter einen Schwebifhen. Da der tapfere Flüchtling 
hier feinen Ausweg mehr ſah und eher Alles verfuchen wollte, 
18 ſich gefangen geben, trieb er rafch fein Pferd zu einem ge⸗ 
waltigen Sprung über den breiten, graufigen Abgrund. Allein 
dem bereits erfchöpften Thiere fehlte die nöthige Kraft; es ſprang 
zu kurz, und Roß und Reiter zerfchellten an den Klippen der 
Tiefe. 


(S. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.“ Garlöruhe 1834.) 


Der Zigeunerwald, 


Unfern des Eſelsbrunnens*) bei Allerheiligen Liegt der Wald 
diejes Namens. Bor Zeiten haufte darin eine Schaar Zigeuner, 
bie gleichfam eine Kolonie bildeten, in der Umgegend ihr Diebs⸗ 
und Wahrfagersgewerbe trieben und das Geflohlene in der 50 
Schuh langen Felfenhöhle (noch jet die Zigeunerhöhle genannt) 
verwahrten. Die Mönche der Abtei Allerheiligen duldeten aber 
das Bölfchen gern in ihrer Nähe, ja fie nährten und pflegten 
Dafielbe, weil es dem einfam gelegenen Gotteshauſe als Schug 


und Wache diente. 
(S. das Univerfalleriton vom Groß. Yaben. S. 22.) 


(Ausführliheres Über Allerheiligen und die Herzogin Uta findet fi anmuthig 
erzählt in Joſ. Bader's „Badenia,“ dritter Jahrgang S. 246 u. ff.) 


*) Bei diefem Brunnen fand 2 noch ein Stein mit der Infchrift: 
„Ahno 119 
Ward bier ein Eſel durchgeführt, 
Von deſſen Huf der Quell en . 





Acherthal m Seitenthäler. 
Zürenne’s Fall. ” 


Anſtatt der Thürme, Die gefallen, 
Der muntern Städte, Die verbrannt, 
Siehft du die weißen Fahnen wallen 
Bon rauher Lager Zeltenwand. 

Die blanfen Glieder der Musketen 
Erfteben ftatt der Silberſaat; 
Statt goldner Aerntewagen treten 
Der Reiter Reih’n der Gaue Pfad. 


Statt Glockentons zu frommem Flehen, 
Erſchallt die Trommel zu dem Streit. 
Der ſchwarze Wald von feinen Höhen, 
Er trauert um bed’ Landes Leid; 

Es fleht der Held am Eichenbaume 

Bor reichgefhmüdtem Führerfhmwarm, 

Und firedt nach feinem Siegesraume 
Den Feldherrnſtab mit ſtolzem Arm. 


So weit des Helden Augen reichen, 
Kein Feindeshaupt bis an den Rhein 
Sie ſtäubten hin vor feinen Streichen 
Und Teutfchlands Paradies ift fein. 
Er hebt in feines Ruhms Gedanfen 
Die Stirne freudig himmelan; 


Acherthal und Seitenthäler. 51 


Der Thränen Millionen ſanken, 
Damit ein Stolzer lächeln kann. 


Fällſt du ſo willig, teutſche Ehre, 
Verbirgſt dein Volk in Wald und Schlucht, 
Mit Weibergrimm und feiger Zähre? 
Hat dich dein Gott im Zorn verflucht? 
Dir ſtehn allein noch deine Eichen, 
Zerſchlagen liegt dein treuer Heerd. 
Doch deines Baumes Schatten reichen 
Ein Throndach Dem, der dich entehrt. 


Horch, wie es dröhnt im greiſen Aſte! 
Den Fluch im tauſendjähr'gen Arm 
Schlaͤgt er herab nach ſeinem Gaſte, 

Gibt ihm den Tod für Schmach und Harm. 
Des Helden Stirne liegt zerbrochen; — 
Bald bricht, o Volk, dein fremdes Joch! 
Es hat dein alter Gott geſprochen 

Im Braußen deiner Eichen noch. 


Georg Rapp. 


*) Das Denkmal des Marſchalls Türenne, — ein großartiger Obelisk 
von Granit, — ſteht bei dem eine halbe Stunde von Achern entlegenen 
Dorfe Sasbach. Im Jahr 1675 ſtunden ſich bier die Heere der 
Oeſterreicher unter Montecuculi, und der Franzoſen unter Türenne lange 
unſchlüſſig gegenüber und es wollte zu keiner rechten Schlacht kommen. 
Sn dem kaiſerlichen Deere befand ſich auch der Markgraf HPermann 
von Baden. Eine bisher noch nicht widerlegte Erzählung ſagt: Tü— 
renne, welcher einen Schimmel ritt, habe einen Platz recognoseirt, wo⸗ 
hin er fein Gefchüß aufführen zu Taflen beabfichtigte. Der Markgraf, der 
eine Batterie befehligte, und ihn bemerkte, habe nun einen feiner Kano⸗ 
niere gefragt, ob er fich getraue, Jenem dort auf dem Schimmel eine 
Kugel zu fenden? Gleich habe der Kanonier fein Geichüß gerichtet und 
die gefeuerte Kugel traf in eine Eiche dicht über Türenned Haupt, und 
der flürzende Aftmgerfchmetiterte ven Helden. 

Anm. des Herausg. 


4* 


52 Achernthal und Settenthäler, 


Das Brigittenfchloß.” 


Deftlih vom Erlenbad, eine halbe Stunde von S ass 
bach, wo Türenne’s Denkmal fteht, erhebt fich ein hoher fteiler 
Bergfegel, von deſſen Spige noch Die wenigen Trümmer bes 
fogenannten Brigittenfchloffes berabfehen. 

Der Sage nah fol in uralten Zeiten das Schloß tiefer 
und zwar an der Stelle geftanden haben, wo jest das Landgut 
Aubach liegt. Damals wohnte Dort, wie es heißt, eine Edel⸗ 
frau, Namens Brigitte, welche, eine Meifterin in allen hölli⸗ 
ſchen Zauberfünften, die ganze Umgegend oft mit Seuchen, Ueber: 
fchwemmungen, Hagel, Inſekten und anderen Plagen heimſuchte, 
je nachdem ihr böfes Gelüſte fie dazu trieb. Darob war dag 
Bolt gewaltig gegen fie erbittert und als einft ein furchtbares 
Gewitter den ganzen Jahresſegen des Feldes zerftört hatte, 
fohaarten ſich die Bewohner der umliegenden Dörfer und Höfe 
zufamuen und zogen, mit Senfen, Drefchflegeln, Heugabeln, ır. 
Einige fogar mit Bogen und Streitärten bewaffnet, rachebrül⸗ 
end gegen die Burg der Frau Brigitte. Dem Zuge voran 
wurde ein Kreuz getragen, das man aus einer Kirche genom- 
men, als ficherfter Wetterableiter alles Hexenſpucks, womit fich 
die ſchlimme Here zur Wehre ſetzen könnte. 

Als der tobende Haufen bei der Burg anlangte, fand er 
die Zugbrüde aufgezogen und alle Zugänge dicht verrammelt ; 
auf den Wällen und Zinnen aber ſah man eine Unzahl Eleiner 
grauer Männlein, die eher Affen, als Menſchen glichen, ge⸗ 
fhäftig hin und her wimmeln. Die meiften Bauern überlief 
bei dieſem Anblid ein Grauen, Doch ein junger Mönch, der fich 
dem Zuge angefchloffen hatte, fachte ihren erlöfchenden Muth 
wieder zu neuen Flammen an durch Die Verfiherung: daß Alles 
"nur teuffifches Blendwerk fey, das augenblicklich verfchwinden 
müße, fobalb Jeder Das Zeichen des heiligen Kreuzes dagegen 
made; fie follten daher bei Anbruch der Nacht in Gotted Nas 
men getroft auf die Burg Sturm laufen. F 

Als alle Berfehrungen dazu getroffen und die Belagerer, 
yon ihren Wachtfeuern umlodert, eben im Begriff waren, bie 


*) Burgruine im binterften Theile des Sasbacher Thales, vom Städtchen Achern 
ein und eine halbe Stunve öſtlich. 





\ 
Achernthal und Seitenthäler. 53 


Burg im Sturm zu nehmen, ſahen fie plötzlich auf dem Thurme 
berfelben drei blaue Slämmchen im nächtlichen Dunkel herum: 
tanzen, Gleich darauf gefellte fih Frau Brigitte zu denſelben, 
einen Zauberflab in der Hand, den fie nach den vier Weltge- 
genden ausftredte, während fie mit lauter Stimme eine Zauber: 
formel dazu fprad. Kaum war fie damit zu Ende, als der 
Boden unter ihnen erbebte, ein fürchterliches Geheul durch die 
Luft erſcholl, die Sterne verlofchen und mit einem Knall, als 
wolle die Erbe berften, der ganze mächtige Bau des Schloffes 
fih aus der Tiefe feines rundes losriß und, von unfichtbaren 
Gewalten getragen, auf die höchſte Spike des Berges fehwebte, 
wo es fich fo feftfeste, als wär’ es ſchon vor uralter Zeit auf 
biefer Stelle gegründet worden. Erftarrt vor Entfegen ſchauten 
der Mönch und die flurmluftigen Bauern dieſem Zauber nad), 
aber ihr Schreden wurde, wo möglih, noch größer, als das 
Herenweib ihnen vom Thurme herab zurief: „Solltet ihr euch 
vermeffen, mich auch bier auf meiner neuen Wohnftätte zu bes 
unrubhigen, fo werbe ich eure Wohnungen, fammt Allem, was 
darin ift, ebenfo wie meine Burg, durch die Lüfte forttragen 
und in den Rhein oder Bodenfee hinab verfenfen laſſen!“ — 
Der ganze Haufe rannte nun nad) Anhörung dieſer gräßlichen 
Drohung, fo fehnell ihn nur die Füße trugen, nad) feinen Woh⸗ 
nungen zurüd und eine lange Zeit verging, ohne daß irgend ein 
Menſch den Muth gehabt hätte, den Berg wieder zu befteigen, 
von deſſen Gipfel das gefpenftige Schloß herabflarrte. Ohnge⸗ 
fähr ſechzig Jahre fpäter verirrte fi) ein Mägdlein, das Erd⸗ 
beeren fammelte, bis vor den Eingang der Burg, deren Mauern 
fie vor dem ringsherum ſtehenden dichten Gebüfche nicht gleich 
gewahr geworben war. Da fah fie plöglic eine ſchwarzver⸗ 
ſchleierte, weibliche Geftalt hervortreten, bie einen golbenen 
Schlüffel in der Hand hielt und ihr winfte, mit zu kommen. 
Das Mädchen aber rannte mit einem Schreckensgeſchrei Davon 
und den Berg wieder herab. Bald darauf zerfiel die Burg 
Mauer für Maler und als einige Jäger es einmal wagten, in 
die Ruine zu dringen, fanden fie nichts darin als einen Haufen 
menſchlicher Gebeine und unzählbare Schaaren von Eulen und 


Sledermäufen. 
(S. AM, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden ⁊c. ⁊c.“) 


54 


Acherthal und Setitenthäler. 


Brigitta von Hohinrot. 


(Zweite Sage vom Brigittenſchloß.) 


Bas finnt das hohe, flolze Weib, 
Im Bogengang um Mitternadt? . 
Sie hebt im Zorn den edlen Leib 
Und öffnet eine Pforte facht. 


Sie fteht vor ihrer Liebe Mann, 
Der rubt im Arm der Dirne hold; 


Sie winft der Magd zu ſich heran: 


„Ich zahle dir den Buhlerſold!“ 


Da kehrt ihr Herr die Schaam in Wuth; 
Am fcharfen Dolche bebt fein Arm, 
Ihr hoher Bufen finft im Blut, _ 
Ihr ſtolzes Auge bricht im Harm. 


Den Frevel fhaut die Mondesgluth 
Und rührt gelind die Starre an; 
Sie waſcht fih ab ihr klebend Blut 
Und wanft hinaus auf öder Bahn. 


Sie hüllt die welfende Geftalt 
In tiefe Kloſterſchleier ein, 
Und baut im weltverfchwiegnen Wald 
Ein Hüttendach der flummen Pein. — 


Der Gattenmord bat feinen Troft 
Und Reue wandelt fi in Flud). 
Er flieht, gerichtet und erboßt, 
Ihn treibt ihr Blut wie Zauberfprud). 


Er haut den Feind und fohlägt den Freund, 
Beſäet mit Blut den Räuberlauf; 
Die Flamme fleigt, wo er erfcheint, 
Doch rother fteigt ihr Blut ihm auf. 


In Trümmer bricht fein ſtolzes Schloß, 
hm fehreit der Fluch des Volkes nach, 





Acherthal und Settenthäler. 


Ihn hetzt der Hunde lauter Troß, 
Ihr Blut ſchreit lauter als die Schmach. 


Er ſtürzt ſich von der Felſenwand, 
Er ſtürzt ſich in den Strom hinab, 
Der wirft ihn ſchaudernd an den Strand, 
Die Erde beut ihm auch kein Grab. 


Er knirſcht zerſchellt im öden Wald, 
Sein Haupt umrauſcht der Raben Flug; 
Der Sturm der düſtern Wüſte hallt, 
Verſchleiert naht ihm, die er ſchlug. 


Und als er ſtirbt in ihrem Schooß 
Enthüllt ſie mild ihr Angeſicht, 
Und ſanfte Thränen brechen los, 
Da ihm das Herz im Frieden bricht. 
Georg Rapp. 


Das Brigittenfchloß. (Hohinrot.) \ 


(Andere Berfion.) 
In drei Romanzen. 
. u 
Am Walde fteht verborgen 

Das Feine Siedlerhaus; 
Der Greis tritt früh am Morgen 
In Gottes Welt hinaus; 
Sein Glödlein, angefchlagen, 
Verhallt im blüh’nden Bann, 
Da fchwingt fih über'n Hagen 
Ein kecker Jägersmann. 


„Sey mir willkommen, Alter!“ 
— So grüßt der Jäger friſch — 
„Leg' heute Kreuz und Pſalter 
Und Gürtel auf den Tiſch, 

Und zeig’ mir, frommer Degen, 
Was du sor Zeiten warft, 


53 


Acherthal und Seitenthäler. 


Du Held, vor deſſen Schlägen 
Manch ſtolzer Scheitel barſt! 


„Da ließeſt du die Mette, 
Das Kreuz, des Teufels ſeyn, 
Griffſt in manch Ehebette, 
In manchen Pferch hinein, 
Warſt tapfer auf der Meute, 
Frugſt nichts nach Recht und Pflicht; — 
Zum Ritter ſprech' ich heute, 
Des Mönchleins acht' ich nicht. 


„Du willſt mein Wappen kennen? 
Frag', Alter, ohne Noth! 
Man wird mit Schall dir nennen 
Den Herrn von Hohinrot, 
Den mehr, als Kreuz und Klauſe, 
Jagdluſt und Minne reizt, 
Doch dem ſein Weib zu Hauſe 
Die Hölle gut geheizt. 


„Die Hölle, ja die Hölle, 
Die Eh' iſt mir verhaßt! 
Das, Möoönchlein, iſt die Duelle, 
Die nichts als Jammer faßt. 
Ein Weib ift unerträglich 
Das kalt für Minnefcherz, 
Nur von Gebeten kläglich 
Hat immer voll das Herz. 


„Drum höre meine Bitte: 
Wenn heut am Abend fpat 
Mein eifig Weib Brigitte 
Sich deiner Zelle naht: 

Sey taub für ihre Klagen, 
Wirf ab den Schafvelz gleich, 
Und öffn' ihr ohne Zagen 

Das Thor zum Himmelreich. 


N. 


* 


Acherthal und Seitenthäler. 57 


„Du haſt mein Wort begriffen? 
Died Schwert, fo glatt und fein, 
Das ift ein ſcharf gefchliffen 
Blank Himmelsfchlüffelein ; 

Das ſtoß' ihr in das kalte 

Tieblofe Herz hinein” -— 

Voll Grauen ruft der Alte: 

„Herr! Herr! das kann nicht ſeyn!“ 


„Da, keine Gegenrebe, 
Fürcht' Alter, meinen Zorn | 
An meinem Grimm geht febe 
Dedenflichfeit verlor'n !“ — 
Mit diefen Worten wieder 
Daponfprengt der Barbar; 
Der Greis ſinkt betend nieder 
Bor feinem Felsaltar. 


2. 
Nah Hohinrot, dem Schluffe, 
Ziehn heut von Nah’ und Fern 
Mit fchmudem Dienertroffe 
Die Grafen und die Herrn. 
Der Zwerg ſpäht in die Runde 
Bom hohen Burgaltan, 
Und fagt.zu jeder Stande 
Biel neue Säfte an. 


Der Mönch, der iſt verfchwiegen, 
Und flumm die Tobten find, 
Die grünen Zweige. wiegen 
Sich wortlos in dem Wind; 
Der Wald im luſt'gen Maien 
Spricht nichts von Mord und Tod, 
Drum keck die Dirne freien 
Darf Herr von Hohinrot. 


Die Geiger auf den Brettern 
Die fiedeln frohe Weiß, 





38 


Acherthal und Seitenthäler, 


Die Hörner luſtig ſchmettern, 

Die Becher gehn im Kreis; 

Der Saal, geſchmückt mit Kränzen, 
Faßt kaum die wilden Reih'n, 

Und tauſend Lichter glänzen 

Tief in die Nacht hinein. 


Der Herr geht durch die Hallen 
Reulos, mit frohem Sinn, 
Sein Blick ruht mit Gefallen 
Auf ſeiner Buhlerin. 
Er grüßet Jung und Alte; 
Wo blieb des Feſtes Preis, 
Wo blieb der Mann vom Walde, 
Der fromme Siedlergreis? 


Und horch! da dröhnt die Pforte 
In ihren Angeln jach, 
Ein Greis tritt ohne Worte 
Ins feſtliche Gemach. 
Er führt an feiner Rechten 
Ein Weib, fo finmm und bleich, 
In milden Sommernädhten 
Dem ftillen Monde gleich. 


Es geht ein feltfam Grauen 
Dem Pilgerpaar voran, 
Und alle Blicke ſchauen 
Zum hohen Greis hinan. 
Doch fieh, man kennt ihn balde! 
Die Mähr’ fliegt durch den Kreis: 
„Das ift der Mann vom Walde, 
Der fromme Sieblergreis !“ 


Der redt fih hoch und höher 
Und droht mit finftern Brau’n, 
Er ſteht, als wie ein Seher 
Der Urmwelt anzufhau'n; 

Sein Blick in tieffter Feier 
Durchbligt die Reihen Dicht, 


Acherthal und Seitenthäler 59 


Drauf lichtet er vom Schleier 
Der Pilgerin Geficht. 


Da dröhnt aus Saales Mitte 
Ein Schrei, entfeglich faſt: 
„Brigitte! weh, Brigitte! — 
Wer Iud den Tod zu Gaſt?“ 
Des Alten Bli im Reigen 
Ins Herz dem Grafen bohrt, 
Da bricht fein Mund das Schweigen, 
Da fchallt fein Donnerwort: 


„Heraus, du Mann von Eifen ! 
Dir droht ein Mönchlein nur! 
Nun wird fih’S keck erweifen, 
Wem Unrecht wiederfuhr. 

Laß deine Zornglut Iodern! 
Die Todten kommen nicht, 
Die Lebenden, fie fordern 

Dich, Sünder, vor Gericht. 


„Die du aus deinem Haufe 
Berbannt, verftoßen haft, 
Sie fand in meiner Klaufe 
Im fernen Walde Raft; 
Der Herr, der Hort der Armen, 
Gab ihr ein gut ©eleit, 
Der Wald bielt voll Erbarmen 
Ihr Speif und Tranf bereit. 


„Nun magft dein Schwert du züden, 
Wenns dich entfünd’gen kann! 
Es fteht vor Deinen Blicken 
Ein waffenlofer Mann; 
Reif’ ab ihm die Kapuze, 
Schau’ ihm ins Aug’ hinein, 
Sein Haupt ift, dir zum Trutze 
Bon Mord und Blurfhuld rein!” — 


60 


Acherthal und Settenthäler, 


Schwer traf die Donnermahnung 
Des frechen Räubers Ohr, 
Er ſteht voll banger Ahnung 
Und rafft ſich jach empor; 
Er ſtürzet aus dem Saale, 
Er eilet ohne Raſt 
Und birgt in tiefem Thale 
Des Herzens Schuldenlaſt. 


Er kann nicht Ruh' mehr finden, 
Kein Stern hellt ſeine Bahn, 
Es klammern alle Sünden 
Sich ſeinen Ferſen an. 
Gejagt, gepeinigt toſt er 
Durch Kluft und Haideland, 
Bis er in fernem Kloſter 
Ein friedlich Obdach fand. 


8. 

Huf Hohinrot, dem Schloffe 
Da ifts fo ftill umber, 
Da wiehern feine Roffe, 
Da blinft Fein Fägerfpeer. 
Ein Kirchlein von der Halde 
Begrüßt die Gau'n im Kreis, 
Drin dient der Mann vom Walde 
Der fromme Sieblergreis. 


Es wehet von der Zinne 
Kein ftolz Panier fortan, 
Es ſchallt fein Lied der Minne 
Vom hohen Burgaltan. 
Ein Kreuz firahlt ob den Thoren 
Bergoldet in die Fern, 
Das Herz, das viel verloren, 
Sudt feinen Schöpfer gern. 


In frommer Schweflern Mitte 
Dient Ihm, der Welt entrafft, 


Acherthal und Seitentpäler. 61 


Die Büßerin Brigitte 

Sn tiefer Klofterhaft. 

Des Gatten Schuld zu wenden 
Deut fie den reihen Schag, 
Das Gold mit vollen Händen 
Den Armen zum Erfag. 


Den Wittwen und den Waifen, 
Den Kranfen in der Rund, 
Die fie als Mutter preifen, 
Thut ſich ihr Segen fund; 
Die Dörfer fommen alle 
Zu knie'n an ihrem Herd, 
So ward fie bald mit Schalfe 
Als Heilige verehrt. 


Wohl ift das Schloß zerfallen, 
Wohl ſteht der Thurm verwaift, 
Doch ob den öden Hallen 
Schwebt noch Brigittens Geift. 
Wohin dein Auge ſchaue, 

Ihr Segen ſchmückt pag Land, 
Drum wird Die Burg im Gaue 


Brigittenſchloß genannt. 
Friedrich Otte. 





Der Burggeiſt auf Nodeck. 


Ohngefähr eine Stunde von der Stelle, wo ſich Türenne's 
Denkmal erhebt, zieht ſich das Gebirge hinauf ein wildroman⸗ 
tiſches, aber ſtarkbevölkertes Thal, das Kapplerthal, das von 
einem kraftigen, kühnbeherzten Menſchenſchlage bewohnt wird. 
In dieſes Thal ſchaut von einer Anhöhe das Schloß Rodeck 
herab, von welchem noch folgende Sage ſich erhalten hat. 

Zur Zeit des Bauernkrieges hatte auch dieſes Schloß feinen 
eigenen Burggeift, der aber ein guimüthiger Knirps war und 
gar nichts übel nahm, außer wenn man über feine Geftalt ſpot⸗ 
tete oder irgend etwas Unrechtes verübte, An der Familie von 
Rode hing er mit aufrichtiger Liebe, und als ber Yurgherr 


62 Aherthalund Seitenthäler. 


eines Tages feinen Rath mehr wußte, fein Schloß und feine 
Lieben noch länger vor der Uebermacht der fchon nah heranftürs 
menden aufrührerifchen Bauern zu fihern, vertraute ihm ber 
getreue Zwerg, er habe tiefer im Gebirg eine Reihe unterirbi- 
fher Selfenfammern entdeckt, deren Eingang aller Welt ver- 
borgen läge und nur durch Zufall aufgefunden werden könne. 
Dahin rieth er dem Nodeder, ſich mit feiner Familie und dem 
Beten feiner Habe zu flüchten, dabei auch den nöthigen Vorrath 
von Lebensmitteln nicht zu vergeflen. 

Der Borfchlag wurde mit freudigem Danf angenommen. 
Die meiften Knechte hatten bereits das Schloß verlaffen und 
waren, in der Hoffnung, ihre Habſucht zu befriedigen, den beute= 
machenden Bauern zugelaufen, und auf die Treue der wenigen 
noch Zurüdgebliebenen fonnte der Ritter feft bauen. Die Wan- 
berung ind, Öebirge mit Weib, Kind und Hausgefinde nach dem. 
bezeichneten Plage geſchah bei tiefer Nacht; nur der Zwerg 
weigerte fi) mit zu gehen und beſtund hartnädig darauf, man 
folle ihm die Hut des Schloffes anvertrauen. Der Rodeder 
willigte Tächelnd ein, denn es war vorauszufehen, daß feine 
Burg demleberfall von den Bauern doch nicht entgehen. würde, 

Kaum hatten die flüdgigen Auswanderer die Mauern von 
Rodeck hinter ſich, als der Zwerg in aller Eile die Laufgraben 
mit Waſſer füllte und die Thorbrücke aufzog. Schon Tags 
darauf erfchien ein bewaffneter Bauernhaufe und forderte das 
Schloß zur Uebergabe auf; als aber nirgendsher Antwort ers 
folgte und fie Doch Alles im beften Bertheidigungsflande fanden, 
beforgten fie eine dahinter ſteckende Kriegstift, befchloffen aber 
nichts deſto weniger, das Wafler aus den Gräben abzuleiten 
und fobann Sturm zu laufen. Sogleich wurde Hand and Wert 
gelegt und bereits flunden die nöthigen Leitern und Geräthe 
zum Sturm in Bereitfhaft, als man plötzlich aus den benach⸗ 
barten Seitenthälern den Schall. von Trommeln und Pfeifen, 
immer näher und näher fommend, vernahbm. Zu gleicher Zeit 
erfchien der Zwerg oben auf der Thurmwarte und fchlug ein 
gellendes Gelächter auf. Die Bauern überfiel Todesangft; fie 
wähnten nicht anders als, das ganze fehwäbifche Bundesheer 
rüde heran, und ergriffen fo fihleunig als möglich die Flucht. 
Und auch als fi fpäter herausftellte, daß die ganze Gegend 


Acherthal und Setitenthäler. 63 


weit und breit umher leer ſey von den Truppen ſowohl der 
Städte, als der Fürſten, wagten ſich doch die Bauern nicht 
mehr in bie Nähe dieſes Schloffes, da der Glaube, daſſelbe ſey 
verzaubert, fefte Wurzel in ihnen gefchlagen hatte Sonach 
blieb die Burg, Dank ihrem guten Geifte, von allen Schredniffen 
des Bauernkrieges verfchont und bie Familie fand, als der Frie- 
den ihr die Rüdfehr nach Rodeck geftattete, Alles in der Burg 


noch in derfelben Ordnung, wie fie e3 verlaffen hatte. 
Aloys Schreiber, 


Der Retter von Nodeck. 


(Metriſche Verſion der vorftehenden Sage.) 


Neun foll es erklingen das luſtige Spiel 
Vom Zwerg in dem Schloffe zu Rodeck! 
Einf nahmens die Bauern im Kriege zum Ziel, 
Da faßte den Grafen ein Todſchreck. 
Die Freunde, die Beften, fie waren entflobn; 
Die Knechte, verfhmähn’d den verheißenen Lohn, 
Gehn über zum Bund der Berfchwornen. 
Schon zählt er fih zu den Verlornen. 


Der Treufte von Allen, ein drolliger Wicht, 
— Kaum maß er drei Fuß bis zum Schopfe — 
Mit röthlichem Barte, mit Runzelgefiht, 

Und mächtigem Höder und Kopfe: 

Der trat nün in raffelndem Harnifh und Helm, 
Mit fporenumfliriten Kanonen, der Schelm, 
Gar fein falutirend zum Ritter: 

„Bas grämt Ihr und härmt Euch fo bitter? 


„Vertraut mir, Gebieter! Ich hab’ es Euch Dank, 
Daß einft Ihr mich wiegtet im Holzſchuh, 

Wo, gütlich bewirthet mit Speife und Tranf, 

Ich pflegte vergnüglich und ſtolz Ruh. 

Längft bin entwachfen der Schaufel, ein Held! 

Ya, glaubt nur, ich tummle mich tapfer im Feld: 
Ameif im Galoppe zu reiten, 

Meneſtratus lehrt' michs vor Zeiten. 


+‘ 


6A Acherthal und Seitentpäler. 


„Wie Demas auf Spinnengeweben, fürwahr, 
So künſtlich zu tanzen auch wag' ich; 
Wie Marculus, traun, mit dem Kopfe ſogar 
Sonnſtäubchen zu ſpießen vermag ich.*) 
Kurz: gebt mir, ich bitte, die Burg da in Hut! 
Brav wird fie vertheidigt, da ſteh' ih Euch gut; 
O fäumt nicht, ſchon wälzt fih im Trotte 
Thaleinwerts die feindliche Rotte!“ 


„Was fabelſt du, närrifcher Enirpfiger Daus?“ 
Kopffhüttelt der Ritter von Rodeck. 
„Du wollteft beftehn mit dem Feinde den Strauß, 
Auffordern zur Rache den Tod keck?“ — 
„Das will ich, drum bin ih in Eifen und Stahl! 
est macht aus dem Staub Euch mit Kind’ und Gemahl! 
Dies Zweiglein . . . . an felfiger Stelle 
Erſchließt's Euch die wohnlichſte Zelle.“ 


Der Graf mit den Seinen ergreifet die Flucht, 
— Dumpf wirbein die Trommeln von ferne — 
Durch heimliche Gänge zur felfigen Schlucht 
Gelangt er im Schimmer der Sterne. 

Kaum hat er berührt mit dem Zweig das Geftein, 
Sp Iadet ein Zaubergewölbe fie ein 

Zu leder bereitetem Mahle, 

Da funfelt der Wein im Pokale. 


Wie ſchmauſet und zechet das Gräflein mit Luſt! 
Er fragt nicht, bei wen er zu Gaſte; 
Ihm ſchmiegt fich fein jugendlih Weib an die Bruft 
Im firablenden Gnomenpalafte. 
Die Kinder, fie jubeln, — 9 felige Nacht! 
Sp find fie entfihlafen, fo find fie erwacht, 
. Derweil vor dem flürmenden Troffe 
Sich rüflet der Zwerg auf dem Schloſſe. 


Kings füllt er mit Waffer die Gräben fofort, 
Aufzieht er Die wuchtige Brüde; 


*) Siehe die Anmerkung am Schluß! 





’ Acherthal und Seitentpäler. | 65 


Den Brefihbatterieen der Bauern zum Tort, 

Hoch ypflanzt auf den Wall er die Stüde. 

Der Ruf: „es ergebe die Burg fich !” ertönt. 

Drauf fhallend Gelächter. — Man glaubt fi verhöhnt, 
Argwöhnet verberbliche Kriegsliſt 

Im Trotz, der ſo ſicher des Siegs iſt. 


Zur That doch befeuert der Führer die Schaar; 
Es ſchmettern die Hörner zum Sturme. 
Nun krachen die Böller, es wächſt die Gefahr — 
Da fieh! auf der Warte vom Thurme 
Stolzieret in raffeindem Harnifch und Helm 
Mit fporenumflirrten Kanonen der Schelm, 
Aufſchlagend entſetzliche Lache! 
Dem Feind iſt unheimlich die Sache. 


Und ſchwellender gellt ſein Gelächter zu Thal, 
Und gellender ſchwillts in die Runde, 
Da hallts wie Drommeten und Trommeln zumal 
Als Echo vom waldigen Grunde. 
Wie macht ſo ein Thürmer die Bauern verdutzt! 
Flugs haben die Stürmer die Platte geputzt 
Bergunter die Kreuz und die Duere 
Aus Angft vor dem ſchwäbiſchen Heere. — 


So biieb nun verfchont vor gefürdhtetem Troß 
Die Burg in dem Kriegesgemitter. 
Gekehrt aud dem Berge der Graf in fein Schloß, 
Schlug dankbar das Zwerglein zum Ritter. 
Das hat mit dem Rath ihn, dem Hugen, bedacht: 
„Zwar hab’ ich die Bauern von binnen gelacht, 
Run aber iſts Euere Sade, 
Daß dauern der Frieden Euch lache! 


„Drum ftillet die Klagen der Armen im Land, 
Defreit fie vom Joch dem. verhaßten; 
Regiert nicht, wie Andre, mit eiferner Hand; 
Bermindert die Frohnden und Laſten!“ 
I. 5 


—8 


66 Acherthal und Seitenthäler. 


So that er, und Segen erfüllte ſein Haus. 

Oft kam das Gezwerge vom Berge zum Schmauß 

Bei Meth und gewürzigem Brodweck. — 

Hei, ging es da hoch her auf Rodeck! 

Ignaz Hub. 
(Driginalmittheilung.) 
*) Hirngefpinnfte ver Dichter des Alterthums; Pygmäen der win- 

zigften Elaffe, fo zu fagen: Infufionsmenfclein. Meneftratus ritt eine 
Ameiſe, die ihn abwarf und mit ihren Füßen zertrat; Demas war fo 
leicht, daß er auf einem Spinngemwebe tanzen fonnte, und Marculus 
hat mit feinem Kopfe ein Loch in ein Sonnenfläubrhen gebohrt. Unge— 
heure Riefen dagegen waren, beren Homer im vritten Gefang ver 
Altade erwähnt, wo er die Schlachten der Trojaner. und Griechen mit 
dem Streite ver Pygmäen und Kraniche vergleicht. Sie wohnten, nad 
Plintus, an ven äußerſten Gränzen Indiens, wo der Ganges entfpringt, 
hatten eine Höhe von drei Spannen, und wurden befländig von den Kra⸗ 
nichen befriegt. Zur Zeit des Frühlings zogen fie, auf Widdern und 
Ziegen reitend, mit Pfeilen bewaffnet, ſchaarenweiſe an’! Meer, um bie 
Eier und Jungen ihrer Feinde aufzureiden. Mit viefem Feldzuge brach⸗ 
ten fie gewöhnlich drei Donate zu, weil fie fonft den Heeren ver Kraniche 
nicht hätten Widerſtand Ieiften können. Ihre Häufer beflanden aus Lehm, 
Federn und Eierfchalen. Ann. des Verf, 


Die Klofterruine zu Seebacdh. ” 


Von des Lebens lauter Straße 
Lag geſchieden 
Hier in Frieden 
Eine heilige Oaſe. 


Stille Wohnung frommer Nonnen 
Stand im Schirme 
Heil'ger Thürme 
An des Thales klarem Bronnen. 


Bei des Gloͤckleins hellem Klange 
Sie erſchienen 
Gott zu dienen | 
Mit Gebet und mit Gefange. 


= 


2) Dorf und Filial von Ottenhöfen, drei Stunden öftfih von Achern. 


— 


Acherthal und Seitenthäler. 


Einſt doch weinte eine Nonne 
Hier oft Thränen, 
Und ihr Sehnen 
Wußten Zelle, Mond und Sonne. 


Eine Taube kam geflogen, 
Zeug im Munde 
Todeskunde 
Deſſen, dem ſie war gewogen: 


Trennungsweh' zog hin den Lieben 
Zu dem Heere — 
Auf der Ehre 
Feld iſt er geblieben; 


Und noch dacht' er ſterbend ihrer 
Bitter leidend; — 
Klage meidend, 
Beugt ſie ſich dem Weltregierer. 


Und ob ihres Ordens Pflege 
Bald erblühte 
Dem Gemüthe 
Ruh’ im heiligen Gehege, — 


Der Zerftörung längſt zum Raube 
Ward die Halle, 
Und fie Alle 
Sind vermählet auch dem Staube. 


Und der Epich am Gemäuer 
Grünt noch immer, 
Aber nimmer 
Schlägt ihr Herz im Todesſchleier. 


Nur in fanften Maienlüften 
Wehen linde 
Noch als Winde 
Seufzer aus den moos'gen Grüften. 
| 5* 


67 


68 Acherthal und Seitenthäler. 


Und im Gipfel alter Bäume 
Flüſtert leiſe 
Noch die Weiſe 
Ihres Lieds und ihrer Träume. 
Friedrich Ernft. 


Die Helden vom Kappeler Thal. 


Un herrlichen Weinbergen vorüber, durch Gärten poll üppi- 
ger Obftbäume und ganze Wälder von Kaftanien, auf einem 
Teppich frifchgrüner Wiefen zwifchen einer Menge von Bächen 
und Quellen dahin, welche nach und nad die oft fehr wilde 
Acer bilden, zieht fich der Weg durch diefes Thal, welches in 
einer Strede von wenigen Stunden eine Fülle der berrlichften 
Scenen entfaltet und an romantifcher Pracht mit manchen ber 
befannteften Schweizerthäler wetteifern dürfte. Kappel unter 
Rotteck, ein wohlhabender Fleden, Liegt Dicht am Fuße des 
Berges, auf welchem die Trümmer des alten Schloßes Rotteck 
Yiegen, son dem wir oben die Sage vom tapfern Burggeifte 
mittheilten. Bon bier aus z0g einft manch tapferer Ritter gegen 
die Wälfchen und Sarazenen, aber die Wiege der Helden ift 
längſt in Schutt zerfallen. Das zum Flecken gehörige Thal ift 
ziemlich ſchmal und in feinem oberften Theile fchon bedeutend 
raub, wird aber von einem fräftigen, fernteutfchen Menfchen- 
fihlage bewohnt. Das haben im Jahr 1796 die Franzofen derb 
genug empfinden müßen. Denn hier fanden fie ein Feines Tyrol. 
Auch bier gibt es nämlich Scharfihügen, fo gut wie dort. Meh— 
remale verfuchten die feindlichen Truppen bier einzubringen, 
wurden aber allemal, mit einem Berlufte yon Kanonen und 
ahnen, blutig zurüdgeworfen. Die Kappeler behaupten, eine 
weiße Frauengeftalt fey ihren Schaaren vorangefchmwebt und 
babe fie wunderbarlich gefchüst vor dem Feuer der Franzofen. 
Ob's ein Fräulein aus dem benachbarten Munmelfee gewefen, 
oder eine felige Ritteröfrau von einer der alten Burgen biefeg 
Thales, ober gar eine bemfelben beſonders gnädige Heilige, 
darüber find die Meinungen verfchieden. — Uebrigens nahmen 
bie Weiber dieſes Thaled, nach echt altteutſcher Weife, felbe: 
den thätigften Antheil an den Kämpfen und Gefahren ihrer 


Acherthal und Seitenthäler. 69 


Männer; eine Tapferkeit, von der ſie ſchon früher einmal wackere 
Proben abgelegt. Als nämlich im Jahr 1777 ein angeſehener 
Bauer dieſer Gegend, wegen Wilderei, ins Oberkircher Amtsge⸗ 
fängniß geworfen wurde, bewaffneten ſich die Weiber mit Heu⸗, 
Mift- und Ofengabeln, Stangen, Beſen :c. und zogen bei nädht- 
licher Weile nah Oberkirch, überfielen in tieffter Stille die 
Machen am Thor und am Thurm, nahmen fie gefangen, (bie 
Wächter mochten im erſten Schreden meinen, alle Deren ber 
Yburg fenen herabgefommen) befreiten den Wilderer aus feinem 
Kerfer und führten ihn im Triumphe heim in ihr Thal zurüd. 
D. 8. 


Das Bergweiblein. 


Das Sefchleht, das auf der Burg Öofenftein, deſſen 
Ruinen bei Dttenhöfen im Kapplerthal von einem Hügel herab- 
ſehen, feinen Sit hatte, ift längft erlofchen. Einer der Ritter, 
welche dort haußten, hatte eine einzige Tochter, Ida mit Na⸗ 
men, erft achtzehn Jahre alt, ausnehmend fchön aber eben fo 
gut und fromm. Oft erging fie fih im nahen Walde, pflüdte 
Blumen und Kräuter und Iaufchte dem fröhlichen Gezwiticher 
der Vögel. Da gefellte fih von Zeit zu Zeit ein Kleines, grau⸗ 
gekleidetes Weiblein zu ihr und hatte bald durch ihr freundliches 
Wefen und die wundervollen Gefchichten, die es ihr erzählte, 
Ida's volle Gunft gewonnen. Eines Tages brachte ihr das 
Weiblein einige Stüde gediegenen Goldes. „Da, — fagte 
fie — „will ih dir was fohenfen! Sol ein koſtbares Spiel- 
zeug hat wohl faum eine Königstochter aufzuweiſen!“ — Ida 
freute ſich herzlich. über diefe Kleinodien und als fie nach Haufe 
fam, eilte fie, diefelben ihrem Vater zu zeigen. Aber dieſer Anblid 
wedte im Herzen des Ritters alsbald die böfe Begierde, Der 
Gedanfe, das Waldweiblein müße wohl im Belige großer Vor⸗ 
räthe folcher Koftbarfeiten feyn, Yieß ihm feine Ruhe mehr und 
feine Habfucht trieb ihn zu einem unfeligen Entfchluße. 

Am folgenden Tage fpielte Ida wieder, wie gewöhnlich, in 
ihrem lichen Walde und auch die geheimnißvolle Geſellſchafterin 
hatte fi) wieder eingeftellt. Da flürzten plöglich etliche Knechte 
des Burgheren aus dem Gebüfche hervor, wo fie gelauert hatten, 


To Acherthal und Seitenthäler. 


ergriffen das Weiblein, des Flehens der zum Tod erſchrockenen 
Ida nicht achtend, und ſchleppten es auf die Burg vor den Rit⸗ 
ter von Boſenſtein. Dieſer fuhr ſie mit rauhen Worten an, 
indem er auf das ihm von ſeiner Tochter überlaſſene Gold 
deutete: 

„Woher haft du dieſe Stücke?“ 

„Aus meiner Heimath.“ — verſetzte das Bergweiblein. 
„Ihr müßt einen Ueberfluß von ſolchen Schätzen haben! — 
Ich gebiete dir, mir längſtens bis Morgen um diefe Zeit zehn 

Körbe vol davon zu bringen !"' 

„Ich bin nicht Eure Leibeigene!“ — gab das Weiblein mit 
finfterem Blide zurüd — „Glaubt ja nicht, Daß ich Euch ge- 
borchen werde !“ 

„So will ich verfuhen, ob Dich eine Nacht in meinem 
Burgverließe nicht anderen Sinnes werden läßt!“ — zürnte 
der Ritter. 

„Gewiß zum Danfe, daß ich Eurem Töchterlein das Gold 
zum Spielzeuge gebracht habe?” — Ticherte das Weiblein höh⸗ 
niſch und ihre Worte Hangen fo unheimlich, daß den Burgheren 
ein Grauen überlief; allein der Schimmer bes Goldes übers 
wältigte fhnell jede, beffere Regung in ihm und er befahl, die 
Alte in den Kerfer zu werfen, wenn fie nicht augenblicklich ver⸗ 
ſpräche, feinem Gebote Folge zu leiſten. 

In diefem Augenblide fam Ida faft athemlos gelaufen und 
befhwor ihren Vater unter Thränen, doc ja ihrer Freundin 
zu fihonen, die ſtets fo Tiebreich gegen fie gewejen. Aber ber 
babfüchtige Mann blieb ungerührt, fogar als ſich fein Kind ihm 
zu Füßen warf und flehend feine Kniee umſchlang. Das Weibs 
lein aber fagte: „Diefes Mägdlein ift Euer guter Engel, Herr 
Ritter! Jetzt laßt mich abführen in den Thurm !” 

Ida beftand darauf, mit dem Weiblein ins Verließ gefperrt 
zu werden, allein der harte Vater riß fie heftig von demſelben 
hinweg und bie Alte ward in den Thurm geführt. 

Diefem Abend folgte eine furchtbare Nacıt. Ein entjeglicher 
Sturm erhob fi und ſchien Die Burg in Trümmer zufammen- 
flürgen zu wollen. Zwifchen dem Raffeln des Donners und 
dem Geheule der Windshraut vernahm man allerlei: feltfame 
Stimmen und gellende Hammerfchläge. Als es endlih Morgen 


Acherihal und Settenthäler. 71 


ward, kam ein Knecht zu dem Ritter mit der Meldung herauf⸗ 
geeilt, die Gefangene ſey durch ein Loch, das in den Thurm 
gebrochen worden, entflohen. 

Jetzt bemeiſterte ſich doch ein Bangen des Herzens des Burg⸗ 
herrn; als aber eine Magd mit der Nachricht erſchien, Ida's 
Bett ſey leer und keine Spur von ihr zu finden, ſchlug er ſich 
die Fauſt vor die Stirne und wüthete über ſich ſelbſt. 

Das ganze Burggeſinde und alle Reiſigen wurden aufge⸗ 
boten, die Gegend ringsum zu durchſtreifen, jedoch alles For⸗ 
ſchen blieb vergebens und ſie kehrten niedergeſchlagenen Herzens 
wieder surüd. Der Ritter gerieth in Verzweiflung, raufte ſich 
das Haar und that Gelübde auf Gelübde, eine Kirche zu bauen, 
einen Tyeil feiner Güter dem Klofter zu fehenfen, ja felbft nach 
Einfiedeln zu wallfahrten, wenn ihm nur feine Ida, die er bei 
au feiner Härte doch zärtlich Liebte, wiedergegeben würde. End⸗ 
lich brachte ein Holzhauer die Kunde, daß er das Fräulein auf 
einer Felfenflippe, die noch Niemand zu erfteigen vermochte und 
bie eine halbe Stunde von Bofenftein im Walde lag, bei dem 
gefpenftigen Weiblein figen gefehen habe. Unverzüglich machte 
fih der Ritter mit feinen Leuten nad) dem angegebenen Orte 
auf, Als das Weiblein die Anfommenden erblidte, nahm fie 
raſch Ida bei der Hand und verſchwand mit ihr auf der Rüde 
feite des Felfens. Der Ritter wähnte nun Alles verloren, doch 
ald er mit vieler Mühe fih einen Weg durch das Geftrüppe 
hinter die Klippe gebahnt, fand er zu feiner freudigften Ueber- 
raſchung feine Tochter auf einer Moosbank am Felfen ſchlum⸗ 
mern und neben ihr zwei mit Laub überfireute hohe Körbe. 
Der Ritter dachte nicht anders als, fie feyen mit Gold ange- 
füllt, als er aber Die Hülle aufdeckte, glänzten ihm nichts ale 
Steinfohlen entgegen und dabei Tag ein Pergameniitreif mit 
den Worten: „Dem goldgierigen Ritter von Bofenftein 

Das Weiblein aber Tieß fich von dieſem Tage an nirgends 
mehr blicken und die arme Ida vermißte Tange Zeit mit ſchwerem 
Herzen die freundfihe Gefpielin ihrer Waldeinfamfeit und 
konnte fich kaum über ihren Verluft mehr tröften. 

- (A, Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenven ⁊c.“). 


72 Acherthal und Seitenthäler. 
Die Frau von Bofenftein.” 


Um ihren Herrn von Bofenftein 
Hat Yängft verfchmerzt den Trennungsharm, 
Noch in der Blüthe Rofenfchein, 
Die Frau in ihres Buhlen Arm. 
Es war zum Kreuzesfiege 
Gezogen fern der Ritter, 
Zu des Erlöfers Wiege, 
Ein Sarazenenfchnitter. 


Sie praßt in Lüften Tag und Nacht, 
In fündliher Genüffe Wahl; 
Nie Hat fie treulih mehr gedacht 
Des Ehgemals beim Schwelgermaht. 
Dei weingefüllten Humpen 
Wie jubelts heut im Chore! 
O ſeht, da hinkt in Lumpen 
Ein Weib herein zum Thore! 


In ihrer ſieben Kinder Kreis, 

Als käm' das Unglück ſelbſt zu Gaſt, 
Fleht um ein Stücklein Brod ſie heiß, 
Gemagert zum Gerippe faſt. 

Jedoch mit finſtrer Stirne 

Die Herrin höhnt die Arme: 

„Wie kamſt du, Bettlerdirne, 

Zu ſolchem Kinderſchwarme? 


„Fürwahr! das nenn’ ich Uebermuth, 
Hier ift für Hungrige Tein Ort! 
Hinaus mit euch, Zigeunerbrut ! 
Sonſt het’ ich euch mit‘ Hunden fort. — 
Die Bettlerin im Grimme 
Stößt aus den Fluch in Zähren: 
„So mögft zur Schmach du, Schlimme, 
Einft Sieben zumal gebären !“ 


Sie wanft von dannen leidesvoll, 
Man fpottet noch der Gramgeftalt; 


Acherthal und Seitenthäler. 73 


Ob auch die Tafel überquoll, 

Der Kinder Jammern taub verhallt. 
O Felſenherz der Reichen, 
Tyranniſch im Genuſſe! 

Habt ihr für Warnungszeichen 

Kein Ohr, im Ueberfluſſe? 


Die Strafe ſchlich auf leiſer Zeh’ 
Zur üpp'gen Frau von Boſenſtein; 
Nach fieben Monden brach das Weh 
Des Fluchs auf fie mit Macht herein. 
Der Jubel hat am längften 
Ergoffen feine Lieder ; 
Sie fam mit Dual und Aengften 
Mit fieben Knaben nieder. 


Doch bald weiß ihr verflodter Sinn 
Für dieſe Schande Höllenrath, 
Beredet fchlau die Dienerin 
Zur unheilvollen Frevelthat: 

„Auf ſtillen Pfaden fchleiche, 

— Wer fieht dir's augeſchrieben? — 
Hinab zum Didenteide, 

Erfäuf die böfen Sieben!” 


Die Zofe flebt im Schilf am Teich, 
Im Sad die Kindlein Häglich ſchrei'n; 
Sie ſprach: „Ich ha euch Ruh’ ſogleich!“ 
Anknüpfend einen ſchweren Stein. 
Der See, vom Morgenrothe 
Umblutet, rauſcht im Becken, 
Als ob er zürnend droͤhte, 
Den Rächer ſtracks zu wecken. 


„Gut Zeit!“ — Ein Mann im Pilgerkleid 
Ihr plötzlich an der Ferſe ſtund: 
„Was kreiſcht in deinem Sack ſo, Maid?“ 
„Ei, Herr, find neugeborne Hund!“ 
Sie wurde blaͤſſer, röther. 


74 


Acherthal und Seitentpäler. 


Er heiſcht im ſtrengen Baſſe: 
„Zeig her die jungen Köter, 
Ob mir gefällt die Raſſe!“ 


Was muß er fehn! Er flarıt. „Gottlob!“ 
Sp ruft er aus, vor Zorn erblaßt, 
„Daß ich aus diefer Tauf euch hob, 
Und mir verfagt ein Stündlein Raft! 
Nun, Falſche, offenbare 
Der Rabenmutter Namen!” — 
Die Magd gefteht das Wahre, 
Ihr möcht’ die Zung’ erlahmen. 


Da flräubt fich ihm das Haar empor, 
Sein Auge rollt in Zornesgluth: 
„Das ift die Treu’, die fie mir ſchwor, 
Sp hielt fie mir das Haus in Huth! 
Dir fey geichenft das Leben, 
Doc ihr mag Bott genaden !“ 
Drauf eilt in’d Schloß voll Beben 
Er, mit dem Sad beladen. 


Er tritt hinein zum Ritterfaal, 
Zur Hand die Zeugen ihrer Schuld; 
Da buhlten bei vertrautem Mahl 
Die Schwelger um der Dame Huld. 
„Hört an, ich bring’ euch Kunde 
Bon gräulichem Verbrechen !” 

Die Herrlein in der Runde, 
Sie halten inn’ im Zehen. — 


„Sagt an, welch eine Strafe fol 
Ereilen ſolch unmenfchlid Weib, 
Hinmordend, graufer Tüde vol, 

Die Frucht von ihrem eignen Leib 9“ 
Dan ftugt. — „Die,“ rief ein Spafler, 
„Vermauert harr' Des Todes 

Dei einem Kruge Waffer 

Und einem Laibe Brobes !“' 





Acherthalund Setitenthäler. 75 


„Sei's!“ Donnert Herr von Bofenftein 
Und wirft den Pilgermantel hin: 
„Ins Mauergrab verftoßen ſeyn 
Soll alfobald die Sünderin!“ 
Sie finft entfegt vom Stuhle, 
Bernichtet war ihr Hoffen. 
Im Blute lag ihr Buhle, 
Bom Racheſchwert getroffen. 


es 
.. 


Wo dort die Gottſchläg feldherab 
Durchs enge Thal fich bricht die Bahn, 
Gaͤhnt noch das Edelfrauengrab, 

Das einft die Büßerin umfahn. 

Noch fteht in alter Kunde 

Bon ihrem Stamın gefchrieben, 

Davon der Name „Hunde g 
Bon Bofenftein“ geblieben. 


*) Alte Ruine in der Pfarrei Ottenhöfen, zwei und eine halbe 
Stunde öfllih von Ahern; Iiegt auf einem Auslaufer des Melferei- 
fopfs, ift mit tiefen zum Theil von der Ratur gebildeten Gräben umge- 
ben und nur noch in wenigen Ueberreſten vorhanden. Ob die Burg 
tömifchen Urfprungs iſt, wie Einige behaupten, mögen wir nicht entſchei⸗ 
den. Jedenfalls fcheint fie ein hohes Alter zu haben. Im fünften Jahr⸗ 
hundert baute, wie man wiffen will, ein alemannifcher Evler, Namens 
von Stein, in biefem wilden Thale eine Burg, die jedoch während ber 
Bölterwanderung wieder zerflört wurbe, während auch das alte Gefchlecht 
erloſch. Kaiſer Otto I. fol viefe Herrfchaft einem andern Adligen, ber 
im Jahr 960 das Schloß wieder aufbaute und Bof enftein nannte, 
gegeben haben. 

Die Sage von der Frau von Bofenftein lautete im Munde des Bol- 
kes folgendermaßen : Zu ver ftolgen und hartherzigen Gattin deſſelben fet einft 
eine Betilerin mit fieben Kindern gefommen, aber von verfelben wegen 
folchen Leibesfegens gefcholten und höhnifh abgewiefen worden. Da 
babe die Bettelfrau die Verwünſchung ausgeftoßen, daß vie Edeldame 
mit einer gleichen Zahl von Kindern auf Einmal niederlommen möge. 
Dies ging in Erfüllung und die Rittersfrau wurde an Einem Tage von 
fieben Kindern entbunden. Um dies zu verbehlen, follte eine vertraute 
Magd ſechs derſelben im benachbarten Weiher ertränten. Der Ritter, 
von einem Zuge heimkehrend, begegnete ver Dienerin zufällig auf dem 


76 Aderthalumd Seitenihäler. 


Wege zum Teiche, ſah, daß fie etwas in einem Sade trug und fragte 
nad feinem Inhalt. „Eine Brut Hündlein, die ich ertränten ſoll!“ lau⸗ 
tete die Antwort. Verdacht ſchöpfend gebot er ihr, ven Sad aufzubinden, 
fah die neugebornen Kindlein darin und vernahm mit Entfeben das Ges 
ftänpniß der beabfichtigten Miſſethat. Er gab hierauf treuen Leuten vie 
Kinder zum Erziehen, und veranftaltete nach fieben Jahren ein Feſtmahl 
auf feiner Burg. Da wurde gefpielt, geſcherzt und mancherlei erzählt. 
Unter Anderen fragte der Ritter, welche Strafe wohl einer Frau gebühre, 
welche ihre Kinder aus ver Welt geſchafft habe. Raſch erwieberte die 
Schuldbewußte: „Eine ſolche Rabenmutter verdient bei einem Laib Brod 
und einem Krug Waſſer lebendig eingemauert zu werben!" Somit hatte 
fie fih felbft ihr Urtheil geſprochen. Die todtgeglaubten ſechs Knaben 
wurden herein gerufen, die Strafe gerecht befunden, und die Evelfrau 
lebendig eingemauert. Soweit die Sage,*) — Noch zeigt man im hinter- 
fin Gottſchlägthale hinter vem Wafferfalle in ver Felswand eine 
Nifche, welche das Bolt „Edelfrauenloch“ nennt, Auch der Diden- 
te ich, worin die Kinder ertränkt werden follten, wird noch gezeigt. Der 
Sage mag eine biftorifhe Wahrheit zu Grunde Tiegen, und noch lebt 
eine Familie „Hund,“ welche von jenem Gefchlechte, das von diefem 
Borfalle gleichen Namen führte, abflammen fol, in felbiger Gegend. 
(Bergt. „Univerſal⸗Lexikon von Baden.“ ©, 161.) 


Krieg von Hochfelden in feiner „Geſchichte der Grafen von Eber- 
ftein 20.” ©. 8, erzählt eine ähnliche Sage: „Sementraut, bie Ge- 
mahlin Sfenbart’s, ‚Herrn zu Altvorf, eines Zeitgenoffen Karl’s 
des Großen, gebar, von einem armen Weibe verwünfcht, zwölf Knaben 
auf einmal. Den Zorn des abweſenden Gatten befürchtenn, gab fie elf 
derfelben einer alten Dienerin, fle zu ertränfen. Diefer begegnete Ifen- 
bart. Auf die Frage, was fie da trage, erwiederte fie: „Zunge Hunde 
(Welfen), um fie ind Wafler zu werfen.” Sfenbart deckte den Korb auf, 
erfuhr das beabfichtigte Verbrechen, Tieß die Kinder indgeheim erziehen, 
führte fie nach ſechs Jahren ihrer erichrodenen Mutter vor und verzieh 
ihr großmüthig. Bon den zwölf Knaben warb einer Bifchof, von den 
übrigen Teiten die Welfen von Altvorf, die Herzoge von Franken, bie 
Grafen von Hohenzollern, von Heiligenberg, jene von Todenburg, 
die Gebharde, Derzoge von Alemannien, die Grafen von Eber- 
ftein, deren erfter Eberhard geheißen habe, die Grafen von Dettingen, 
die Grafen zu Wölpe, fo wie jene von Calw und von Rapenellenbogen, 
ihren Urſprung ab. 








*) Obige dichterifhe Bearbeitung weicht in einigen Nebenumftänden ab. 


Acherthal und Seitenthaäaler. 77 | 
Die drei Jungfrauen aus dem See. 


Düngefähr in der Mitte des fchönen Thales von Ober- 
Kappel, da, wo der Weg zum Mummelfee binaufführt, lie— 
gen mehrere zerfireute Wohnungen, die zufammen den Zinfen 
Seebad ausmachen. Wie in vielen Gegenden Deutfchlandg, 
fo ift es auch bier Sitte, dag an den langen Winterabenden 
bie jungen Mädchen mit ihren Kunkeln fi) abmwechfelnd in einer 
der Wohnungen verfammeln, um fih beim Epinnen die Zeit 
um fo angenehmer durch Singen und Plaudern zu vertreiben. 
„zur Spinnftube gehen”, nennt man dieſen Gebrauch. Auch 
die jungen ledigen Burfche aus dem Drte pflegen fi dabei 
einzufinden,, doch befchränfen ſich Alle auf ehrbare Kurzweil. 

Bor vielen Jahren war eines Abends bie Spinnftube bei 
dem reichen Hofbauer Erlfried und Alles munter und guter 
Dinge, als die Thüre fich Leid öffnete und drei weißgefleibete 
Jungfrauen von ausnehmender Schönheit hereintraten,, Jede 
ein niedlihes Spinnräbchen von feltfamer Form in der Hand. 
Gittfam begrüßten fie die Gefellfhaft und die Eine von ihnen 
fragte mit füßer Stimme an, ob man ihnen, als friedlichen 
Nahbarinnen, wohl die Gunft geftatten wolle, Theil zu neh⸗ 
men an ber Unterhaltung in der Spinnfiube? Augenblicklich, 
doch nicht ohne wunderliche Gefühle, ward ed den unbekannten 
Nahbarinnen zugeſtanden; man feste für fie Stühle in den 
Kreis und bald fihnurrten ihre Rädchen mit den anderen um 
die Wette. Durch dieſen unerwarteten Befuch war freilich bie 
heitere Unbefangenheit des Ländlichen Kreiſes etwas geflört wor⸗ 
den und Alle fühlten eine gewifie Scheu; als aber die Jung- 
frauen mit ihnen fo freundlich fpradhen und mit ihren klaren 
blauen Augen fo traufich und offen umberblidten, da verlor 
fih allmälig das unheimliche Gefühl und bald war die vorige 
Munterfeit und der harmloſe Frohſinn der Spinnerinnen wieder 
hergeſtellt. 

Von nun an fehlten die drei Fremden in keiner Spinnſtube 
mehr. Sobald der Abend dämmerie, ſtellten ſie ſich mit ihren 
Spinnrocken ein und plauderten geſellig mit den Andern, aber 
mit dem Glockenſchlag eilf nahmen fie Kunkel und Hanf zu- 
fammen und eilten fort; da half Fein Bitten, Fein Zureben, 


-_ 


78 Ahbertbalund Seitenthäler 


noch Tänger zu verweilen; nichts Fonnte fie vermögen, über bie 
elfte Stunde zu bleiben. Niemand wußte, woher fie famen, 
noch wohin fie gingen, doch rannte man fih ins Ohr, es 
feyen Fräulein aus dem Mummelfee und bald nannte man 
fie nicht anders, als das Schwefter » Kfeeblatt vom See. Seit 
fie aber die Spinnftuben im Thal zu befuchen pflegten, fanden 
ſich Mädchen und Burſchen noch einmal fo gern bei diefen 
Zufammenfünften ein; denn Die Seejungfern wußten ihnen gar 
viel anmuthige neue Lieder und hübſche Gefchichten vorzutragen 
und die Spinnerinnen brachten jedesmal vollere Spulen und 
feineren Faden von da nad Daufe, als früher, wenn gleich 
ihr Gefpinnft mit dem der Fremden an Zartheit und Silber⸗ 
glanz noch nicht zu vergleihen war. Am unerfchöpflichften 
aber im Lobe der veizenden drei Schweflern waren bie jungen 
Burſche, was mandes Schmollen und manchen kleinen eifer- 
füchtigen Zwift mit den Mädchen des Thals herbeiführte; Diefe 
grollten jedoch keineswegs mit den Seejungfrauen darob, da 
deren Betragen ſich flets immer in den Schranfen der Zucht 
und Ehrbarfeit hielt und fie den Burfchen feinerlei Aufmunte- 
rung gaben. Bor Allen war e8 der Sohn des reichen Eifrieb, 
ber an den Seejungfern großes Wohlgefollen fand, ja fogar 
an eine derfelben fein Herz verloren hatte. Darum war er 
auch am ärgerlichften darüber, daß die Drei jeglichen Abend 
jo früh aufbrachen und er fam auf den Gedanken, eines Abende 
die hölzerne Wanduhr um eine Stunde zurüdzuftellen. Ge⸗ 
bacht, gethan. Unter Scherz und Lachen verfloß auch dießmal 
bie Zeitz endlich fchlug es Elf ftatt der Mitternachtsſtunde; bie 
Jungfrauen nahmen ihr - Spinngeräthe und entfernten fich wie 
gewöhnlid. 

Am Morgen darauf gingen Holzhauer am Mummelfee vor: 
über, da vernahmen fie aus der Tiefe ein feltfames Wimmern 
und Stöhnen und auf der Oberflähe ſchwammen drei große 
Blutflecken. Der junge Erlfried war in derfelben Nacht fchon 
Schwer erfranft und in drei Tagen eine Leiche. Die drei 
Schweftern aber wurden nie wieder im Thale gefehen. 

(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen“ ı. 1839.) 


— — 





Acherthal und Settenthäler. 79 


Die Drei See-Schweitern. ” 


(Metriſche Berfion der vorigen Sage.) 


Hört ihr im Thale vom Ufer ber _ 
Ein Hägliches Stöhnen und Wimmern? 
Seht ihr im wogenden Silberfee 
Drei Schwäne fo biendend, fo weiß wie Schnee, 
Wenn am Himmel die Sternelein flimmern ? 


Das find die drei Schweftern; von Allen geliebt, 
Sonft famen mit Roden und Rädchen 
Sie jeglihen Abend zum Dörfchen herein, 
Und mifchten ſich unter den frohen Berein 
Der Burfchen und fpinnenden Mädchen. 


Da wurde gefcherzt und geherzt und gefoft, 
Da gab ed wohl viel zu beladhen. 
Stets brachten Die Schweftern was Neues mit, 
Und übten im Tanze den zierlihen Schritt 
Und erzählten bie lieblichſten Sachen. 


Doch wann e8 EIf auf der Thurmuhr ſchlug, 
Dann mwichen fie eiligft von dannen; 
Sie famen und gingen — woher? wohinaus? 


_ Das gründete Niemand von Allen aug, 


Wie fehr fie auch forfchten und fannen. 


Und ein junger Gefelle, vermeflen und fühn, 
Gelüftete nach den drei Schönen: 
Sie famen — es pocht ihm vor Freude das Herz; 
Sie gingen — in Wehmuth verfanf ed und Schmerz, 
Dem Gram und der Trauer zu fröhnen. - 


Oft fleht' er um längres Berweilen fie an, 
Doc Tießen fie nimmer fich halten; 
Nicht achteten fie auf den bittenden Ton 
Und flohen wie Wind und wie Nebel davon, 
Wenn die graufamen Zeichen erfchallten. 


Das kränkte gar tief fein verliebtes Gemüth, 
Es verdroß ihn das Bitten und Flehen; 


80 Acherthal und Seitenthäler. 


Da ſtieg er einſt heimlich mit frevelnder Tüd’ 
Zu der Kirchuhr und ftellte den Zeiger zurüd, 
Ein Stündchen fie Tänger zu fehen. 


Ohm’ Argwohn erfchienen die Schweftern, die brei 
Am Abend, wie fonften, und fpannen, 
Da brummte die Glock' erft Zehne ftatt Eilf, 
D Himmel, erbarme dich ihrer und heif! — 
Sie wihen — o weh! nicht von bannen. 


Deſſ freute fich weiblich der junge Geſell', 
Erfült war fein fträffich Begehren; 
Und als nun eilfmal der Hammer fchlug, 
Enteilten fie fröhlich , nicht ahnend den Trug, 
Um — nimmer zurüde zu fehren. 


Da fieht er des Morgend im nahen See 
Drei Flecken mit Blute fich färben; 
Und feufzend ertönet zu feinem Ohr 
Der fohredlihe Ruf aus der Tiefe hervor: 
„Verderben dem Mörder, Berderben! " 


Und Entfegen treibt ihn vom Orte hinweg ; 
Er ahnet das graufe Vergeben, 
Und weilet und harret bis dieſen Tag 
Der Schweftern,, Doch nimmer und nimmer vermag 
Die Geliebten er wiederzufehen.. 


Wohl aber vernimmt er vom Ufer her 
Ein Hägliches Stöhnen und Wimmern; 
Wohl aber gewahrt er im dunklen See 
Drei Schwäne von blendender Weiße wie Schnee, 


Wenn die Sternlein am Himmel erflimmern. 
Marlame. 
Aus: „Teutſche Sagen aus dem Munde teutfher Dichter.” Gefammelt von X. 
Nodnagel, Zweite Ausgabe, Dresden und Leipzig.) 

*) Vergl. mit diefer Sage bie verwandten, nur wenig abweichen- 
den : „Die Riren vom Schluchfee ,” Seite 143 des erfien Bandes, „ber 
Nirenquel bei Epfenbach“ und „vie Zungfrauen vom See bei Senn- 
feld“, in diefem Bande. 


DI 


Rummelfee 
und Nachbar-See'n. 


3980 


Zehn Romanzen vom Mummelſee im 
Schwarzwald,” 


- 1 
Die SKilien. 
Am Mummelfee, im dunflen See, 

Da bfühn der Lilien viele, 
Sie neigen fi, fie beugen ſich, 
Dem Iofen Wind zum Spiele; 
Doch wenn die Nacht herniederfintt, 
Der vole Mond am Himmel blinkt, 
Entfteigen fie dem Babe 
Als Jungfern ans Geſtade. 


Es braußt der Wind, es fauft das Rohr 
Die Melodie zum Zanze; 
Die Lilienmädchen fehlingen ſich 
As wie einem Kranze, 
Und ſchweben leis umher im Kreis, 
Gefichter weiß, Gewänber weiß, 
Bis ihre bleiben Wangen 
Mit zarter Röthe prangen. 


‚ *) Die Anmerfungen zum ganzen Sagenfreife des Mummelſee's folgen am Schluffe, 
Seite 130, 
I. ' 6 


82 


Mummelfee. 


Es braußt der Sturm, es fauft das Rohr, 
Es pfeift im Tannenwalde, 
Die Wolfen ziehn am Monde hin, 
Die Schatten auf der Halde; 
Und auf und ab, durchs naſſe Gras, 
Dreht fi der Reigen ohne Maaß, 
Und immer Yauter fchwellen 
Zum Ufer an die Wellen, 


Da hebt ein Arm fih aus der Fluth, 
Die NRiefenfauft geballet. 
Ein triefend Haupt dann fchilfbefrängt, 
Bon langem Bart umwallet, 
Und eine Donnerftimme fchallt, 
Daß im Gebirg es widerhallt: 
„Zurück in eure Wogen, 
hr Lilien ungezogen !“ 


Da flodt der Tanz, die Mädchen ſchrei'n 
Und werden immer bläßer: | 
„„Der Vater ruftl Puh! Morgenluft! 
Zurüf in das Gewäffer 
Die Nebel fleigen aus dem Thal, 

Es dämmert ſchon der Morgenftrahl, 
Und Lilien ſchwanken wieder 
Im Waſſer auf und nieder. 


e 


2, 
Der Fiſcher. 
Es flieht ein Fifcher an dem See: 
„Verſchlinge mich und all mein Weh! 


„Mein Liebehen hat der Ton genommen, 
as fol mir noch das Leben frommen?“ — 


Zum Sprung ift er bereitet ſchon, 
Da ruft es ihm mit Schmeichelton: 


Mummeliee. 83 


„Ja, fomm zu mir, in meinen Armen 
Sollſt du zu neuer Lieb' erwarmen !"’ 


Und auf dem Waffer fieht er Har 
Ein lichtes Mädchen, gold von Haar. 


Sie winkt zu füßem Liebesglücke, 
Er aber fpringt entfegt zurüde: 


„Rein, Dir gehört mein Herz allein, 
Mein liebes todtes Mägbelein ! 


„And lieber bleib’ ich auf der Erben, 
Als dir im Waffer untreu werben !” 


Der Fifcher eilt nach Haufe fort; 
Gar fromm und ftille lebt er dort, 


Und harrt geduldig, ohne Klage, 
Bis Gott ihn felbft zur Liebſten trage, 


3. 
Mummelſee's Bade. 


Glatt ift der See, flumm Tiegt die Fluth, 
Sp ftill als ob fie fchliefe, 
Der Abend ruht wie dunfled Blut 
Rings auf der finftern Tiefe; 
Die Binfen im Kreife nur Teife 
Flüftern verftohlener Weife: 


„Wer fehleicht dort "aus dem Tannenwald mit fcheuem 
Zritte ber? 
Was fchleppt er in dem Sade nad) fo mühfam und fo ſchwer?“ — 
„„Das iſt der rothe Diether, der Wilderer benannt, 
Dem Förfter eine Kugel hat er ind Herz gebrannt, 
est kommt er, in die Tiefe den Leichnam zu verfenfen, 
Doch unfer alte Mummler läßt fi fo was nicht fchenten. 


„„Der Alte hat gar leiſen Schlaf, ihn flört fogar ein Stein, 
Den man vielleicht aus Unbedacht ind Waffer wirft hinein; 
6“ 


84 Mummelfee. 


Dann focht es in der Tiefe, Gewitter fleigen auf, 

Und flieht nicht gleich der Wandrer mit blisgefchwindem Lauf, 
Sp muß er in den Fluthen ald Opfer untergehen, 

Kein Auge wird ihn jemals auf Erben wiederſehen!“ 


Da ſteht der Frevler an dem See, wirft feine Bürde ab 
Und ftößt hinab mit einem Fluch den Sad ins naffe Grab: 
„Da, jage du nun Fifche da drunten in dem See, 
est kann ich ruhig pirfchen im Walde Hirfch und Reh, 
Kann mich nun. ruhig wärmen an deines Holzes Gluthen, 
Du brauchſt ja doch Fein Feuer da dDrunten in ben Fluthen !“ 


Er fprihts und will zurück, doch hält ein Dorngeſtrüpp' 
ihn an, 
Und immer fefter zerrt es ihn mit taufendfachem Zahn; 
Da Tocht es in der Tiefe, Gewitter fleigen auf, 
Dumpf rollt ob dem Gebirge der Donner feinen Lauf, 
Der See fleigt übers Ufer, es glühn des Himmels Flammen, 
Und hoch ſchlägt über dem Mörder die ſchwarze Fluth zu⸗ 
fammen. — 


— Stumm liegt. der See, als ob die Gluth 
Der Nahe wieder ſchliefe; 
Glatt ift die Fluth, im Monde ruht 
Die unermeßne Tiefe — — 
Die Binfen im Kreife nur leife 
Flüſtern verftohlener Weife. 


A. 
Einkehr. 


Was peitſchet und fohnaubet und billt und kracht, 
Und pfeifet und jauchzt durch die finftere Nacht ? 


Es raffeln die wüthenden Jäger herbei 
Mit fchmetternden Hörnern, mit Hurragefchrei. 


Und drunten am Waffer hält ſtille der Troß, 
Dag ſchwingt ſich ein jeglicher Reiter vom Roß; 


Mummelfee. 85 


Es fpringen die Hunde hinab in die Fluth 
Und löfchen des Durftes verzehrende Gut. 


Ringe lagern die Jäger im Kreife herum, 
Es tönt aus der Tiefe Das dumpfe Gebrumm. 


Hell firahlet der Mond aus den Tannen hervor 
Und theilet die Wolfen und lüftet den Flor. 


Da tauchen mildlächelnde Mädchen empor, 
Aus plätfchernden Wellen, aus fäujelndem Rohr. 


Hoch ſchwingen fie Kannen mit funfelndem Wein 
Und fchenfen in filberne Becher ihn ein: 


„Hier, trinfet ihr Herren, wir bringend euch zu ! 
Süß ſchmeckt auf der Jagd fold ein Schlückchen in Ruh !“ 


Aus trinken die Jäger: „Wir danfen gar fhön! 
Nun gehts wieder frifch über Thäler und Höhn.“ 


Es peitfchet und gellet und billt und Fracht, 
Es yfeifet und jauchzet und braußt durch die Nadıt. 


Da tauden die Niren zurüd in ihr Schloß, 
Und ferne verflinget der wüthende Troß. 


3. 
Der Knabe vom See. 


„Bas, im Echilf dort ausgeſetzt, 
Mag der Korb wohl hegen ? 
Schaut! ein Knäblein unverlegt 
Lacht und draus entgegen ! 
Schweftern, unter Mutterhut 
Wollen wir es legen, 

Drunten in der fühlen Fluth 
Liebevoll fein pflegen.“ 


Und die Niren tragen ed 
Unter file Wogen, 


86 


Mummelfee. 


In dem Schoos des Mummelfee’s 
Wird es auferzogen; 

In der Wiege von Kriftall 

Auf und ab gefchaufelt, 

Unter füßem Liederſchall 

In den Schlaf gegaufelt. 


An der weißen Brüfte Duell 
Darf das Kind ſich Taben, 
Und fo reift der Säugling ſchnell 


Zu dem fchönften Knaben; 


Blondgelockt das lange Haar, 
Milch und Blut die Wangen, 
Kommt er in der Nymphen Schaar 
Keck einhergegangen. 


Nun darf er zum erftenmal 
Aus den Fluthen fleigen, 
Läßt fi Berg und Wald und Thal 
Bon den Niren zeigen; 
Schaut entzüdt den Mondenftrahl 
Hinter Tannenzweigen, 
Mit dem Mädchen feiner Wahl 
Tanzet er den Reigen. 


Und ein ungetrübtes Glück 
Wird ihm nun zum Loofe, 
Oft noch fehret er zurüd 
Aus der Wogen Schooſe; 
Ueber Thäler, Berg und Ried 
Treibt es ihn zu wallen, 
Selig Taufchet er dem Lied 
Süßer Nachtigallen. 


Doch er wandelt nicht allein : 


- Aus der Niren Schwarme 


Hält das fhönfte Mägdelein 
Kofend er im Arme; 


Rummelfee 87 


Sa des Mondes Zauberfchein 
Kann man Beide fehen, 
Unter Minnefchmeichelei’n 
Aus dem Rohre gehen. 


6. 
Die Sochzeit. 
Bei Nacht ift ein Klingen und Singen im See, 

Es flusen im Forfte die Hirſch' und die Reh', 
Die Bögelein fehütteln fi) munter. 
Es ſchallet und hallet ein Iuftiger Lärm, 
Es tauchen die Mummler in buntem Gefhwärm 
Die Fluthen herauf und hinunter. 


Heut hat ja ihr König die niedlichfte Fee, 
Die [höne Merlina genommen zur EP, 
Dies will er auf's Herrlichfte feiern; 

Nun fleiget das Iuftige Völfchen ang Land, 
Im blauen mit Silber geftidten Gewand, 
Die Dämchen in filbernen Schleiern. 


Der König, die Krone von Schilf auf dem Haubt, 
Geformt aus Beryll, mit Smaragden umlaubt, 
Im Mantel yon Purpur und Sammet; 
Die Königin, firahlend von Schönheit und Glanz, 
Im goldenen Haar den faphirenen Kranz, 
Der von Ampphitrite noch flammet. 


Nun pflüden fie Blumen und grünendes Reis, 
Und bauen gar zierlich am Ufer im Kreis 
Sic) Lauben mit Tifchen und Bänken; 
Dann fesen ſich alle zum köſtlichen Mahl, 
Es geht in der Runde der Mufchelpofal, 
Gefüllt mit den feinften Getränfen. 


Es blafen aus Flöten von Binfen und Rohr 
.. Biel berrlihe Stüdlein die Mufifer vor, 
Und laden bie Gäfte zum Tanze ; 





Mummelfee. 


Nun fingt e3 und fpringt ed und ſchwingt ed und fauft, 
Daß felber der See nun melodifch erbraußt, 
Zu feinem umwirbelnden Kranze. 


Die Geifter der Nachbarſchaft fliegen herbei: 
Die wüthenden Jäger mit Hurragefchrei, 
Die Gnomen, Roboldchen und Zwerge, 

Und mifchen fih alle im fchönften Berein 
Zur Yuftigen Tafel, zum tanzenden Reih’n, 
Es hallen im Echo die Berge. 


Sp ſchallet und hallet die Hochzeit am See, — 
Da wird e8 dem Lieblihen Bräutchen fo weh, 
Sie fann nicht Die Yandluft ertragen; 

„Eins“ vufet Die Glode vom Kirchlein im Thal, 
Und über der Geifter unendliche Zahl 
Die Waffer, die braußenden, fchlagen. 





7. 
Der Hirte. 


Es ſitzt ein Hirtenknab 
Am Ufer dort und ſingt, 
Daß in die Fluth hinab 
Die ſüße Stimme dringt. 


Da ſteigt die ſchönſte Fee 
Im Liliengewand 
Wohl aus dem finſtern See 
Zum Hirten an das Land. 


Sie hat ihn bald berauſcht 
Mit ſüßem Minneſpiel 
Und täglich ward getauſcht 
Der heißen Küſſe viel. 


Doc pünktlich jedesmal 
Berfanf die holde Fee 
Beim legten Abendftrahl 
Hinunter in den See. 


De gg 


Mummelfee 


Einit ſprach das ſchöne Weib: 
„Bleib' ich einmal zu Haus, 
O Freund, fo ruf bei Feib 
Nicht meinen Namen aus] 


„Sonft muß ich fterben gleich, 
Du fiehft mich nimmermehr ; 
In dieſem Waſſerreich 
Iſt das Geſetz gar ſchwer!“ — 


Schon mancher Tag verfloß 
Dem Hirten an dem See, 
Doch aus der Wellen Schoos 
Stieg immer keine Fee. 


Einſt in dem Abendglanz 
Der arme Knabe ſaß, 
Und des Verbotes ganz 
In ſeinem Schmerz vergaß. 


Er ruft voll Liebesgluth 
Den theuern Namen aus — 
Da reget ſich die Fluth 
Mit ziſchendem Gebraus, 


Und aus der Tiefe gellt 
Ein dumpfer Schmerzensſchrei, 
An das Geſtade ſchwellt 
Ein Strom von Blut herbei. 


Es ſchwimmt zum Ufer da 
Ein weißes Röslein her — 
Kein Aug' auf Erden ſah 
Den Hirtenknaben mehr. 





— 


S. 
Die Wollerherberge. 
Von Straßburg drei muntre Gefellen 


Durchftreifen Gebirg und Thal; 
Im Schwarzwald wollen fie fehen 


90 


Munmmelfee. 


Den wunderbarften der Seeen, 
Den Mummelfee, doch einmal. 


Doc nah’ ſchon den Hornisgrinden 
Berlieren fie fpurlos den Weg 


. Die Iufligen Kamerädchen, 


Da hüpften drei zierliche Mädchen 
Herüber vom Tannenfteg. 


Sie grüßen mit fchelmifchem Kichern: 
„Wo wollt ihr denn hin, ihr Geſell'n?“ — 
„Zum Dummelfee wollen wir reifen, 
Könnt etwa den Weg ihr und weifen, 

Ihr allerliebften Damfel’n 2” 


„Ei freilich, mit vielem Vergnügen ! 
Da braucht ihr mit ung nur zu gehn; 
Es führt ja der Zufall gerade 
Auch ung zu des Seees Geſtade, 

Wo unfere Wohnnngen ſtehn.“ — 


Die Burfche, fie nehmen mit Freuden 
So hübfche Geleiterfchaft an; 
Nun geht’s unter Plaudern und Kofen 
Bereint mit den Mädchen, den loſen, 
Bon Halde zu Halde hinan, 


Die Jüngferchen ſcheinen nicht ſpröde; 
Berlodet von ihrem Geneck, 
Berfuchens die Wandrer ſchon lange, 
Zu rauben mit rafchem Umfange 
Ein Küßchen den Lippen fo Ted. 


Doch entfchlüpft den umfchlingenden Armen 
Sind die Dirnchen, behend wie der Aal: 
„Wartet nur, das follt ihr ung büßen ! 
Meint ihr denn, wir laffen ung füffen 
Sp Teicht wie die Mädchen im Thal?” — 


Mummelfee 


So nedend und fhädernd gelangen 
Sie bald an des Mummelfees Strand. 
Wie fill im Schlummer ruhten 
Die Schwarzen Warferfluthen 
Im Mittagsfonnenbrand ! 


„Ihr Herren, wir find am Ziele, 
Dies ift der Mummelfee! 
Hier könnt ihr euch baß erfrifchen 
Mit Seewein und mit Fifchen ; 
Ade, ihr Herren, Adel” — 


„So fagt und doch, eh’ wir feheiden, 
Allerliebfte Fräulein ihr: 
Wie fönnen wir euch denn Tohnen ? 
Wo hauft ihr denn?” — „Wir wohnen 
Ganz in der Nähe bier. 


„Ihr ſeyd wohl matt und mübe 
Und durftig obendrein ? 
Wißt ihr was: kommt mit nad) Haufe, 
Da follt ihr mit Trank und Schmaufe 
Bollauf bewirthet feyn.” 


Wie nehmen die Burfche mit Freuden 
Die freundliche Ladung an! 
Und fieh nur, flatt feuchten Sandes, 
Aus dehnt fih Länge des Strandes 
Ein grüner Wiefenplan. 


Voran die Jüngferchen- tanzen, 
Die Bürfchlein folgen nad; 
Doc find fie faum bis zur Mitten, 
Da bricht unter ihren Schritten 
Der Boden mit dumpfem Krad. 


Plumps! Liegt die ganze Gefellichaft 
Im fühlen Wogenbett ; 
Die Bürfchlein zappeln im Scilfe 


91 


92 


Mummelfee 


Und fohreien erbärmlich um Hilfe; 
Ah, nirgends ein Rettungsbrett ! 


Hell auf aber lachend ſchwimmen 
Die Jungfern wie Enten im See; 
Die Bürfchlein finfen und finfen, 
Schon find fie nah dem Ertrinfen, 
Da dauert die Mädchen ihr Weh. 


Ein Winf, und ein mächtiger Fluthſchwall 


Wälzt fachte Die Drei aufs Geſtad'; 
Die Jüngferlein aber riefen 

Sich tauchend in die Tiefen: 
„Geſegn' euch Gott das Bad! 


„Wohl bekomm’ euch die Erfriſchung 
In unferm Mummelpalaft ! 
Und hat e8 euch drinn gefallen, 
So feyd ihr in feinen Hallen 
Für immer willfommen zu Gaſt!“ 


Da fihließen fih murmelnd die Wogen 
Dicht über den Süngferchen zu; 
Ein Kichern nur tönt noch leiſe 
In Buſch und Geröhricht im Kreife, 
Dann liegt Alles in tiefer Ruh. 


Die naffen Gefellen, fte ſchleichen 
Befrhämt von dem Mummelfee, 
Sich zu trodnen auf fonnigem Pläschen, 
Und fagen auf immer den Schäschen 
In der wäßrigen Herberg Abe! 


9 
Die SMummelzwerge. 
„Mann, du mußt den Pfaffen holen, 
Daß den Spud er banne! 
Alles wird ung foı ft geftohlen 
Noch aus Topf und Kanne! 





Mummeliee. 


Mag ih Alles auch verfchließen, 
Speif’ und Trank verbergen, 
Nichts ift fiher mehr vor dieſen 
Unverfhämten Zwergen! 


„Speck und Eier, Rahm und Butter 
Aus der Speifefammer, 
Aus dem Stall fogar das Futter, 
— ft das nicht ein Sammer? — 
Alles und hinwegftipigen 
Thun fie Nachts im Stillen, 
Und durch Schlüſſelloch und Riten 
Schlüpfen fie wie Grillen.” 


„Stau, ach Frau! das find die Zwerge 
Aus des Seees Grunde, 
Wo fie wohnen hinterm Berge 
Mit der Höll' im Bunde; 
Alle Nacht zur Geiſterſtunde 
Schleicht ein Trupp ind Thal fi, 
Bei den Wirthen in der Runde 
Holen fie dad Mahl fi. 


„Dieſe Woche ift die Reih' bier 
Nun an ung gefommen, 
Und der Pfaffe, Gott verzeih’ mir! 
Mird da wenig frommen. 
Doch will ih, 's kann ja nicht fchaden, 
Zu dem heil’gen Manne, 
Auf Heut Nacht ihn einzuladen, 
Daß den Spud er banne.“ — 


Pünktlich ftellt bei unferm Paare 
Nachts der Pfarrer ein ſich; 
Daß er fühnen Muth bewahre, 
Stärft er erft mit Wein fich, 
Zündet an hierauf im SKreife 
Die geweihten Kerzen, 
Denn mit Geiftern folcher Weife, 
Läßt fich ja nicht ſcherzen. 


93 


94 


Mummelfee. 


Dann befprengt er Tiſch' und Bänfe 
Ringe mit Weihewafler; 
Tiſch' und Bänke, Heerd’ und Schränfe 
Werden immer naffer, 
Immer naffer Flur und Wände 
Big in alle Riten, 
Tauſend unfichtbare Hände 
Aus dem Keffel ſpritzen. 


Aus den Deren, aus den Eden 
Waſſerſchäume wallen, 
Mann und Frau voll Todesfchreden 
Auf die Kniee fallen; 
Auch das Pfäfflein muß im Tormel 
Sich zu Boden fireden, 
jede Geifterbannungsformel 
Dieibt im Hals ihm fterfen. 


Pröglih auf miit dumpfem Krachen 
Wird die Wand gebrochen, 
Daraus fommt mit hellem Lachen 
Zwerg auf Zwerg gekrochen; 
AL mit Eiern, Sper und Scinfen 
Bollgepfropft die Tafchen, 
Und dazwiſchen fieht man blinfen 
Weingefüllte Slajchen. 


Doch der Dickſte von dem Haufen 
Klatſchet in Die Hände, 
Und die Waffer fich verlaufen 
Wieder Durch die Wände; 
Dann mit fpötticher Miene kehrt er 
Sich zum armen Pfaffen: 
„Seht, uns bangt nicht, Hochgelehrter ! 
Bor der Kirche Waffen ! 


„Mit des ganzen Banned Strahle 
Krümmt Ihr ung fein Härcden, 
Und, wo nur in diefem Thale 
Lebt ein geizig Pärchen, 


Mummelfee. 95 


Wie hier dieſe Eheleute, — 
Machen wir die Runde, 
Um zu holen unfre Beute 
In der Geifterfiunde. 


„Was wir flehlen bei den Reichen, 
Bringen wir den Armen, 
Weil fih doch von Euresgleichen 
Keiner will erbarmen. 
Wollt Ihr frei feyn vom Verdruſſe 
Unfrer nächſten Einkehr, 
Sp vergeffet im Genuffe 
Nicht der Armuth Pein mehr ! 


„un Abe, du zitternd Kleeblatt! 
Wollt ihr ung verklagen, 
Můßt ihr fchon in unfre Seeftadt 
Euch hinunter wagen; 
Dort, vor unfres Königs Throne 
Mögt ihr proceffiren; 
Aber glaubt mir, zweifelsohne 
Werbet ihr verlieren !” 


Und der Mummelzwerglein Truppe 
Lachend fih davon macht; 
Unfrer Geifterbanner Gruppe 
Aber liegt in Ohnmacht. 
Doc feit Diefer Nacht entſchwunden 
Iſt der Geiz vom Pärchen, 
Jeder Arme hats empfunden, 
Danf dem Mummelfchärchen. 


10. 
Der fremde Saft. 


Verglommen ift ſchon lange 
Der Sonne leßter Strahl, 
Da wanft mit müdem Gange 
Ein Männfein noch durchs Thal; 


96 


Mummelfee. 


Ein Wandrer grau von Bart und Tracht 


Im fanften Antlitz Trauern, 
Mit feinem Pilgerflabe ſacht 
Klopft er an's Haus des Bauern. 


Hang riegelt auf den Faden 
Und fieht den Zwerg da flehn; 
Solch einen Kameraden 
Hat er noch nie gefehn! 

Ob der Figur, fo wunderlich, 
Möcht' er beinahe lachen, 
Fühlt er nicht indgeheim in ſich 
Des Mitleids Trieb erwachen. 


„Freund, wollt mir Doch geftatten 
Für heut ein Nachtquartier | 
Raum tragen mich die matten 
Gebeine mehr von hier; 
Durchwandert hab ich ohne Frucht 
Biel ſchwere fohwüle Stunden, 
Ach! und das Ziel, das ich gefucht, 
Noch immer nicht gefunden.” 


Hans, ohne langes Fragen, 
Schließt ihm die Thüre auf 
Und weift ihm einen Schragen: 
„Da, Kleiner, leg' dich drauf!“ 
Dann geht er felber auch zu Bett, 
Sein Saft macht ihm nicht Sorgen, 
Und beide ſchnarchen um die Wett’ 


Bis an den lichten Morgen. 


Da rafft ſich ſchnelle fchnelle 
Vom Lager auf der Zwerg: 
„Hab Dank, hab Dank, Geſelle, 
Für deine Nachtherberg! 
Zu dieſem Liebesdienſt jedoch 
Erweiſ' mir einen zweiten 
Reich ſey dein Lohn, willſt du mich noch 
Zum Mummelſee geleiten. 





Mummelfee 97 


„Fremd bin ich bier zu Lande; 
Wohl ahnſt du nicht, daß hier 
In diefem Staubgewande 
Ein König fleht vor dir! 

Ein Fürft von einem fohönen See, 
Fern diefer Berge Kreife, 

‚Ein Gatie, den unfäglich Weh 
Trieb auf fo weite Reife. 


„Zwei Monde finds gerade, 
Luſtwandelnd ging allein 
An unfrem Seegeftabe 
Mein Weib im Abendſchein; 
Da plöglich flürzt auf fie ein Hauf 
Bon fremdem Seegeswerge, 
Und fort mit ihr im Sturmeslauf 
Gings über Thal und Berge. 


„Zu fpät erhielt ih Kunde, 
Wer malet meinen Graus | 
Nings in die weite Runde 
Sandt’ ih Bafallen aus; 
Umfonft! ich forfchte her und hin 
An allen Nachbarſeeen; — 

Bon meiner blonden Königin 
War feine Spur zu fehen. 


„Da bin ich ausgezogen 
Mit diefem Pilgerſtab; 
Wo nur ein See mag wogen, 
Bin ich getaucht hinab ! 
est bleibt mir nur die Mummelfluth 
Noch zu durchforſchen heute, 
Mir ahnt's, dort ruht mein höchſtes Gm 
Des Näuberfönigs Beute. 


„Komm, führe mich gefchwinde 
Zu feinem Ufer bin, 
Und nimm als Angebinde 

Dies goldne Fingerfin! 
I 


Mummelfer 


Wenn Blitz Dir ober Hagel droht, 
So braudft du's nur zu breben, 
Und Feuers⸗ oder Waſſersnoth 
Wird ftetd dein Haus entgehen !“ 


An Worten fehlt's dem Bauern 
Für feine Dankbarkeit, 
Bol Staunen und Bedauern 
Gibt er ihm das Geleit; 
Und als fie vor dem fehwarzen Kreis 
Des Mummlers endlich ſtehen, 
Da ruft der Zwerg: „Adel wer weiß, 
Db-wir ung wieberfehen ? 


„Doch was mich auch erreichen 
Mag drunten für ein Loos — 
Mein Stab gibt dir ein Zeichen 
Noch aus der Wellen Schoos!“ 

Sp taucht er in den finftern Grund, 
Drin fletd nur Tücke Tauert, 

Das Bäuerlein am Ufer fund, 

Bon Ahnung bang durcfchauert. 

Hohl kocht es in der Tiefe, 
Schaumblafen wirft der See, 

Dem Bauer iſts, als riefe 

Der Abgrund nichts ale Weh! 

Ja Wehel denn empor bie Fluth 
Sieht er al Zeichen fommen 

Sn einem Kreis von rothem Blut 
Des Männleins Stab geſchwommen. 


„Ss hat er fie gefunden 
Die bionde Königin ? 
Doch ah! nur Todeswunden 
Sind feiner Treu’ Gewinn ! 
Fluch diefer Waſſer Mörberbrut, 
Daß Gott fie einft verfehütte 1“ 
Fort von der Fluth mit ſchwerem Muth 


Wankt Hans nach feiner Hütte. 
| A. Schale. 








Mummelſee. 99 


Die Geiſter am Mummelfee. 


om Berge was fommt dort um Mitternacht fpät, 
Mit Fackeln fo prächtig herunter ? 
Ob das wohl zum Tanze, zum Feſte noch geht? 
Mir Elingen die Lieder fo munter. 
O nein! 
SH fage, was mag es wohl feyn? 


Das, was du da fieheft, iſt Tobtengelelt, 
Und was du da höreft, find Klagen, 
Dem König, dem Zauberer, gilt es zu Leid, 
Und Geifter nur finds, die ihn tragen. 
Ach wohl! 
Sie fingen fo traurig und hohl! 


Sie fhweben hernieber ind Mummelfeethaf, 
Sie haben den See fchon betreten, 
Sie rühren und negen den Fuß nicht einmal, 
Sie ſchwirren in leiſen Gebeten: 
O ſchau, 
Am Sarge die glänzende Frau! 


Jetzt Öffnet der See das grünſpiegelnde Thor; 
Gib Achtung, nun tauden fie nieder! 
Es fchwebt eine lebende Treppe hervor, 
Und — drunten ſchon fummen die Lieder. 
Hörft du? 
Sie fingen ihn brunten zur Ruh! 


Die Waffer, wie Tieblich fie brennen und glühn! 
Ste foielen in grünlicdem Feuers 
Es geiften die Nebel am Ufer dahin, 
Zum Meere verzieht fih der Weiher. 
Nur ſtill! 
Ob dort ſich nichts rühren will? 


Es zuckt in der Mitten — o Himmel! ach hilf! 

Ich glaube, ſie nahen, ſie kommen! 
Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf; 
7% 


100 


Mummelfee. 


Nur hurtig die Flucht nur genommen ! 
Davon ! 


Sie wittern, fie haſchen mich fhon! . 
. Eduard Möride. 


Der Jäger am Mummelſee. 


Der Jäger trifft nicht Hirſch noch Reh, 
Berbrießlic geht er am Mummelſee. 

Was fist am Ufer? — Ein Waldmännlein, 
Mit Golde fpielt es im Abendfchein. — 


Der Jäger legt an: „Du Walbmännlein, 
Bif heute mein Hirſch, dein Gold ift mein!“ 
Das Männlein aber taucht unter gut, — 
Der Schuß geht über die Mummelfluth. 
„Ho bo, du toller Fägersmann! 
Schieß du auf — was man treffen kann! 
„Geſchenkt hätt’ ich dir all das Gold, 
Du aber haſt's mit Gewalt gewollt. 
„Drum troll' dich mit lediger Tafche nach Haus! 
Ihr Hirfchlein tanzet, fein Pulver if aus!“ 
Da fpringen ihm Häfelein über die Beim 
Und kichernd umflattern ihn Lachtäubelein. 
Und Eiftern flipigen ihm Brod aus dem Sad, 
Mit Schabernaf, huſch, und mit Gik und Gad; 
Und flattern zur Liebflen, und fingen um's Haus: 


„Leer kommt er, leer kommt er, fein Pulver ift aus!“ 
Auguſt Kopifch. 


Der Jägersmann. 


Am Tannenwald ein Zäger wallt 
Bei hellem Sternenfchein; 
Sein Horn fo luſtig drein erſchallt 
Als gings zu Tanz und Wein. 








Mummelfee. 101 


Und wie er bläft den Wald entlang, 
Da tönt vom Mummelfee 

Im Echoflang ein holder Sang, 
Wie's Lieb von einer Fee. 


Es reißt ihn fort, ſchon iſt er dort 
In ſchnell vollbrachtem Lauf. 
D wel ein wundervoller Ort ! 
Tief aus der Fluth herauf 

Da tauchen in dem Mondenfchein 
Der Mümmelchen gar viel, 

Sie tanzen fein den Tubelreih’n 

Mit Sang und Klang und Spiel. 


Sie fingen: „Schmuder Jägersmann, 
Tritt in den Reigen ein! 
Reich’ ung die Hand, o fomm heran, 
Dei ung ift luſtig feyn ] 
O fomm! dir winft der Freude Kran, 
Das günftige Geſchick 
Währt, wie der Stunden Flattertanz, 
Nur einen Augenblid.“ 


Da wird dem armen Jägerdmann 
So wohl, fo weh vor Luft; 
Die Wafferweibchen fhaut er an, 
Bor Lieb’ ihm fchwillt die Bruft, 
Er taumelt bin, fte faſſen ihn, 
Er fann nicht widerftehn, 
Hinab zum See — die Melodien 


Berraufcht des Sturmed Wehn. 
Emilie Scotzniovsky. 


Mummelſee's Geſchenk. 


Zu Kappel pocht's um Mitternacht 
Einſt an der Hebamm' Fenſter ſacht. 
Sie rafft ſich auf, erſchließt die Thür, 
Da tritt ein hoher Greis herfür; 

In Silberflocken fließt ihm lang 
Der Bart herab von Kinn' und Wang'; 


103 


Mummelſee. 


Den grünen Mantel ziert ein Saum 
Bon weißem Pelz wie Wellenſchaum. 
Der Amme vor Entfeten bleich, 
Gebeut er, ihm zu folgen gleich 

Und feiner Hausfrau beizuftehen, 

Die nieberliegt in Kindeswehen. 

Die Amme nebt ſich an der Schwelle 
Noch mit geweihten Waffer fohnelle, 
Und mit geheimem Graufen dann 


Folgt fie dem geiflerhaften Mann. 


Tief ind Gebirge ging der Weg, 
Ihr war, ald ob Gebüfh und Steg 
Bor ihrem Blick vorüber flögen, 

Als ob fie Geifterhände zögen; 

Und fiehe! ſchon am dunfeln Rand 
Des Mummelſee's die Bange ftand. 
Und aufs Gewäfler ſchlug der Greis 
Dreimal mit einem Birfenreig, | 
Daß rauſchend ſich die Fluthen theilten. 
Auf einer Marmortrepp’ nun eilten 
Die Beiden in die Tiefe jach 

Bis ind erhellte Schlafgemad. 

Und fiehe! — durch den weiten Saal 
Schien eines Leuchters bunter Strahl, 
Geziert mit gligernden Kriftallen; 

Mit reichen Perlen und Korallen, 

Und von dem bunten Licht befchienen, 
Lag hinter feidenen Gardinen 

Die blaffe Frau in ihren Wehen. 
Friſch eilt’ Die Amm’, ihr beizufiehen, 
Und bald ift aller Schmerz gehoben. 
Der Greis, geleitet fie nach oben, 

Er dankt, des guten Dienſtes froh, 


Und reicht zum Lohn — ein Bündel Stroh. 


Kaum flieg der Alte langſam wieder 
Die blanke Wenbeltreppe nieder, 





Nummelfee 103 


Kaum hatten fi die dunkeln Wogen 
Zufanmen über ihn gezogen, 

So warf die zornige Dienerin 

Das Spoitgeſchenk ins Waffer hin. 
Doch als fie bei der Morgenhelle 
Nun eben trat auf ihre Schwelle, 
Da ſah fie hin und flaunte hoch: 
Es hing an ihrer Schürze noch 

Ein Halm des Stroh's, der wunderbar 
In lauter Gold verwandelt war. 
Nun dacht' an ihre verfcherztes Glüͤck 
Die Arme jeden Tag zurüd, 

Und grämte fi, bis über’d Jahr 


Derfelbe Tag ihr letzter war. 
Aboif Stöber. 


Eine Wanderung nach dem Mummelſee. 


Oft und viel hatte ih während meines Aufenthalts in Bas 
den von bem räthfelhaften, geheimnißvollen See gehört und 
gelefen, der tief im unwirthlichen Gebirge Liege, und zwar meh⸗ 
rere taufend Fuß über ver Nheinebene. Schon ber wunderliche 
Name Mummelfee muß Aufmerkfamfeit erregen, und ich weiß 
nicht, war es Berlangen nad dem nie geſchauten Anblick eines 
See’3 auf der Höhe des Gebirge, oder waren es die anziehen 
ben, wunderfamen Sagen, die von ihm in der Gegend heimifch 
find, was mich immer unwiberftehlich dahin zog. Aber es fehlen, 
als wolle mich irgend ein nedifcher Kobold von dieſer Wande⸗ 
rung abhalten, denn fo oft ich einen Tag zum Ausfluge dahin 
feſtgeſetzt, jedesmal trat wieder ein unvorhergefehened Hinder⸗ 
niß dazwiſchen. Endlich, an einem heiteren Morgen des jüngft 
verfloffenen Jahres, trat ich Die Wanderung wirflih an. Die 
Sonne war in ungetrübtem Glanze aufgegangen und verſprach 
einen herrfihen Tags; allentbalben funfelten Gras und Raub 
im ſtrahlenden Juwelenſchimmer des reichlich gefallenen Nacht⸗ 
thaues. Rüftig und aufgeräumt wanderte ich im frifchen Mor⸗ 
gen dahin, durchzog die Eichenallee mit ihren Schatten, wo mir 
der flattliche Thurm auf dem Merkuriusberge feinen Morgen“ 


102 Mummelfee. 


gruß zuwinkte; begrüßte das ftilfe, einfame Nonnenkloſter Lich⸗ 
tenthal, aus befien Hallen eben ber erſte Morgengefang der 
frommen Beterinnen dem jungen Tag entgegen töntez ich fehritt 
die Häuferreihe des Dorfes hindurch, und hielt meine Schritte 
nicht eher an, als bis ich Die Höhe vor dem Weiler Ger oldsau 
erreicht hatte, wo ſich ein rveizendes Bild vor meinen Bliden 
‚entfaltete. Ein Kranz gewaltiger Berge mit angebauten Vor⸗ 
bügeln umzieht hier einen Lieblichen Wiefengrund, durch welchen 
der Waldbach bald heil und klar, bald ſchäumend und raufchend 
im fleinigen Bette feine Wellen dahinrollt, während an feinem 
Ufer die befcheivenen Wohnungen des eben genannten Weiler 
fih hinreihen. Wie ftil und friebfam fleht Dort die Fleine Ka⸗ 
pelle am Waldesfaum, von den mächtigen Schatten der bunfeln 
Tannen umbüftert! Einen Augenbli weidete ich mich an biefer 
idylliſchen Landſchaft, dann feste ich meine Wanderung fort- 
und hatte bald Die letzten Häufer Geroldsau's hinter mir. Jetzt 
nahm mich der finftere Tannenwald in feine Schatten auf. Der 
Weg flieg nun aufwerts, immer dem Ufer des Waldſtroms zur 
Seite, der in der engen Thalfchlucht zwifchen den Felfen und 
dem Steingerölle ſich durchdrängt. Nicht fehr Lange war ich 
im fühlen Waldespunfel hingewandert, ald mein Ohr ein 
dumpfes Raufchen vernahm, und nach wenigen Minuten war ich 
an die Stelle gelangt, wo fich der wilde Waldſtrom über einen 
Selfenabfag in ein Granitbecken herabftürzt, das er ſich im Laufe 
von Sahrtaufenden mühfam ausgehöhlt. Es ift dieß zwar nicht 
ein großartiger Catarakt, wie der Fallbach bei Tryberg, ober 
ber Reichenbach oder der Staubbach, aber biefer Waſ⸗ 
ferflurg gewährt immerhin in feiner wilden Umgebung einen 
anziehenden Anblid, und das gewaltige Kreuz auf der Höhe 
des Felsberges zur Linken ſchaut gar bedeutungsvoll in das 
Thal herab. Unweit des Falles erweitert fi das Thal wieder; 
grüne, reichbewäſſerte Wiefen mit weidenden Rindern und Zie⸗ 
gen breiten fi) im Grunde aus, und rechts fteht an dem Eins 
gang einer Thalſchlucht eine Armliche Gebirgswohnung, blos 
aus rohem Gebaͤlk zufammengefügt. Immer tiefer zog fich der 
breite, bequeme Weg ins Gebirg, immer höher auffteigend, und 
‚je weiter ich eindrang in die wunberfame Bergwelt mit ihren 
ahnungsvollen Schauern, deſto mehr zog fie mi an und ich 














Mummelfee 105 


begann mich ganz heimisch zu fühlen in ihren Walbesfchaiten. 
Die Berghänge mit ihren Dämmrigen Hallen, geiragen non. ben 
fchlanfen Stämmen ber düflern Schwarztannen und überwölbt 
son lichtgrünen Buchenzweigen; die taufend und wieder taufen- 
derlei Stauden, Kräuter, Mooſe und Flechten mit ihren Blü⸗ 
then, Beeren, Samen und Früchten, die zwifchen und über dem 
Steingeröll üppig wuderten und nicht felten ein undurchdring⸗ 
liches Geflräpp bildeten, oder den Boden glei Dem herrlichſten 
Teppich überzogen; die gewaltigen Granitmaſſen und das zer 
Ttüftete Geftein, die an den Bergwaͤnden hervortraten; Die zer⸗ 
riffenen Felsſchluchten, von kriſtallkllaren Quellen durchzogen, 
begrüßten mich traulich, wie einen alten Belannten, und bie 
ganze Ratur umber fprach zu mir und erzählte von Zeiten und 
Ereigniffen, die weit binausreichen über alle Geſchichte. Hier 
erſt ward ed mir klar, wie die Sehnſucht nach der Heimath den 
Sohn des Gebirges im-innerften Leben erfaflen Tann, bis das 
ungeſtillte Web das Herz ihm bricht. 

Als ich nach etwas mehr als zweiftündiger IBanderung ben 
Grat eines Tangen Bergrüdens erftiegen, lag vor mir auf einer 
abgeflachten Einfenfung ber Berge das einfame Gebirgsborf 
Herrenwiefe, deſſen unbedeutende Feldmark ringsum von 
waldumfrängten Gebirgsklöpfen umzogen wird. Das Dorf iſt 
arm und feine Bewohner erwerben ihren Unterhalt meift durch 
Holzfällen in den benachbarten Waldungen, während fie ihren 
Bedarf mit vieler Mühe aus weit entfernten Orten herbeiſchaf⸗ 
fen müſſen. In der einzigen, eben nicht fehr einlabenden 
Scenfe des Ortes nahm ich Fein glänzendes, aber ein nahr⸗ 
haftes Frühſtück zu mir, und fehritt dann rüflig weiter. 

Bon bier führt der Pfad eine Zeit lang faſt eben fort, 
immer zwiſchen Waldungen hin, an deren Saum ber gelbe 
Enzian blüht und die rothe Preiffelbeere allenibalben aus ber 
grünen Bodendecke hervorglänzt. Bei der Hundged, einer ein- 
ſamen Waldwohnung, ging es wieder fteil den Berg hinan und 
ich erreichte nicht ohne Anftrengung die Höhe bes Hochlopfes, 
ber fih in einem endlos langen Bergrüden ſüdwerts zieht. 
Diefe Höhe iſt faft ganz von Bäumen entblößt, und nur bas 
Haidekraut mit feinen rothen Blüthen det in üppiger Fülle 
den Boden, wo allenthalben mächtige Sandfteinblöde zerfireut 


106 Nummelfee 


Hegen, von gewaltigen Fluthen in einer urweltlichen Erdrevo⸗ 
Yutton auf dieſe Höhen gewaͤlzt. Wie öde und einfam auch 
Alles umber ift, — eine unvergleichliche, entzückende Bernficht ent⸗ 
ſchäädigt reichlich dafür. Die Perle aller teutfchen Gauen, das 
herrliche Rheinthal, breitet fih vor den Blicken aus in all 
feiner Pracht und Fülle, mit feinen blühenden Feldern und 
duftenden Rebhügeln, mit feinen gewerbfamen Stäbten und 
reinlichen Dörfern, mit feinen zahlloſen Flüſſen und Bächen, bie 
alle rafchen Laufes dem mächtigen Rheine zuellen, der einen 


"Namen trägt, vuhmeeicher wie fein anderer Steom der Erde. 


Wer zählt al’ die Schlachten auf, Die an feinen Ufern gefchla- 
gen, wer al’ die Thaten, Die bier in Liedern befungen worben ? 
Drüben aber aus dem Dufte der Ferne fleigt Erwin's gewal- 
tiger Riefenbau zum Himmel empor und ſchaut wehmüthig 


nad dem ernfien Schwarzwald herüber, ben er einft, gleich . 


den Bergen des Wasgau's, feine Heimath genannt. 


Endlich hatte ich Das Ende des langgedehnten Bergrüdens 


erreicht, aber ich war gar nicht freudig überrafcht, als ich mich 


fest plöglich. durch einen tiefen, breiten Einfchnitt des Gebirges 


yon den Hornisgrindben getrennt ſah, an deren ſüdöſtlichem 


Abhange das Ziel meiner Wanderung lag. Mißmuthig flieg ich 


binab, um auf ber andern Seite noch höher wieder hinaufzu⸗ 
klimmen, doch empfand ich es nicht wenig angenehm, als ich 
wieder auf Waldungen traf. und fühle Schatten mich umfingen, 
denn die Sonne war bereits hoch geftiegen und ihre Strahlen 
hatten in der baumlofen Dede heiß [auf meinem Scheitel ger 
brannt. Meine Freude follte indeß nicht lange währen, denn 
die Schatten wurben bald wieder Yichter, der Wald dünner und 
bie Bäume gewannen immer mehr ein f&hwächlicheres, kraͤnk⸗ 
licheres Ausfehen, bis fie zulegt ganz verſchwanden. Endlich 
änderte ſich auch der ſchöͤne Teppich von Moos und Haidekraut 
unter meinen Füßen, und als ich die hohe Gebirgsfläche, welde 
ben Namen Hornisgrinde trägt, erreicht hatte, bedeckte nur erd⸗ 
fahles Sumpfmoos den unfruchtbaren, lockern Torfboden, ber 
nur bier und da einer verfrüppelten Krummholzkiefer die fpär« 
liche Nahrung fpendet. Oeder, trauriger läßt ſich kaum eine 
Gegend denken als dieſe, wo ſelbſt die grüne Farbe aus ber 


Vegetation verſchwunden if. An einem gewaltigen Steinhaufen- 





Mummelfce 107 


fam ich vorüber, dem man bie Geflalt eines Thurmes gegeben, 
und ber bei der Landesvermeffung zum Signalpunft diente; 
wanderte nun auf eine Gruppe verfümmerter Kiefern zu und 
ftand ploͤtzlich — am Rand eines gewaltigen Bergkeſſels. Jah und 
ſteil fiel die Kluft mehrere hundert Fuß tief hinab; wild durch⸗ 
einander geworfene Felsblöde, zwifchen Denen mächtige Tannen 
zum Himmel empor ſtrebten, überbediten die abſchüſſigen Hänge, 
und den ganzen Grund der weiten Schlucht füllte der "M ums 
melfee aus. Mühfam Eletterte ich zwifchen dem Geſtein binab 
und erreichte bald das felfige Ufer. Still und unbeweglich wie 
der achernfifche See, ſchwarz und ſchauerlich wie das Asphalt 
gewäfler des todten Meeres, lag der Wafferfpiegel vor mir. 
Kein Blick vermag zu ergründen biefe fchauerliche Tiefe und 
die Geheimniſſe zu erfpähen, die fie birgt auf ihrem Grunde. 
Kein lebendes Weſen beherbergt er in feinem vüftern Schooße 
und fein Ton unterbricht die ewige Stille der Umgebung, als 
zuweilen das Gefreifc eines Raubvogels. 

Der Aufenthalt in diefer öden Wildniß bat etwas ungemein 
Ergreifendes, und wer einmal bier geweien, wirb es leicht bes 
greiflich finden, dag ſich Die Sage fo viel mit dieſem See ber 
fchäftigt und daß ſchon die Alten ihm den Namen Wunder 
fee gegeben. Ich fuchte mir ein Ruheplaͤtzchen am Ufer und 
fand es neben einem feifchen Bergquell, der friſch und klar zwi⸗ 
ſchen dem Geftein herabfprubelte, wo ich mich auf bie ſchwellende 
Moosdecke niederließ. Gerade mir gegenüber öffnete ſich Die 
hohe Bergwand und in dieſer Deffnung brängt ſich durch Fel⸗ 
fen hindurd der Abflug des See, der Seebad, und eilt haſtig 
in das Thal hinab, fich mit der Ach er zu vereinigen, einem 
Heinen Bergwafler, das aber oft zum wilden, reißenden Strome 
anſchwillt und verheerend durch die Thäler braußt. Doc meine 
Blide hafteten nur auf dem dunkeln Gewäſſer, deſſen Spiegel 
ſich fegt bisweilen Teife zu Träufeln begann, und vor meiner 
Seele vorüber zogen all Die wunderfamen Sagen, fo ich ſchon 
von biefem Bergfee vernommen und wiegten mich in tiefe Träume. 
So Tag ich lange, lange, wie lange weiß ich nicht, aber im 
Weſten ſank die Sonne hinab, die Schwingen der Dämmerung 
flogen über die Erbe, und die Schatten der Berge legten ſich 
über den See; der Nachthimmel, mit den ewigen Sternen und 


108 Rummelfee 


dem bleichen Diondesantlig, fpiegelte fich wieder auf der dunkeln 
Fläche, während das Geläute der Abendgloden fanft verhallend 
aus den Thälern zu mir herauf Hang. Da war ed mir plög- 
lich, als ziehe fich eine Dede von der bisher verfchloffenen Waſ⸗ 
ferfchlucht, und die unermeßnen Tiefen erihlößen meinen Augen 
ihre Geheimniffe. Zauberifhe Hesperidengärten erblühten in 
frühlingsherrlicher Wunderpracht auf dem Grunde des fchla- 
fenden See’s, wo bie bräutlihe Myrthe und bie buftende 
Orangenblüthe, mit hellblinkenden Kriftallblumen und blutrothen 
Korallen und taufend andern Blüthen und Blumenkelchen von 
niegefehener Geftalt und Farbenpracht, fich zu den wunderfamften 
Gruppen, Lauben und Jrrgängen feltfam verwohen. Dazwifchen 
aber auf den gewundenen Wegen vom reinften Kriftallfand wan⸗ 
deiten die lieblichen Bewohnerinnen der Waflerwelt: fchlanfe, 
ätherifche Geftalten, fo fein und zart, fo hold und entzüdend, 
von ſolch überirdifcher Reizesanmuth, daß fie geſchaffen fchienen 
ans dem duftigſten Wellenſchaum, durchwebt mit Lilienfchnee 
und Roſenſchmelz. Kofend und fcherzend fchwebten fie zephyr⸗ 
leicht durch Die Sebüfche und warfen bisweilen Blicke zu mir 
empor voll brennender Sehnſucht und wonniger Liebesgluth. 
Wie fhauten fie verlodend aus ihren Dunklen Augen zu mir 
herauf! — da mit Einemmale trübte fich ber kryſtallhelle Waf- 
ferfpiegel; immer farblofer und verworrener wurden die zaus 
berifchen Bilder; wogend und wirbeind drehten fih die Waſ⸗ 
fer im tiefen Grunde durcheinander, und Alles verſchwamm 
zu einer wirren chaotifchen Maffe, aus deren dunklem Kerne 
jet die feltfamften Mißgeftalten fi zu entinäueln begannen. 
Häßlihe Molche, Seedrachen, Waſſerſchlangen, Sforpionen, 
Meduſen, Mollusken und allerlei eckelhaftes Gewürm kroch 
wimmelnd in unzähliger Menge wild durcheinander, dazwiſchen 
aber empor tauchten mißgeſtaltete Kobolde, grinſten aus ihren 
verzerrten Geſichtszügen hoͤhnend mich an, oder hoben drohend 
ihre zwerghaften Faͤuſte gegen mich. Dort näherte ſich mir 
eine rieſige Seeſpinne mit ihren ſcheußlichen Füßen, ätzendes 
Gift nach mir ſpeiend; da reckte ein gräßlicher Polyp ſeinen end⸗ 
loſen Arm nach mir aus, den er immer länger und länger 
behnte, bis er mich faffen konnte — ich wollte um Hülfe rufen, 
allein jeder Laut war mir in der Bruft feftgebannt. 


— r— — 


Mummelfee. 109 


Der Gutenabendgruß eines Korfigefellen aus der Herren- 
wiefe werte mic) aus dem entfeglihen Traume. Haſtig raffte 
ih mich auf und fchidte mich fehweigend zum Weiterwandbern 
an. Es war ganz Nacht geworben und am tiefblauen Him⸗ 
mel flammten bie hohen Leuchten in ungetrübtem Glanze und 
fireuten ihr filberblühenbes Licht Durch das Dunkel. No einen 
Blick warf ich auf den wunderfamen See, dann folgte ich dem 
fih mir zum Führer anbietenden Jäger, der eben in das Didicht 
bes Waldes hinein fchritt, wo die Tannenzweige dem Mondes 
licht noch hinreichend Durchgang geflatteten, dag wir raſch und 
ungehindert zwifchen den ſchlanken Baumfäulen hindurchwan⸗ 
dern fonnten. Noch hatten wir feine weite Strecke zurüdgelegt, 
als wir aus dem tiefen Walbesfchatten heraus und ins Freie 
traten. Hier aber wartete meiner ein überrafchenber, wahrhaft 
zauberifcher Anblick. 

Rings im Kreis umzogen die gewaltigen, finftern Berg⸗ 
riefen den Horizont und reiten ihre Häupter tief hinein in bes 
Mondes milden Schein; zwifchen den büftern Baumgruppen an 
den Gebirgshängen traten riefige Felsmaſſen heller hervor, ober 
einzelne Steingiganten vagten wie Nachtgefpenfter aus bem 
Boden; aus den Schluchten und Klüften aber fliegen die alten 
Berggeifter auf und zogen als feltfame. Nebelgeftalten über bie 
Wipfel der Bäume hin, während glänzende Thauperlen wie 
Eifen auf grünem Laub und duftenden Blumenkelchen ſchaukelnd 
fih wiegten. Und über die ganze Landſchaft hatte ſich ein Leiche 
ter, feiner Nebel gebreitet, der fih mit dem halben Mondeslichte 
zu einem buftig durchſichtigen Nebelfchleier verwob und bem 
Bilde jene feenhafte Färbung verlieh, die uns bie Bruſt mit 
unbegriffener Ahnung erfüllt und unausfprechlicher Sehnſucht. 
Nur ungern fchieb ich von dieſer Stelle und von dem zauber- 
haften Gemälde, das ſich hier zeigte, aber mein Führer drängte; 
fo gehorchte ich feiner Mahnung, und wir folgten dem Pfabe 
abwerts, der fich zwifchen Felsſtücken und Gefträuch hinab zieht. 
Endlich hatten wir den Thalgrund erreicht, wo ber Weg fortan 
längs ber raufihenden Acher hinführt. 

„Dort liegt der Bofenftein!” — ſprach jest mein Führer, 
indem er nach einem dunfeln Hügel links hinzeigte, deſſen un- 
gewöhnliche Geflalt wohl von dem bort befindfichen Gemäuer 


4110 Mummelſee. 


herrühren mochte, das aber von Bäumen und Geftränd fo 
überwachen war, daß man es beim Mondenlicht faum zu uns 
terfcheiden vermochte. Das Geſchlecht der Herren von Bofen- 
Rein ift fehr alt und war einft reichbegütert und mächtig. Im 
Jahre 1773 flach der Lepte dieſes Gefchlechts mit Hinserlaffung 
von fieben Töchtern, nachdem er die Burg wieder an fich ge- 
bracht, bie faft dritthalb hundert Jahre in fremden Händen ges 
weſen. Mein Führer erzählte mir viel von bem großen Um- 
fange der Burg und den Gütern, die einft dazu gehört, und 
knüpfte daran die befannte Sage von der eingemauerten Burg- 
frau von Bofenftein im Gottfchläg.*) Der gute Mann war 
nun einmal im Zuge, und nun folgte eine Gefchichte der andern. 
Das Meiſte davon war mir ſchon bekannt; Anderes war theils 
neu erfunden, theils Außerft fade. Die anziehenbfle von den 
mir noch undefannten Sagen war folgende: 

„In der Legelsau, einer reizenden Seitenwindung bes 
Kapplerthales, wohnte einft ein Körfter der Herren von Bo- 
fenftein mit feiner Hausfrau und feinem einzigen Sopne, 
einem flattlichen Burfchen von zwanzig Jahren. Friſch und 
kerngeſund an Leib und Seele und dabei blühend in Träftiger 
Sugenbfülle, war der junge Berwin die Freude und der Stoß 
feiner Eltern, und ſchon ging er dem betagten Vater in feinen 
beſchwerlichen Berufsgefchäften räftig an die Hand, war ein 
raſtloſer, unermüblicher Jäger und ein Schüge, ber feines Gleis 
hen fuchte von nah und fern, und Keinen fürdhteten bie Wild⸗ 
fügen der Umgegend mehr, als ihn. Aufgewachſen unter den 
Bäumen des Waldes, gab es für ihn feinen fchönern Aufentyalt, 
als in der lieben freien Gotteöwelt und im grünen Schatten 
von Berg und Thal, wo bie ſchlanken Tannen und breitäftigen 
"Buchen ihm lauter alte-Belannte waren. Bom frühen Mor, 
gen an fchweifte Berwin über Höhen und Schluchten und fehrte 
meift erfi am fpäten Abend zum heimathlichen Herbe zurüd, wor⸗ 
über ihm manch freundlichsernfte Zurechtweifung von der Mutter 
zu Theil warb, Doch war der funge Waidmann deßhalb nichts 
weniger- ald ein Menfchenfeind,, und häufig fand er fih an 
Sonn» und Fefttagen in der Schenke zu Seebad ein, wo er 





* Siehe ©, 72 dieſes Bandes, 





Mummelfee. 114 


fi) mit den jungen Burfchen des Thals beluftigte, und auf der 
Kirchweihe oder fonft bei laͤndlichen Feſten, war er der ſchmu⸗ 
defte und flinkeſte Tänzer; manches Mädchenauge blidte vers 
ſtohlen nach dem fchönen Jügerömann und mancher Seufjer 
ſtahl ſich aus zarter Bruft, wenn er den Tanzplatz wieder ver⸗ 
ließ. Aber die fhönen Dirnen galten ihm alle glei; er ſcherzte 
und tanzte mit allen und feine Tonnte fich eines Borzuges in 
feinem Herzen rühmen. 

Eines Tages kam Berwin von den Höhen der Hornis⸗ 
grinde herab; es war ein heißer Tag und der Durft trieb ihn 
zu der frifehen, Einren Bergquelle, bie unweit des Munmelſee's 
im Schatten grünen Gebüfches entfpringt und nach wenigen 
Schritten ihr Waller mit dem bes See's vermiſcht. Er Iabte 
fih weiblich an der heilen, ſprudelnden Duelle, und die Heime 
lichkeit des Orts verlodte ihn, auf dem blühenden Haidekraut 
fih niederzulafien, wo auch alsbald ein leiſer Schlummer feine 
Augen umfing. Lange dauerte biefer indeß nicht; er erwachte 
bald wieder und richtete fih aufs aber wer befchreibt fein Staus 
nen, ald er, fih gerade gegenüber, am jenfeitigen Ufer eine 
Maͤdchengeſtalt figen fah, von folch zuuberhafter Schönheit, wie 
noch in feinem Traume, gefihweige denn in der Wirklichkeit ein 
Frauenbild ihm erfchienen war. Das war kein irdiſches Wefen! 
Auf Erben reiften nicht ſolche Himmelsreize! Des blenbendften 
Schnee's Schimmer mußte verglimmen vor der Weiße diefes herr⸗ 
lich geformten Likienantliges, und die Roſen von Päftum erhlei⸗ 
hen vor dem zarten Hauch ihrer Wangen. In dieſem Ge- 
Acht voll unnennbarer Anmuth lag ein ganzer Himmel unende 
licher Seligfeit, und dieſe tanbenmilden, Fugen Augen drangen 
unmiberftehlicher als bie feurigfien Blicke in des jungen Jägers 
Seele, dort eine Flamme wedend, die nur mit feines Athems 
letztem Hauche verlöfihen ſollte. Ein füßer Schauer burchbebte 
ihn bis ins innerſte Mark und unwillkürliche Seufzer entfliegen 
feiner beflommenen Bruſt. Mi dem Binden eines Straußes 
von Haideblumen befchäftigt, war dies holde Frauenbild bisher 
in forglofer Unbefangenheit im Ufergrafe gefeffen; bei dem un- 
gewöhnlichen Ton aber fihaute fie auf und als fie die Geſtalt 
des Jaͤgers erblickte, fprang fle raſch empor und ſtürzte ſich kopf⸗ 
über in die Fluthen des See's, deſſen über ipe zuſammenfchla⸗ 


112 Mummelfee. 


gende Waffer fie alsbald Berwin’s Biden entzogen. — Mit 
fih hinab in die Tiefe nahın fie die Ruhe feines Tebens. Mit 
Staunen, ja mit Entfegen ftarrte fein Blick nach der Stelle hin, 
wo das holde Kind verſchwunden war, fehweifte von bort nach 
dem Plate, wo fie gefeffen, und fah etwas fihimmern im grü⸗ 
nen Geſtrüpp. Er eilte bin und fand bort den Schleier bes 
veizenden Wunderfindes, den fie vor Eile vergeffen und ber 
von fo feinem Gewebe war, daß er fich leicht in einer Hand 
verbergen ließ. Berwin drüdte den glüdtlichen Fund an fein 
Herz, an feine Tippen und barg ihn zulegt an feinem Bufen. 
Er weilte noh lang am Ufer des Sees, immer hoffend, bie 
Erſcheinung werde noch einmal zurüdfehren, um das Vergeffene 
zu Holen. Aber vergebens! Als endlich die Sonne hinabge- 
funfen und Mond und Sterne am bunfelnden Himmel herauf⸗ 
zogen, trat er ben Nüdweg an und erreichte halb träumend das 
Forſthaus, wo er ſich alsbald unter dem Vorwand yon Ermü- 
bung auf feine Kammer begab. 

Am andern Morgen frifch geſtärkt erwacht, bäuchte ihm bie 
ganze Degebenheit nur ein fchöner Frühlingstraum. Als er 
aber auf dem Sige neben feinem Lager den Schleier der See- 
jungfrau erblidte, da ward wieder Alles deutlich und lebendig 
vor feiner Seele, und Die Sehnfucht nad) dem füßen Wunder⸗ 
finde lockte ihn unwiberftehlich abermals nach dem See: Und 
Tag für Tag trieb es ihn fortan nach dem verhängnißvollen 
Gewäffer, ftets in banger Hoffnung dort harrend, ob die holde 
Jungfrau fih nicht wieder zeigen werde. Doch fie Fam nicht 
wieder. Aber diefe Täufchung, das ungeflillte Sehnen und ber 
Schmerz der Liebe zehrten an feinem Herzblut, und ber tiefe 
Seelengram bleichte feine Wangen. 

Mit unendfihem Kummer fahen die betagten Eltern, wie 
der einzige geliebte Sohn in der Blüthe feiner Jahre dem 
Grabe zuwankte, wie er täglich bleicher und fliller warb, wie 
nichts mehr auf Erben ihn zu erfreuen vermochte. Wohl war 
die arme Mutter in ihrem Sammer oft in ihn gebrungen, ihr 
zu fagen, was fo fchwer ihn bebrüde, aber nur ausweichende 
Worte waren feine Antwort. 

In dem benachbarten Dorfe Seebach wohnte damals ein 
bersichaftlicher BVeiförfter, ber bei Berwin's Vater einft die Jaͤ⸗ 





Mummelfee 113 


gerei erlernt und ald Waidgefell Iang in defien Dienſt geſtanden 
hatte. Edhart, fo hieß er, war nicht nur im Forfihaufe, fon- 
bern auch in ber ganzen Umgegend, feines biedern, freundlichen 
Weſens wegen gern gefehen, und mit bejonderer Liebe hing von 
frühefter Jugend an Berwin an ihm, der ihn mit den Waffen 
umzugehen lehrte und ihm den erſten Unterricht in dem edlen 
Waidwerk ertheilte., Und auch jetzt noch, nachdem Edhart fchon 
Jahre lang den herrfchaftlichen Dienft angetreten, genoß er der 
alten Liebe und erfreute fi des unumfchränften Bertrauens 
der Familie des Forfthaufes in der Legeldau. An ihn wandte 
ſich die betrübte Mutter, und der Biedere verſprach, fein Mögs 
Vichfles zu thun, um dem Leid, das am Herzen des Jünglings 
nagte, auf die Spur zu kommen, oder ihn felbft zum Geſtändniß 
zu bringen. 

In Kurzem gelang ed ihm auch, auszufundfchaften, daß Ber⸗ 
win-tagtäglih den Mummelfee befuche; er beobachtete ihn, 
wie er Stunden lang am Ufer in tiefen Gedanken faß, öfters 
aus tieffier Bruft auffeufzte und dann und wann etwas Weißes 
aus dem Bufen 308, das er an fein Herz drüdte und an feine 
tippen. Er wußte nun es einzurichten, daß er eines Tages, wie 
zufällig, im Gebirge mit ihm zuſammentraf. Sie begannen ein 
gleichgültiges Gefpräch, während deſſen fie fich im fühlen Wal⸗ 
desfchatten auf fehwellender Moosdecke nieberließen. Edhart 
rückte feinem Ziele näher, und feinem treuberzigen, eindringlichen 
Zureden vermochte der offene Berwin nicht lange zu wiberftes 
ben. Er geftand feine glühende, hoffnungsloſe Liebe zu der 
reizenden Wafferfungfrau und zeigte fogar den Schleier vor, den 
- er am Ufer gefunden. 

Die Jägersleute ftehen eben nicht im Rufe befonderer Fröm⸗ 
migkeit; doch Eckhart befaß einen frommen Sinn und ein gläu- 
biges Gemüth, und in der ganzen Erzählung feines jungen 
Freundes fah er nur eine hölfifche Verblendung, den Süngling 
ins Verderben zu locken. Er fuchte ihn darum mit aller Kraft 
feiner einfachen, natürlichen Beredtſamkeit zu überzeugen, daß 
dies verführerifche Gebild aus Dem Wunberfee nichts anders fey, 
als ein finfterer Geift des Abgrunds, ben der Böfe heraufgefendet, 
feine Seele zu verderben. Sp Iang er das Lügenbild in feinem 
Herzen trage, babe die Hölle Theil an ihm; und dieß werde 

II. 8 


112 Mummelſee. 


nicht aus ſeinen Gedanken ſchwinden, ſo lang er den unſeligen 
Schleier nicht von ſich werfe, deſſen Zauberkraft ihn zugleich un⸗ 
fehlbar in ſeiner Verblendung dem Grabe zuführen müſſe. Ber⸗ 
win wurde nachdenkend; er erinnerte ſich mancher unheimlichen 
Erzählung von den Bewohnern des Mummelſee's, und fein 
Kleinmuth erwachte, fo daß es zuletzt dem Drängen Edhart’s 
gelang, daß er diefem fogar den Schleier übergab, wiewohl nur 
mit wiberftrehendem Herzen. Bald darauf trennten fie fich, 
denn es war fihon fpät geworben. 

Eckhart war nicht wenig erfreut über das Gelingen feines 
Auftrags. Aber noch war das Werk nicht ganz vollbracht; noch 
blieb ihm ein wichtiger Schritt übrig, um feinen jungen Freund 
aus den Schlingen des Böfen und feiner Diener zu befreien, 
wie der Glaube jener Zeit wähnte. Und kaum graute in der 
andern Frühe der Morgen, als er fih auf den Weg nach den 
Horniägrinden machte; am See angelommen, wand er- den 
Schleier um einen ſchweren Stein und fehleuberte ihn fo weit 
in das Waffer, als er vermochte, dann flieg er Die Höhe bes 
Derges vollends hinan, den etwaigen Erfolg dort abzuwarten. 

In Berwin’s Augen fam in der Nacht, welche der Unterre⸗ 
dung mit Edhart folgte, fein Schlaf. Er konnte den Gebanfen 
nicht los werben, daß er mit dem Schleier das ganze Glück feis 
nes Lebens aus den Händen gegeben und Edhart ihn getäufcht 
babe; denn lebendiger, reizender als je, ſtand jest das Bild 
der Wafferjungfrau vor feiner Seele und unbezwinglich warb 
die Sehnfucht nach ihr. Er. wälzte ſich ruhelos auf feinem La- 
ger, und faum dämmerte der erfle Schein im Often, fo trat er 
fhon den Weg an nach dem See, wohin es ihn fo unaufhaltfam 
309. Träumend fehritt er dort am Ufer hin; da fieht er Eiwas 
in der Mitte des Waſſers ſchwimmen; er fieht genauer bin, 
und, täufcht ihn nicht Alles, fo iſt es ber verhängnißvolle 
Schleier, den er zu feinem großen Leib aus den Händen gege- 
ben. Ja, fo war es; er trügte fih nicht. Ein rüfliger Schwim- 
mer, befinnt er fich nicht lange, und flürzt fih jählings in ben 
See. Sept ift er dem ſchwimmenden Gewebe nahe, ſchon ſtreckt 
er bie Hände darnach aus, — da beginnt er unaufhaltfam zu 
finfen, tiefer und immer tiefer, bis Die ſchwarzen Gewäffer über 
ihm zuſammen fihlagen und ihn bergen in ihrer bobenlofen 


Mummelfee, 115 


Tiefe. — Nie warb er wieder gefehen. Hatte ein Krampf ihn 
erfaßt und im tiefften Grunde des See's fein Grab finden laſſen, 
ober haben die Niren ihn hinabgezogen in ihr fehirmendes Reich 
— Niemand weiß ed zu fagen. Edhart kam zu fpät von der Höhe 
des Berges herab ihm nad, um ihn noch retten zu Fönnen, und 
ihm blieb nur die traurige Pflicht, den alten Aeltern die ſchreck⸗ 
liche Kunde von dem unglüdlihen Ende ihres Sohnes zu 
bringen.” 

Mein Führer Hatte kaum dieſe Gefchichte geenbet, als wir 
vor der erfehnten Herberge im Stäbtchen Kappel-Rodeck an⸗ 
Iangten, wo mid Labe und Ruhe die Mühfeligfeiten des etwas 
befchwerlichen Weges bald vergeflen ließen. 


Sypolit Schreiber. 
(Aus Lewal d's „Europa.” Mit einigen Abkürzungen.) 


Die Braut vom Bergiee. 


Meufit erklingt zum Hochzeitſchmauß; 

Sie tanzen im erhellten Haus. 

Doch draußen trüb im Sternenlicht 
Der junge Waldmann zu fich fpricht : 
„Ob Manche mir das Herz beflemmt, 
Sie thun mir drinnen Alle fremd, 

Ob Geig' und Flöte Alle freut, 

Mir hat fie den Verdruß erneut.” 


Da kommt zu ihm ein Mägblein zart, 
Geffeidet nicht nach Landesart. 
Wie Silber fließet ihr Gewand, 
Wie Gold ihr Haupthaar ohne Band, 
Wie fanfte Wellen fehweht ihr Schritt: 
„And will du nicht zum Tanze mit?“ 
Sp redet fie und blidt dazu, 
Dem Stern gleih aus der Himmelsruh'. — 


Sie ſchwelgen in des Tanzes Luſt, 
Sie fihmiegt fich leis an feine Bruſt, 


8° 


116 Mummelſee. 


Wie eine Blume, kaum erwacht, 

An ihres Stammes Blättermacht. 

Sie ruht ihm müd' und matt im Arm, 
Er führt ſie weg vom Tänzerſchwarm; 
Er wiegt ſie ſchaukelnd auf den Knie'n, 
Doch ſcheu und bebend will ſie fliehn. 


Sie eilt zu Wald und Fels hinauf, 

Er faßt ſie ſanft in ihrem Lauf. 
Sie ſeufzt: „Der ſtrenge Vater droht; 
In ſeinem Hauſe wohnt der Tod. 

O blieb' ich Bruſt an Bruſt bei dir, 
Und Beide liebend ſtürben wir, 

Doch weh, mein Herz ſo wach und voll, 
Und feine Seele lieben fol!” 


„Hab' ich nicht Bühl und Fänger hier? 
Nicht fürdten Tod und Hölle wir!” . 
— ‚Der Nir im See, mein Vater dort, 
Und Menfchenliebe, bringt mir Mord; 
Die Morgenröthe trinkt mein Blut, 
Bin ich bei ihm nicht in der Fluth. 
Es tagt, es tagt — ich flerben muß — — 
D gib mir noch den Testen Kuß!“ — 


Der Droſſel frober Ton verhallt, 
Und zornig braußt der Tannenwald; 
Im Halbfreis flarrt die Felſenhöh', 
Sn ihrem Kefjel flürmt der See. 
Und aus des Jünglings Armen reißt 
Die bleihe Braut der greife Geiſt; 
Er wirft fie donnernd in die Fluth, 
Die blutig dann im Frühglanz ruht. 


Der Jäger fist am Wogenfchein 
‚Und ſchaut mit flarrem Haupt hinein; 
Vom Gipfel blickt der Auerhahn, 
Dom Schiff der Hirsch ihn fiher an. 


Mummelfee. 117 


Der See verfiummt, ber Wald verborrt ‚ 
Der Jäger figt dort immerfort ; 
Dort harrt fein Geift noch heut zu Tag, 
Ob Keiner ihn erlöfen mag. 
Georg Rapp. 


Der Ritter und das Seefränlein. 


Ein Ritter fühn im Jagen 
Verfolgt ein ſcheues Reh; 
Dom ſchnellen Roß getragen 
Kommt er zum tiefen See; 
Da fleigt er in die fühle Fluth, 
Ermattet von der Hige, 
Erfrifcht fein junges Blut. 


Und wie er ſchaut hinunter 
Tief in den See hinein, 
Da ſchwebt ein feltfam Wunder 
Hervor im Abendſchein: 
Ein zartes Fräulein, klar und mild, 
Mit waſſerblauem Schleier; 
Es war ein rechtes Bild. 


Sie ſchwebet immer näher, 
Bald fteht fie vor ihm da; 
Sein Herz ſchwoll Hoch und höher, 
Wußt' nicht, wie ihm geſchah! 
Sie blickt' ihn an fo liebevoll; 
Sie pflogen füßer Rebe, 
Dem Jüngling warb fo wohl. 


Die hellen Sterne brennen 
Schon lang am Himmelszelt; 
Doch Lieb kann Niemand trennen, 
Die fih umfangen hält. 

AS endlich kam die Mitternacht, 
Da warb dem fihönen Ritter 
Ein Lebewohl gebracht. 


'118 Mummelfee. 


Sp oft die Sonn’ jest finfet, 

Sigt er an Ufers Rand: 

Alsbald die Meerfrau winfet 

Und fchwebt zu ihm an's Land; 
Sp oft jest fommt die Mitternacht, 
Da wird dem fihönen Ritter 

Ein Lebewohl gebradit. 


„Komm’ mit zum Hochzeitsmahle, 
Mein’ Schwefter wird getraut 
In meines Schloßes Saale; 
Komm’ mit, du füße Braut!“ 
Sp fprad er. einft, Täßt fie nicht los, 
Trotz ihrem Widerfireben, 
Und nimmt fie mit aufs Schloß. 


Da, bei dem Klang der Saiten 
Und bei der Kerzen Glanz, 
Da ift fo wohl den Beiden, 
Sie fchweben hin im Tanz. 
Der Wächter ruft die Mitternacht, 
Da wird dem jungen Ritter 
Ein Lebewohl gebradt. 


Er hält fie feſt umfangen, 
Er denft nicht an bie Zeit, 
Er fügt die zarten Wangen: 
Da weint die fehöne Maid. ' 
Borbei war lang die Mitternacht 
Das hat dem ſchönen Ritter 
Nachher groß Leid gebracht. 


„Laß mich, mein traut’ Gefelle, 
Gib mir das letzt' Geleit’ ! 
Es naht der Morgen helle, 
Ich bin vol Luft und Leid. 
Borbei ift lang die Mitternacht — 
Ich glaub’, die große Liebe 
Hat mir ben Tod gebraht! 


Mummelfee 419 


„Kommſt morgen bu zur Stelle 
Dort an die dunkle Fluth, 
Und dringet aus ber Welle 
Ein rofenfarbned Blut: 
So den: die Weil’ nad Mitternacht, 
Und unfer treues Lieben, 
Hat mir den Tod gebracht.” 


Und wie er fam zur Stelle 
Dort an die dunkle Fluth, 
Da dringet aus der Welle . 
Das rofenfarbne Blut. 
Er klaget bis zur Mitternacht; 
Dann nahm ihn auf die Welle — 


Hat nimmer ihn gebradit. 
Karl Zell. 


Die guten Seejungfrauen. 


Um die Herrenwiefe Tiegen einige Seen auf hohen Ge- 
birgen, in Wald und Felfen verftedt. Nicht weit von jenem 
Dörflein, am Abhang des Berges Seefopf, und nicht weit 
som Heidenberg, liegt der Herrenwiefer See, der au 
Hummelfee und ber Eleine Dummelfee heißt, weil 
man glaubt, er habe fein Wafler aus dem großen Mum- 
melfee, der drei Stunden ſüdwerts liegt und woraus bie 
Acher fließt. Der Herrenwiefer See fol unergründlich tief 
fegn. Ein Jäger fchoß einmal ein Reh an feinem Ufer, das 
ins Waſſer fiel und am dritten Tage ganz zerquetfcht bei 
ber Seebahbrüde wieder ausgeflößen wurde, — In dieſem 
See wohnten einft wohlthätige Jungfrauen; fie kamen Nachts 
ind Thal herab und wuſchen frommen unb reblichen Leuten 
bie Wäfche aus, die fie dort in den Zubern fiehen Hatten. Wo 
fie den Taig in der Mulde fanden, da buden fie das Brod, 
ehe Die Leute wach wurben; fie fegten die Häufer, während 
bie Leute fchliefen; im Herbſte fehnitten fie Nachts die reifen 
Trauben ab und trugen fie zufammen in die Bütten; bie 
ſchlechten aber Tießen fie für die Vögel hängen, darum gab 


120 -Mummelfee, 


ed auch in alten Zeiten fo guten Wein. Damals waren die 
Leute treu und vedlih, deswegen haben ihnen auch die See- 
fräulein bei ihrer Arbeit geholfen; wenn es wieder beffere 


Menſchen gibt, werben ſie's aud wieder thun. 
(Siehe Mone's Anzeiger 2c. v. J. 1834.) 


Aus dem „Simpliciſſimus.“ 


Vom Mummelfee gehen noch verfchiedene Sagen. Wir 
theilen bier einige mit, wie fie der befannte alte Kriegsroman: 
„bie Abenteuer des Simpliciffimus” anführt, woraus fie 
auch die Brüder Grimm in ihre teutfchen Sagen aufgenom- 
men haben: 

1) Wenn man Erbfen, Steinchen oder fonft was in ungera- 
der Zahl in ein Tuch bindet, in den See hinein hängt und 
dann wieder heraus zieht, fo findet man biefelbe in gerade 
Zahl verändert, und fo auch umgekehrt. So man einen oder 
mehrere ſchwere Steine hineinwirft, fo trübt fih der Himmel 
darüber, und es erhebt fich ein dumpfes Braufen in ber Luft, 
dem oft ein Ungemitter mit Donner und Hagel folgt. 


2) Als eines Tages etliche Hirten ihr Vieh nahe beim See 
weibeten, fahen fie plöglich einen großen braunen Stier aus 
der Fluth ans Ufer fleigen und fich zu ihren Rindern gefel- 
len; einen Augenblid darauf aber fam ein graues Männlein 
eilig aus dem Waffer nach, und trieb den Stier unter greuli= 
den VBerwünfchungen wieder in die Tiefe zurück. 


3) Ein Bauer fuhr einft mitten im Winter fammt feinen 
Ochſen und einigen gefällten Baumflämmen über den hartges 
frorenen See und kam glüdlih ans andere Ufer; fein nach⸗ 
laufendes Hündlein aber, das nur noch wenige Schritte Davon 
war, mußte jämmerlich erfaufen, bieweil die Eisbede plötzlich 
unter ihm auseinander borft. 


Mummelfee. 121 


4) Ein Fägerömann fah im Borübergehen ein Seemännlein 
am Ufer figen und mit Golbflüden fpielen, von denen es den 
ganzen Schoos voll Hatte. Als er ſchon die Büchſe anlegte 
um darauf zu fehießen, bufchte das Männlein blitzſchnell mit 
feinem Schatz in die Fluthen und eine Stimme rief daraus : 

„Dätteft du mich fchön gebeten, 
Hätt’ ich gern Dich reich gemacht, 
Doch weil du mid wollteft tödten, 
Wirft in's Elend du gebracht.” 

Bald darauf verfant auch wirklich der thoͤrichte Schüge in 
die bitterfte Armuth, weil feine Büchfe von dieſem Tage an 
fein Thierlein mehr traf, und ftarb nach kurzer Zeit ganz hülfs 
los und verlaffen. 

(Bergl, mit E. Mörike's Didtung, S. 100 dieſes Bandes.) 


5) Ein Herzog von Würtemberg ließ einft ein Floß bauen, 
um damit auf den See zu fahren, deffen Tiefe zu ergründen. 
Als aber die Meffinftrumente fchon neun Faden tief hinunter⸗ 
gelaffen waren und immer noch Teinen Boden gefunden hat« 
ten, fing das Floß auf unerflärtihe Weife an, zu finfen, und 
wären bie Leute darauf nicht ſchnell damit ans Ufer gefahren, 
fie hätten Alle ihren fichern Ilntergang gefunden. 


6) Ein Markgraf von Baden, der mit Geiftlichen und Hof⸗ 
leuten den See in Augenfchein nahm, ſchoß geweihte Kugeln 
und verfenfte heilige Gegenſtaͤnde hinein. Plöglich fprang ein 
fürdhterliches Ungeheuer aus dem Waffer, jagte die Verwege⸗ 
nen in die Flucht, und fieben Tage wütheten Stürme und Uns 


gewitter über der ganzen Umgegenb. 
(5. auch: „Sagen aus Baden und ber Umgegend.“ Karléruhe 1834.) 


Das Mümmelchen. 


(In Mundart diefer Gegend.) 


Dbe uf de Hornesgrinde ifch e See, de mer de Mums 
melfee beißt, denn vor Ziten hen!) Mümmele oder Sees 


4) Haben, 


122 Mummelfee. 


wible dein g'wunht. E junger Hirt het mengmol in ber Näh 
fi Küe un Schof g’hüet, un e Liedli g’funge. ’8 iſch e fufrer 
Bue gfi, mit gele, genfe Härle un e me G'ſichtle, wie Mitch 
un Bluet. Emol, gege Obed, do fummt e Jungfrau zu em, 
‚ ime grüne G’wand, un über de Zöpfe het fie en Schleier trage. 
D'Jungfrau feet fi guem-Hirte und feit: „sifh do guet 
lenze !), 's Moos iſch wei, un 's weiht e küel Luüftli us de 
Tanne ber.” 

Der Hirt het nit 's Herz, ebbes z'antworte; fo e ſchüns 
Frauebild het er fi lebti nit g’fehne, un 's wurd em fafcht 
wunderli D’Sinn. Do gudt fie en a mit ihre große, ſchwarze 
Aue, und mit ihrem Mündle, wie Griefe 2) fo roth, und 
feit: „Mögfcht mer nit e Liedle finge? do hobe hört mer nike 
as d’wilde Waldvögel.“ 

Em Hirt iſch's juſt nit fingeri gfi, aber er het do an- 
Hfange: | 

Es ſchwimmt e Rösli, fo wiß wie Schnee, 
Gar luſti Dort uf em ſchwarze See, 
Doc güdelt numme ne Sternle runter, 
Sp duckt's au gli fi Köpfle unter. 


Witer bet er nit finge Fünne; denn 's Mümmele het en an⸗ 
g'ſchaut mit eme Paar Aue, der Schnee us de Grinde wär 
hu?) im Merze dervun g'ſchmolze. Wenn mer aber Fir *) 
zuem Strau thuet, fo brennt’, un mit em Löfche iſch's fo e 
Sad. Kurz un guet, der Hirt verplempert 5) fi in's Seewibel, 
und fie ifch au nit von Stahl un Ife ?? gfi. 

Aber alles in Ehre! Sie ben furzwilt un Narrethei 
triebe, un am End ifch der Hirt fe wore, und het em Müm- 
mele e Schmüzle 6) gen, un fie bet em ſeldrum ”) d’Aue nit 
uskratzt. Bim Abſchied aber Het fie zuem g’feit: „Wenn i 
au emol nit fumm, fe blib mer vum See weg, un rief 
mer nit." 

E Zit lang iſch's fo gange, un ber Hirt het g’meint, ber 
Himmel wär jest allewil Hor bliebe, aber hinter em iſch e gar 


1) hingeftredt ruhen. 5) verliebt. 


2) Kirſchen. 6) Küschen. 
3) ſchon. 7) deßhalb. 
4) euer. 


u 


Mummelfee uns Nachbarſee'n. 1233 


fhwarze Wolf ufg'ſtiege. Emol loßt fi mi Mümmele zwei 
Tag mit keim Au mer fehne, und do iſch's em Hirte winne und 
web worre; denn mit der Lieb iſch's, wie mit em Heimweh; 
mer kann debei nit ruege noch raſte, un mer ſot glaube, 
böfe Lüt hätte's eim angetun. Z’Ietfcht kann's der Hirt nimme 
ushalte, un lauft an de See: do gufe en d'Seerösle an, as 
wenn fe Mitlivd mit em hätte; er merkt's aber nit, un rieft 
d'Jungfrau bim Name. Uf eimol wurd's Waſſer unruebig ?), 
un us em See fummt e Zeterg’fchrei, un er färbt fi mit Bluet. 
De Hirte wandelt e Grufen an — er lauft in d' Berri ?) nt, 
wie wenn en e Geifht?) jage thät, un vun ber Zit an het 
me nifd meh vun em g’fehne no g’hört. 
Aloys Schreiber. 


Der Wildſee. 


In ſeinen Tiefen hauſen ebenfalls ſchlimme Geiſter; dieſe 
aber ſind bei Tag als ſchwarze Fiſche zu ſehen. Oft auch läßt 
ſich in ſeinem Grunde ein Spielmann luſtig muſicirend hoͤren, 
worauf ſich dann immer irgend ein Unglück in der Gegend 
ereignet. 

Auch geht die Sage: es ſey einſtmals ein fremder Herr in 
prächtigem Kleide zu Pferd auf dem Moos erſchienen; ber ſey 
vor den Augen eines Hirtenmäbchens foornftreichg auf den See 
zugeiprengt, Dann und Roß alsbald in deifen Tiefe verſchwun⸗ 
den und nur der Feberhut des Cavaliers fey noch eine Zeit 


lang oben auf dem Waffer geſchwommen. 
(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karleruhe, 1834.) 


Das Männlein vom See, 


(In alemannifher Mundart.) 


Uff de Berge, do ifh e See, 
Es fahrt nie fei Schiffer druff. 
's goht kei Rueder in fini Welle, 


1) unruhig. 
2) Berge. 
3) Geiſt, Geſpenſt. 





124 


Nummelfee und Nachbarſeen. 


Denn er cha ſi gar verſtelle, 
Und uff eimol ſtoht er uf — 
Es iſch gfehlt, iſch ebber druff. 


Bi dem See obe floht e Hug 
Im e Thal, fo eng un wild. 
Hoch vum Kuppe ſieht me’g Chöpfli 
Dert in jedem Waſſertroöpfli, 
Wenn der Wind e wenig ſpielt, 
Un vu Berge drum umme '»s Bild. 


In dem Hus inne het me ſuſt 
A e Maͤnnli chönne ſeh; 
s iſch fo lei gſi, wie ne Büebli, 
Doch nitt luſtig un nitt liebli, 
Un het nie kei Antwort ge — 
Jezen iſch es nimmimeh. 


Un das Männli, ſtumm un fin, 
Iſch ſcho art gſt un ſcho grau. 
Duß, in Husgang, unter d'Stege, 
Iſch es z'Nacht allimol als g'lege, 
Uff de Boden un ufPs Strau; 
Mengmol het es geſſen au. 


Iſch der Morgen allmig chu, 
Iſch das Maͤnnli zerſcht verwacht; 
Und wag’g ge bet, in Buureg'ſchaͤfte, 
Het es ghulfen us alle Chräfte, 

Un Het redli au mitgmacht, 
Doch nit eimol het es gllacht. 


„'s mueß e tiefe Chummer ba,” 
Meint der Meifter, „was es will? 





Mummelfee und Nahbarfee'n. 


Un jez endli feit fi Frau: 
„J glaub, i bi uff der Spur! 
’8 bet fo alt un verriffe Plunder, 
Un drum ifch es au fe Wunder, 
Daß es Iuegt allewit fo fuurz;’ — 
Sp feit D’Frau zum Seewibuur. 


„50, wer weiß, fo chönnt es fi, 
Un des choſt't jo nit alles Gelb; 
Jeze Ten mer im Männli made 
E neu Rödli un fuf no Sache, 


Was ed brucht in Hus un Feld.” — 


Un bim Schnider wird es b’flellt. 


Und der Schnider chunnt un bringt’s, 


Wun es ferig jez iſch gſi; 

Un fie lege's unter d'Stege, 

Un wenn 's Männli dermit biwege, 
Daß e8 foll alehrter fi; 

's fin au Schüehli no derbi. 


Doch wu's Nacht wird, tooft der See, 
Und im Huus het's durann g'chracht; 


Und wu's Männli fi neu Plunder 
Jeze findet, un au no drunter 
Neui Schueh; o wie het es gmacht, 


Un het's gjomm’ret die ganzi Nacht! 


„O mi Meiſter! o weh, o weh! 
Jez henn er mi jo abglohnt, 
Tuſig Johr lang han i do gwohnt. 
O mi Meiſter! o weh, o weh! 
O, er henn mer nit ſolle ge! 


„O mi Meiſter! o weh, o weh! 
Mi Plunder wär jez verheit gli, 
Un derno wär i erlöſt gſi. 

O mi Meiſter! o weh, o weh! 
O, er henn mer nit ſolle ge! 


125 


126 Mummelfee und NRahbarfeen 


„O mi Meifter! o weh, o weh! 
Jez mueß i go vu Afang , 
Wieder diene, tufig Johr Yang. 

D mi Meifter! o weh, o weh! 
D, er henn mer nit fole gel" — 


Un jez madt es fi uffe Weg, 
Blibe darf es nimmemeh. 
Sither fellem iſch's verfchwunde, 
Doch in mitternächt’ge Stunde 
Irrt e Liechtli ald am See, 


Un das fifjget: o web, o weh! 
I F. Dorn. 


(Aus Pfarrer 2. F. Dorn’s „Memania,” Lörrach, 1843.) 


Der Nonnenſee. 


Einige Stunden hinter ber Herrenwiefe befindet ſich der 
Nonnenfee, der Auch manchmal mit dem Mummelfee ver- 


wechjelt wird. Zu beiden Seiten erheben fih der Schwarzkopf 


und der Seefopf, auf deren Kuppen einft die Schwarzburg 
und die Seeburg flanden. Auf der Seeburg Iebten zwölf 
Brüder, die fih vom Raube nährten, mit ihrer einzigen, aber 
wunderſchönen Schwefter; auf der Schwarzburg aber wohnten 
zwölf Schweftern, eine reizender ald bie andere, mit einem ein= 
zigen, aber heldenkühnen Bruder. 

Die Seeburger Zwölfe brüteten ſchon längſt über dem 
Plane, das Schweftern-Dugend aus der Shwarzburg zu 
entführen; der Ritter von der Schwarzburg hingegen beredete 
Die Seeburger Jungfrau, deren Brüder ihm fie nicht zur Gattin 
verwilligen wollten, zur Slucht, und Die Stunde warb feftgefest, 
wo er fie heimlich abholen ſollte. Da beide Theile dieſelbe 
Naht zur Ausführung ihrer Anfchläge gewählt hatten, fließen. 
fie mitten auf dem Wege, der ins Murgthal führt, aufeinan- 
ber. Berzweifelt war ber Widerfland, welchen ber Ritter von 
Schwarzburg leiſtete, aber er wurde von der Menge feiner 
Gegner überwältigt, gefeffelt und nebft ber Geliebten und feinen 


® 


Mummelfee und Rachbarſee'n. 127 


Schweftern in das feindliche Raubneft gefchleppt, in defien Vers 
liege, bei Badelfchein, jeder der zwölf Ritter ihm einen Dolch 
in die Bruſt ſtieß. Hierauf töbteten fie ebenfo ihre einzige 
Schweſter, nachdem fie den gräßlichen Tod ihres Buhlen hatte 
mit anfehen müßen. Die geraubten zwölf Jungfrauen mußten 
fih mit den zwölf Seeburger Brüder vermählen, erhoben ſich 
aber in der Hochzeitnacht Teife von ihrem Lager und durchbohrs 
ten die fchändlichen Mörder ihres Bruders mit benfelben Dols 
chen, die fein Dlut vergoflen hatten. Nach Befriedigung ihrer 
Rache wollten die zwölf Schweftern wieber auf die Schwarz- 
burg zurüdfehren, wurben aber von den Knechten der Seebur⸗ 
ger überfallen und auf der Stelle getöbtet. Bald darauf brach 
in der Seeburg eine Feuersbrunſt aus; dba ſah man unter den 
flürgenden Balken und berfienden Mauern zwölf weibliche Ges 
falten in weißen Gemwändern durch Die Flammen fchreiten, jeg⸗ 
ficde ein Kindlein im Arm, binaus zu dem Nonnenfee, und in 
deilen Tiefe fich flürzgen. Dumpf braußten die Waffer auf und 
von der Zeit an nahmen fie eine Farbe ſchwarz wie Dinte an.. 

Jeden Tag nun, fobald die Dämmerung herabfinft und bag 
Abendglöcklein im nächflen Dorfe geläutet wird, kommen drei⸗ 
zehn Stüde Rothwild aus dem zerfallenen Thore der Seeburg 
hervor und nehmen den Weg nad der Ruine der Schwarzburg. 


- Kede Wildfchüsen haben es bisweilen gewagt, auf dieſe Thiere 


zu ſchießen; aber wenn auch eines oder Das andere zufammens 
flürzte und der Jäger fi der Beute bemächtigen wollte, war 
fie plöglich fpurlos vor feinen Blicken verſchwunden; fa, einmal 
fol die Kugel zurüdgepralit feyn und den frechen Schügen felbft 
getöbtet haben. Blos am Freitage, oder dem fogenannten Jä⸗ 
gerſabbath, läßt fich der Ing des Wildes nicht ſehen; aber um 
Mitternacht wandeln dann zwölf weiße Nonnen aus einem 
Thurme der Seeburg und in ihrer Witte wanft ein hoher blei- 
her Mann, in deſſen Bruft zwölf Dolche fleden. Während fie 
durch den Schloßhof dahinfchreiten, fommt ihnen aus der Haupts 
pforte ein Zug von zwölf ſchwarzen Männern entgegen, ihre, 
Geſtalten mit brennenden Flecken überfäet. In ihrer Mitte 
geht ein weißverfchleiertes Weib. In tiefer Stille fehreiten fie 
an ben Nonnen vorüber und verſchwinden, zu gleicher Zeit wie 
jene, am Eingang in die alte Begräbnißfapelle. 


128 Mummelfee und Nahbarfee’n. 


Ein alter Mann, der in der Nähe des Nonnenſee's lebte 
und Erucifire aus Holz fehnizte, die er in der Umgegend ver⸗ 
faufte, hörte manchmal in der Nacht ein Geftöhne, wie von 
Sterbenden, das aus den Fluthen zu Tommen fehien. Dann 
warf er ſich auf die Kniee und betete für Die Ruhe der Abge⸗ 
ſchiedenen, welche dort in der Tiefe ihr Grab gefunden. Als 
ihm feine Frau flarb, vernahm er in der Kammer, worin fie 
auf Streu Tag, eine fanfte Muſik. Leis öffnet er die Thüre 
und erblickt dreizehn weiße Jungfrauen, mit Richtlein in den 
Händen, um die Teiche flehen und fie bewachen. 

(S. A, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c. 2c.”) 


Die Nonnen fingen nicht mehr. 


Ro der Wildfee liegt, da fiand ehemals ein Nonnen» 
Flofter, das ift aber längſt verfunfen und vom Waffer bededt. 
Man fieht noch den Fahrweg und das Geleis in den Felfen; 
der Pfad führt gerade auf den See und nicht weiter; denn ed 
war der einzige Weg zum Kloſter. Die Nonnen faßen noch 
oft am See, nachdem ihr Klofter untergegangen war und fangen 
Lieder; kam aber Jemand in die Nähe, fo forangen fie alle ins 
Waſſer. Es waren allezeit ihrer zwölfe. Sie tanzten fehr gern . 
und famen oft zu den Leuten in die benachbarten Thäler, aber . 
ftetö nur Eine allein; und nie hat man gejehen, daß Eine 
Speiſ oder Trank angenommen hätte. Sie nahmen zwar von 
ihrem Tänzer das Glas an, ald wenn fie Beſcheid trinken woll⸗ 
ten, berührten aber den Rand nur mit ben Tippen, ohne zu 
trinfen. Daher fagt man auch, wenn man einen Trunf einer 
Jungfer zubringt und fie vom Weine bloß ein Bischen nippt: 
„Sie trinkt wie eine Nonne, die an dem See ihr Lieblein fingt.“ 

Diefe Nonnen trugen weiße Kleider, waren fröhlich und 
guter Dinge, gaben aber feine Antwort, wenn man fie nad) 
ihrem. geheimnißvollen See fragte. Einen Tänzer, der fol 
eine Frage an fie ftellte, verließen fie augenblidlih und waren 
nie wieder an dieſem Orte zu fehen. Das Volk hatte fie fehr 
gerne als Gäfte bei Hochzeiten, denn fie brachten der Braut 
Heil und Segen; daher gingen die Hochzeiterinnen drei Tage 


Mummelfee und Nachbarſee'n. 129 


vor der Trauung an den See und luden fie ein mit dem lauten 
Ruf: „Ih habe Hochzeit, Eommt zum Tanze!“ Wollte nun 
eine Nonne der Einladung folgen, fo merkte man e8 an einem 
Gepfätfcher im Wafler. Das Brautpaar mußte aber jeder 
Nonne, wenn fie beim Feft erfchien, feierlich verfprechen, ihr es 
fogleich zu fagen, wenn die Glocke Nachts zwölf ſchlug. Ste 
fegnete dann das Brautpaar ein, Tieß fih von ihm bis an bie 
Hausthüre begleiten, von den Leutchen die Hand zum Abſchied 
füffen und verſchwand dann auf der Stelle, 

Diefe Nonnen hatten eine eigene, fittfame Art zu tanzen; 
nicht fo wild und roh, wie jett die Leute zu thun pflegen, ſon⸗ 
bern fie ſchwebten nur in zierlichen Kreifen und mit leifen 
Schritten über den Tanzboden hin, 

Einmal geihah es, daß ein Brautpaar die Mitternadts 
flunde vergaß, und als die Nonne fragte, welche Zeit es fey, 
da war es fhon Ein Uhr. Da fanf fie mit einem Schrei zu⸗ 
fammen und bat den Bräutigam, fie nach ihrem Wohnfig zu 
begleiten. Als fie an den See famen, blieb der junge Mann 
fiehen, denn fie hatte ihm ihr Schidfal vorausgefagt und ihn 
gebeten, daß er es: mit anfehen folle. „Der Mond fcheint hell;“ 
— fagte fie — „wird der See weiß wie Milch, wenn ich in 
die Sluth hinabſinke, fo ift e8 ein gutes Zeichen; wird er aber 
roth wie Blut, fo ift es um mich geſchehen!“ — Sie fprang 
hinein in das Waffer, aber fogleich ſchoß ihr Blut heraus und 
färbte Die ganze Fläche dunkelroth. Der Bräutigam ging trau= 
rig nad Forbach ‚beim und ſeitdem fingen die Nonnen nicht 
mehr am See, wo. fie fonft im Frühjahr an der Sonne ſich 
wärmten, 


(Aus den in Mone's „Anzeiger“ ıc. Jahrg. 1834 auszugsweiſe mitgetheilten Sagen 
aus ber handſchriftlichen Sammlung des Oberſt Medicus.) 


Der Rice Wechfelbalg. 


Am Hugebacher See wohnte vor Zeiten ein böſes Weib, 
bie befonders den Buben gefährlich war; wagte fich einer in 
bie Nähe, fo warb er yon ihr aufgepackt, zum See getragen 
und lebendig aufgefreffen. Doch find jest die Knaben yon der 

I. 9 


139 Mummelfee unv Nachbarſee'n. 


Nire verfhont, weil fih eine Geſchichte mit ihr zugetragen hat, 
feit welcher fie die Kinder in Ruhe läßt, 

Eine Köhlersfrau hatte ein Fleines Knäblein in ber Wiege 
daheim, und war in ben Wald gegangen, um Heibelbeeren für 
ihren Mann zu ſammeln. Als fie wieder nach Haufe Fam, hörte 
fie ſchon von Weiten ihr Kind entfeulich fehreien und fand flatt 
ihres Söhnleins einen greulichen Wechfelbalg in der Wiege; 
ber hatte einen Kopf wie ein Sefter, Augen wie ein Kalb, war 
aber fonft am ganzen Leibe mager und fahl, wälzte ſich in feinem 
Kothe und Frächzte wie ein’ Rabe. Die Mutter brach in Tautes 
Jammern aus und bat ihren bald darauf heimkehrenden Mann, 
ben Unhold mit Ruthen zu hauen. Das that er denn au, 
während fein Weib vor dem Haufe ihr Gebet verrichtet. Da 
hörte fie auf einmal ihr Söhnlein am See weinen, denn ihre 
Hütte ftand nahe daranz fie fprang hin, fand wirklich ihr rech⸗ 
tes Kind am Ufer Tiegen und trug es freudenvoll heim. hr 
Mann fchleppte darauf den tüchtig Durchgepeitfchten Wechfelbalg 
an dieſelbe Stelle, wo fein Kind am See gelegen hatte, Als 
die Nire dies gewahrte, fuhr fie auf den Werhfelbalg los, zerriß 
und fraß ihn, und verſchwand. Der See fing aber fchrerlich 
an zu braufen und zu toben und man glaubt, die Nixe habe 
fich mit dieſem Fraße den Magen fo-fehr überladen, daß er ge- 
borſten, woher es auch komme, daß bie Kinder jebt vor thr 
Ruhe haben. 


(Aus den in Mone's „Anzeiger“ (1834) auszugsweiſe mitgetheilten Sagen des 
Obert Medicus.) 


Anmerkungen u den Miunmelfee : Sagen. 

Unfern der Kuppe ber Hornisgrinde*), an deren ſüdöſtlichem 
Abhange, ungefähr zwei Stunden von ber Herrenmwiefe, liegt ber 
Mummelfee, auch Wunderfee (lacus mirabilis) genannt. Deffelben 
erwähnen ſchon einige unferer älteren Schriftfteler, u. A. Caspar 
Schott in feiner „Physica curiosa,“ lib. I. pag. 123. Mancherlet von 
feinen Wundern erzählt auch Greifen ſon (Schleifheim) in feinem Kriegs- 
bildervollen Roman: „Der abenteuerliche Simpliciſfimus.“ (5. Bändch. 
10. Kap.) ꝛc. 

*) @rinde heißen in diefer Gegend die hohen, kahlen, gleichſam verlornen und hei⸗ 
mathlofen Berggipfel. Diefe Kuppe wird auch der Katzenkopf, der Bierfürftenftein ober, 
Grenzſtein genannt, weil hier ehemals die Grenzen von Deſterreich, Baden, Würtemberg und 
bem Bisthum Straßburg zuſammen trafen. Die Hornisgrinde ragt 3627 Buß hoch, einer 


rieſigen Vorwacht glei), in das Rheinthal hinein. (Siehe F. v. Fahnenb erg ’8 „bie Heil⸗ 
quelen am Kniebis.“ Karlsruhe, 1838.) 


/ 


Mummelſee und Nachbarſee'n. 131 


Es gibt zwei See'n dieſes Namens, die wegen ihrer nachbarlichen 
Aehnlichkeit öfters vermechfelt werben. Derienige, welcher unfern Sagen⸗ 
kreis bildet, ift der obenerwähnte, größere; der Feine Mummel- 
fee, richtiger Derrenwiefer- oder Nonnenfee, befinbet fih in 
der Gegend der Herrenwiefe, im Bezirkdamt BühL Seekopf 
heißen die Berge, in deren Zobel beide eingefchloffen find. Aus dem 
größeren Mummelfee fließt die wilde Acher, die eine Strecke weit 
den Namen Seebad trägt, hierauf das eigentlihe Acherthal bilvet 
und fih in ven Rhein mündet; ver Abfluß des Eleineren Mummel- 
ſee's Heißt ebenfalls Seebad, ergießt fih aber in vn Schwars- 
senbak. 

Mit dem Mummelfee wird auch wohl der wilde See (Wilpfee) 
verwechfelt, welcher in der Nähe von Allerheiligen liegt und dur 
bie Schönmünzach in die Murg abfließt. Da es ferner noch einen 
zweiten Wildfee ſüdweſtlich vom Kniebis bei Rippoltsau und 
dem Schappacherthale gibt, fo ift erflärlich, daß bier häufige Berwechs⸗ 
jungen vorfallen. 

Der Name Mummelfee mag eher von dem altteutfchen Worte 
„Mummel” (Here, Popanz) oder dem damit verwandten „DM um 
meln“, (Mumm machen, brummen hinter einer Vermummung, engliſch 
to mumble) als von „Murmeln“ berzuleiten feyn, 

(Bergl. Klüber's „Beichreibung von Baden und feiner Umgegend.” II. Theil 
©. 140 und 190. — Kolb's „Reriton von Baden.” IL, Br, S. 294. IEE, Bp, 


©. 226 und 380. — A. Schreiber’s „Baden mit feinen Heilquellen ⁊c.“ 
S. 223 und 28 u. A. m.) 


dr. von Fahnenberg in feinem Werkchen „Die peilquellen a am 
Kniebis“ ꝛc. ſagt S. 167 über dieſen Namensurſprung: 


„Mummel, Mummert, Mummart ift im gemeinen Le⸗ 
ben der Name eines erdichteten Ungeheuerd, womit man Kinder fchredt 
und welches durch eine vermummte Perfon dargeftellt wird, während fle 
dabei den brummenven Laut Mum, Mum von fih hören läßt. — Al. 
Schreiber Ieitet jedoch den Namen des See’! von „mummeln,” 
„murmeln” her; Mümmelchen fey gleichbeveutend mit Waffer- 
nixe; es Tiege hier der Begriff des Geheimnißvollen zu Grunde. Die 
Bedeutung von Larven, als gleichbeveutend mit gefpenftigen Wefen, 
fomme nur bei den Römern vor. 


„Der große Mummelfee hat eine halbe Stunde im Umfang. Nur 
in ber Mitte, wo die Acher entquillt, {fl er von bisher noch unergründ- 
licher Tiefe. Sein ſchwärzliches Waffer, durch die nahen Torfgründe fo 
ausfehend, nährt bloß den Salamander, nicht aber Fiſche. Nach Angabe 
ver Landleute verurfachen die Ausdünſtungen des See's häufig Nebel und 
Ungewitter. So foll ven 21. Zunt 1756 aus einem bloßen Wölkchen, 
das in der Größe eines runden Hutes aus demſelben emporfieg, fich aber 
allmälig Immer weiter auspehnte, eines ber entſeblichfien Blitz ⸗ und 

9 


132 Mummelfee und Nachbarſee'n. 


Hagelgewitter entflanden feyn, das im Umtreife von acht Stunden unbe- 


ſchreiblichen Schaden verurfachte.” 
(Vergl. v. Fahnenb er gs „Heilquellen am Kniebis 20.” ©. 167 und 168.) 


Al. Schreiber ſagt u. A. von ihm: 

„Des See's Ufer iſt, wie das Geſtade des Lethefluffes, öde und ab» 
geſchieden, die verfümmerten Fithten und Tannen neigen ihre Wipfel zur 
Erve und fterben ſchon in ihrer Jugend hin. Kein Laut unterbricht die 
ewige Stille, als das Stöhnen der nahen Wälder im Winde oder das 
melandolifche Murmeln des Waldbachs tief unten im Thale. Unbeweg⸗ 
lich ruht bei Windſtille der ſchwarzbeſchattete Waflerfpiegel, auf welchem 
die gelbe Seerofe (Nymphea lutea) ihre breiten fetten Blätter entfaltet. 
Hier verweilt gerne die Betrachtung, die Wehmuth, die Dichtung.“ 


„Die Lilien vom Mummelfee,’ © 81 un „Mummel- 
fees Rache,“ ©. 83. 

Die den „Lilien“ (welche Blumen eigentlich nicht im Mummelfee zu 
finden und nur mit poetifcher Licenz bineingezaubert worden find) zu 
Grunde Tiegende Sage gab dem Hofmaler Götzenber ger den Stoff 
zu einem ver fihönften Freskobilder, womit er die neue Badener Trinkhalle 
geziert hat. — „Mummelfer’s Nahe” bezieht fi, andren Berichten 
nach, auf den Wildſee bei Allerheiligen. 

(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ Karlörufe, 1834.) 


Eine fehr gelungene Ueberſetzung ver „Lilien“ theilt die „Edinburgh 
Review“ vom Juli 1838, gelegentlich einer Necenfion von Simrock's 
„Rheinfagen” mit, unter welchen auch jene Romanze fih befindet. Wir 
ie fie bier vergleichsbalber folgen: 


THE LILIES OF THE MUMMEL - LAKE. 


Along the gloomy Mummel-Lake 
The lilies bright are growing, 
They stoop their heads, their stalks they shake, 
When morning winds are blowing ; 
But when the niglıt is in her noon, 
And broad and bright the rounded moon, 
Uprising from the wave they stand 
A group of maidens on the strand, 


I 


The night-winds wake, the long reeds make 
Sad music for their dancing, 
As hand in hand is seen the band 
Of lily-maids advancing; 
In mazy flight careering light, 
With faces white and garments white, 
Till o’er their pallid cheeks is spread 
Once more a blush of living red. 


+ 


Mummelfee und Nachbarſee'n. 133 


The load winds groan, the long reeds moan, 
The pine-wood pipes in chorus, 
The clouds athwart te moon are blown, 
The shadows fliker o’er us. 
The night-dews stuff the grass full deep, 
But up and down the dancers sweep, 
And higher, heavier than before 
The billows beat along the shore. 


Lo! from the wave a giant arm, 

A clenched hand intending, 

A dripping head with sedge o’erspread, 
A fiowing beard depending ; 

And thunder-like there comes a sound, 
Reecho’d from the rocks around: 

„Ye graceles daughters, hark ! give o’er 
Back to your watery beds once more |“ 


The dance is o’er; if pale before, 
How paler grow the daughters!: 
„Our father calls, the down appals, 
Once more then to the waters I!“ 

The mift from out the valley rise, 
The morning streaks anew the skies ; 
Once more the lilies with the morrow 
„Are waving o’er the lake of sorrow, 


„Einkehr.“ ©, 84. 

Nicht nur im Odenwald, fondern auch "in manchen Gegenven bes 
Schwarzwaldes iſt die Sage vom wüthenden Deere und wilden 
Jäger heimiſch. 

„Die Waſſerherberge.“ © 8. 
Nach A. Schreibers Erzählung in den „Sagen von Baden und 
Umgegend.” Karlsruhe, 1834. 

„Die Mummelzwerge.“ © 3. 

Auf mündliche Sagen ver Landleute von an ihnen verübten Mumm⸗ 
ler⸗Neckereien gegründet. 

„Der fremde Gaſt.“ © 9. 

Nach einer in Mone’s „Anzeiger“ x. im Zahrg. 1836, mitgetheil⸗ 
ten Sage bearbeitet. 

„Die Geiſter am Mummelſee.“ ©, 99. 
Bruchſtück aus einer unvollendeten Oper von E. Mörike. 
„Der Jäger am Mummelſee.“ ©. 100. 

Vergleiche mit S. 100 „Der Jägersmann“ und „Die Braut 

som Bergſee.“ ©. 115. 








134 Mummelfee und Nahbarfer'n. 


Eine gang ähnliche Mummelſee⸗ oder Wilpfeefage, wie eine Nixe 
einen Hirtenfnaben durch ihr Sattenfplel verlodt, währenn ein Greis ihn 
vergeblich warnt, hat den Stoff zu einem der erften Freskogemälde in 
der Badener Trinkhalle geliefert. 

(Bergi. Klüber'« „VBefchreibung von Baden 1.” Th. U. ©, 193.) 
„Mummelfees Geſchenk“ ©. 101. 

Bergl. die Sage vom Erpmännlein bei Durlach. 

„Das Mümmelchen,“ von AL. Schreiber, ©. 121. 

5 Baader in feinen „Sagen der Pfalz, des Nedarsd und bes 
Odenwaldes“ hat biefelbe Sage, in Romanzenform, auch von U. Schrei- 
ber, irrigermeife für ein altes Bolkslien genommen und mit impfen 
am Berg in Verbindung gebracht. 

„Das Männleinvom See” ©. 123. 

Der Schauplaß biefer rührenden Sage ift am Badiſchen Wild- 
fee, welcher am ſüdweſtlichen Abhange des Knie bis, zwiſchen Peters 
thal und Ripypoltisau liegt. Aus ihm entfpringt die Wolfach. 
— Vergl. mit diefer Sage die vom Seewihof. 1. Bd. ©. 476. 


Sagen vom Wildſee. Seite 123. 

In dem Gebirge zmwifchen ver Murg und der Enz Liegt ein hoher 
fumpfiger Bergrüden, ver ſich in einer Länge von drei Stunden längs 
der Enz hinzieht und von den Ummwohnern das Moos genannt wird. 
Auf, diefer nur mit Haidekraut und Torfmoos beffeiveten Hochebene be= 
findet fih ein ziemlich großer See, um welchen mehr denn fünfzig Hei« 
nere Teiche und Wafferbeden herum liegen. Wild ſee heißt ver grö- 
Bere See und durch ihm zieht fih die Grenze von Baden und Würtem- 
berg. In früheren Zeiten bildeten fie wahrfcheintich alle zufammen nur 
einen einzigen großen See, Einft Hielt man ihn für unergründlich; aber 
ein Herzog von Würtemberg Tieß ihn meffen und da fand es fi, daß er 
nicht mehr als 18 Fuß Tiefe habe. 

Bon dieſem See gehen fait viefelben Sagen im Volke, wie von dem 
“ Mummelfee, 3 B. die von dem Hirtenknaben und ver Waflerfey. 

(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.” Karlsruhe, 1834. Velten.) 

Ein zweiter See, der obigen Namen führt, Liegt unweit des Mum⸗ 
melfee’s, in ver Nähe des Klofters Allerheiligen, tief im Gebirge. 
Auch diefer Bergfee fol, wie die meiften ähnlichen, unergründlich ſeyn; 
die Schwarzen, fihauerlichen Fluthen beherbergen fein lebendes Wefen und 
nur zuweilen unterbricht das heißere Gefchrei eines Raubvogels die dü⸗ 
flere Stile, die beftändig über dieſen unwirthlichen Ufern brütet. Wer 
ſich ein treues Bild von den Höllenfläffen ver Akten machen will, der be= 
ſuche nur dieſen traurigen See mit feinem todten Gewäſſer. 

Mit diefem See, wie mit dem Mummelfee, ift die Sage vom 
rothen Diether verknüpft, die wir unter. Nr. 3 mitgetheilt haben. 

„Der Nixe Wechſelbalg“ ©.129. Der Hutzebacher See Liegt in 
der Nachbarſchaft des Wildſee's, Ichon über der Würtembergifchen Grenze. 


—— 





Bühl 


und nachſte Umgebung. 
+30€o 


Der Hexeuthurm in Bühl.” 


Huf dem linken Ufer des Bühlerbaches, in dem Theile des 
Städichens Bühl, welcher den Herren von Winded gehörte, 
Rand noch vor nicht gar Tanger Zeit ein mächtiger Thurm, ber 
Herenthburm genannt. Er mochte wohl urfprünglich mit 
dem Taum hundert Schritte son ihm entfernten Schloffe der. 
Windeder durch einen unterirdiſchen Gang in Verbindung ge- 
weien ſeyn; fpäter aber, zur Zeit der unfeligen Herenproceffe, 
benügte man ihn als Gefängniß für diefe unglücklichen Schlacht» 
opfer eines finfteren Wahnes. 

Damals lebte in Bühl eine wadere, fromme Matrone, die 
ein einziges, fehr fhönes und eben fo tugendhaftes Tächterlein 
befaß, Gertrud mit Namen. Die Reize bed Maädchens erregten 
die Lüfternheit des Schloßvogts, der ein gewaltthätiger Mann 
und roher Wüftling war, und er machte der Jungfrau Anträge, 
die jedoch mit Abfcheu zurüdgemiefen wurden, Der Burgvogt 
ergrimmte und fann von Stund’ an auf Rache. 

Zufällig begab es fi, Das Gertrud eines Tages vor Son- 
nenaufgang fogenannte Oftertaufe oder Wafler, welches in 
den katholiſchen Kirchen auf Oftern geweiht wird, auf einen ihrer 


”) Bühl, alte Stadt und Amtsort, Tiegt am weftlihen Abhange des Bergſtriches 
Unterbühlot, am Ausgange bes lieblichen, von ver Bühler darchſtrömten Thälchens, in 
einer durch trefflihen Wein» und Obfibau reichgefegneten Gegend, Weit berühmt if na⸗ 
mentlih das Affenthaler Traubenblat. 


136 Bähl und Nachbarſchaft. 


Mutter gehörigen Acker trug, wie es noch jetzt in jenen Gegen⸗ 
den Sitte, wodurch man Einwirkungen böfer Geiſter abzuhalten 
glaubt. Nun überzogen im folgenden Sommer ganze Heeres- 
fhwärme von ſchädlichen Inſekten, welche die Felder verwüſte⸗ 
ten, die Umgebung von Bühl, und was fie noch verfchont hatten, 
Das vernichtete vollends der Hagel, Died brachte den Burg⸗ 
vogt auf den höllifchen Gedanken, die arme Gertrud als 
Here anzuflagen, durch deren Künfte die Inſekten und der 
Hagel herbeigezaubert worden feyen, indem fie eine gewiße Flüſ⸗ 
figfeit über Die Felder ausgegoflen und dabei magifche Sprüde 
hergefagt babe; letztere waren aber nur einige Vaterunfer ges 
weſen, bie fie Damals zu ihrem frommgläubigen Werfe gebetet. 

Keine Anklage fand in jener Zeit leichteren und allgemeines 
ren Glauben, als die auf ein Bündniß mit den böfen Geiftern 
Yautete. Gertrud wurbe fogleich ald Here eingezogen und, um 
ein Geftändniß des ihr zur Lafl gelegten Verbrechens zu erprefs 
fen, erfannte der Richter auf Tortur. Gertrud fühlte, fie würde 
die Schmerzen der Folter nicht überftehen können, und bat um 
einen Beichtvater, Dies Gefuch durfte man ihr nicht abichlas 
gen, und der Pfarrer wurde ihr zugefandt. Diefer war ein 
- frommer Mann, in deffen Herzen die Sprache der Unſchuld und 
Wahrheit immer offenen Eingang fand und welcher Feine Mens 
ſchenfurcht kannte. Er überzeugte fih aud alsbald von ber 
Unfhuld der Jungfrau, nachdem er ihre Beichte vernommen, 
zumal da ihm die Lafterhaftigfeit des Vogtes nicht fremd war. 
Sein Zufprud erweckte in Gertrudend Herzen einiges Ver⸗ 
trauen. „Es lebt ein Gott, welder die Unſchuld beſchützt;“ 
— fprad er, ihr die Hand zum Segen auflegend, — „verlaß 
dich auf Iyn!“ — Mit Hoher Zuverficht erfüllt betrat nun Die 
Jungfrau die Folterfammer; kaum fiel aber ihr Blick auf die 
Marterinfirumente, als ploͤtzlich alle mit Geraſſel zerfprangen. 
Selbſt des Henkers Geſicht überflog Todtenbläffe, und nur ber 
anwefende Schloßvogt verlor die Faſſung nicht, fondern rief: 
„Da feht die fchlimme Zauberin! If das nicht abermals ein 
Werk der Teufels? Was braudt ihr denn jest noch mehr Be⸗ 
weife? Verdammt die Here nur ohne Weiteres zum Scheiter- 
haufen!” — Dies geſchah nun ohne Widerrede. 

Der verhängnißvolle Tag brach an; der Scheiterhaufen war 











Bähl und Nachbarſchaft. 137 


aufgerichtet mit einem hohen Pfahl in der Mitte, an welchen 
die Berurtheilte feflgebunden werben follte. Eine unzählbare 
Volksmenge war von allen Seiten herbei geftrömt. Der Pfar- 
rer geleitete Die Dulderin auf diefem ihrem Testen Gange und 
ſprach ihr Muth ein: „Er, fo dich der Qualen der Folter über- 
hoben, Tann dich auch vom Tode befreien!” — Gertrud bes 
wahrte ihre Heiterkeit und Ruhe. 

Sie beftieg jetzt den Holzſtoß und Tieß ſich geduldig an den 
Pfahl binden, während ihre Seelforger in ihrer Nähe ftehen 
biieb. Xiefe Stile herrſchte rings im weiten Kreife der Zus 
fhauer; in vielen Augen zitterten Thränen. Da wurde das 
Zeichen gegeben und der Holzſtoß an drei Seiten in Brand 
geſetzt. 

Aber plötzlich rauſchte aus einer mächtigen ſchwarzen Wols 
kenmaſſe, die von Abend beraufgezogen war, ein gewaltiger 
Schlagregen nieder, der fogleich die Flammen auslöfchte, und 
im nämlichen Augenblide löſten fih die Bande der Jungfrau, 
und fie fank auf die Kniee und hob die gefalteten Hände zum 
Himmel. Der Pfarrherr aber rief dem verfammelten Volke 
zu: „Seht hier das Zeichen vom Himmel! Gott bat gerichtet, 
denn die Menfchen haben Feine Macht über die Elemente !” 

„Gott bat gerichtet!“ — wiederholte mit Gejubel bie 
Menge und flürzte auf den Schloßvogt los, ber nicht weit vom 
Scheiterhaufen zu Pferde hielt, nun aber in ber fchleunigften 


Flucht Rettung vor der Wuth des Volkes fuchte., Der Herr 


von Winde jedoch ließ ihn, als ihm die Gefchichte hinterbracht 
wurde, fogleich in denfelben Herenthurm werfen. Einige Zeit 
darauf fand man den Verzweifelten darin mit feinem eigenen 


Gürtel erbenft. 
(A, Schreiber’s „Sagen aus den Nheingegenden ⁊c.“ Heibelberg, 1839.) ; 


Der Hexenthurm bei Bühl. 


Das Tieblihe Mägdlein, — o Jammer und Graus! — 
Führt Hagend die Menge zum Thore hinaus. 


- Sie hat fih den Lüften des Vogtes verfagt, 
Drob Hat er fie tüdifch als Here verflagt. 








138 Bühlund Nachbarſihaft. 


Mit Raͤnken umſpann fie der giftige Wurm, 
Bald Tag fie gefeflelt zu Bühl in dem Tharm. 


Sie trug ed geduldig und betete fromm: 
„Maria, du himmliſche Helferin, komm !« 


Und als man fie fchleppte ins Foltergemach, 
Da klirrte das Martergeräth und zerbrach. 


„Erkennt nun, ihr, die von Unſchuld Yogt, 
Sie hat ed mit Deelzebub !”’ — brüllte der Vogt. 


„Unſelige Dirne, fo trifft Did der Top!" — 
Schon flieht fie am Pfahle, von Flammen umloht. 


Sie trägt ed gebuldig und betet fo fromm : 
„Maria, du himmlische Helferin, komm!“ 


Da weinen die Engel; vom Regen erfrifcht, 
Erholt fih das Mägdlein, das Feuer erlifcht. 


Im Bolt nun erhebt fih ein Jubelgeſchrei: 
„Der Herr hat gerichtet, Die Jungfrau gebt frei! 


„Berberben dem Lügner!" — fie führen im Sturm 
Das Mägdlein zur Freiheit, den Bogt in den Thurm. 


Dort hat er, entlarvt, zum Bekenntniß gedrängt, 
Den Henker noch trügend, fich felber erhängt. 


Eduard Bauer, 


Die Narrenzunft in Bühl. 


| An Buhl Hatte einft eine Narrenzunft ihren Sig und ihre 
befondern Gefege und Einrichtungen. Die Mitglieder verfams 

melten fi zu gewiſſen Zeiten und fchrieben in ein großes Buch, 
welches fie zu dieſem Zwecke hielten, einen Jeden ein, von dem 
fie erfuhren, daß er irgend einen lächerlichen oder recht thörich- 
ten Streich begangen habe. In dem Buche flieht eine Unzahl 
luſtiger Verslein, Sprüche und Gefchichten, 3. 2. 

„Wer für Gold nimmt, was nur blendt', 

‚Wer Töfcht, wo es nicht brennt, 


Bag und Nachbarſchaft. 139 


Mer auf dem Pflafter rennt, 

Und auf der Brüde fprengt, 

Und nimmt ein Weib, das er nicht Fennt: 
Der bleibt ein Narr bis an fein End’.” 

Das Narrenbuch war in der ganzen Gegend gefürchtet; denn 
Niemand war fiher, daß er nicht auch einft fein Pläschen darin 
fände, — „Mich folt Ihr gewiß nicht hinein bringen — 
fagte einfl ein vornehmer Herr aus der Nachbarſchaft zu dem 
Narrenzunft:Schreiber. „Eure Durchlaucht ſtehen ſchon drin!“ 
— verſetzte Dieſer. — „Ei, wie ſo? warum?“ — „Weil Sie 
den letzten Winter ſpazieren gefahren ſind mit Pferden, welche 
mit Mückengarnen bekleidet waren, was gar nicht nöthig ge⸗ 
weſen.“ Der Fürſt lachte und mußte ſich's gefallen laſſen. 

2.2.8. 


Das Lindenfirchlein. 


An der Landſtraße, die nah Bafel führt, nicht weit vom 
Hubbade und der Burg Winden, Tiegt eine freundliche Wall⸗ 
fahrtsfiche, „zur Linden” genannt. Diefen Namen hat fie 
von einer uralten Linde, die wenige Schritte von ihr entfernt 
flieht. In grauen Zeiten fol das Muttergottesbild, welches 
jest auf dem Hauptaltar der Kirche aufgeftelt ift, in einer 
Blende des Baumftammes geftanden haben. Es gefhah nun, 
dag ruchlofes Kriegsgefindel Die Gegend überſchwemmte und bie 
Kirchen nebft ihren Geräthfchaften und Bildern zerflörte; da 
wuchs bie Rinde der Linde über Die Blende des Madonnenbil- 
des, fo daß es dicht in den Baumſtamm eingefchloffen und jedem 
Auge verborgen blieb, bis Frieden und Drbnung im Lande 
wieder hergeftellt war. 

Ein Hirtenmäbchen, das in der Nähe der Linde feine Heerbe 
hütete, vernahm eines Abends einen Tieblihen Gefang, ber 
aus dem Baume zu Hingen fihien. Dies wiederholte fih am 
zweiten und britten Tage darauf, und nun erzählte fie dieſe 
wunderbare Sache ihrem Vater. Diefer meinte, fo was könne 
nur ein Zauberwerf feyn, das von einem böfen Geifte herrühre, 
und machte ſich mit feiner Holzart auf, um bie Linde zu fällen; 


> 


140 Büähl und Nachbarſchaft. 


als er aber kaum die Rinde berührte, fiel der Theil derſelben 
ab, welcher die Blende überwachſen und verborgen hatte, und 
das Muttergottesbild lächelte ihm daraus entgegen. Die Wun⸗ 
dermäre verbreitete ſich raſch in der ganzen Umgegend und 
alles Bolt firömte herbei, das Wunder zu ſehen und dem Bilde 
feine Gebete barzubringen. Die Edlen von Winde! erbauten 
auf diefen Anlaß bin neben der Linde eine Kapelle, in welcher 
das Bild aufgeftellt wurde. 
(Siehe A, Schreiber’s „Sagen“ ıc, 1839.) 


Die Lindenfirche. 


Still iſt's ſchon im Waldesraume, 
Vöglein alle flogen ein; 
Bei der Heerd, am Wieſenſaume 
Steht ein Knabe noch allein; 


Bläſt in die Schalmei anmuthig, 
Daß ſich ſammelt Groß und Klein — 
Sieh, da bricht, goldroſengluthig, 
Aus der Höh' ein Wunderſchein! 


Lichte Sterne ſich geſtalten 
Ob ihm, wie zum Strahlenkranz; 
Ihn ergreift des Himmels Walten, 
Und in Andacht ſinkt er ganz. 


Süße Töne niederfhwimmen, 
Wie von fel’ger Engel Mund, 
Und es thun die Holden Stimmen 
Ihm ein nahes Wunder fund. 


Auf fpringt Plingend ſchon die Rinde 
Bon dem alten Tindenbaum, 
Und vor dem entzüdten Kinde 
Glänzt ein Bild in heif’gem Raum. 


Mit dem Knäblein in den Armen 
Steht die Himmelskönigin, 


Büählund Nachbarſchaft. 141 


Winkt in gnaͤdigem Erbarmen 
Nach dem jungen Hirten hin. 


Bald verbreitet ſich die Kunde 
Des Geſichtes fern und nah, 
Und auf dem geweihten Grunde 
Steht ein heilig Kirchlein da. — 


Kindesreinheit ſchaut erſchloſſen 
Manch geheimes Wunderbild, 
Himmelsgnade hat ergoſſen 
Sich in Herzen fromm und mild. 
Auguſt Stober. 


Der ausgelieferte Schatz. 


Auf einem der Krautenbacher Höfe bei Bühl ſaß in 
der Chriſtnacht die Hausfrau in der Stube und las in einem 
geiſtlichen Buche, während die übrigen Hausgenoſſen in der 
Mette waren. Um zwölf Uhr hörte ſie draußen am Laden 
klopfen und rufen: „Mach' auf!“ — Die Frau öffnete das 
Fenſter, warb aber Niemanden gewahr, doch hörte fie wieder 
die vorige Stimme ihr zurufen: ſie ſolle jetzt hinunter in den 
Keller gehen, an einer gewiſſen Stelle der Wand die Steine 
herausbrechen und das volle Käſtchen, welches ſie dort finden 
werde und wozu hier der Schlüſſel ſey, zu eigen behalten. Hier⸗ 
mit wurde ihr von unſichtbarer Hand ein Schlüſſel übergeben, 
und dann war Alles ſtille. Ungeſäumt begab ſich nun die Frau 
mit einem Pickel in den Keller, hieb an dem bezeichneten Orte 
die Steine heraus und förderte wirklich ein Käſtchen hervor, 
welches fie mit dem Schlüffel aufſchloß und mit eitel Geld an⸗ 
gefühlt fand. 


(Bergl, Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 


Hexenbutter. 


Ein Schneider zu Kappel unter Windeck, welcher in 
einem dortigen Haus arbeitete, hatte bemerkt, daß die Frau, 





{42 Buhlund Nachbarſchäft. 


vor dem Butterſtampfen, den Stämpel mit einer Salbe beſtrich, 
worauf ſie augenblicklich aus nur wenig Rahm eine Menge der 
ſchönſten Butter gewann. Als das Weib auf eine Weile aus 
der Stube gegangen war, nahm der Schneider aus dem Salb⸗ 
bühschen, das auf dem Thürgeſims ſtand, etwas von jener 
Salbe und hieß feine Frau, nur ein wenig Rahm zu nehmen und 
zu buttern. Sogleich fand fie zu ihrem höchſten Erflaunen einen 
großen Butterflumpen im Butterfaß. Bon biefem zu genießen 
oder wegzugeben, verbot ihr Mann firenge, mit ber Bemerkung, 
er habe nur einen Verſuch anftellen wollen. Am nächflen Mor: 
gen, als diefer Mann bei Tagesanbruch in den benachbarten 
Wald ging, begegnete ihm ein fchmuder Jäger, hielt ihn an 
und ſprach: „Du haft geftern meine Kunft geübt und mußt di 
daher in mein Buch einſchreiben!“ — wobei er ihm ein ſchwar—⸗ 
sed Buch nebft einer Hahnenfeder vorhielt. Der Schneider, 
fonft ein gottesfürdptiger Dann, ſchrieb in daffelbe nur, flatt 
feines Namens, die Buchftaben der Kreuzestafel: J. N. R. J. 
Da ließ der Jäger, welcher Niemand anders ald der Teufel 
feibft war, das Buch mit Entfegen fallen und verſchwand unter 
greufichem Geſtank. Der Schneider hob das Buch auf und 
bracht’ es in's Kappler Pfarrhaus, wo es der Pfarrer alsbald 
den Flammen übergab. 
(Siehe Mone!s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 


Des Aifentbalers Urfprung. ” 
(Ein Märchenſchwank.) 
Als einft von Rom der Siegeswaffenftrahler 
Zum erftenmal fam an den Rhein, 
Da gab’s noch Feine Spur vom Affenthaler, 
Noch anderm Alemann’fchen Wein. 


Der brave Raifer Probus war der erfte 
Weinpflanzer in der Oos Revier; **) 


H Affenthal, Dorf der Pfarrgemeinde Eifenthal, eine halbe Stunde nord« 
öftlich vom Amtsorte Bühl, weit berühmt durch feinen rothen, nad) ihm benannten Wein, 
der au im Ausland hoch gefhägt wird. 

>) Kaiſer Probus pflanzte die erſten Reben bei Aurelia, (Baden). 


Bühlund Raybarfgaft. 43 


Denn er fand nie Gefhmad am Saft der Gerfte, 
Geſchweig' denn an altteutfhem Bier. 


Er hätte gern den ganzen Erdenglobus 
Mit Einem Weinzelt überranft; 
Drum fey dem wadern Nagelprober Probus 
Mit Tautem Lebehoch gedankt! — 


Der Kaifer hielt ein Dutzend Lieblingsaffen; — 
Doch nicht genug in firenger Zucht; 
Drum fraßen eines Tages die Schlaraffen 
Ihm feine fhönfte Rebenfrucht. 


Zur Züchtigung für folder Nafchgier Sünden 
Ließ derb er durchkarbatſchen fie; 

Fluggs da beichloßen fie, nun ſelbſt zu gründen 
ne eigne Weinbaufolonie. 


Sie flüchteten mit Seglingen von Reben 
Sih in ein fonnig Nachbarthal; 
Das ſah man bald verlodend fi durchweben 
- Mit Purpurtrauben ohne Zahl. 


Dort ſchwelgten fie bei Obſt und ſüßem Moſte 
Bon Morgens früh zur tiefen Nacht, 
Dis einft von einem teutfhen Winterfrofte 
Sie Alle wurden umgebracht. — 


Doch ihre Geiſter gehn feitdem im Thale 
Und in der Nachbarſchaft umher, 
Und führen oft den Zecher vom Pokale 
Srrlichterifch die Kreuz und Duer. 


Mer ift fo fehr der Kirchenwaffen Meiſter, 
Daß ſolchen Spud er bannen fann? 
Berfucht hats Mancher ſchon — die Affengeifter, 
Sie hielten bald ihn felbft im Bann. 
A. Schale. 





+ DBoE&> 








144 


Bühler Gegend — Windeck. 


Sagen von der Burg Winde. ? 


1) Die Jungfrau auf Burg Windeck. 


Es ftehn zwei alte Thürme 
Hoch unter Schutt und Graug, 
Der Berggeift und die - Stürme 
Die ziehn da ein und aus. . 


Durch den zerfallnen Bogen 
Stieg ih als Knab' hinan; 
Die wilden Blumen zogen 
Mich wunderbarlich an. 


Da trat aus dem Gemäuer 
Ein zartes Jungfräulein, 
Sie ſah im weißen Schleier 
Faſt wie ein Engel drein. » 


Sie trug aus grünen Weiden 
Ein Körblein in der Hand, 
Sie pflückte Moos und Heiden, 
Und was ſie ſonſt noch fand. 


Da rief es aus dem Boden — 
Sie wurde lilienbleich 
Und ſprach: „Nur ſtill ihr Todten, 
Nur ſtill, ich komme gleich!“ 


Die weiſe Heideroſe 
Die ſteckte ſie ins Haar, 
Die Dolden und die Mooſe 
Bot freundlich ihm ſie dar. 
Mich überlief ein Schauer, 
Ich wurde heiß und kalt; 
Schnell an der Epheumauer 
Verſchwand jetzt die Geſtalt. 


v 





Büpler Gegenvd. — Windec. 145 


Das Bild iſt mir geblieben, 
Noch ſeh ich ſie vor mir! 
Ach könnt' ein Schatten lieben, 
Ich gieng' alsbald zu ihr! 
Aloys Schreiber. 

* Die Burgruine Altwindeck liegt eine Stunde ſüdöſtlich von ber 
Amtsſtadt Bühl auf einem weltlichen Bergvorfprunge des Rheinthals; 
Neuwindeck aber im Neuſatzer Thälchen. Der befurhtefte Spaziergang 
von ven Bade Hub aus führt nach der Ruine von Altwinded, ge= 
wöhnlich Turzweg die Winde’) genannt, die man in einer halben 
Stunde, gemädlich den Berg, an dem Dörfihen Wald matt vorbei, hin» 
anfteigend, erreicht. Bon Bühl aus führt der Weg zur Burg dur 
das fchöne Dorf Rappel-Winded. 

Die Gegend gehörte zur Zeit der Karolingiſchen Herrfchaft zur Or= 
tenau, als deren reichfler Adel die Freiherren von Geroldseck aufgeführt 
werben, ſowohl mächtig durch ihre Befihungen, als auch durch die Vogtei 
über die reichen Stifte Ettenheim - Münfter und, Schuttern. Neben die⸗ 
fen fcheinen auch die uralten Häufer der Dynaften von Windeck und 
Schauenburg beftanvden zu haben, obwohl erft im 13. Jahrhundert 
ber Name Windeck, aber ſchon fehr verbreitet, vorkommt; ein Name, 
der zwar ſchon feit ziemlich langer Zeit erlofchen iſt, deſſen Andenken aber 
noch in den Stammtafeln mehrerer Häufer fortlebt, und von dem au 
bie Deren von Reinach ihren Urfprung ableiten. 

Die Windecker hatten große Befigthümer: Schlöffer, Dörfer und 
Städte; fo gehörte ihnen u. A. die Stadt Stollhofen, fie waren au 
Schirmvögte der berühmten Abt Schwarzach. Der Hauptſtamm 
theilte fih in drei Zweige, die auf Altwindeck, auf Burg Lauf oder 
Neu- Windel, und im Bühlerthal faßen. Der befanntefte Name 
bes Gefchlechtes if Reinhard von Windel, deſſen in Königshovens 
Straßburger Chronik gedacht wird. — Diefer Reinhard war einer ver 
Martinsvögel, (Schleglerbunv) die im Jahr 1367 unter Wolfs von 
Eberftein Anführung ven Grafen Eberhard von Würtemberg und 
feinen Sohn Ulrich im Wilobad fangen wollten.) Drei Jahre darauf 
verwidelte fich Reinhard in argen Zwift mit der Stadt Straßburgz. 
denn als der Domberhant, Hans von Ochſenſtein, mit dem Domprobfi, 
einem von Kyburg, in Streit gerieth, verſchwor fich Letzterer mit dem 
Windecker, und fie führten ven Dechant, ven fie in feinem eigenen Haus 
überfallen und gefangen, mit Gewalt auf die Winde, worauf die Straße 
burger den Probft alsbald in ven Thurm warfen und mit reifigem Zeug 
ausrüdten, um den Dechant zu befreien. Doch vermochten fie nicht, Die 
ftarfe, von tapfern Männern vertheivigte Burg zu brechen, und mußten 


2 1) Nicht zu verwechſeln mit Burg Windeck bei Weinheim. 

2) Näheres über dieſen Gegenſtand enthält u. A, auch Wilhelm von Chz y!s Ro⸗ 
man: „Die Martinsvögel.“ Karlsruhe, 1847. Verlag von Creuzbauer. Vergl. auch Uhlan do' 
„Der Ueberfall im Wudbad.“ 


II. 10 


446 Bühler Gegend. — Windel. 


fih mit der Verheerung des offenen Landes begnügen. Endlich ward 
ein Waffenſtillftand gefchloffen,, nach deſſen Ablauf die vergebliche Bela⸗ 
gerung und bie Verwüſtung fi wiederholten, und die gegenfeitigen Feind⸗ 
feligfetten noch ein ganzes Jahr Iang dauerten. 

Der Mannsftamm von Winded erloſch im Jahr 1592 mit Jakob, 
der im DOefterreichifchen Dienfte ftarb. 

Jetzt ftehen von der Burg noch zwei mohlerhaltene, meilenweit kenn⸗ 
bare Thürme da, in deren einem fich eine Art Rüſtkamm er befindet. An 
ven Felfen lehnt fi ein Gebäude, das ſchon feit Menſchengedenken ven 
landesherrlichen Förftern zur Wohnung dient, und von dem eine Sage 
‚geht, welche Spindler in ver Erzählung: „Die Freileute von der Ber» 
renwieſe“ (Bergißmeinnicht, 1834), wiedergegeben hat. 

(Bergl. W. v. EHezy8 „Rundgemälbe von Baden 2,7 S. 109 ff.) 


2) Der lauge Gang. 


In der Burg Winden fieht man eine Höhle im Berg, 
von der man behauptet, daß fie bis in das Schlößchen Bad 
reiche, das unten bei Bühl Liegt. Oftmals hören die Leute, 
die som Bühler Markt nah Neuſatz heimfehren, bei nädht- 
Tiher Weile das Knarren fehwerer Thürflügel im Thurme der 
Burg, obgleich feine Thüre mehr ſich darin befindet. Auch will 
man öfters auf der Mauer einen Knappen auf und ab fchreiten 
gefehen haben, fo wie Roſſe weiden im nahen Schußwalb, von 
Rittern in voller Rüftung bewacht. | 

(5, Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1834.) 


3) Das Huhn zeigt den Kircheuplatz. 


Gin Herr von Winded wollte eine_Rirche bauen; weil 
aber der Raum auf Der Burg zu eng war, fo wußte man nicht, 
wo man die Kirche binftellen ſollte. Da nahm der Freiherr ein 
weißes Huhn und trug ed anf die Zinnen feiner Burg, wo er 
es hinaus fliegen ließ. Das Huhn flog den Berg hinab und 
ließ fih auf dem Plage nieder, wo jetzt bie Meierei Henne- 
graben flieht, weiche davon den Namen hat. Da ließ nun 
der Herr von Winded die Kapelle bauen, die aber ſchon 


Yängft zerfallen und nur noch in ihren Trümmern zu ſehen if. 
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrgang 1832.) 





Bühler Gegend. — Binded. 147 


A) Der Hennegraben. 


Unfern der Burg Winden liegt eine Meierei, der Hen- 
negraben genannt.*) Zwifchen den fröhlich grünenden Wein- 
seben und den hohen bunfeln Kaftanienbäumen find noch bie 
Spuren” eines Grabens zu erkennen, welcher ſich um ein Vor⸗ 
wert des Schlofles berzog. 

Zur Zeit, ald der Dechant von der Straßburger Doms 
firche auf Windeck gefangen faß (1370) wohnte unten im 
Wolfshag, in einer aus Baumrinde und Moos verfertigten 
Hütte, eine hochbetagte grau, welde von den Umwohnern nur 
das Waldweiblein genannt wurde. Sie kannte viele ver⸗ 
borgene Dinge und auch die geheimen Heilfräfte der Pflanzen ; 
die wilden Thiere des Forſtes thaten ihr nichts zu Leibe, ſon⸗ 
dern näherten fih ihr demüthig und gehorchten willig ihrer 
Stimme. Der ganze Reichthum des grauen Mütterleing beftand 
in einigen weißen Hühnern von ungewöhnlicher Größe, bie fi 
ſelbſt ihr Futter im Walde fuchten. 

Eines Abende faß Die Alte vor ihrer Hütte, da famen zwei 
wunderfchöne Knaben des Weges daher. Sie waren müde und 
niedergefchlagen und fragten nach dem nächſten Pfade zur Burg 
Windeck. Die Alte hieß fie freundlich willkommen und erquidte 
fie mit Waldfrüchten und weißen Brode. Der Jüngere, ein 
Knabe von dreizehn Jahren, Tief ſich's trefflich munden, allein 
ber Aeltere, der ohngefähr fiebenzehn Sommer zählen mochte, 
berührte feine der fügen Beeren, fondern fah traurig zu Boden, 
ja, nah und nad fehlichen auch Thränen über feine Wangen, 
was er jeboch zu verbergen fuchte und deßhalb an einem nahen 
Felsbrünnlein fi) die Augen mit dem klaren frifchen Waffer 
auswufh. Wie die som Morgenthau beperlte Roſe, fo glänze 
ten jest feine Wangen wieder im blühenden Jugendroth und 
das Waldweiblein ſchaute ihn wohlgefälig an und fagte: „Ei 
bu Feiner Schaf, ficherlich bift du fein Knabe, fondern ein 
Mägdelein! Aber habt nur Vertrauen zu mir, ihr Kinblein 
Gottes, und fagt mir, wo eure Eltern wohnen und was für 
. ein Begehren ihr auf Winde anzubringen habt ?« 


*) Siehe die vorige Sage, 10» 


148 Büpler Gegend — Windel. 


Nun fingen die Kinder beide zu weinen an und das ältere 
verfeßte nach einer Weile: 

„Wohl bin ich ein Mägdlein und heiße Imma von Erftein, 
und Diefer ift mein Bruder. — Unfer Oheim, der Dechant yon 
Straßburg, der uns bis jest fo väterlich erzogen, Tiegt nunmehr 
gefangen dort oben auf der Winde, und wir wollen den Burg- 
herren bitten, daß er ihn freigebe.”' 

„Bringt ihr denn Löſegeld?“ frug die Alte. 

mAh“ — erwiederte die Jungfrau, ein mit Diamanten 
beſetztes Kreuzchen aus dem Bufen ziehend — „ich befiße nichts 
als dieſes Kleinod, eine Reliquie von meiner feligen Mutter | 
Aber wir wollen den Winbeder bitten, daß er ung Beide als 
Geißeln behalte, bis der Ohm fich gelöft haben wird.“ 

„Seyd nur getroft, meine Lieben " — fagte das Wald— 
weiblein, ber Jungfrau Die Toren aus dem Gefichte ſtreichelnd 
— „Ich felber will ven Dechant Iosfaufen. Hört mid, Kin- 
der! Die Straßburger werben eheſtens anrüden und die Burg 
Windeck belagern. Doc die vergangene Nacht hab’ ich es 
zweien Kundſchaftern abgelaufcht, die fich hier im Dickicht ver- 
fterkt hielten. Sie hatten die Gelegenheit der Burg vollftändig 
ausgefpäht und befonders die fchwache Seite bemerft drüben 
am Tannenwald, wo das fletnerne Todtenfreuz fteht. Geht nur 
hinauf zum Junfer Reinhard, dem Sohne des Windeders, und 
fagt ihm, er folle Dort an jener bioßgegebenen Stelle einen tie= 
fen Graben aufwerfen laſſen, und dag noch heute fo ſchnell als 
möglich, denn ich fürchte, die Feinde möchten ſchon in dieſer 
Nacht beranziehen.” 

„Aber wird der Ritter auch unfern Ohm freigeben 2” — 
fragten die Kinder. 

„Ich geb’ euch ja ein Löfegeld mit!“ — erwiederte die Alte 
und Flatfchte dreimal in die hageren Hände. Siehe, da famen 
von allen Seiten ihre weißen Hühner berbeigeflogen und ges 
trippelt. Sie ergriff eine derfelben und gab fie dem Mägdlein 
mit den Worten: „Diefe Henne da bring’ dem Nitter Reinhard 
auf Winde; dann wird er den Dechant freigeben.‘ 

Die Kinder fehauten fie verwundert an. 

„Thut nur nach meinem Geheiße!“ — fuhr die Alte fort 
— „der Ritter fol die Henne, fo bald die Sonne heut? unter- 


Bühler Gegend. — Binded, 149 


gegangen ift, bei dem Kreuze nieberfegen, wo die Feinde Den 
erften Angriff zu machen beabfichtigen. Die Leute auf feiner 
Burg find doch nicht ausreichend, den Graben in fo großer 
Schnelligkeit tief und breit genug aufwerfen zu Taffen — meine 
wadere Henne wird dies aber fihon zu Stande bringen.“ — 
Dei dieſen Worten ftreichelte fie das Thier und fang dazu in 
Yeifen, Taum vernehmlichen Tönen : 

„Dr, was ich dir fag’: 

Wenn fich neigt der Tag, 

Wenn dag Käuzlein fehreit, 

Mußt du graben tief und breit, 

Mußt fiharren die Erd’ heraus, 

Dis zu des Todten Haus, 

Dis zu des Helden Schwert, 

Welches Fein Roſt verzehrt. 

Geh’, und vor Mitternacht 

Sey noch dein Werk vollbracht!“ 


Imma blickte nicht ganz ohne unheimliches Gefühl auf die 
weiße Henne; die Alte war aber Dabei fo freundlich und treu- 
herzig, daß Die Jungfrau doch wieder Zutrauen zu ihr faßte. 
Ihr Bruder zeigte nicht die mindefle Furcht und freute fich fo= 
gar fhon im Voraus auf Das wunderbare Schaufpiel, welches 
ihm die Henne gewähren follte. So ſchieden beide Kinder von 
der mohlmeinenden Alten. 

Sie hatten kaum die Hälfte des Berges erftiegen, auf deſſen 
Kuppe Winde Tiegt, als ihnen der junge Ritter entgegen kam. 
Er war von hoher edler Geſtalt; ein tiefer Ernft überfchattete 
fein wohlgebifdetes Antlis, Doch der milde Ton feiner Stimme 
benahm den Gefhwiftern bald ihre Beforgniß. 

„Wer feyd ihr, liebe Kinder, und was ſucht ihr auf meiner 
Burg — denn dahin geht ja euer Weg, nicht wahr 2“ 

„3a, geflrenger Herr Ritter |“ — erwieberte Imma mit 
hochgerötheten Wangen und zu Boden gefhlagenen Augen — 
„Wir wollen Euch geziemend bitten, unfern Oheim, ber bisher 
an ung armen elterniofen Waifen Vaterftelle vertrat, frei zu 
geben und dafür ung als Geißeln zu behalten, bis er fich löſt.“ 

Der Ritter Eonnte feine Rührung nicht verbergen. Er bes 
trachtete die Kinder eins um das andere, am Tängften die fehöne 
Imma, die vol reizender Verlegenheit vor ihm fland; bis fein 


150 Bühler Gegend — Bindel 


Brick wieder auf die weiße Henne fiel, welche fie trug. Auf 
feine Frage, was ed damit für eine Bewandtniß babe, erzählte 
fie, was wir bereits wiſſen. 

Der Windeder hörte ihr aufmerffam zu. Seine Blide 
wurden immer forfihender und fleigerten nur die Verwirrung 
der Jungfrau, fo daß ihrer Worte Faden ſelbſt in Verwick⸗ 
Yung gerieth. Ihr Bruder lächelte und wollte einhelfen: „Ei, 
Imma, fo fagte ja die alte Frau nicht |“ 

Imma's Antlig erglühte bei dieſer Nede, wie mit Flammen 
übergoffen, doch der Ritter faßte ihre Hand und ſprach mit 
einem Tone bes innigften Gefühld: „Edle Sungfrau, in Orts 
tes Geleite feyd ihr hierher gefommen und im Schutze meines 
Armes folt ihr auf Burg Winden weilen, fo lang es euch 
nicht gelüftet, wieder heimzufehren. Doch kommt nun, meine 
Lieben, und bereitet euerm Oheim eine freudige Leberrafchung!” 

Mit diefen Worten geleitete der Junker die Gefchwifter auf 
feine Burg, wo er fie fogleich zum Dechant führte, ſodann 
unverzüglich die Vertheidigungsanftalten traf, Der Welfung 
bed Waldweibleins zufolge trug er wirklich die Henne, fobald 
bie erſten Sternlein am Himmel blinften, zu dem fleinernen 
Kreuze, welches die Nuheftätte feines im Zweikampf gefallenen 
Großvaters bezeichnete. Mit dem Schlage der Mitternacht 
fiunde begab er ſich abermals dahin und fand, zu feiner höch⸗ 
lichen Ueberrafhung, einen tiefen und breiten Graben fammt _ 
fefter Bruftwehr, und im Sternenfhein Teuchtete ihm das Schwert 
feines Großvaters entgegen, welches man deſſen Teiche mit ins 
Grab gegeben hatte. Die weiße Henne war verſchwunden. 

Als gegen Morgen die Straßburger in drei Haufen, wie 
die Alte vorausgefagt, zu jener fonft fo fchwachen Seite her 
anrüdten und fih zum Sturm rüfteten, feheiterten al’ ihre 
Kräfte an der Tiefe des Hennegrabens und fie wurden 
son ben Windesdern mit großem Verluſte zurüdgefhlagen. 

Einige Wochen darauf Iegte der würdige Dechant, beffen 
Freilaffung Imma durch Schenkung ihres Herzens an ben 
jungen Ritter von Winde: ausgewirkt hatte, im Straßburger 
Münfter die Hände des Tiebenden Paärchens ineinander. 

Der Hennegraben hat bis auf heutigen Tag den Na⸗ 
men beibehalten. - Aloys Schreiber. 


Dühler Gegend. — Winded. 451 


5) Der treulofe Schreiber. 


Seit vielen Jahren gehen im Mondfchein um Mitternacht 
von ber Winde fünf Perſonen herunter nah Hennegras 
ben, wo bie Kapelle ftand, und kehren um ein Uhr wieder 
zurück. Voraus geht ein Mann, ſchwarz gefleivet, mit einem 
Schreibzeug, hinter ihm zwei weiße Fräulein, denen zwei Rits 
ter folgen. Sie find fehr ernft und danfen auf feinen Gruß, 
In die Burg zurüd gekommen, fleigen fie auf den großen 
Thurm, drüden ſich dort die Hände und verſchwinden dann 
in das Burgverließ unter dem Thurme, und es ift, ald wenn 
Jemand von oben herab weinte und jammerte. Es follen dies 
bie Töchter des Testen Herrn von Windel feyn, welche ber 
Schreiber im Teftament verkürzt bat, weßhalb er im Top 
nicht ruhen Tann. *) 

(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit,“ Jahrg, 1834.) 


6) Das Burgfränlein von Winde, 


Einf verfolgte ein Jägersmann ein Stück Hochwild bis 
zu den Trümmern der Burg Windel, worin es fi fpur- 
los verlor. Es mar ein heißer Tag, der Jäger feste fih - 
erfhöpft auf einen Stein, trocknete fih den Schweiß von ber 
Stirne und fagte vor fih hin: „Wer mir doch jest einen 
Trunk brädte aus dem verfchütteten Keller da drunten, wo 
noch fo manches Faß edlen Firneweins liegen fol! 

Kaum war das Wort aus feinem Munde, da trat eine 
wunderfhöne Jungfrau hinter der Epheumauer hervor; fie 
trug ein. ſchneeweißes Gewand, an beffen ſchwarzem Gürtel 
ein Gebund Schlüffel hing, und in der Hand einen filbernen 
Becher. Dem jungen Waidmann pochte das Herz gewaltig, 
zumal als fie gar ihm noch freundlich zunickte und ben Becher 
entgegen bielt. Doc überwand er ben etwas unheimlidhen 
Eindruck dieſer wunderbaren Erfcheinung, ging vafch darauf 


*) Die Windel hat zwei Thärme, unter dem größern iſt das tiefe Verließ. Auch 
hatte Jakob von Windel, ver Ichte, zwei Töchter, die an Einen von Hüffel und Einen 
Fleckenſtein verehlicht waren. 


152 Büpler Gegend — Windeck. 


zu, nahm mit fittiger Begrüßung ben Becher aus ihrer Hand 
und leerte ihn auf einen Zug. Aber der Wein floß wie Teuer 
durch feine Adern und fein Herz entbrannte in wahnfinniger 
Tiebe zu dem Burgfräulein. Das mochte fie wohl in feinen 
flammenden Biden leſen — fie fah ihn eine Weile weh⸗ 
müthig lächelnd an und verlor fich fehnell Hinter dem Gemäuer. 

Bon diefem Tag an hatte der Jüngling feine Ruhe mehr. 
Wo er nur ging und fland, ſchwebte das verführerifche Bild 
der Jungfrau mit dem Becher vor ihm, und er irrte vom frü- 
ben Morgen bis zum fpäten Abend unter den Ruinen umber, 
fiet8 in der Hoffnung, die Holde wieder zu fehen; doch ver- 
gebens: fie war und blieb verfhwunden! Aber jener Wein 
glühte fort in feinen Adern und verzehrte fein Herz und feine 
Jugendblüthe. Eines Tages fanden ihn einige Holzhauer tobt 


am Eingange des Schloffes. 
(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”) 


7) Hugo von Windeck. 


„Sieh, was fteht auf Windecks Thurme, 
Da noch faum der Morgen graut? 
Faſt erfcheint es wie ein Ritter, 
Der ins Thal herniederfchaut.” 


Das ift Hugo's Geift, er fehret 
Auf die Trümmer oft zurüd, 
Nach dem Rheine, nach dem Münfter 
Wendet er ven feuchten Blick. 


Herrlich hier auf diefen Bergen . 
Bfühte lange fein Geſchlecht; 
Hugo war von edler Sitte, 
Kühn, Doch menſchlich im Gefecht. 


Bon den Frauen Straßburg’s reichte 
Ihm die Schönfte ihre Hand, 
Doch Hilteudens Herz blieb immer 
Sehnend nad dem Heimathland. 


Büpler Gegend. — Windel. 158: 


Manche Stunde fah fie traurig 
Nach dem fchönen, hehren Dom, 
Welchen Erwind Hand gegründet 
An dem väterlichen Strom. 


Hugo ſprach mit füßen Worten: 
„Komm ins Abendroth hinaus, 
Komm und fieh die Rehlein fpringen 
In des Waldes grünem Haus. 


„Hörft ja gern der Vögel Stimmen, 
Wandelft gern im Blumenduft ; 
Komm und laß den Falken fleigen 
Tröhlich in die blaue Luft !“ 


Aber Hugo's Worte Tullen 
Nicht das Weh der Heimath ein, 
Immer ſchaut fie nach dem Münfter, 
Immer fohaut fie nach dem Rhein. 


Einft fieht fie Des Thurmes Spige 
Herrlich fhimmern durch die Nacht; 
Neue Sehnſucht wedt im Herzen 
Der Beleuchtung hohe Pracht. 


Und fie fleht zum Gatten weinend: 
„Morgen ift ein heil’ger Tag; 
Gönne mir, daß ich ihn drüben 
In dem Münfter feiern mag.” 


Hugo giebt ihr treue Diener 
Auf die Betfahrt zum Geleit, 
Und die Mep im Dom zu hören 
Kommt fie noch zu rechter Zeit. 


Aber als der Priefter fegnet, 
Weht fie an ein Falter Hauch, 
Als die Kerzen nun erlöfchen, 
Da verlifcht ihr Leben auch. 


Bühler Gegend — Binved. 


In dem Münfter liegt fie Abends, 
Eine Blumenkron' im Haar, 
Wie am Thurme geflern, brennen 
Lampen heut um ihre Bahr’. — 


Hugo hört die Trauerfunde, 
Doc fein Herz erträgt es nicht, 
Nimmermehr fieht man ihn lächeln, 
Dis fein Aug’ im Tode bricht. 


Auf die Trümmer feiner Befte 
Kehrt fein Geift noch oft zurück, 
Blickt dahin zum grauen Münfter, 


Wo begraben liegt fein Glück. 
Mloys Gchreiber. 


S) Das Sränlein von Winded, 2 


GHoch auf dem granitnen Thurme 
Schaut der Jungfrau Geift zu Thal, 
Nicht im Dunkel, nit im Sturme: 
In des Maitags erfiem Strahl; 
Eine Simmelsblume, glänzend 
Sn des Frühlings Blüthenrund, 
Ihren Goldpokal Fredenzend 
Jedem frohen Menfchenmund. 


„Weil ein Maitag mich entnommen 

In den Mai der Ewigkeit, 

Lockt es mich herab zu kommen 

Mit der frohen Blumenzeit. 

Keiner Engel Hymnen ſchallen, 
Keine Palmen lohnen hier, 

Aber meine Nachtigallen, 

Meine Roſen blieben mir!“ 


Sinnend ſchaut ſie in die Tiefen: 
„Viele kehrten bei mir ein, | 
Die mit mir zum Heil entfchliefen, 
‚Sangen hell durch Thal und Hain; 





Bahler, Gegend. — Windec. 155 


Tranken Jubel ſich und Stärke, 
Wenn ich mit dem Becher kam, 
Lebten nur der Luſt, dem Werke, 
Ließen keine Zeit dem Gram. 


„Aber einſam ſieh' ich oben 
Mit dem alten Grafentranf; 
Niemand kommt mehr, ihn zu loben. — 
Seyd zu ftolz ihr für den Dank, 
Für die Freude ſchon zu weife, 
Für den Frühling ſchon zu alt, 
Für ein herzlich Lied zu leiſe, 
Für die Liebe fhon zu Falt? 


„Fahret hin, ihr Freudenloſen, 
Dittet ab euch jede Luft, 
Ueberfehet meine Rofen, 
Meiner Sänger kleine Brufl. 
Daß fie nicht vergebeng Teben, 
Nicht umfonft ihr Lied erwacht, 
Muß ein Geift som Himmel ſchweben, 
Huldigen der frommen Pracht. 
' Georg Napp- 


*) Bergleiche mit dieſer Romanze „Das Burgfräulein von Winde” 
von A. Schreiber, Seite 151 ff. 


9) Die todte Braut, 


Die Burg zu Lauf, eigentlich Neumwinded genannt, 
fol ſchon vor ihrer Zerflörung Tange Zeit unbewohnt gewefen 
ſeyn, und zwar wegen des Geiſterſpucks, der ſich nicht nur in 
bes Nacht, fondern oft fogar bei hellem Tage darin hören ließ. 
Zu jener Zeit fuchte ein junger Ritter, der in der Gegend fremd 
war, Herberg auf der Burg. Nur mit großer Mühe war es ihm 
bei der nächtlichen Dunkelheit gelungen, den Eingang zu finden. 
Im Schloßhofe wucherte hohes Gras, Alles war in tiefes 
Schweigen begraben, Hallen und Gänge fihienen ausgeftsrben 
und bes Ritters Rufen verhallte ſchauerlich zwiſchen den alten, 


⸗ 


156 Bühler Gegend. — Vindeck. 


eppichumrankten Mauern, aus deren Ritzen kreiſchend einiges 
Nachtgeflügel aufrauſchte. Endlich ward er in einem der Ge⸗ 
mäcder ein Licht gewahr und ftieg die lange Wenbeltreppe hin⸗ 
auf, fo gut er fonnte, nach der Richtung dieſes Schimmers feinen 
Weg längs der feuchten Wände hin ſich heraustaftend. So ge- 
langt’ er in den alten Ritterfaal und fah zu feiner höchlichen 
Berwunderung an einem Tifche, worauf eine Lampe fladerte, 
ein Mägdlein fisen, das Haupt in die Hand geftügt und fo tief 
in Gedanfen verfunfen, daß fie den Eintretenden gar nicht be⸗ 
merkte. Der Schein der Lampe fiel gerade auf ihr engelfchöneg, 
von glänzenden ſchwarzen Toden ummwalltes, aber fehneebleiches 
Antlis. Des Ritters fittige Begrüßung wedte fie aus ihren 
Träumen, langfam erhob fie das Haupt und erwieberte feine 
Anrede blog mit einem wehmüthigen Nicken. Als er feine Bitte 
um ein Nachtlager vorgebracht, ftand fie auf, holte Wildbrät 
und Geflügel nebft Duftendem Weine herbei und gab dem Fremd⸗ 
ling durch Zeichen zu verftehen, er folle ſich's wohl munden Taf- 
fen. Der junge Ritter, hungrig und müde wie er war, ließ fich 
nicht lange zu der Mahlzeit nöthigen, fondern nahm behaglich 
Platz auf einem gepolfterten Lehnſtuhle und that den Gerichten 
wie dem Becher alle Ehre an, vermißte jedoch Brod und Salz, 
ohne den Muth zu haben, darum zu bitten, denn es fam ihm 
Alles Doch etwas unheimlich vor, befonders da bisher noch Fein 
Laut über die Lippen feiner fchönen Wirthin gegangen war. 
Bald regte jedoch der feurige Wein feine Lebensgeifter auf und 
er verfuchte nun abermals Die räthfelhafte Sungfrau in ein Ge⸗ 
ſpräch zu ziehen. 

„Ihr feyd wohl Die Tochter dieſes Haufes, mein Fräulein?” 

Sie nidte, ſtumm wie zuvor. 

„Und Eure werthen Eltern 2“ 

Sie deutete nad) ein paar alten Bilbniffen in verfchoffenen 
Rahmen an der Wand und flüfterte mit tonlofer Stimme: „Ich 
bin die Legte meines Stammes.” Das Herz des jungen Nit- 
ters, durch deffen Adern der genoffene Wein wie Lava rollte, 
entbrannte mehr und mehr yon den reizenden Formen der ges 
heimnißvollen Schloßherrin und zugleich flieg der Gedanke in 
ihm auf: „Du bift arm, wer weiß, ob du nicht Durch die Hand 
biefer reiche Erbin dein Glück machen kannſt?“ Ä 


Bühler Gegend — Windeck. 157 


Nah einigen zärtlichen Eingangsreden flürzte der Wein: 
und Liebestrunfene zu ihren Füßen nieder und befchwor fie mit 
fürmifchem Flehen, ihm ihr Herz nicht zu verfagen und ihn 
zum glüdlichften Gatten von der Welt zu erheben. 

Nach einigem Sinnen, während dem ihr Auge mit Wohl« 
gefallen auf dem vor ihr knieenden Jüngling ruhte, und ein Leifer 
Roſenſchimmer die Lilien ihrer Wangen überwob, fehritt fie auf 
einen alten, grotesfverzierten Schranf in der Ede zu, und holte 
aus einem geheimen Sache deflelben zwei Ringe nebft einem 
Kranze von Rosmarin, den fie ſich in die ſchwarzen Toden hef- 
tete, worauf fie Den Ritter mit vielverheißendem Winfe erfuchte, 
ihr zu folgen. Er gehorchte, von füßer Liebeshoffnung getrieben, 
obwohl nicht ohne ein gewiffes Grauen, das ihn beinahe wünfchen 
ließ, er möchte doc, jenen Heirathsantrag nicht gewagt haben. 
In diefem Augenblide traten mit unhörbaren Schritten zwei 
ehrwürbige Greife in langen ſchwarzen Talaren aus einer Ta⸗ 
petenthüre des Saales, nahmen das Paar in die Mitte und 
geleiteten eg nach der Burgkapelle. Dort befanden fid) mehrere 
Grabmäler, auf deren einem ein Bifchof im kirchlichen Ornate, 
aus Erz gegoffen, lag. Die feltfame Braut berührte fein Haupt 
und Tangfam erhob fi die eherne Geſtalt und trat vor den 
Altar, auf welchem fich die Kerzen von felbft entzündet hatten, 
Die flarren Züge des Biſchofs fchienen fich zu beleben, feine 
Augen ſtrahlten wie Sterne durch einen leichten Nebelflor und 
er fprach mit tiefer hohler Stimme: „Kurt von Stein, ſprecht, 
ob es Euer heiliger Ernft, die gegenwärtige Jungfrau, Bertha 
von Winded, zu Euerem ehelichen Gefpong zu nehmen % 

Der Ritter zitterte wie Espenlaub, fo mannlih er auch 
fonft war; Das Wort erflarb auf feinen Lippen, und feine Sinne 
begannen fich zu verwirren. Da erfhol auf einmal das Krä⸗ 
ben des Hahnes von einem benachbarten Meierhofe; mit einem 
bangen Schrei verfchwanden Braut, Biſchof und Zeugen; eine 
furchtbare Windshraut fuhr durch Die Kapelle, und die ganze 
Burg erbebte wie von unterirbifchen Stößen. Der Ritter fant 
ohnmächtig auf eine der Grabmalsplatten nieder und als er 
wieder zu fih fam, fand er fih im hohen bethauten Grafe des 
Schloßhofes Tiegen und neben ihm weidend fein treues Roß. 
Er floh fo ſchnell er konnte die heilfofen Räume, und Monde 


\ 





158 Bühler Gegend. — Binded. 
vergingen, bis er ſich von den Schreien dieſer abenteuerlichen 
Hochzeitnacht erholt hatte, 

Aloys Schreiber. 


10) Die Jungfrau auf Yurg Lauf, 
(Siehe die vorige Sage.) 


Der Ritter Eginhard fand auf der Burg zu Lauf, 
Verirrt in fpäter Nacht, die Thore alle auf. 
Wie ausgeftorben war es, wo er fein Auge wandi', 
Bis endlich er im Saale ein Mägdlein einfam fand; 
Geſtützt auf einen Tiſch, vor einem matten Licht, 
Sah fie vor Yauter Gedanfen den Ritter anfangs nicht. 
Auf ihr Geſicht gar Tieblich fielen die Locken Yeicht, 
Die Roſen ihrer Wangen fchienen von Kummer gebleidht. 
Der Ritter, fi tief verbeugend, begrüßt die einfame Maid, 
Sie nidte mit dem Haupte ihm einen ſtummen Beſcheid. 
Er bat fie drauf um Lager und Herberg für die Nacht, 
Da hat fie Wein und Speife ihm freundlich dargebracht. 
Nur Eines fehlt dem Mahle, daß es ihm hätte behagt — 
Das Wort, das Alles würzetz er hätt? es ihr gerne geklagt. 
Drum war e8 auch dem Ritter unheimlich nur zu Muth, 
Bis dag des Weines Geifter aufregten ihm das Blut. 
„Seid Ihr des Scloßes Fräulein?” — frug er fie voll 

Bester. 

Sie nickte leiſe lispelnd: „Ich bin die Leute hier!‘ 
Darauf ermuthigt Tüßt er bes Fräuleins zarte Dand, 
Und bat von ihrer Liebe fih aus ein Unterpfand. 
Da warb ihr Antlig heiter, ihr Auge Har und heil, 
Sie ſchmückt die ſchwarzen Locken mit Rosmarin fih ſchnell, 
Nimmt dann zwei güldne Ninge und faßt den Ritter an, 
Daß er, von Grau'n ergriffen, nur mühfam folgen Tann. 
Drauf traten ganz ehrwürdig zwei ©reife hin zum Paar, 
Uub führten fromm bebächtig daſſelbe zum Altar. 
Dort lag auf einem Grabe im fehönen Kirchenornat, 
Gegoſſen aus Erz ein Biſchof; zu ihm das Fräulein trat, 
Der Todte wird lebendig; der Biſchof fieht fie an, 


Bühler Gegend — Windec. 159 


Und wendet mit hohler Stimme fih an den Ritter dann: 

„Habt Ihr, o Ritter Eginharb, Euch zum Geſpons erfeh'n 

Den letzten Sproß von Windech, die Roſe zart und ſchön?“ — 

Der Ritter bebte Inabenhaft vor ſolchem Abenteu’r, 

Was er dort hat erfahren, dag war zu ungehen’r. 

Doch kaum hört man den Hahnſchrei aus einem Nachbarort, 

Da waren die Gefpenfter alle wie weggezaubert fort. 

Die Windshraut flürmte mächtig im weiten Kirchenraum, 

Berwundert war ber Ritter des Morgens ob dem Traum. 
Zubwig Wihl. 


11) Sarlinde, 


Es irrt bei Dunkelheit und Regen 
Ein Ritter durch die Wilbniß hin, 
Er muß auf unbelannten Wegen 
Zu einem frommen Opfer ziehn. 


Sein Ro will ihn nicht weiter tragen, 
Ein Sturm erhebt fi rufh mit Macht; 
- Da hört er eine Glocke fchlagen, 
Sie fündet ſchon die Mitternacht. 


Und vor ihm ragen hoch bie Zinnen 
Bon einem alten feften Schloß, 
Und fchnell, das Obdach zu gewinnen, 
Spornt er aufd Neu’ das müde Roß. 


Dog in der Burg ift tiefes Schweigen, 
Wie um ein graues Hünengrab, 
Hoch über Thor und Brüden neigen 
Uralte Ruſtern ſich herab. 


Der Nitter geht, nicht. ohne Schauer, 
Hin durch des Hofes öden Raum, 
An einem Ring an einer Mauer 
Defeftigt er des Pferdes Zaum. 


160 


Bühler Gegend. — Windeck. 


Und plöglich fieht er an den Fenftern 
Ein Tichtlein wandern hin und ber; 
„Ha!“ — ruft er — „bin ich bei Gefpenftern, 
Sp ſchütze mich des Kreuzes Wehr!” 


- Und ohne Furcht, mit Tedem Schritte 
Steigt er die Wendeltrepp’ hinan 

Und fommt in eines Ganges Mitte, 
Ein Söller lehnet ſich daran. 


Zwölf weiße Marmorbilder flehen 
Ringsum in Blenden, Geiftern gleich, 
Und dumpfe, kalte Lüfte wehen 
Als kämen fie vom Schattenreich. 


Er öffnet ein Gemach; am Tiſche, 
Bei einer Lampe mattem Schein, 
Bleich wie der Marmor in der Niſche, 
Sitzt eine Jungfrau zart und fein. 


Der Schwermuth ſtille Trauer waltet 
Auf ihrem holden Angeſicht, 
Sie hält die Hände fromm gefaltet, 
Es glüht ihr Aug' von Himmelslicht. 


Sie neigt ſich freundlich vor dem Ritter, 
Und ſcheint gerührt von ſeiner Noth; 
Sie geht und holt aus einem Gitter 
Zu ſeiner Labung Wein und Brot. 


Doch, was der Gaſt auch immer ſage, 
Sie gibt mit keinem Wort ſich kund, 
Sie ſieht ihn an bei jeder Frage 
Und legt den Finger auf den Mund. 


Jetzt führt ſie ihn, noch immer ſchweigend, 
Zur Ruhe in ein Schlafgemach, 

Und geht zurück, ſich ſtill verneigend; 

Der Ritter ſchaut ihr ſtaunend nach. 


= 





Bühler Gegend — Winded. 161 


Dann wirft er fi) aufs Lager nieber, 
Ihm ift gar feltfamlich zu Muth; 
Doch bald umſtrickt der Schlaf die Glieder, 
Beihwichtigend fein wildes Blut. 


Und als ihn nun das rege Leben 
Des Forſtes wert im Morgenfchein, 
Sieht er mit Grauen ſich umgeben 
Bon wildbewachfenem Geftein. 


Die alterdgrauen Warten Tiegen 
Zerfallen da, in Schutt und Graus, 
In des Gemäuers Riten fliegen 
Die Weih’n und Sperber ein und aus. 


Er fieht ein Grab, tief eingefunfen, 
Aus dem herauf der Moder weht, 
Es haufen Molche drin und Unten 
Und auf dem Stein des Grabes fleht: 


„Bier ruht Sarlindeng Leib; geſprochen 
Hat fie ein Wort in ſchnödem Trug; 
Das Wort, e8 hat ein Herz gebrochen, 
Wie feins fo treu auf Erden fchlug. 


„Die Tobten wollen fie nicht dulden, 
Darum fie auch nicht raften mag: 
Umirrend büßt für ihr Verfchulden 
Sie bis zum großen Sühnungstag.” 
AHloys Schreiber, 


12) Der nächtliche Tanz. 


Es irret ein Waidmann, keck und jung, 
Sn des Bergwalds ſchaurigen Gängen, 
Er ruft die Gefährten vom Felfenfprung 
Mit des Hornes fohmetternden Klängen. 

I. 11 


162 


Bühler Gegend. — Windeck. 


Die Nacht ift da, das Gefolge fern, 
Rings berrfchet Sraufen und Schweigen, 
Durch die Wipfel lächelt Fein milder Stern, 
Kein Pfad will dem Auge fich zeigen. 


Bisweilen nur hört man, tief im Forft, 
Der Wildnig ächzende Stimmen ; 
Die Trümmer der Burg im Tannenhorft, 
Kühn wagt er fie nun zu erflimmen. 


Bald fleht er im öden Ritterfaal, 
Die Furcht, Die weiß er zu höhnen, 
Und Yuftig Taßt er hinab ins Thal 
Noch einmal fein Hüfthorn ertönen. 


Da trippeln zur Thür zwölf Tichtlein herein, 
Der Waidmann fieht fie mit Grauen; 
Es wallen hinter den Lichtlein drein 
Zwölf flattlihe Nitter und Frauen. 


Der Borderftie winkt dem Waidmann zu, 
Ein luſtiges Stüdlein zu blafen, 
Der Waidmann gehordht und e8 ſchweben im Nu 
Die Geftalten dahin auf dem Rafen. 


Auch die Lichtlein fangen zu hüpfen an, 
Und folgen in zierlichen Schritten — 
Da plöglich höret man krähen den Hahn 
Sn des Thales fhlummmernden Hütten. 


Und Alles Hält ſtill und fchaut empor, 
Die Nacht fie will ſchon zerrinnen; 
Bor dem Waibmann neigt ſich der rauen Chor, 
Und zieht mit den Rittern von binnen. 


Der Süngling fteht, wie im fchweren Traum, 
Und kann die Furcht nicht bezwingen, 
Bis in des Saales verwachlenem Raum 


Die Vögel erwachen und fingen. 
Aloys Schreiber. 


Büähler Umgegend. 163 


Die Hub,” 


D Thal, mit deinen Bäumen, 
Mit deiner Waldkapell', 
Mit deinen Kindesträumen, 
Mit deinem Heilungsquell ! 
Kein Sturm erreicht den Müden 
An deines Bächleins Rand, 
Und Ruh’ und Stille bieten 
Bertraulih ihm die Hand. 


Der Windeck Thürme ſchauen 

So ernft vom Berg herab, 

Die Ritter und die Frauen 

Dedt ein verfunfnes Grab, - 

Das Schwert, das hier geflungen, 
Liegt unter Moos und Dorn; 

Wo Harfner einft gefungen, 
Schalt nun des Waidmannd Horn. 


Der Menſch und feine Werfe 
Sie find des Tages Raub, 
Die Schönheit und die Stärfe 
Zerfallen bald in Staub; 
Jedoch Die Sterne glimmen 
Und walten immerbar, 

Und Lenz und Liebesſtimmen 
Bringt jedes neue Sahr. 


Die freundliche Najade 
In ihrem Felfenhaus 
Gießt immer noch zum Babe 
Die lauen Fluthen aus. 
Die Parzen felbft gewinnen 
Kann ihr vertrauted Wort; 
Sie werden weich und fpinnen 
Den Faden emfig fort. 


*) Binfen und Badeort mit einer Tauen Therme, drei Biertelftunden von Buüͤhl. 


11* 





164 


Bühler Umgegend. 


Berborgne Kräfte legen 
Den Schlag ins Menfchenherz, 
Berborgne Kräfte regen 
Sich felbft im flarren Erz; | 
Der Forſcher fucht vergebens, 

Woher der Born entquillt; 
Der Urfprung alles Lebens 
Sf tief in Nacht verhüllt. 


Wer läßt geheime Schauer 
Hier unter Eichen wehn? 
Warum die flille Trauer, 
Wo Windes Thürme ſtehn? 
Was foricht im Waldesichweigen 
Uns fo bedeutend an? 
Mer macht, daß von den Zweigen 
Uns Ruhe fänfeln kann? 


Die Welt des Unſichtbaren 
Thut ſich hier leiſe kund; 
Kannſt du das Wort bewahren, 
So tritt in ihren Bund! 
Dein und der Duelle Leben 
Entftrömen Einer Hand, 

Die Kräfte, die hier weben 


Berfnüpft mit dir Ein Band. 
Aloys Schreiber. 








Erwin von Steinbach.” 


Per mag der ftille Knabe feyn? 
Er flieht die Spiele der Genoffen 
Und bleibt am Viebften ganz allein 
Tief im Gebirge, walbumfchlofien ; 
Am Duellenufer hingeftredt, 
Wo niemand feine Träume wedt, 





*) Siehe die Anmerkungen, ©. 169. 


Bühler Umgegend. 165 


Von Fels und Bäumen rings umgeben; 
Dort iſt ihm wohl, dort iſt ſein Leben. 


Er baut aus Kieſeln, Rinden, Gras, 
Sich kleine Kirchen und Kapellen 
Mit Kunſtgefühl und ſicherm Maaß. 
Die wundervollſten Bilder ſchwellen 
Sein glühend Herz; wohin er ſchaut, 
Sieht Alles er ſo ſchön gebaut! 

Den dunkeln Hain, die kühle Grotte, 
Weiht er zu Tempeln ſeinem Gotte. 


Der Buchen Wölbung zieht ihn an, 
Die Tannen, ſo darüber ſteigen, 
Der Epheu, der ſich rankt hinan, 
Der Himmel zwiſchen grünen Zweigen; 
Die Felſen, buſchig oder ſchroff, 
Die Blumen, — Alles gibt ihm Stoff, 
Da zeichnet er auf Schieferplaͤttchen 
Die Formen bis aufs kleinſte Blättchen. — 


Einft lag, am fohwülen Sommertag 
Er in des Forftes kühler Tiefe, 
Da ward ihm, wie er träumend lag, 
Als ob man ihn beim Namen riefe; 
Und ſieh! vor einer Selfenwand 
Ein Greis mit Silberlocken ftand; 
Die Sonne war fehon tief gefunfen, 
Der ganze Wald voll grüner Funken. 


: Der Alte ruft: „Steh? auf, mein Sohn! 
Wagſt du, mit mir hinabzufleigen, 

Will ich zu deines Fleißes Lohn 

Dir wunderbare Dinge zeigen: 

Du Tennft das obre Baumwerf nur, 

Doch nicht das innre der Natur, 

Nicht die Paläſte, deren Duabdern 
Entflrömen taufend Lebensadern.” 


Keck folgt der Knabe dem Geheiß, 
Die Wißbegier laͤßt ihn nicht zagen, 


166 


Büpleriimgegend. 


Und plöglich theilt fi, wo ber Greis 
Mit feinem Stabe hingefchlagen, 

Mit einem Riß die Felſenwand, 

Und Beide gehen Hand in Hand 

Durch weitverfchlungne Gänge fehweigend, 
Biel Hundert Stufen niederfleigend. 


Da zeigen Wunder überall 
Sich dem erflaunten Blick des Knaben: 
Er fieht, wie Pfeiler von Kriftall 
Und von Granit geformt fi haben; 
Nach innerem Gefes, genau, 
Entwidelt jeden Erdenbau, 
Die Säulen, Wölbungen und Bogen 
Bon feſter Meifterhand gezogen. 


Kein leeres Bild der Fantaſie, 
Nur einem eitlen Zwede fröhnend, 
Nein, jede Form vol Harmonie 
Mit anderen zufammentönend. 

Sp muß auch ein Gebild aus Stein 
Zuvor im Geift vollendet feyn, 
Bevor der Meifter es kann wagen, 
Ins Wirfliche zu übertragen. 


Noch einmal fpaltet eine Wand 
Sich vor des Greifen Zauberflabe — 
Auf einem grünen Anger fland 
Sn hellem Sonnenlicht der Knabe; 
Und hoch hinauf ins dunkle Blau 
Wölbt ſich vor ihm ein Rieſenbau, 
Sich in zwei Pyramiden endend, 
Mit taufendfacher Zierde blendend. 


Es war ein Bau, der fehnfuchtsvoll 
Die Arme nach dem Himmel ftredte 
Und feiner Gloden Klang erjcholl, 
Daß er die tieffle Sehnſucht wedte; 


Bühler Umgegend. 


Es war ein fleingeworbner Baum, 

Mit ungeheuerm Schattenraum, 

Ein Schiff, deß Maften nimmer wanfen, 
Durchwirkt mit Laub und Rofenranfen. 


Die beiden Wandrer treten ein, 
Dom heiligften Gefühl durchfloſſen. 
Ein bunter Sarbendämmerfchein 
Hat durch die Hallen ſich ergoſſen; 
Die Heilgenbilder rings umher 
Getauchet in ein Rofenmeer, 

Bon Regenbogenglanz umwoben, 
Der Dulder an dem Kreuze broben. 


Der fromme Knabe finkt aufs Knie, 
Bon Himmelsahnungen durchzücket, 
Und ſpricht: „Nein, ruben will ich nie, 
Bis einft ein folder Dom mir glüder !"' 
Der Alte ruft; „Leb' wohl, Erwin! 
Was hier dir nur im Bild erfchien, 
Wirft du bald wieder neu gebären, 
Und ewig dich Dadurch verklären.” — 


Und an ber alten Stelle fieht 
Der Knabe fih im Walde wieder; 
Durchs heimlich flüfternde Gebiet 
Ziehn wieder Nachtigallenlieder ; 
Und Erwin trägt nun felig fort 
Den Traum mit fi von Ort zu Ort, 
Beſucht viel Meifter in der Ferne, 
Daß er die ganze Baufunft lerne. — 
Es hebt der Niefen-Dom fich jebt 
Längft über unfers Erwin Grabe; 
Solch Denkmal hat der Mann gelebt 
Dem, was im Traume fah der Knabe. 
Beglückt, o Straßburg, deſſen Ruhm 
Stets blüht in dieſem Heiligthum! 


Heil, Steinbach, dir, aus deſſen Schooße 


Snervorgegangen ift der Große! 


U. Schale. - 


167 


168 


Bühler Umgegend. 


Huf Steinbachs Rebgelände 
Thront Meifter Erwin’s Bild, 
Des Künftlers freie Spende 
Begrüßt das Nheingefild. 


Des Meifters Blicke fchweifen 
Nah Straßburgs fernem Dom, 
Um den die Wolfen ftreifen, 
Ein farbenreiher Strom. 


Er fuchet den Bekannten 
Aus alter, guter Zeit, 
Da noch die Herzen brannten 
Bol Glaubensfreudigkeit. 


Da Münfter neu fih hoben 
Am Rheine, hoch und fehlanf, 
Aus denen fromm nad oben 
Erftieg der Ehriften Dank. 


Nun weilt der Blick zufrieden 
Auf feinem Riefenbau, | 
Wird ihm auch nicht befchieden 
Des zweiten Thurmes Schau; 


Den ſchwindelnd er erhößet 
Im Urplan fi gedacht — 
Sein Münfter dennoch fiehet 
In unerreichter Pracht. 


- Stadt Straßburgs Dom befinget 
Noch manches Flammenwort, 
Und Erwin’s Name dringet 
Durch alle Zeiten fort! 


Rheinthäler ſchließen heute 
Wohl um ſein Bild den Kreis, 
Und Jubel klingt und Freude: 
„Dem Meiſter Ruhm und Preis! 











Büpler Umgegend. 169 


„Dem Meifter, ber als Knabe 
Befpielt in Steinbachs Schoß, ) 
Und dann am Wanberftabe 
Gedanken hegte groß!" — 


Auch unferm Friedrich?) hohen 
Und lauten Jubelruf, 
Der aus dem Block, dem rohen, 
Dies Meifterwerk erſchuf! 


Geformt aus felbem Steine 
Aus dem das Münfter ward, 
In Tieblihem Vereine 
Sich Ernſt mit Anmuth paart. 


Er weihrs zum Friedenszeichen 
Dem heimathlichen Thal, 

Daß wir die Hände reichen 

Uns liebend allzumal. 


Auf, Brüder! laßt ertönen 
Ein donnernd Lebehoch 
Des Rheinthals edlen Soͤhnen: 
Erwin und Friedrich hoch! 


Und hoch der Fürſt der Gauen, 
Drin Erwin's Denkmal thront, 
Dem Liebe, Volksvertrauen, 

Sein mildes Herrſchen lohnt! 


Daniel Sirtz. 
( Drechslermeiſter in Straßburg.) 


Das Städtchen Steinbach, am Eingange des Neumeterer Thales 
gelegen, ift offenbar uralt. Es bildete früher ein weit bedeutenderes Ge⸗ 
meindeweſen, als gegenwärtig. Welt umber befannt waren feine Stein- 
bräde, und ein ziemlicher Theil feiner Bewohner mag von der Stein⸗ 
hauerei gelebt Haben. Es konnte nicht fehlen, daß bei dem allgemeinen 
Aufblügen der teutfchen Baufunft unter den Hohenftaufenfchen Katfern, die⸗ 
fer Ort in Beziehung mit einer jener Hütten kam, moraus bie Meifter 


170 Bühlerliimgegend. 


und Gefellen hervorgingen,. venen wir fo manche herrliche Bauten unferer 
Städte verbanfen. Und was iſt wahrfcheinlicher, als dag der Sohn eines 
der Steinbachiſchen Steinmeßen unfer Erwin fey? Noch vor Kurzem 
fannte man nichts als deſſen Namen, aber weber vie Geburtd- und Gra⸗ 
besftätte, noch auch den geringftien Lebensumfland Meiſter Ermwin’s. 
Dank fey alfo ven edlen Bemühungen, die und über den Helden ver 
teutfhen Baukunſt das erfte Licht gegeben. Beſonders ift bier zu nennen 
Dr. Heine. Schretber, durch feine Abhandlung über den Straßburger 
Münfter und Meifter Erwin. 
Bergleiche auch Göthe's Jugendaufſatz über diefen Gegenftand. 


Im fogenannten Frauenhaus zu Straßburg liegen noch die Plane 
des Münfterthurmbaues auf Pergament, wovon einer als das Original 
von Erwin's eigener Hand bezeichnet wird. 

Man kann annehmen, daß der junge Erwin von feinem Baterorte 
nad Freiburg gezogen, wo fich damals eine der bedeutendſten Bauhüt⸗ 
ten des Landes befand. Die Herzoge von Zähringen hatten den bortigen 
Münfterbau begonnen ; die Grafen von Urach, ihre Erben, vereint mit 
dem Adel, mit ver Geiftlichkeit und Bürgerfchaft ver freudig aufblühenden 
Stadt, vollenveten ihn. Als Erwin erfchien, mochte der Thurm fchon be= 
gonnen feyn, und fomit half er ein Werk ausführen, welches von allen 
Thurmbauten des teutfihen Mittelalters anerkannt das gelungenfte ifl. 
Den Meifter veffelben kennt man Leider nicht mehr; wir wollen ihn aber 
in feinem Schüler verehren, denn gewiß war Erwin fein Liebling und 
fein Stolz. 

Als Meifter Erwin nah Straßburg fam, wurde der Bau bed 
Münfters bald wieder Iebhaft betrieben. Alles trug zu deſſen einftiger 
Bollendung bet, und Bauherr und Baumeifter entwidelten bie erfreulichfte 
Thätigfeit. 

Nachdem ver alte Duerbau ergänzt und das Langhaus aufgeführt war, 
ward endlich am St. Urbanstage des Jahres 1277 der Grundſtein zum 
Thurmbau gelegt. (Wie folgende alte Infchrift bezeugt: „Anno Domini 
MCCLXXVII in die beati Urbani hoc gloriosum opus inchoavit Magister 
Erwinus de Steinbach.) — Und nun arbeitete Erwin mit feinen Ge— 
fellen und Lehrlingen, mit feinem fleißigen Sohne Johannes nnd feiner 
funftfinnigen Tochter Sabina, in unermüdlichem Eifer an dem heiligen 
Bau, welcher feinen Namen auf die fernfle Nachwelt bringen follte. Man 
hatte ihm auch das Amt des Hüttenherrn übertragen und fomit fland 
er, neben dem Biſchof, an der Spitze des ganzen dortigen Bauwefens. 

Leider ward es aber dem ehrwürbigen Meifter nicht vergönnt, fein 
Werk zur Vollendung zu bringen. Erwin farb 1308 als hochbetagter 
Greis, vierzig Jahre nach jener Grundfleinlegung. (Wie die Inſchrift 
feines Grabfteines meldet, ven man bei der St. Zohannistapelle im 
Münfter entvedt Hat. Sie lautet ganz einfach: „Anno Domini NCCCVIII. 


Bühler Umgegend. 171 


XVI. Kal. Februarii obiit Magister Erwinus, Gubernator Fabricae Ecclesiae 
Argentinensis.*) Er hinterließ vie weitere Ausführung feinen Kindern. 
Allein auch diefe erlebten die Vollendung des zweiten Thurmes nicht; er 
blieb für immer unausgeführt. Und fo denn raget der Straßburgifche 
Münfter als großartiges Bruchſtück einer großen Vorzeit in die Gegen- 
wart herein und ruft ung zu, daß und Zeutfchen, die wir in aller nationalen 
Entwidlung lange ber unterbrochen worben, deren heiligen Bau nun zu 


vollenden, endlich die Zeit gekommen !” 


(Aus dem Auffag „Erwin von Steinbach“ in Dr. Joſeph Bader's 
„Herda.“ Neue Folge erfter Band. Freiburg, 1841. ©. 241, u. ff.) 


2) Der Straßburger Bilvhauer Friederich fertigte das ſchöne 
Standbild Erwin's, es mit edler Uneigennüpigkeit als Denkmal für 
Steinbach fliftend, wo es im Jahr 1844 auf einem nahen Hügel auf- 
geftelit und unter volfsfefklicher Feier enthüllt wurde. 


Die Kröte. 


Zwei Schweftern aus Steinbach, welche noch zur Betzeit 
Frucht fehnitten, fanden unter dieſer einen Korb, worin eine 
ungeheure Kröte ſaß. Da fagte die Eine: „das ifl ein Schatz; 
ich will rücklings meinen Schurz darüber deden!” — die An⸗ 
dere jedoch rieth ihr davon ab mit den Worten: „Nein, das 
ift Teufelsſpuck!“ Bei Nennung des Teufels fprang die Kröte, 
klingend wie ein ſchwerer Geldfad, aus dem Korbe heraus und 
verfanf in den Erdboden. Das dadurch verurfachte Loch hat 
bis heute nicht zugeworfen werden können, und ber Korb, ben 
die Mädchen mit nad Haufe genommen, wird noch jett bort 
vorgezeigt. 


(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone's „An- 
zeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839. ©. 311.) 


Luftritt. 


Ein Mann aus Steinbach, der Nachts von Bühl 
heimkehrte, traf in dem verrufenen Hohlweg ein junges Pferd, 
welches auch von vielen Anderen dort geſehen worden iſt. In 
der Meinung, es habe ſich verlaufen, wollt' er es nach Hauſe 
reiten, war aber kaum aufgeſeſſen, als es ſich in die Luft erhob 
und ihn darin ſo lange forttrug, bis die Frühglocke zu läuten 





172 Bühler imgegend. 


anfing. Da fest’ es ihn ab und er befand fich jenfeit des Rheins 
und zwar fo weit von Steinbad, daß er bis zu feiner 
Rückkehr dahin zwei volle Tage brauchte, ”) 


*) Das ift ein zauberhafter Ritt, wie er oft im Hexenweſen vor⸗ 
fommt, wobei aber telten Pferde gebraucht werben. Der Ritt auf dem. 
geifterhaften Roffe ift eigentlich die Zahrt zum Tode, daher auch folches 
Pferd im Rordifihen helhestr, Todesroß, Heißt und fi noch in der Hel⸗ 
denfage findet. Siehe Grimm's „Heldenſage 10.” S. 39.). 

Mone 


(Siehe Mone’& Anzeiger ꝛc. v. 3, 1839.) 


— DD — 





Oosgan. 


D0 


- Stadt Boden und nächſte Umgebung.” 


Baden: Baden. 


Umweht mich in Badens Thale, 
Ihr Schauer der Vergangenheit! 
Ich weile finnend um die Maale 
Der hingefunfnen Helbenzeit, 
Als von den heimatblichen Auen 
Der tapfre Markmann Abſchied nahm, 
Und nun in die verlaßnen Gauen 
Das Bolf der Welterobrer fam. 


Die lange diefen Boden ſchützten, 
Sie fuchten fern ein Vaterland, 
Und Roma’s goldne Adler blisten 
Zum erfienmal an unferm Strand. 
Die Götter von der Tiber zogen 
In Hertha's unentweihten Hain, 
Und unter folgen Säulenbogen 
Floß jet der fremde Opferwein. 


Wo fonft die Eiche Wodan's grünte, 
Stand Hermes mit dem Schlangenftab; 


*) Die Anmerkungen gu dieſer Sagenreiße folgen am Echluffe der gangen Abtheilung. 


174 


Stadt Baden und Umgebung. 


Der Kaufmann nahte fi und fühnte 
Mit Waffer, das der Berg ihm gab. 
Der Marmor überzog die Schwelle, 
Wo fih der Heilungsborn ergoß, 
Und traurig murmelte die Duelle, 
Da fie der falte Stein umfchloß. 


Do unfern alten Namen fchirmte 
Die teutfche Treu, der teutfhe Sinn; 
Das Bollwerk, fo der Römer thürmte, 
Stiel wie vom Blitz die Tanne hin, 
Und feiner Tempel Hallen ſanken 
Und feines Donnrers Riefenbild, 

Und um die Trümmer wob die Nanfen 
Gebüſch und Epheu fihaurig wild. 


Das teutfche Recht, ed galt nun wieder 
Mit teutfhem Brauch im teutfchen Land, 
Der Mann, er reichte feft und bieder 
An Eidesftatt Die treue Hand. 
Geſchmückt mit jungen Eichenfränzen 
Erhob fich neu der Felsaltar; 

Das Horn, es rief zu Waffentänzen 
Der Jugend gelbgelodte Schaar. 


Und in dee Markwalds Thäler famen 

Bon Irlands Küfte Pilger ber, 

Und einen neuen, großen Namen 
Derfündete der Männer Lehr’; 

Es bog der troß’ge. Alemanne 

Bor ihnen demuthvoll dag Knie, 

Er kannt' in ihrem Friedensbanne 

Den Frieden ihrer Botfchaft nie. 


Des Götterhaines graue Eichen, 
Sie flürzten von des Täuflings Beil; 
Am Wege fleht des Kreuzes Zeichen, 
Und deutet ihm fein ewig Heil, 


Stadt Baden und Umgebung. 175 


Das Feuer brennt auf feinem Herde, 

Er ſchafft das Schwert zur Pflugfchar um, 
Denn mit dem Himmel wird die Erbe 
Zugleich fein ſchoͤnes Heiligthum. 


Jetzt bauen am Genefungsquelle 
Die Jünger Ratfried’s einen Dom, 
Und fromme Klausner ihre Zelle 
Im Bührenthal, am wilden Strom;*) 
Es thürmen ſich auf Felfenhöhen 
Die Ritterburgen ftolz und fühn, 
Noch kann man ihre Trümmer fehen 
Bedeckt mit Moos und MWaldesgrün. 


Ach! wie in dunkeln Traumgefichten, 
Blickt Die Vergangenheit mich an; 
Die Zeit will freventlich zernichten, 
Was fie nicht trotzig meiftern fann. 
Bon fremder Sitte warb verbrungen 
Die fromme Scheu, die ſtrenge Zudt, 
Kein fremdes Schwert hat ung bezwungen, 
Doch Ueppigfeit, von Gott verfludt. 


Bergiftet hat fie felbft die Scale, 
Aus der dem Kranfen Heilung floß; 
Ha, fiehe! wo beim Friedensmahle 
Des Himmels Frieden ſich ergoß : 
Da walten jest der Hölle Schauer, 
Da fteht des Goldes Trugaltar, 
Und Engel wenden ſich mit Trauer 
Bom Ort, der einft fo heilig war.*) 


Wie frech jedoch fie fich erheben, 
Die Mächte aus des Orkus Schoos, 
Sie reißen nimmermehr das Leben 
Bon feiner flarfen Wurzel Iog. 





*) Die Einſiedelei und Kapelle zu St. Wolfgang. Beide wurden 1816 abgetragen. 


**) Die ehemalige Lyceumslirche wunde abgetragen bis auf den Chor, mo dann bie 
erfie Spielbank Hinfam, 





176 


Stadt Baden und Umgebung. 


Das Schlechte muß fich felbft zerftören, 
Sein Sieg ift auch fein Untergang; 
Der muß dem Tode angehören, 

Den das Sirenenlied bezwang. 


Noch leuchtet ja der Abendſchimmer 
Wie ſonſt in Badens Thal herein, 
Der junge Lenz, er kehrt noch immer 
Mit ſeinen Blumen bei uns ein. 
Liegt auch der Duell in Schutt gebunden, 
Er fehnt ſich dennoch nach dem Licht, 
Und hat er erfi den Weg gefunden, 


So hält die Erd’ ihn länger nicht. 
Aloys Schreiber. 


Die Sage von Baden’3 Uriprung. 


1L. 

Es reiten drei Recken durch Waldung und Moor, 
Am Borne da hüpfen drei Fräulein hervor: 

„Zieht mit ung, ihr Brüder, wir kennen den Pfad!” — 
Die Wandrer mißtrauten dem weiblichen Rath. 

„Steht mit ung, ihr Brüder, zu duftigen Höhn !” 
Sie blickten fo freundlich, fie nidten fo fchön. 

Bald zogen drei Pärlein im eiligen Lauf 
Mit Singen und Springen den Hügel hinauf. 

Hoch oben empfing fie ein lachender Grund, 
Durchflochten mit Blumen gar wunderlich bunt. 


Es blinkte die Lilie fo bräutlich und lind, 
Liebflammend die Roſe, der Sehnſucht Kind. 


„Herbei, ihr Geſellen, wir ſtehen am Ziel, 
Nun ruft uns des Tanzes ergötzliches Spiel!“ 

In Lüften erhob ſich ein Harfengekling, 
Sie ſangen und ſprangen, und ſchloſſen den Ring. 





Stadt Baden und Umgebung. 177 


„Herbet, ihr Gefellen, nicht lange bebadıt !« 
„Juchheiſa!“ e8 trieb fie zum Tanze mit Macht. 


„Juchheiſa!“ doch mitten im taumelnden Reih'n 
Brach jählings der Boden ind Feuchte hinein. 


Aufbraufte die Wiefe, ein fihauriger See — 
„Ude, ihr Betrognen, auf ewig Ade!“ 


2. 


Tief unter den Wogen da figt auf dem Thron 
Der König des See's mit Friftallener Kron'. 


Mit grünfichen Toden, im Silbergewand, 
Die Lilie fhwingt er ald Stab in der Hand, 


Und um ihn da tanzen wie Schwäne fo weiß 
Die perlenumgürteten Nymphen im Kreis. 


Nings blinken die Wände wie fchwärzlidher Stahl, 
Demantene Säulen erhellen den Saal. 


Korall' und Karfunfel bezaubert den Blid; 
Die Ohren, der fingenden Duellen Muſik. 


‚Ber. wagt ed, zu nahen dem Waflerpalaft, 
Den nimmer betreten ein irdifcher Gaft?: 


„Rothwangige Knaben, erbleichet im Tod! 
Sp will ed des Waſſers uraltes Gebot.” — 


„> König der Fluthen, entlaß ung ber Schuld! 
Uns täufchten drei Mägdlein mit tüdifcher Huld.“ 


Da ſchwenkte der König ben Lilienftab, 
Nicht blieb ihm verborgen, was jüngft fich begab. 
„Wohlan, ihr Berführten, fo geb’ ich euch frei, 
Doc treffe mein Zorn die verführenden Drei.” 


Er ſchwenkte die Lilie. — „O König, halt ein! 
Wir flehen, du mörhteft auch ihnen verzeihn.”' 
I. 12 


178 Stadt Baden und Umgebung. 


Der König befann fih — er blidte verföhnt: 
„Nicht bin ih um Großmuth zu markten gewöhnt. 


„Den Groll der Unfterblichen mildert und ſtillt 
Die Liebe, die Leides mit Liebem vergilt. 


„She habt es erbeten, fo fey es gewährt,  ' 
Dazu noch ein Gnadengefchent euch bejcheert. 


„Empfangt hier drei Kiefel, unfcheinbar und fchlecht, 
Doc werther, als Kronen, benützt ihr fie recht. 


„Schlägt klingend ein folcher den ſtarrenden Fels, 
So wird er die Wirge heilfräftigen Quells.“ 


Er ſchwenket die Lilie; auf thut fih das Thor, 
Schnell wirbelt ein Strudel die Wandrer empor. 


3. 

roch flehn die Gefellen am fehilfigen Strand, 
Sie wiegen das Königsgeſchenk in der Hand. 

„D ärmliche Gabe, du fehlechtes Geftein, J 
Dich werf ich zum Spott in die Wogen hinein!” 

So höhnte der Züngfte mit frevelndem Mund, 
Und fehleudert den Kiefel hinab in den Schlund. 

Da ſcholl aus der Tiefe ein Hägliches Weh', 
Da krachte die Erde, da kochte der See. 


Und fhwärzlihe Wolfen eniftiegen ber Fluth, 
Draus Hagel und Donner und Blitz ſich entlud. 


Wie Koboldsgepolter durchtoſt' es die Luft, 
Und Schaaren von Schlangen entkrochen der Kluft. 


Da rannten bie Wandrer, wie Rehe verzagt, 
Umgeiffelt von Bligen, von Schlangen gejagt, 


Bergüber, bergunter, waldein und waldaus, 
Sie blickten nicht um fich, fie ruhten nicht aus. 





Stadt Baden und Umgebung. 179 


Doch endlich, ald mälig der Sturm fich gelegt, 
Am Fuße des Berges warb Ruhe gepflegt. 


Dort Tagen fie müde, des Odems beraubt, 
Und neigten zum Schlummer ihr fchwindelndes Haupt. 


. Und wie fie fo liegen und fchlafen im Moos, 
Erweckt fie ein neuer, gewaltiger Stoß. 


Der zweite der Steine, ein fpigiger Kies, 
Entfchlüpfte des Sades gefprengtem Berlies, 


Und kollerte luſtig den Selfen hinab; 
Kaum glaubt ihr der Sage, was nun ſich begab: 


Mo tönend am Felfen ber Kiefel gepraltt, 
Entfeſſeln fih Duellen mit Sprudelgewalt. 


Nun ringt fih zu Tag, was Jahrtauſende fchlief 
Im Buſen des Felſens gewaltig und tief. 


Es murmelt und riefelt, e8 plätfehert und fprüht 
Dad Wafler, von magifchen Kräften durchglüht. 


Ein reicheres Leben mit mächtigem Strahl 
Durchlodert des Oosbachs glüdfjeliges Thal. 


D Wunder! des Bächleins beſcheidnes Geſtad 
Hat Baden geboren, das herrliche Bad. 


Und als die Gefellen dies Wunder erfahn, 
Erfannten fie erft, welch Geſchenk fie empfahn. 


Den dritten der Steine befaflen fie noch, 
Sie wahrten ihn forglich und hielten ihn hoch. 


Bald kehrten fie wieder zum heimifchen Herd, 
Dort hat fih der Zauber bes Kiefeld bewährt. 


Durch heilende Quellen gefegnet hinfort 
Ward reich und gepriefen ihr Heimathort. 
Eduard Brauer. 


(Siehe deffen „Sagen und Geſchichten ber Stadt Baden 2.” Karlsruhe, 1845, 
Braun’ Berlag. 8. 5— 9.) 


12* 





480 


Stadt Baden und Umgebung. 


Das alte Schloft zu Baden, 


Oft, wenn im wunderbaren Schimmer 
Des Schloffes Trümmer vor mir ftehn 
Im Sonnenfchein, glaub’ ich noch immer 
In feiner Jugend es zu fehn. 


Mit feinen Mauern, feinen Zinnen, 
Gern leuchtend in das freie Thal; 
Der Helden ſtarke Kraft von innen 
Sich labend bei dem Rittermahl. 


Dann klingts um mich wie ferne Stimmen, 
Ich fühl’ ein geifterhaftes Wehn, 
Hort treibt ed mich hinanzuklimmen 
Einfam zu jenen Felfenhöhn. 


Doch oben Alles ganz zerfallen, 
Der Epheu ſchlingt fih um den Stein, 
Und in den offnen. Fürftenhallen 
Spielt Waldesgrün mit Sonnenfoein. 


Das nehm’ ih an zum guten Zeichen, 
Zum Troſt in diefer Gegenwart, 


Daß auf den Trümmern, auf den Leichen 


Sich Himmel noch und Erde paart. 


Ein beßres Haus fol ſich erheben, 
Gebaut auf alten, feften Grund, 
Und frifche Liebe, frifches Leben 
Gedeihn im freien teutfchen Bund ! 


Mar v. Schenkenborf. 
(1814.) 


Die graue Frau von Hobenbaden. 


Habt ihr gehört von der grauen Frau 
Im Bergſchloß Hohenbaden ? 
Bethört von finftrer Macht, dem Gau 
War fie zu Schred und Schaden; 








Stadt Baden und Umgebung. 


Ließ ſchwingen zur Frohn 
Die Geißel mit Hohn 
Aufs Volk, ach! mit Bürden beladen. 


Der Herrſchaft Zügel hielt fie ſtraff 
In freier Willfür Launen; 
Mit ihr zu Rathe faß der Pfaff, 
Ihr Unrecht zuzuraunen. 
Wie wetternder Strahl, 
Sp fihmettern ins Thal 
Defehle zu Bangen und Staunen. 


Wer gab hier Troft dem armen Dann, 
Wo fanden Schuß Bedrängte? 
Der Büttel nur auf Dualen fan, 
Der in den Blod fie zwängte. 
Recht fordert der Knecht? 
Kaum Gnade für Recht 
Bergönnt fie, fürs ſchmaͤhlich gefränfte, 


Ihr Herz, fo Tiebeleer und kalt, 
Wenn Schmerzensthränen floffen, 
Der Mutterliebe Allgewalt 
Nur blieb es nicht verfchloffen ; 

Ihr einziges Kind 
Nur liebte fie blind, 
Den blühenden, fürftlichen Sproffen 


Einfimal, im Abendfonnenglanz 
Sid wieder frifch zu laben, 
Der Warte höchften Zinnenfranz - 
Erftieg fie mit dem Knaben. 
Sie zeigt ihm das Land 
Im Segensgewand 
Bol prangender, köſtlicher Gaben. 


„Mein Kind, mein adlig Fleifch und Blut, 
Herr du von Gottes Gnaden! 
In deſſen Händen einſtens ruht 


181. 





182 | 


N 


Stadt Baden und Umgebung. 


Mein reiches Wittthum Baden : 
Dort kocht dir der Wein 
Am firahlenden Rhein, 
Hier die Duelle mit heilendem Schwaben, 


„Und Alles ift dir unterthan, 
Sp weit du blidfl von dannen; 
Dein Winf gebeut; im Staube nah’n 
Bafallen dir und Mannen, 
Die niedere Brut 
Mit eiferner Ruth? 
Sn fcheue Verehrung zu bannen. 


„Regiere ſtark, dem flarren Trug 
Des Bolfes zum Entſetzen! 
Nie fol fein ſchnöder Eigennug 


Am Kronengut ſich legen! 


Dein göttliches Necht 
Durch Geburt und Geſchlecht, 
Das reiße dir Keiner in Fetzen! 


„Siehſt du den Falken ſiegeskühn?“ 
— Sie hob empor den Knaben — 
„Aus ihren Purpurrändern glühn 
Die Augen ſtolz; erhaben 

Beherrſcht er das Blau! 
Wie ducken zur Au 
Die Schufte, die Häher und Raben! 


„Die Macht verleiht wohl Kraft und Muth 


Dem fcharfen Krallenfchläger, 
Wie fühlt er fein altadlig Blut, 
Der hohe Schwingenträger ! 

Ho huſſa zur Heß’! 

Ihm gilt nur Geſetz 
Sein eigener Wille, dem Jäger. 


„So herrſch' auch Du!“ ... da faſſet fa 
Ein Schwindel ihre Sinnen, 
Aus ihrem Arm entſtürzet, ach! 





Stadt Baden und Umgebung. 183 


Das Knäblein von den Zinnen ; 
Zerfchmettert im Fall 
Am felfigen Wall... .. 

Da fühlt fie das Blut ſich gerinnen. 


O qualenvoller Augenblid, 
D graufenhafte Stunde! 
Wem flug des Himmels Strafgefchid 
Se tiefre Herzenswunde ? 
Bon Schmerzen durchraft, 
Die Augen verglaft, 
Sp ftarrt fie zum fchaurigen Grunde. 


So flarrt die Aermſte, fprachberaubt, 
Hinunter auf die Klippen, 
Die Finger krampfhaft eingefchraubt, 
Berzerrt die fahlen Lippen. 
ie malmendes Erz, 
So ſchallt ihr das Herz 
Und hämmert und pocht an die Rippen. 


Berzweiflung gibt ihr endlich Kraft 
Und Worte ihrem Jammern, 
Das bricht in wirrer Leidenfchaft 
Aus ihres Herzens Kammern. 
' Woran, ah woran 
Sol nun fid fortan 
Ihr mütterlih Hoffen noch Hammern ? 


Sie rafft ſich auf, fie fliegt hinab 
Der Treppe Steingewinde, 
Zu fpähn nach ihres Lieblings Grab; 
Nach eilt das Hofgefinde. 
Umfonft fie durchſucht 
Die waldige Schlucht, 
Nie fand fie die Spur von dem Kinde. — 


Noch heut entfleigt, ein Bild von Eis, 
Sie Nachts des Schloffes Hallen 
Im grauen Kleid, bie Haare weiß, 





184 Stadt Baden und Umgegend. 


Die Wangen eingefallen. 
Im klagenden Wind 
Ach! wähnt ſie das Kind 
Zu hören, ſein Wimmern und Lallen. 


* 
% 


Das iſt die Mähr von ber grauen Frau 
Im Bergſchloß Hohenbaden; 
Sp buͤßt fie ſchwer, was fie dem Gau 
Verübt zu Schred und Schaden. 
Nicht findet fie Ruh 
In marmorner Truh, — 
Gott wolle der Seele genaden ! 


JIgnaz Dub. 
(Driginalmittheilung.) 


Das Behmgericht in Baden. 


Unter dem neuen Schloß in Baden ziehen in faſt labyrin⸗ 
tifhen Windungen und Richtungen eine Menge unterirbifcher 
Gewölbe hin. Sie beftehen theils aus engen, Iangen Gängen, 
theild aus Gemächern von verfchlebener Größe und Form. Meh- 
rere Diefer Gänge und Kammern konnten durch dide, fleinerne 
Thüren von Innen geöffnet und gefchloffen werben. 

Wie die Sage berichtet, fol einft hier der Sitz ber hei- 
ligen Behme gewefen feyn. Das größte Gemach wird als 
dasfenige bezeichnet, in welchem die Freifchöffen Gericht hielten, 
und noch fieht man die fleinernen Site an den Wänden. Hier 
fagen fie und fprachen Recht über Frevler und geheime Verbre⸗ 
her; bier meldeten ihnen die Sreifrohnen den Vollzug der auf- 
getragenen Strafen mit Strid und Dolch, oder ed wurden 
Klagen erhoben über neue Unthaten, oder die Borgeladenen, die 
fi nicht geftellt vor den Schranfen des heiligen ‚Gerichts, wur⸗ 
den verurtheilt und ihre Beftrafung den heimlichen Rädern 
übertragen. Andere Gemächer waren zum Aufenthalt für bie 
©eladenen, während den Beraihungen des Gerichts, beftimmt. 
In einem großen Gewölbe, welches die Kolterfammer 
genannt wird, ſieht man noch die Ringe und Hafen in ben 


Stabi Baden und Umgebung. 185 >» 


Mauern, woran bie fehredlichen Solterwerkzeuge befefligt, oder 
die Berbrecher gefeffelt wurden. Aus dieſer Kammer tritt man 
in einen Heinen Gang mit unterhöhltem, hölzernen Boden. Hier 
befand fich einft eine Fallthür,, durch die man zu dem vielberu⸗ 
fenen Sungfernfuß gelangte. Unter diefer Thür war nämlich, 
ber Bolfsfage nach, in der Tiefe ein eifernes Frauenbild und an 
beffen Leib und Armen Stacheln, Meifer, Dolche und-andere Mord⸗ 
inftrumente, angebracht, durch einen Fünfllihen Mechanismus 
fonnte das Bild feine Arme fchließen und gegen die Bruft drüfs 
fen, wenn e8 berührt ward. Betrat nun ber Berurtheilte die 
verhängnißvolle Thüre, fo ſank er plöslich hinab in die Tiefe 
und in die ſchaudervolle Umarmung der eifernen Jungfrau, bie 
mächtig ihn an ihr Herz preßte, bis er unter qualvoller Marter 
verblutet hatte. Bor etwa dreißig Jahren fiel das vorwigige 
Schooshündchen einer Dame, die das Gewölbe befah, in diefes 
Berlied. Das Thierchen wurde wieder heraufgeholt, und bei 
biefer Gelegenheit entdeckte man noch Reſte von Gewändern, 
Meflern und einem Rade. Die Deffnung wurbe hierauf zu⸗ 
geworfen. 
(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ (arlerııhe, 1834.) 


Chriſtoph von Baden. 


Zu Baden auf dem Schloffe einft Markgraf Chriftoph ſaß, 
Und Kurt, fein Rampfgenoffe, beim hochgefüllten Glas, 
Das Tießen fie wader kreiſen 
Und fangen gar muntere Weifen. 


Bon guten alten Tagen erzählten fie mancherlei, 
Bon Ritterfpiel und Jagen und Kämpfen fühn und frei; 
Da ſtoͤret ein fernes Schallen 
Die Zecher in den Hallen. 


Trommetienſchall erklinget und muthiger Roſſe Huf, 
Und durch die Lüfte dringet des treuen Wächters Ruf. 
Das iſt ein liebliches Tönen 
Des Krieges tapferen Söhnen. 


. 186 Stadt Bavden und Umgebung. 


„Was wollen die Klänge fagen, ihr Knaben? Wohlauf im 
Flug“ — 
Nief Chriſtoph, — „ſucht's zu erfragen, und meldet's fonder 
Berzug !" 
Und wie fie fih rüftig rühren 
Da öffnen fi die Thüren. 


Es treten über die Schwellen drei Ritter feierlich, 
Drei hohe, flolze Gefellen, die nahten dem Fürften fich 
Und neigten fich big zur Erde 
Mit höfiſcher Geberde. 


Zu Chriſtoph hingewendet, begann der Eine ſtracks: 
„Es grüßt Euch, der uns ſendet, der mächtige Kaiſer Max. 
Wie vormals baut er auf's Neue 
Auf Eure Kraft und Treue. 


„Die mit dem Kaiſer gerechtet, der Kurfürſt und ſein Sohn, 
Die Pfaͤlzer, ſie ſind geächtet, zum wohlverdienten Lohn; 
Schon ſchwebt ob ihrem Haupte 
Die Rache, die fern geglaubte. 


Bon Norden und Süden brechen bie Unſern hervor mit 
Madt, 
Die helfen euch blutig rächen die Seckenheimer Schlacht, 
Und was Ihr verlort an Rechten, 
Und mehr noch, wieder erfechten. 


„Bedenket, wie hart in Banden einft Euer Vater Tag, 
Getrennt von Leut und Landen, am Nedar manden Tag; 
Bedenkt's, und neu erwade 
Im Herzen die alte Rachel” — 


Herr Kurt vernimmt mit Sreuden, was Kaifer Mar begehrt, 
Und zieht aus feiner Scheiden fein Fampfbewährtes Schwert : 
„„Nun kommſt du wieder zu Ehre, 

Du vielgetreue Wehre! 


„„Zu lang fchon mußteft du Tiegen in deiner Scheide träg, 
Nun folft du zu neuen Siegen mir bahnen blutigen Weg, 





Stadt Baden und Umgebung. 187 


Und manchen fühnen Reden 
Auf ewig, barnieder ſtrecken.“ 


Der Markgraf fprach dagegen: „Mit nichten, wadrer Kurt! 
Laßt nur den guten Degen noch friedlich ruh'n am Gurt !” 
Und drauf zu den Gefandten, 

Die vol Erwartung flanden: 


„Wohl ſchätzen Wir das Bertrauen, das. unfer Kaifer Ins 
ſchenkt, 
Der Teutſchlands glückliche Gauen mit weiſem Scepter lenkt; 
Und werben Uns ftets befleißen, 
Uns deffen werth zu erweifen. 


„Treu werden Wir bis zum Grabe ihm dienen mit Wort 
und That, 
Doch wißt, Herr Ritter, ein Schwabe übt nicht am Freunde 
Verrath. 
Daß ihn die Erde verſchlinge, 
Der ſolche That begienge! 


„Wohl lag mein Vater gebunden im Kerker fo manche Stund', 
Wohl biuten die alten Wunden noch tief in Herzens Grund; 
Und werden noch lange quillen, 

Kein Balfam Fann fie ftillen. 


„Wohl Lieben Wir Kampf und Ringen und Schlachten flurm- 
bewegt, | 
Wohl iſt's ein herrliches Klingen, wenn Degen auf Degen 
| ſchlaͤgt, 
Berauſchend Herz und Sinne 
Wie Sang beglückter Minne. 


„Wohl winkt Uns reiche Beute und Sieg nach leichtem 
Streit; 
Doch mehr als Land und Leute bei Uns gilt Ehr' und Eid. 
Was iſt noch feſt auf Erden, 
Wenn die nicht geachtet werden?“ — 


188 Stadt Banden und Umgebung. 


Sp Hang des Fürften Rebe, fie war fein leeres Wort: 
Stets blieb er in Fried’ und Fehde des Freundes getreufler 
| Hort; 
Und Chriſtoph's Kraft und Treue 
Ward hoch geprieſen auf's Neue. 


Eduard Brauer, 


Ludwig von Vaden. 


Spielend mit des Sohnes Locken, 

Seinen Arm um ihren Leib, 

In dem Schall der Abendglocken 
Sitzt er neben ſeinem Weib. 

„In dem ſüßen Abendfrieden 

Blickſt du düſter auf dein Land, 
Dem du dieſes Glück beſchieden, 
Hat es ſich von dir gewandt ?“ — 


„Nimmer meine Seele weiſe 
Nach dem kleinlichen Gebiet, 
Das im engen Zauberkreiſe 
Meine Kraft zuſammenzieht. 
Was ein Auge überblicket, 
Stillet mein Verlangen nicht, 
In die Geiſterwelt entrücket, 
Träum' ich mich in Luſt und Licht. 


„Und auf hoben Thron erhoben, 
Als den Herrn im Heitigthum, 
Dem die Helden ſich geloben, 
Schau ich fehnend nur den Ruhm. 
Sud’ ich Luft in deinen Armen, 
Frieden in des Knaben Blid, 
Ach! ein Armer unter Armen, 
End ich ruhmlos mein Geſchick!“ — 


Und die Gattin geht in Zähren, 
Nimmt den Knaben ſchweigend mit; 





Stadt Baden und Umgebung. 


Doc er fieht fie wiederkehren 

Mit der Freude leichtem Schritt. 
Seinen goldnen Fürflendegen 

Bringt fie ihrer Tiebe Mann, 

Und der Sohn jauchzt ihm entgegen, 
Trägt den Harnifch ihm heran. 


„Was, mein Herz! du dir erwählet, 

Gilt als ein Gebot für mid; 

Lieb’ und Ehre find vermählet, 

Und die Liebe waffnet dich. 

Meine Ehre du, ich warte 

Deiner mit der Siegerfron’, 

Wenn ich, ach! vergebens harrte, 
Wahr’ ich fie für deinen Sohn.” 


Und fie gürtet ihm ben Degen, 
Panzert ihn mit flinfer Hand; 
Unter hellen Trommelfchlägen 
Zieht fein Häuflein aus dem Land. 
Nach des Sultans falfchen Grenzen 
Flattert ihrer Fahne Flug, 

Als der hellfte Stern zu glänzen 
In dem teutfchen Heereszug. 


Seines Eifenarmes Schwere 
Furchet tief im Leichenfeld. 
Sieh, da fpeit die wilden Deere 
Flammend aus die Heidenwelt ! 
Des Propheten Fahne mähet 
Wie ein Sturm die Schaaren hin; 
Den Bezir, von Stolz geblähet, 
Lüſtet's wiederum nad Wien. 


Mer beftehet feine Streiche ? 


Schwache Schaar, wer fehirmt dich noch ? 


Siehft du nicht die junge Eiche? 
Ueber Trümmern fleht fie hoch. 


189 


i90 


Stadt Baden und Umgebung. 


Der von Baden wird dich reiten, 
Er, dein neuer Feldmarſchall; 
Schüttle weg des Schreckens Ketten ! 
Er ift dir ein Hort und Wall. 


Bor des Lagers bunten Streden, 
In der fremden Maffentracht, 
Seht ihr fie die Felder decken? 
An des Zelted Seidenpradt 
Schwingt nun der Bezir den Säbel: 
Seine Haufen ohne Zahl, 
Wie die dichten Winternebel, 
Braußen lärmend aus dem Thal. 


Kleine Schaar du, frifch entgegen ! 
Ordne deine Glieder dicht ! 
Du ſollſt fie zu Boden legen, 
Wie der Strahl den Nebel bricht. 
Deine weißen Reihen rollen 
In ded Heeres Niefenball, 
Langfam erfl, dann ſchnell im vollen 
Fluge, wie des Felſen Tall. 


Wie Die Feinde morbend drüden, 
Immer fefter wird dein Gang, 
Denn dein Marfchall in dem Rüden 
Treibt fie wie des Sturmed Drang. 
Und er bricht durch ihre Glieder, 
Mie aus feinem Bett das Meer, 
Tritt wie Halme Alles nieder, 


- Mit dem Heinen Reiterheer. 


Und er fteht auf Waffentrümmern 
Sm erftürmten Feldherrnzelt; 
Gerne Todtenflagen wimmern 


Vom erſiegten Waffenfeld ; 


Blutige Geftalten wanken 
Zu den Feuern vor der Wacht; 


Stadt Baden und Umgebung. 


Veber den Gefangnen ſchwanken 
Blanke Flinten durch die Nacht. 


Wie die Filienhäupter ſchauen 
Nach des jungen Tages Stern, 
Blühn des Harems fehönfte Frauen 
Knieend um den neuen Herrn; 
Harren, wer ihn fol umfchlingen 
Sn des Lagers weicher Ruh; 
Pfeifen und Trompeten Klingen 
Ihm den March des Sieges zu. 


Was die Wunderblumen bieten, 
Feſſelt nicht den den edlen Sinn; 


Schmachtend nach der Ferne Blüthen 


Träumt fich feine Seele hin: 
Seines Knaben blonde Loden, 
Seined Weibes treue Bruft 
Moöͤcht' er faſſen mit Srohloden 
In des Wiederſehens Luft. 


Und der Sultan bietet Frieden. 
Bon dem mondelangen Strauß 
Hat der Sieger fi) gefchieden, 
Kehrt zu feiner Väter Haus. 
Staunend hält er auf der Brüde 
Seiner Stabt mit feiner Schaar, 
Nimmer ftellt fi ihrem Blicke 
Seiner Väter Wohnung dar. 


Wie des Ruhmes Tempel breitet 
Eich umher ein hohes Schloß; 
Seine Priefterin, fie ſchreitet 
Liebend auf den Helten los, 

Krönt ihn mit dem Siegerfrange, 
Sinft ihm fröhlich in den Arm, 
Bei der Schladhttrophäen Glanze 
In des Volkes Zubelfchwarm. 


191 


192 Stadt Baden und Umgebung. 


„Sieh, Herr, wag wir dir bereitet! 
Zeuch' in deiner Väter Haus | 
Treu von Lieb’ und Ruhm begleitet 
Tächle in dein Land hinaus!” — 
„Ja, der Sieger ift bezwungen 
Bon ber Liebe treuer Hand; 
Was er fuchte, ift errungen, 
Nimm mich auf, mein Vaterland!“ 

Georg Rapp. 


Noch einige Sagen vom alten Schloffe zu 
Baden. 


2. Auf diefer verfallenen Burg hielt fich früher eine außer⸗ 
ordentliche Menge riefenhafter Schlangen auf, deren Köpfe fo 
groß wie die von Raten waren. Bor 60 — 70 Jahren rottete 
man fie dadurch aus, daß man förmlich Jagd auf fie machte, 
wobei man deren fo viel erlegte, daß man fie wagenweife fort- 
ſchaffen mußte. 

2. Zu Anfang diefes Jahrhunderts zog ein Einfiebler, 
welcher feine bisherige Klaufe auf der Yburg wegen des über- 
handnehmenden Geifterfpudes Hatte verlaffen müffen, in ben 
Altbadener Schloßfeller. Zwar fam auch dahin jede Nacht ein 
Geſpenſt mit einem flammenden Keffel, worin es eine Stunde 
lang rührte, Doch ging es dann wieber fort, ohne fih um den Ein- 
fiedler zu befümmern, welcher alfo ruhig auf feinem Mooslager 
liegen bleiben fonnte. Diefer Mann war von großer Frömmig⸗ 
feit, und feine ganze Nahrung beftand nur aus fo wenig Wur- 
zeln und Kräutern, daß er felbft einmal fagte, er lebe von den 
drei Elementen, Feuer, Waffer und Luft. Auf feinem Hute 
trug er einen gläfernen Knopf, der die Eigenfchaft hatte, feinem 
jeweiligen Befiger großes Glück zu bringen. Trog alles Deffen 
duldete die Herrfchaft den Einfiebler nicht Tänger im Schloffe 
und ließ ihn fogar nah Mannheim in Verwahrung bringen.”) 
Dort ift er Tängft geftorben und begraben; fein Leichnam aber 
bis heute noch ohne Spur von Verweſung. 


H Heutzutage würbe man biefen Menſchen, der wahrſcheinlich ein Berrüdter war, ben 
nur die Sage apotbeofirt hat, nad FJllenau fchaffen. 
Arnm. bed Herausg. 





Stapt Baden und Umgebung. 193 


3. Zur Winterszeit kam einft ein Bauer aus Eberflein- 
burg an drei von einander entfernten Tagen auf das alte 
Schloß, wo er fletd im Hauptgang einen alten Mann mit weis 
ßem Barte fisen fand, welcher Brodftüdlein verlas. Jedesmal 
bat er den Bauern, ihm in den Keller zu folgen, was berfelbe. 
die beiden erfien Male zwar that, allein, kaum hineingefommen, 
aus Furcht wieder davon fprang, das dritte Mal aber fi gar 
nicht mehr hinein wagte, worauf ein fo fürchterliches Gekrach 
entfland, daß er über Hals und Kopf davon rannte. 


A. Eine Kräuterfrau von Baden fah eines Mittags um 
zwölf Uhr auf den Felſen hinter dem Schloffe ein weißes Frauen- 
bild mit einem Gebund Schlüffel figen, welches ihr winfte, zu 
ihr herauf zu. fommen. Erfchroden Tief die Frau hinunter in 
bie Stadt und erzählte was fie gefehen, worauf fogleich mehrere 
Leute fi hinauf machten, aber die Geftalt nicht mehr antrafen. 


5. In der Nacht vom Faſtnachtdienſtag auf Afchermittwoch 
ſahen einft einige Bewohner der Dolle die Burg ganz in Feuer 
ftehen, von welchem aber Morgens darauf, als fie nachforſchten, 


feine Spur zu entdeden war. 


(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
„Anzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit.” Jahrg. 1839. S. 174 u. ff.) 


Silbergrube. 


Dieſen Namen führt eine Stelle am ſüdweſtlichen Hange 
des Berges, auf welchem die Ruinen des alten Schloſſes liegen. 
Früher ging der Weg zur Burg dort vorüber. 

Einſt ſoll hier auf Silber gebaut worden ſeyn und der 
Stollen bisweilen reiche Ausbeute gegeben, bisweilen aber auch 
lange gar kein Erz zu Tage gefördert haben, weßhalb der Herr 
der Grube die Arbeiter hart anließ. Als ſie nun wieder ein⸗ 
mal eine reiche Silberader erſchürft hatten, legte der Steiger 
einige ſchwere Stücke bei Seite, in der wohlmeinenden Abſicht, 
den Herrn damit zu einer Zeit zufrieden zu ſtellen, wo die 
Grube nicht fo ergiebig ſeyn würbe. Aber einige übelwollende 
Arbeiter hatien es gefehen und verflagten ihn, als feyen bie 
reihen Erzftufen aus dem Stollen yon ihm entwendet und un? 

I. | 13 


194 Stadt Baden und Umgebung. 


terfchlagen worden. Man fuchte bei ihm nad) und das Silber 
wurbe gefunden. Der Steiger wurbe verhaftet und ihm ber 
Prozeß gemacht. Er mochte feine Unfchuld betheuern, fo viel 
er wollte — alle Bemühungen, feine löbliche Abſicht darzu- 
thun, halfen nichte. Der Schein war nun einmal wider ihn 
und man glaubte ihm nit. Er ward zum Tode verdammt 
und das Urtheil an ihm auf öffentlichem Plate vollzogen. Bevor 
er feinen Hals dem Scharfrichter darbot, rief er noch einmal 
den Himmel als Zeugen feiner Unfhuld an und ſprach: „So 
gewiß der Himmel über meinen Tod weinen wird, fo gewiß 
wird die unfelige Silbergrube binnen Jahr und Tag eingehn, 
fo dag Niemand mehr den Eingang dazu finden mag. — Und 
faum hatte der Scharfrichter dad Haupt vom Rumpfe getrennt, 
fo fiel vom hellen blauen Himmel ein Himmel ein Regen herab. 
Aber ein Jahr nachher, gerad’ am Todestag des Unglüdlichen, 
flürzte die Erzgrube ein und verſchüttete die drei Bergleute, 
welche ihren Kameraden verrathen hatten. Tros aller ange- 
wandten Mühe vermochte man den Stollen nicht mehr aufzu- 
finden, und fo liegt er verfchüttet bis auf den heutigen Tag. 
Aloys Schreiber. 
(Vergl. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1834.) 


Der Hungerberg. 


Hinter dem Schloßgarten in Baden, oberhalb des Tür- 
kenwegs, zieht ſich der Abhang eines Hügels hin, welcher ge- 
wöhnlih der Hungerberg genannt wird. Den Namen bat er in 
Bezug auf einen frifchen Haren Bergqueli erhalten, der zwifchen 
ben Tannen und Buchen des Waldes herabrauſcht. Fließt 
biefe Duelle in der Adventszeit ſtark und voll, fo foll e8 ein 
gefegnetes und fruchtbares Jahr anzeigen, ift fie aber um dieſe 
Zeit ſchwach und hat wenig Waller, fo bedeutet ed Mißwachs 
im nächſten Jahr, Theuerung und Hungersnoth. Bor Zeiten 
glaubte man feft an die Vorzeichen diefer Duelle, der man den 
Namen Hungerquelle gab, und Mande richteten ſich mit ihren 
Verkäufen und Vorräthen darnadh. est hat ſich dieſer Glauben 


Stadt Baden und Umgebung. 195 


ziemlich verloren und nur fehr bejahrte Leute der Gegend wiffen 


noch davon zu erzählen. 
(Siehe „Sagen aus Baden und ber Umgegend. Karlsruhe, 1834.) 


Das Kreuz auf dem Friedhofe. 


Markgraf Kart hatte um bas Jahr 1462 mit einigen geift« 
lihen und weltlichen Fürften einen. Bund gefchloffen gegen die 
heilichen weftphälifchen Gerichte, obgleich unter feinen eigenen Rä⸗ 
then fih einige Wiffende befanden, wovon er jedoch nichts ahnte. 
Da fand man eines Morgens an dem Thore des Schloffes zu Ba⸗ 
ben einen Brief angefchlagen, worin Markgraf Karl vor ben 
heimlichen Richterftuhl zu Walldorf vorgeladen wurbe. Darob 
entfiund bei Hof und in der Stadt große Bewegung und man 
forfchte fireng nach dem Thäter. Unter Andern wurde auch ein 
Fremder eingezogen, der fich des Nachts aus feiner Herberge 
heimlich entfernt hatte und erft gegen Morgen wieder dahin 
zurüdgefehrt war. Diefer fagte im Verhör aus, er fey ein 
reifender Bildhauer, Meiſter Niklas mit Namen, und es 
wandle ihn manchmal des Nachts die Luft an, im Freien um⸗ 
ber zu fehweifen und feinen Gedanken nachzuhängen. Diesmal 
fey er, ohne zu wiflen wie, auf den Kirchhof gefommen, wo er 
unter dem Oelberg eine Slamme in Geftalt eines Kreuzes vom 
Boden auffteigen gefehn, worauf er alsbald gelobt habe, ein 
fleinernes Kreuz zu verfertigen und ed an diefem Plate auf- 
zurichten. 

Der Markgraf maß diefer Ausjage wenig Olauben bei; ba 
er aber im Begriff fland, zu dem unglüdlichen Zuge gegen den 
Pfalzgrafen Friedrich V. abzureifen, fo befahl er, dem Gefan⸗ 
genen einen Stein, wie er ihn verlangen werde, und Werkzeuge 
zu geben, damit er das Kreuz beginnen und vollenden könne. 
Sollte derfelbe aber damit nicht zu Stande kommen, ſo erwarte 
ihn der Tod durch den Strick. 

Der Mann legte Hand an das Werk und es gelang ihm 
wunderbar. AS der Markgraf ſpäter aus feiner Gefangen⸗ 
haft zurüdfehrte und das herrliche Werk fah, fand er an dem⸗ 
felden großen Wohlgefallen und ließ es auf dem Friedhof aur- 

13° 





196 Stadt Baden und Umgebung. 


ftellen; dem Meiſter Niklas aber: fchenfte er die Freiheit und 
behielt ihn in feinen Dienften, obgleich er ſich niemals überzeus 
gen mochte, daß derfelbe nicht als Frohn im Dienfte der heili⸗ 
gen Behme geftanden. Wahrfcheinlich Hatte man den Darfgrafen 
nur abfchreden wollen, noch ferner gegen jene ©erichte mit 
Ernft einzufchreiten. 

Noch jest ift Diefes Kreuz eine Zierde des Badener Fried- 
Hofes und erregt durch feine funftvolle Arbeit die Bewunderung 
des Kenners. Es trägt die Infchrift: Nikolaus von Leyden, 
mit der Jahrzahl 1462; auch ein Wappen iſt Dabei angebracht. 


(Siehe „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1894.) 


Das Kreuz auf dem Friedhofe. 


(Andere Berfion.) 


Auflodert des Gewiſſens Dual — 
Die Jungfrau fanf getöbtet ! 
Es hat die Eiferfucht den Stahl 
In ihrem Blut geröthet! 
Da fehleift der Henker fchon das Schwert, 
Der Künftler ringt die Hände: 
„Des Lebens bin ich nimmer werth, 
Wenn ich nur Frieden fände!” 


Sein Blut ift flarr, die Stimme bricht, 
Nicht Thränen können rinnenz — 
Sieh — plöglich zuckt ein ſeltnes Licht 
Durch gräßlich düſtres Sinnen; 
Wie milder Thau ihm aufs Herz 
Der Ruhe füße Labe, 
Getröftet blickt er himmelwerts, 
Lächelnd nach feinem Grabe. 


Und ale des andern Morgens fam 
Der Kerfermeifter frühe, 
Des Mannes Hand der Jüngling nahm: 
„Gott lohnt Euch einft die Mühe! 





Stapt Baden und Umgebung, 


Ind Schloß Hin zu dem Fürſten geht! 
Hat er mic) einft geehret, 

Sein edler Sinn, der ftetö befteht, 
Die Bitte mir gewähret. 


„Ich fordre ja mein Leben nicht, 
Nur meiner Seele Frieden; 
Bevor mein fterbend Auge bricht, 
Sey mir die Friſt befchieden, 
Ein Bild zu fchaffen noch, — mir if, 
Als ſollt's mein beftes werben; 
Das hehre Bild, wie Jeſus Chriſt 
Einft flarb fürs Heil der Erden.” 


Der alte Schließer weinend geht, 
Der Fürſt erhört die Bitte, 
Ein hohes Felfenftüde ſteht 
Bald in des Kerfers Mitte; 
Am Stein der Meifter nieberfniet 
Mit Meißel und mit Hammer, 
Ein heil'ger Drang die Bruft durchglüht, 
Zum Tempel wird die Kammer. 


Drauf täglich bis zum Dämmerfchein 
Sieht frifch man ihn ſich regen, 
Der Meißel brennt, ed klirrt der Stein 
Bon feinen Fräft’gen Schlägen ; 
„O friebenfel’ges Wunderbild, 
Im Felſen hier verborgen, 
Bald ſtehſt du da, verkläreſt mild 
Dann meinen letzten Morgen!“ 


Wie rinnt der Schweiß die Stirn herab! 
Da ſinken Schuld und Fehle, 
Als trieb auch ſie ſein Meißel ab, 
Gleich Schlacken von der Seele; 
Was unerkannt im Buſen lag, 
Fühlt mächtig er erſtehen, 


197 


198 


Stadt Baden und Umgebung. 


Des höchſten Friedens Weihetag 
Erbluͤht in Chrifti Nähen. — 


Und als nad raſchen Monden war 
Das Bild der Schmerzen fertig, 

Froh Füßt er’s, aller Sünde baar, 
Des nahen Tods gewärtig. 

Jetzt drängt ſich's durch die Kerferthür, 
Ss, ihn zum Grab zu leiten? 

Da fieht an feinem Werk herfür 

Den Fürften felbft er ſchreiten. 


Wohl alle Blide find gewandt 
Dewundernd nad) dem Bilde, 
Doch Markgraf Karl reicht feine Hand 
Dem Künftler voller Milde: 
„Der jüngft verübt die blut'ge That, 
Lag fhon in Todesbanden, 
Dod Der folh Bild gefchaffen bat, 
Den heiß' ich auferflanden. 


„Drum wo in foldhes Himmelslicht 
Ein Geift ſich durft' erheben, 
Tödt' ich den ird'ſchen Leib auch nit, — 
Nimm frei zurüd dein Leben !« 
Lang ſchweigt der Jüngling, es entquillt 
Dem Aug’ der Rührung Zähre, 


Dann blidt voll Demuth er zum Bild: 


„Dem Mittler dort die Ehre!“ 


Weit drang des großen Meifters Ruf; 
Sn nah und ferne Gauen 
Manch herrlich Werk der Künftler fchuf, 
Das heute noch zu fihauen; 
Doc Feines hebt fich bis zu bir, 
Umfpielt von heil’gem Strahle, 
D Kreuz, du ernfte Friedhofszier, 


In Badens Wunderthale! 
Buftao Muhl. 
(3u Straßburg.) 





Stadt Baden und Umgebung. 198 


Keller’3 Bild und Kreuz. 


Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verließ Markgraf Chri⸗ 
ftoph bie alte Stammburg feiner Ahnen und bezog das neue 
Schloß, welches er auf dem Hügel, dicht über der Stadt Ba- 
den, ſich erbaut hatte. Auf der alten Burg aber, deren Trüms 
mer wir hoch aus dem Bergwalde ragen ſehen, blieb feine 
Mutter zurüd mit zwei Hoffräulein, einem jungen Edelmann 
. and der nöthigen Dienerfchaft und Schloßwadhe. Der Junker, 
aus dem Gefchlechte der Freiberen von Keller, befaß alle 
Vorzüge, um fich Teicht die Gunft.der Frauen zu erwerben, 
wenn gleich feine Sitten ziemlich Iocder waren. Bor allen Da⸗ 
men aber hatte die reigende Klara von Tiefenau fein Herz mit 
den fefteften Banden umftridt; im Haufe ihres Vaters, der ald 
marfgräflicher Bogt in Ruppenheim lebte, weldhes damals 
noch eine Stadt mit Gräben, Mauern und Thürmen war, hatte 
fih diefe Befanntfchaft entfponnen. in bequemer Weg, von 
dem jest noch die Spuren fichtbar find, führte vom alten Ba⸗ 
dener Schloffe nach Ruppenheim Durch einen dichten Wald und 
unfer Junfer machte täglich, unter dem Vorwande ber Jagd, 
in den Morgen = oder fpäten Abendftunden diefen Spaziergang, 
um die Dame feines Herzens wenigftend auf Augenblide zu 
feben. 

AS er einft beim hellen Bollmondfchein von dort zurüd 
wieder hbeimwanbelte und das Horn bes Burgwächters eben 
Mitternacht verfündete, kam es ihm plöglich vor, ale fige, we⸗ 
nige Schritte nur von ihm, am Wege eine weibliche Geftalt, in 
einen Schleier gehült. Wie gewöhnlich abenteuerluftig, fchritt 
der innge Mann fe auf die Erfcheinung zu. Allein je näher 
er derfelben Fam, defto unbeflimmter wurden ihre Umriffe, mehr 
und. mehr in Nebelduft verfhwimmend und endlich ganz vers 
fhwindend, ale er die Hand nad ihr ausftredte. Jetzt wandelte 
ihn doch ein leifes Grauen an; da er aber beherzt und leicht» 
finnig genug war, ging er, vor der Hand die Sache nur ale 
ein Trugbild feiner Fantafie betracdhtend, am folgenden Abend 
wieder an berfelben Stelle vorbei, um barüber ganz ins Klare 
zu fommen. Die Geftalt faß, wie geflern, wieder auf dem 
nämlichen Rafenpläschen, nur hatte fie jegt den Schleier zurück⸗ 


900 Stadt Baden und Umgebung. 


geichlagen und das von einer Fülle dunkler Loden ummwallte 
Haupt auf die Hand geftüßt. Der Junker ftuste einen Augen- 
blick, trat aber dann, über feine Bedenklichkeit fich felbft inner- 
lich ſcheltend, mit ritterfihem Gruße auf die Dame zu, doch 
fiehe da! fie zerfloß, wie geftern, in einen lichten Nebelftreif. 

Tags darauf theilte der Junker von Keller das Abenteuer 
dem Burgfaftellan, einem klugen bejahrten Manne, mit und 
erfuhr von ihm: auf der Stelle, wo das Bilb ſich gezeigt, habe 
vor alter Zeit ein heibnifcher Tempel geflanden, daher dieſe 
Stätte beim Bolfe verrufen fey' und Niemand aus der Umge⸗ 
gend es wage, Nachts dort vorüber zu gehen. 

Der Junker gehörte weder zu den Leicht- noch zu den Aber⸗ 
gläubigen; was ihm ber Kaſtellan mitgetheilt hatte, reizte jedoch 
feine Neugier auf eine andere Weife. Gleich des andern Tages 
ließ er an der geheimnißvollen Stelle nachgraben und bald fand 
man einen Fleinen, zierlihen, noch wohlerhaltenen altrömifchen 
Altar, der, nach feiner Iateinifchen Infchrift, der Nymphe dieſes 
Hains geheiligt war, und einige Schuh tiefer eine Marmorbüfte, 
Die Arme und der Theil des Körpers von der Bruſt abwerts 
fehlten und fchienen einft abfichtlih abgefchlagen worden zu 
feyn; dagegen fonnte man feinen vollendet ſchöneren Mädchen- 
fopf und Naden fehen. Der erfle Frühlingstraum des Lebens 
fhien um Stirn und Augen zu fpielenz; ein Schleier umhüllte 
nur einen Fleinen Theil der üppigen Locken, die zum jugendlich 
fchwellenden Bufen niederringelten. Der Junker ließ den Altar, 
fo wie das Marmorbild, auf dem Platz aufftelen, wo fie aus⸗ 
gegraben worden, und fo entfland der Name: Kellers Bilb. 

In der Bruft des Jünglings hatte jedoch bie reizende Mar- 
mornymphe wahnfinniger Liebe Flammen angefhürt und er 
vermochte trotz alles Unheimlichen und Gefpenfterhaften, welches 
die Erfeheinung im Walde ummwoben, fein Herz nimmer länger 
zu meiftern, fondern wandelte bald darauf um die Mitternadht- 
flunde, als gerade der Mond jene Stelle wieder beleuchtete, zu 
dem Bildniffe. Da faß die jungfräuliche Geftalt am Fuße des 
Altar, biefelbe, die er ſchon zweimal gefehen. Aber diesmal 
Löfte fie fi nicht, wie fonft, in Nebel auf; ihre Umriffe traten 
vielmehr immer deutlicher ins Licht, je näher ihr unſer Aben⸗ 
teurer kam. 


Stadt Baden und Umgebung. 290 


Ein beherzter Knecht aus der Burg war ihm aus Neugier 
insgeheim nachgeſchlichen und blieb nun in einiger Entfernung 
fiehen. Er ſah und hörte, wie der Junker mit der Jungfrau 
ein Geſpräch anfnüpfte, aber als fie derſelbe gar nun in feine 
Arme fchloß, da wandelte den Lauſcher ein ſolches Grauen an, 
daß er eiligft nach der Burg zurüdflop. 

Am Morgen darauf fand man den Junker von Keller tobt 
am: Fuße des Altared liegen; das Marmorbild felbft war und 
blieb verſchwunden. Kellers Bruder lieg den Altar in Trüm- 
mer fohlagen und an deſſen Stelle einen Bildflod mit den Sym⸗ 
bolen der Erlöfung aufrichten; auf dem Punfte aber, wo der 
Leichnam des unglüclichen Bethörten gefunden worden, ein 
fteinernes Kreuz. Beide Denfmale ftehen noch am alten Wege, 
der vom alten Schloß Baden nach Kuppenheim führt. 


(Bergl. A. Schreibers „Sagen aus ten Nheingegenden und dem Schwarz⸗ 
walde.” Neue Sammlung. Heidelberg, 1839.) 


Keller’3 Bild. 


(Metrifhe Faſſung derſelben Sage.) 


Es Tag ein altes Nymphenbild 
Im Tannenforft begraben, 
Wo vormals Heiden grimm und wilb 
Mit Blut geopfert haben. 


Es Tag in feinem Waldverfted 
Wohl taufend Jahr vergeflen, 
Bis diefen Schag ein Junfer Ted 
Zu beben ſich vermeffen. 


Einft ritt Herr Keller dur den Wald 
Sn fpäter Nacht alleine; 
Da winkt ihm eine Srau’ngeftalt 
Am Weg im Mondenfcheine. 


hr Auge fühn und minneflar 
Hat ſchnell fein Herz umfponnen, 
Doch bot er Hand und Gruß ihr dar, — 
Schnell war das Bild zerronnen. 


202 


Stadt Baden und Umgebung. 


Durdforfchen Tieß er prob den Pas, 
Wo ihn der Schein betrogen, 
Biel Klafter tief, fo warb der Schatz 
Zum Licht emporgezogen. 


Und als das fhöne Nymphenbild 
Nun prang! an jener Stätte, 
Da ſchien fein Sehnfuchtstraum geſtillt, 
Als ob es Odem hätte. 


Man fah ihn ſtill um Mitternacht 
Das holde Weib umfangen, 
Es hielt, vom Marmortob erwacht, 
Ihn feſt mit Gluthverlangen. 


Das hat kein ſterblich Ohr belauſcht, 
Was Die zuſammen koſ'ten, 
Die Tannen krachten ſturmdurchrauſcht, 
Des Berges Duellen toſ'ten. 


Und als des Frühthau’s erſtes Naß 
Den Jäger rief zum Haine, 
Da lag Herr Keller marmorblaß, 
Ein Leichnam, bei dem Steine. 


Drob war im Thal der Dos und Murg 
Biel Leids und ängſtlich Wefen, - 
Man ließ zu Baden auf der Burg 
Dem Junker Meffen Iefen. 


Zerfhlagen war dad Marmorweib, 
Der Höllenfpud vernichtet, 
Und an dem Ort zum Fluchvertreib 
Ein Kreuzbild aufgerichtet. 


Eduarb Brauer. 





Stadt Baden und Imgebung. 203 


Der Lindenfchmidt. 


Es iſt nicht lange, feit ed geſchah, 
Daß man den Lindenſchmidt reiten ſah 
Auf einem hohen Roſſe. 

Er reitet den Rheinſtrom auf und ab, 
Hat ſein gar wohl genoſſen, ja genoſſen. 


„Friſch her, ihr lieben Geſellen mein! 


Es muß ſich nur gewaget ſeyn, 


Wagen das thut gewinnen. 
Wir wollen reiten Tag und Nacht, 
Bis wir die Beut gewinnen.“ 


Dem Markgrafen von Baden kam neue Mähr', 
Wie man ihm ins Geleit gefallen wär, 
Das thät ihn ſehr verdrießen, 
Wie bald er Junkern Kaspar ſchrieb: 
Er ſollt ihm ein Reislein dienen. 


Junker Kaſpar zog dem Bäuerlein ein Kappen an, 
Er ſchickt ihn allezeit vorne dran, 
Wohl auf die freie Straßen, 
Ob er den edlen Lindenſchmidt fand, 
Denſelben ſollt' er verrathen. 


Das Bäuerlein ſchiffet über den Rhein, 
Es kehrt zu Frankenthal im Wirthshaus ein: 
„Wirth, haben wir nichts zu eſſen? 

Es kommen drei Wagen, ſind wohl beladen, 
Von Frankfurt aus der Meſſen.“ 


Der Wirth, der ſprach dem Bäuerlein zu: 
„Ja Wein und Brod hab' ich genug! 
Im Stalle da ſtehn drei Roſſe, 
Die ſind des edlen Lindenſchmidts, 
Er nährt ſich auf freier Straßen.” 


Das Bäuerlein gedacht in feinem Muth: 
Die Sache wird noch werden gut, 


Den Feind hab’ ich vernommen. 





204 


Stadt Baden und Umgebung. 


Wie bald er Junkern Kaspar fchrieb, 
Daß er follt’ eilends fommen. 


Der Lindenfchmidt, der hätt’ einen Sohn, 
Der follt’ den Roffen das Futter thun, 
Den Haber thät’ er fehwingen: 

„Steht auf, berzliebfter Vater mein! 
Sch hör’ die Harniſch' Klingen!“ 


Der Lindenfohmidt lag hinterm Tiſch und fehlief, 
Der Sohn, der thät fo manchen Rief, (Ruf) 
Der Schlaf hat ihn bezwungen; 

„Steht auf, herzliebfter Vater mein! 
Der Berräther ift fchon gekommen.” 


Junker Kaspar zu der Stuben eintrat, 
Der Lindenfchmidt von Herzen fehr erſchrack: 
„Lindenſchmidt, gib Dich gefangen! 

Zu Baden an dem Galgen hoch 
Daran fo folft du bangen.” 


Der Lindenfchmidt war ein freier Reiterömann, 
Wie bald er zu der Klingen fprang: 
„Bir wollen erft ritterlich fechten!“ 
Es waren der Bluthund’ al fo viel, 
Sie fihlugen ihn zu der Erben. 


„Kann und mag es dann nicht anders feyn, 
Sp bit? ih um den Tiebften Sohne mein, 
Auch um meinen Neiterdjungen; 

Haben fie Jemanden Leids gethan, 
Dazu hab’ ich fie gezwungen.‘ 


Junker Kaspar, der fprach nein dazu: 
„Das Kalb mnß entgelten der Kub, 
Es foll dir nicht gelingen! 
Zu Baden, in der werthen Stadt, 
Muß ihm fein Haupt abfpringen. 





® 
Stadt Baden und Umgebung. 205 


Sie wurden alle Drei nad Baden gebracht, 
Sie faßen nicht länger denn eine Nacht; 
Wohl zu derfelbigen Stunde, 

Da warb der Lindenſchmidt gericht, 


Sein Sohn und der Reitersiunge, ja Junge. 
(Altes Volkslied.) 


Der verfunktene Wagen. 


An der Badener Antiquitätenhalle ift unter Anderen ein 
römifcher Grabftein aufgeftellt, dem Andenken des Lucius 
Aemilius Crescens geweiht; auf der untern Hälfte des 
Steines ift ein Wagen mit Pferden eingehauen. Diefe Platte 
war früher in einer Mauer des ehemaligen Kapuzinerflofters 
(des jegigen Gafthaufes zum Badifchen Hof) angebradt, und 
die Auslegungsfunft irgend eines Mönches belehrte das Teicht- 
gläubige Volk mit folgender Gefchichte: Die Bewohner des 
alten Badener Schloffes führten einft vor Zeiten ein gar hof⸗ 
färtiges und ärgerliches Leben, indem fie flets in Saus und 
Braus von ihrem Reichthum ſchwelgten. In ihrem Ueber⸗ 
muthe hatten fie von der Burg bie zum Kapuzinerflofter herab 
mit großen Koften einen unterirbifhen Gang bauen laſſen,. 
fo hoch und breit, daß man mit Pferden und Wagen darin 
bequem zu Thale fahren konnte. inftmald waren mehrere 
Ritter auch auf diefem Wege zur Stadt herunter gelommen und 
fuhren an der offenen Kirchenthüre vorbei, als eben der Priefter 
bei einem feierlichen Hochamt das hochwürbigfte Gut des Abend» 
mahles austheilte. Unbefümmert darum Tiefen die Edelherren 
ihren Wagen vorüberrollen, ohne nur einen Augenblid anzuhal- 
ten, um dem Allerheiligften ihre Verehrung zu bezeugen. Allein 
die Strafe folgte diefem Vergehen auf dem Fuße nad. Plötzlich 
öffnete fih die Erde, Roß und Wagen mit fammt den Frevlern in 
ihre Tiefe verfeälingend, und zum warnenden Gedächtniß dieſes 
Borfalls ward der Wagen an einer Mauer des Kloſters abgebildet. 

Nicht fehr abweichend von obiger Sage iſt die folgende, de⸗ 
ren Stoff aus Mone's „Anzeiger“ gezogen ifl. 


® 
206 Stadt Baden und Umgebung. 


Sp fährt man zum Teufel. 


Alldort bei der Kirche der Kapuziner 
Fahrt der Graf in der Kutfche mit feinem Diener. 


Das Glöcklein zur heiligen Wandlung fehallt, 
Der fromme Knecht ruft: „Rutfcher halt! 


„Halt' an zu Ehren Jefu Chrift, 
Bis die heilige Wandlung vorüber ift !” 


Da fchreit der Graf: „Schweig, Efel du! 
Kutfcher, fahr? zu, fahr? dem Teufel zu!“ 


Dem Grafen faum dies Wort entwich, 
Sp öffnet der Kutſche Boden fi, 


Und unter ihr der Erde Grund 
Und fchlingt hinab den Läftermund. 
u A. Schale. 


Ein Sefpenft lieſt Meſſe. 


In die Stiftskirche zu Baden war ein Mann, den ber 
Schlaf während des Abendgottesdienftes überwältigt Hatte, ein- 
geichloffen worden. Er erwachte erfi um Mitternacht und fah, 
beim Schimmer der ewigen Lampe, wie ein gefpenftiger Priefter 
im Meßgewand aus der Safriftet an den Altar trat und ſich 
anſchickte, Meffe zu leſen. Als das Gefpenft fich umwendete, 
die heilige Handlung zu beginnen, ward es den Mann gewahr 
und winkte ihm, zum Meßdienen herbei zu kommen. Diefer 
aber, voll Angft, ging nicht von feinem Plage, worauf der Geift 
die Mefie ohne einen Diener hielt und nach deren Beendigung 
in die Safriftei zurüdfehrte. Am andern Tag erzählte ber 
Mann das Gefchehene feinem Dienftherren, der ihm rieth, die 
folgende Nacht abermals in der Kirche zu bleiben und dem 
etwaigen Begehren des Gefpenftes zu willfahren. Der Mann 
folgte dem Rath und ging, nachdem ihm um Mitternacht ders 
felbe Priefter wieder gewinkt hatte, getroft zum Altar und bes 


Stapt Baden und Umgebung. 207 


diente die Meffe, wie es fich gehört. Als diefe zu Ende war, 
ſprach der Geift: „Gott und dir fey Dank für meine Erlöfung, 
worauf ich fehon viele Jahre harre! Weil ich bei meinen Leb⸗ 
zeiten einmal in biefer Kirche ohne einen Diener Meſſe gelefen, 
warb ich nach meinem Tode verurtheilt, fo Tange bier umzuges 
ben, bis Jemand mir Meſſe dienen würde, Du haft diefes nun 
gethan und ich gehe jet ein in bes Heren Freude, wo ich deiner 
nicht vergeffen werde !” 
Hierauf verfchwand der Priefter, der Mann aber Hard nah 
drei Tagen, 
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” 3, Jahrg. S. 35.) 


Das Neh im Steinwäldchen. 


Ein SYüngling ging zu jagen 
Mit feinem Hund allein, 
Als es begann zu tagen, 
Tief in den Wald hinein, 


Da rafchelt’s in den Eichen, 
Borüber fliegt ein Reh, 
An Weiße zu vergleichen 
Dem frifchgefallnen Schnee. 


Und Hufh! mit Windesfchnelle 
Folgt Jägersmann und Hund, 
Dis es an einer Duelle 
Saft trugig ſtille ſtund. 


Doch, wie gelähmt die Glieder, 
Der Jäger inne hält, 
Und auf den Boden nieder 
Ihm Pfeil und Bogen fällt. 


Denn an des Brünnleing Rande 
Im friſchen, fühlen Gras, 
Im filbernen Gewande, 
Die fhönfte Jungfrau faß. 


208 Stadt Baden und Umgebung. 


Die fchlanfe Hindin firedet 
Sich ihr zur Seite hin, 
Und fchmeichelt ihr und Yedet 
Die Hand der Schüberin. 


Die Dogge fihmiegt füch zitternd 
An ihres Herren Fuß, 
Ein höhres Wefen witternd, 
Dem fie fih beugen muß. 


Die Maid, mit fanfter Frage 
‚Sieht nun den Jäger an: 
„Was hat, o SJüngling, fage, 
Dir diefes Thier gethan ?” 


Der Waidmann bebt und wendet 
Beſchämt die Blide ab, 
Bom Sonnenglanz geblendet 
Der ihr Geſicht umgab. 


Und als er wieder fehauet, 
Da ift Die Stätte leer; 
Der Süngling flieht, ihm grauet, 
Er jaget niemald mehr. 


Doch immer zieht's ihn, immer 
An diefen Ort zurüd, 
Die Jungfrau fieht er nimmer, — 


Verſchwunden ift fein Glück. 
A. Schale. 


Die Sage vom Baldreit, 


Der Name Baldreit rührt von einem erlauchten Kurgafte 
ber, der einft, gichtbrüchig in einer Sänfte ins Bad gefommen, 
unvermuthet bald von dannen geritten ifl. Früh Morgens vor 
Sonnenaufgang ift der Fürft (ein Pfälzer) friſch und fröhlich 
erwacht, ohne Schmerz und Weh; da hat er feine, gleichfam 
- neugebornen Gliedmaßen in fein Feſtgewand gehüllt, iſt leiſen 








Stapt Baden und Umgebung. 209 


Tritted in den Stall gegangen, um fein Lieblingsroß zu fatteln, 
und wie er, dem Knechte rufend, das vor Luft laut wiehernde 
und ftampfende Thier in den Hof zieht, um aufzufigen, da er- 
wachen Wirthsleute und Gäfte. Schon hat der Fürft, der geftern 
noch am Krüdenftod einberhinkte, den linken Fuß im Bügel: 
der Wirth macht am Fenſter in feiner Schlafftube ein fo ver- 
bfüfftes Geſicht, ald nur je einer feines Gleichen gemacht haben 
mag; die Wirthin bezeigt ihm von hinterrüds ihren Unwillen, 
daß er das Auffiehen des hohen Gaſtes verſchlief; der Haus⸗ 
knecht aber kann nicht fehnell genug die Thorflügel aufreißen, 
denn im nächſten Augenblid wird der freifame Reitersmann in 
rafhem Schwung auf dem muthigen Roß fisen, und dann ift 
fein Halt mehr, fondern fort geht es, und des Herrn fräftige 
Stimme gehört dazu, daß nicht unter dem Getöfe fein Tachendes 
Wort: „Wie bald reit' ich doch!” verhalle. Nur die erfte und 
bie zwei legten Silben wurden nicht gehört, und bie Herberge 
heißt ſeitdem zum Baldreit; doch Fehren Tängft ſchon feine Für- 
fien und Herren mehr darinnen ein, und von allem Glanz blieb 
nur der Namen übrig, der, nebenbei bemerkt, im Munde bes 
Bolfes fehr häufig „Baldreich” Yautet, was für ein Armenbab 
fpaßhaft genug Hingt, Wenn jedes Gafthaus in Baden den 
Namen davon führte, daß ein Gaſt unvermuthet ſchnell fih auf 
und davon gemacht hat, dann gäb’ es feinen Hof und feinen 
Schild mehr, fondern überall die Auffchrift: zum Baldfahr oder 
Baldlauf; aber beim Baldreit war eben das Wunderbare, daß 
der Gaft durchgegangen ift, und dennoch feine Zeche bezahlt Hat. 


(Karlsruher Zeitungs-Eorrefp, vom 1. Juli 1845.) 


Fremersberg. 


Der Teufel iſt ein eigner Degen; 
Einſt wollt’ er auch, wie große Herrn, 
Der füßen Frühlingsruhe pflegen 
Auf einem Berg, der Hölle fern. 
Bald war der Luſtſitz auserforen : 
Ein fhmudes Schloß mit Thurm und Schanz', 
I. 14 


210 


Stadt Baden und Umgebung. 


Das ſah mit feinen hohen Thoren 

So recht in's Herz des Schwahenlandg, 
Und rings ein Wall von grünen Bäumen, 
Durchſchallt von friſchem Droſſelſchlag, — 
Biel? tauſend Blumen in den Räumen — 
Es war ein Pläschen, wies in Träumen 
Das Herz fih gern erichaffen mag. 


Bald war der Hofftaat ganz bequemlich 
Im alten Schloffe einquartiert. 
Dem Teufelspad gefiels vornehmlich, 
Und Jeder lebte ungenirt. 
Mer nennt fie Alle, die da Tamen, 
Die Herren mit und ohne Namen?. 
Die Fürftlein und die Excellenzen, 
Die Hochgeöhrten mit den Schwänzen, 
Die Dirnen mit entlaubten Kränzen, 
Die Herrin Magifter und Dipiomaten, 
Die Herrn Minifter und Magiftraten, 
Und al den under von Teufelägnaden? 
Wer kennt fie alle die Fleinen Fräckchen, 
Wer kennt fie alle die kleinen Geckchen, 
Die Dummen und die Schlauffugen, 
Sammt Denen, bie ald Sündenfledchen 
Noch die Tonfur zur Schau trugen? 


Da war ein Jubel fonder Ende, 
Und jede Nacht zum Tag erhellt; 
Es war, als hätten Geifterhände 
Des alten Broden Felfenwände 
Im Schwabentande aufgeftellt. 

Die rothen Feuergarben flogen 
Derfengend in das Thal hinein, 

Die Sterne felbit am Himmelsbogen 
Erglühten in dem Höllenfchein. 
Schwarzgraue Katzenweiber boden 
Miauend an der dunfeln Glut, 

Des Teufels Mutter dreht am Rocken 


Stadt Baden und Umgebung. 


Die glüh’nden Fäden mit Frohlocken 
Und fingt ein Sprüchlein wohlgemuth. 
Rothaugige Tenfelsbivnen Tefon 

Im dichten Walde Reifig auf, 

Die Einen binden sen zu Befen, 

Die Andern ſchneiden Fragen drauf; 
Denn auf dem Befen, wie ‚befannt, 
Macht gern der Herr den Ritt in’s Land. 
Hui, welche Luft, wenn ſolch ein Pferd 
Mit Pruhſten in die Lüfte fährt, 

Did es, von einem Stern entzündet, 
Als glüh'nde Aſch' im AL verfchwindet, 
Und man den Reiter mit tollen Fragen 
Kopfüber fieht zur Erde plagen! 

So geht es, bis der Morgenftrahl 

Ein Ziel dem tollen Spuke ſetzt. 

Was Wunder, dag das Volk im Thal 
Ob folhem Graus, ob folder Dual, 
Im tiefften Herzen fich entſetzt? 

Da ward berathen und gefonnen: 
„Wie wenden wir’s zu diefer Frift ? 
Derfieget ift der Segensbronnen, 

Was wir gewonnen, iſt zerronnen, 
Die Hölle hält ung ringe umfponneu, 
Hilf ung, Marie! Hilf, Jeſu Chriſt!“ 


Und fieh! da warb zu guter Stunde 
Ein gutes Wort in’d Werk gefest: 
Ein FKirchlein bau'n fie auf dem Grunde, 
Wo ſich die Hölle müd' gehebt; 
Ha, wie die Kuppel glänzt und loht 
Im Morgen- und im Abendroth ! 
Und aus dem Thale ziehn die Schaaren 
Mit baarem Haupt den Berg hinan, 
Boran ein Greis mit Silberhaaren, 
Ein Priefier, feſtlich angethan; 
Zwei Knaben, Kreuze tragend, fihreiten 
Sm weißen Shorhemd ihm zur Seiten. — 

14* 


211 


212 Stadt Baden und Umgebung. 


Der Teufel lauſcht im nahen Hag, 

Und eh’ er ahnt, was fommen mag, 
Iſt er, durch Kreuzeöfraft, zu Hand 
Tief in die Thalfchlucht ſchon gebannt. 
Horch, wie er ächzt! ihn drückt die Laſt, 
Ihn drückt der Fluch zu Boden fa. — 
Und fieh’! da kehrt zur felben Stunde 
Ein neuer, fehöner Frühling ein; 

Es Tenzt und ſchwillt in jedem Grunde, 
Die Blumen wuchern in die Runde, 
Und Nachtigallen ſchlagen drein. 


Und ſteht ihr auf des Schloffes Wall 
Und fpäht hinab ing grüne Thal, 
Wo fih, in hoher Berge Mitten, 
Die Bänme ihrer Frucht entfchütten, 
Sp hört ihr wohl ein ängftlih Klagen 
Dumpf an bie Selfenwände fohlagen; 
Den Sturmwind, meint ihr? — Wollt erlauben: 


Das ift des Teufels Racefchnauben. 
| Friedrich Dtte (Zetter) 
(zu Mühlhauſen im Elfaß). 


Der Ahornbaum. 


Am Abhange des Fremersberges bei Baden lag einſt die 
Altenburg, von welcher Alles verſchwunden iſt bis auf ihren 
Namen. Zur Zeit, als noch einige Ruinen vorhanden waren, 
kam ein junger Bauer dahin, um einen auſſerordentlich dicken 
Ahorn zu fällen, der zwiſchen dem Gemäuer ſtand. Mit kräfti⸗ 
gem Axtſchwung hieb er auf den Stamm los, allein die Schärfe 
des Eiſens glitt ſpurlos an der glatten Rinde ab. Da trat 
eine ſchwarzgekleidete Jungfrau zu ihm aus den Trümmern her⸗ 
vor und fragte, was er mit dem Holze zu machen gedenke? 
„Ei!“ — antwortete der junge Landmann — „Tiſch, Stühle 
und anderes Hausgeräth möcht' ich mir daraus verfertigen, 
denn auf den St. Martinstag werde ich heirathen.“ 

„Dieſer Ahorn widerſteht auch dem beſten Stahlbeile, ſo 


Stadt Baden und Umgebung. 213 


Yang ihn meine Hand nicht berührte” — fagte die Jungfrau 
— „doch will ich gerne dein Werk fördern, wenn du mir gelobft, 
aus den Brettern auch eine Wiege zu zimmern und dein erfiges 
bornes Kind hinein zu legen.“ 
Nach kurzem Ermwägen, dag in Erfüllung diefer Bitte nichts 
Gefährliches Liegen könne, gelobte der Züngling, fo zu thun. 
Die Jungfrau berührte nun den Stamm und nad wenig 
Minuten fiel er unter den Streichen der Art zu Boden, aber in 
demſelben Augenblide war auch die Erfcheinung verſchwunden. 
Der Bauer hielt fein VBerfprechen und legte, als ihm fein 
Weibchen nach einem Jahr ein Knäblein geboren, das Kind in 
die aus ben Brettern des Ahorns gezimmerte Wiege. Als feine 
Frau eined Tages bei derfelben faß und den Knaben darin 
ſchaukelte, trat auf einmal die Jungfrau in die Kammer herein, 
ein dürres Zweiglein in der Hand tragend. Sie betrachtete 
das Kind eine Weile und faltete dann die Hände zum flillen 
Gebet. Hierauf reichte fie der erflaunten Mutter das Zweiglein 
und fagte: „Bewahret forgfam, was ich Euch bier übergebe. 
Sobald Euer Sohn das fünfzehnte Jahr zurückgelegt hat, fol 
er den Zweig in reines, frifches Waffer ſtellen, und wenn biefer 
dann Blätter und Blüthen treibt, hinaufgehen auf die Alten- 
burg und mit bemfelben den gegen Morgen ftehenden runden 
Thurm berühren, deſſen Eingang verfhüttet ifl. Dies wird 
fowohl zu feinem Lebensglüde, als zu meiner Erlöfung dienen.“ 
Die Mutter des Knaben, eine fromme gottesfürdtige Frau, 
war frob darüber, daß ihr Kind beftimmt feyn follte, einem 
irrenden Geifte zur ewigen Ruhe zu verhelfen. Der Knabe 
wuchs heran in Zucht und Ehrbarkeit, und als er das fünfzehnte 
Jahr erreicht hatte, flieg er hinauf zu den Ruinen und berührte 
den Thurm mit dem nun von Blättern und Blüthen prangen- 
den Zweige. Da öffnete fich alsbald der verfchüttete Eingang 
und die ſchwarzgekleidete Jungfrau fland vor ihm. „Wohl dir 
und mir!” — rief fie aus — „daß endlich diefe Stunde ges 
fommen! Ich war einft jung und ſchön, die einzige Erbin 
meines Gefchlechtes und einem jungen Ritter verlobt, an bem 
ih mit abgöttifcher Liebe hing. Allein er brach bie mir ge, 
fhworene Treue und gab feine Hand einer Anderen. Bald 
aber fand er den Tod auf dem Schlachtfelde, feine Burg wurbe 


714 Stadt Baven und Umgebung 


zarftört und ſeine Wittwe flüchtete ſich mit ihrem Säugling auf 
Dem Arme. Bon bes Tages’ Gluth und dem weiime Weg er- 
ſchöpft, ſuchte fie eines: Abende Ruhe im Schatten des Ahorns, 
der an der Mauer der Altenburg finad. Ich aber, noch. immer 
vachbegiarig, ließ fie durch meine Knechte mit Schinepf und 
Spots hinwegtreiben, aber ihre lebten Kräfte manen geſchwun⸗ 
den, ihre Siane verwirrten fi, fie ſprach einen gräßlichen 
Huch über mich aus und flürgte frh mit dem Kinde ind Wafı 
ſer. Der Fluch der Sterbenden ging im Erfüllung. Cine 
Krankheit zerriß fehmell den, Faden meines- Lebens: und- meine 
Burg warb: ein. Raub der Flammen; mein Geil aber follte 
ruhlos umberisven , bie aus den Breitern des Ahorns eine 
Wiege gezimmert und Das Kind barin- fchlummera würde, wel 
ches mich zu: exlöfen. beftimmt if: Die Gebeine ber. unglücklichen 
Mutter und ihres Knäbleins- liegen bort unter dem Hügel, wo 
ein bemoofter Grabſtein die Stätte bezeichnet: Geh bin, grabe 
fie aus und fege fie bei in geweihter Erbe! Der Segen bes 
Himmels: wird dafür in deinem Haufe blühen und auf beine 
ganze Samilie übergehen.” 

Der Süngling. folgte getveulich der Jungfrau Geheiß und 
Süd und Ehre frönten noch feine ſpäteſten Lebenstage. 

(Siehe U, Schreiber’s „Sagen aus der Rheingegenden ⁊c. 2c.”) 


Die Altenburg. 


Anderthalb Stunden von Baden-Baden, an dev Heer- 
firaße, wo die Ebene gegen das Gebirg anzufleigen beginnt, lag; 
vor Zeiten. die Altenburg, von weicher nichts mehr vorhanden 
ift, als ihr Name, den jegt. ein Hofgut trägt, welches wahr- 
fheinlih aus den ehemals zue Burg gehörigen Ländereien: ent⸗ 
fanden. Das Geſchlecht der Edeln von: Altenburg, die hier 
ihren. Wohnſitz hatten, mag. bald nach dem. dreißigfährigen Krieg, 
erlofchen feyn. Kaspar von Altenburg, ber Letzte feines: 
Namens, verlobte fi noch als Jüngling mit einem frhönen,, 
aber armen: Fräulein aus dee Gegend, brach jedoch fpäter fein 
ihr verpfänbeies Wort und ehelichte flatt ihrer eine junge vor» 
nehme und reiche Wittwe., Darüber grämte fih Die arme, um— 


Stadt Baden und Imgedung. 215 


ihr ganzes Lebensgluck Betrogene fo tief, daß fie in eine. ſchwere 
Krankheit fiel, von der fie zwar wieder fo ziemlich genas, aber 
num, um dem Grabe defto langſamer entgegen zw geben. 

Kaspar's Ehe ſchien deſſen ungenchtet eine glückliche: feine 
Frau gebar ihm vier Söhne und eine Tochter; er war mit 
Gutern aller Art gefegnet und die Vergangenheit flörte nicht 
im: Seringften die Ruhe feines: Gewiſſens. Nur eines Tages 
ſchwebte plötzlich das Bild feiner verlaffenen Geliebten vor. ſei⸗ 
ner Seele, ohne daß er ſich zu erflären: wußte, wie e& im feine 
Gedankenreihe gefommen. Da meldete man ihm einen Franziska⸗ 
nermönd, ber ſodann mit ernfler, faft trauriger Miene in das Ges 
nad trat, „Herr Ritter!” begann er — „ich komme als Bote 
von einem Sterbelager, wo ich zum legten ſchweren Gang eine 
Jungfrau eingefegnet habe. Sie war ehemald Eure Braut und 
Ihr habt fie um einer reicheren Heirath willen fehnöde verlaf- 
fen und mit den: Blüthen ihres Herzens auch die ihres Lebens. 
geknickt. Doch ich bringe Euch die Verzeihung der Sterbenden, 
ober auch ihre fromme Bitte: Euch mit Eueren Gebanten von 
ben: weltlichen Dingen ab und zu Gott zu wenben, benn Eurer 
warten nunmehr große Trübjale und Ihr werdet ber Lebte 
Eures Namens feyn.” 

„Wohl bin. ich mir bewußt,” — erwieberte ber Ritter mit 
zu Boden gefenkten. Blicken — „unrecht an der Jungfrau ge- 
handelt zu haben, die meiner noch fo liebevoll verzeihend im 
ihrem legten Ständlein gedachte, allein,“ — fuhr er, mit er⸗ 
zwungenem Lächeln wieder zu dem Mönche auffehend, fort — 
„ihre Prophezeihung vermag mich nicht zu ſchrecken; blühen 
mir ja doch vier lebensfrohe, gefunde Knaben.” 

„Die Sterbenden fehen oft belle!” — verfegte ber Mönch 
in feierlichem- Tone und. beabfchiedete fich. 

Der Ritter Fonnte ſich Teineswegs einer bangen Ahnung er- 
wehren, doch er fuchte fle mit dem Trofte von fich zu verfcheu- 
chen: Wenn mir auch. der Himmel zwei ober drei meiner Söhne 
binwegnimmt, fo wird er boch fo gnädig feyn, mir noch Einen 
zu Kaffen, auf daß in ihm der Name der Altenburger fich forts 
erbe. Noch Bing er dieſem Gedanfen nad, als ein Diener 
mid bey Schreckenspoſt eintrat: der jüngfte Knabe fey im Schloß 
garten in ben Teich. gefallen, da habe ihm der drittälteſte Bruder 


216 Stapt Baden und Imgebung. 


Hülfe Teiften wollen, fey aber auch In das Waffer geſtürzt und. 
fo hätten Beide ihren Tod darin gefunden. 

Am Morgen darauf fand man die beiden Altern Brüder 
zerichmettert in ihren neben einander flehenden Zeiten Liegen. 
Ein Theil der Zimmerbede war über ihnen eingeftürzt. 

Sept erſt bohrten ſich die Stacheln des Gewiffens tief in 
das Herz des fchwergeprüften Vaters. Er legte ſich die härteften 
Bußübungen auf, theilte reichliche Almofen aus und verfagte 
fi die unfchuldigften Freuden des Lebens. Nur Eine Hoffnung 
war ihm noch geblieben : fein Töchterlein, welches auch wirklich 
frifch und gefund heranwuchs. Sein und feiner auch bußfertig 
gewordenen Gattin tägliches Gebet war nun: „Gerechter Gott 
im Himmel! nur diefes noch einzige Kind la’ ung!" — Ihr 
Gebet ſchien auch erhört zu werden. Bertha — fo hieß das 
Mädchen — überlebte fie Beide; fie war achtzehn Jahre alt, 
als ihre Eltern flarben, aber das Schiefal ihres Haufes hatte 
eine ſolche Schwermuth in ihrem Herzens erzeugt, daß ihre Le⸗ 
benskraft fih darunter allmählig verzehrt. Sie warf fi in 
die Arme der Religion und wählte zum Beichtvater einen 
Mönch aus Baden. Diefer berevete fie, ehelos zu bleiben und 
die Güter von Altenburg feinem Kloſter zu vermachen. So ge- 
Shah es auch und nach ihrem bald darauf erfolgten Tode traten 
die Väter der Gefellfehaft Sefu in den Befiß der reichen Län- 


bereien. 
(Siehe A, Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ 2c.) 


Schlage Deine Mutter nicht! 


Auf dem Kirchhofe zu Sinzheim bei Baden fpufte frü- 
her der Geift eined Bürgermeifters in einem weißen Mantel. 
Damals fam an einem Winterabend ein Bauernburfch in die 
Spinnftube und fragte, wer wohl Muth genug babe, jest auf 
den Kirchhof zu gehen und dem Gefpenft ven Mantel abzuneh- 
men? Eine herzhafte Magd, in der Meinung, die Burſche 
hätten dort, um ben Leuten Furcht einzufagen, einen Schnee: 
mann errichtet und ihm ein Bettuch umgehängt, erklärte ſich zu 
dem Wageftüd bereit, ergriff einen Stock und ging allein auf 


Stadt Baden und Umgebung. 217 


den Kirchhof. Als fie mitten darin war, ſtand das Gefpenft 
unbeweglich da; fie riß ihm aber den Mantel ab und fchlug 
mit ihrem Knüttel fo lange auf ihn los, bis er ausrief: „Halt 
ein, ich babe nun genug gebüßt! Gib mir fegt meinen Mantel 
wieber 1” — Die Magd ſprang aber mit dem Mantel davon, 
und brachte ihn in Die Spinnftube, wo er beim Anfühlen wie 
didder Nebel befunden wurde. Am näcftlen Tage fiund ber 
Geift noch auf demfelben Plage; worauf man bem Pfarrer 
Anzeige davon machte, welcher die Magd nun vergebens ers 
mahnte, dem Gefpenfte den Mantel wieder umzuhängen. Erſt 
auf Befehl des Richters verftand fie fih dazu, worauf der Geift 
augenblicklich verfehwand und dann aus der Erde die Worte 
hören ließ: „Du haft mich erlöſt; ich Hatte einft meine Mutter 
gefchlagen und mußte nun dafür eben fo viele Streidhe von 
einer Perfon erhalten, welcher ich feinen Anlaß dazu gegeben.“ 
(Siehe Mone’6 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


Kloſter Lichtenthal, 


Miofter, in dem lichten Thal, 
Edier Frauen heilig Mat! 
Nimm mich auf in deine Hallen, 
Wo die Himmeldbräute wallen | 


Sn dem Kirchlein, ſchwach erhellt, 
Iſt's, man ſcheide aus der Welt; 
Heil’genbilder, Engelsſtimmen, 
Herzen, die von Andacht glimmen. 


Orabesfteine, fromm geweiht, 
Drauf Geftalten ferner Zeit, 
Welche mit gefaltnen Händen 
Ihren Blick zum Himmel wenden. 


An dem Kirchlein — Gottes Flur 
In dem Frieden der Natur, 
Wo fie harren, bie da ftarben, 
Auf den großen Tag der Garben, — 





218 


Stadt Baden une Umgebumg. 


All die Gräber, RER und grün). 
Bäume, Die darüber Hahn! 
Rieden möcht? ich hier mic Yegen, 
Sohlummern unter Bfüthenrogen. 


Nur ein Kranz auf jedem Grab 
Und bie Teste Liebesgab’, 
Eine welfe Blumenfrome — 
Schöner wird fie Dort zum Lohne, 


Da des Berges grüne Wand, 
Hier ber Todten ſtilles Land, 
Und des’ nahen Waldes Schauer 
Und der Nachtigallen Trauer ! 


In dem Kirchlein ver Gefang 
Zu der Orgel hehrem Klang, 
Engel, die hernieder fleigen 
Und den Weg zum Himmel zeigen. 


AH! ins Weltgewühl zurüd 
Kehr' ich nun mit. feuchten Blick: 
Ketten werd’ ich wieder finden, 
Die mih an die Erde binden. 
Moys Schreiber. 


Aus Lichtentbal, 


Frag nicht: Warum war beine Wahl 
Das ferngelegne Lichtenthal, 
Statt Badens ſtolzer Quelle? 
Fliehſt Du nicht gern ins Mondenlicht, 
Mein Freund! wenn Gram dein Herz zerbricht, 
Vom Markte zur Kapelle? 


Die Sonne biſt, o Baden, du; 
Europa's Menſchenmarkt ohn' Rudi, 
Glanzvoll und: werth zu ſchauen. 





Stadt Badeen und Umgebung. 21% 


Doch du, mein fies Licheenthah! 
Du bih des Mondes milder Strahl, 
Mit frommen Kloſterfrauen. 


Mit tauſend Waſſern friſch und rein, 
Melodiſch quellend aus dem Stein, 
Den Moos und Sinngrün decket, 

Mir Wäldern, wo bie Nachtigall, 
Statt der Mufifen lauter Schall, 
Den müden Schläfer wedet. 


Glanzreiche Sonne, dir fey Preis! 
Doch wen du bift zu Licht, zu Heiß, 
Der flich mit feinen Wunden 
Ins lichte Thal, vom Zauberftrahl 
Des Monde verflärt, nach Lichtenthal — 
Gewiß, er wird gefunden! 
Juſtinus Kerner. 


Lichtenthal. 


Wie! dies wäre der Weg, der ben ſtaunenden Wandever 
leitet 
Zu: dem Aſyle, wo Ruh finder das ſchmachtende Herz? 
Wiel dies wäre der Weg in die friedlichen Räume des Kloſters, 
Hier, wo das laute Gewuͤhl bunter Geſtalten fi drängt? 
Hier, wo mit Flügeln des Windes, in Amazonen verwandelt, 
Durch den umwirbelnden Staub Albions Töchter entfliehn! 
Ha! wie flatterr Die Loden, die Schleier, wie pochen Die 
Bufen | 
Mancher verberbliche Pfeil züdt aus: den Augen herab. 
Sieh nur, wie Heibet fo hübſch das ſchwarze Barett Die Blon⸗ 
bine, 
Welchen der flüchtige Strauß hat das Geſieder geliehn! 
Sieh, wie die Grazie leicht auf dem ſchäumenden Zelter ſich 
ſchaulelt 
Und wie bie Wangen. ihr: glühn, — Mädchen, wie biſt du fo 
| ſchön! 





220 Stadt Baden und Umgebung. 


Aber fie faufen vorbei durch den Gang altprädhtiger Eichen, 

Deren erquidendes Dach üppig fich über ung wölbt. — 

Sonntag ſcheint es hier immer zu feyn; in ben bunteften 
Oruppen 

Wandeln im glänzenden Zug Herren und Damen vorbei. 

Neugier findet und Lachluft immer Befriedigung reichlich, 

Heiteres Wechfelgefpräch, eiteles Geckengezier; 

Hier auch flittert Die Mode vorbei in unzähligen Farben, 

Und aus dem neueften Heft hüpfen die Bilder heraus. — 

Dort auf dem fihlängelnden Pfade, der hinläuft neben dem 
Hauptweg, 

Sitzt auf der moofigen Bank flüfternd ein zärtliches Paar; 

Wohl Fam, Heilung zu fuchen, fhon Dancer zur reizenden 
Badſtadt, 

Doch ein verwundetes Herz bracht' er nach Hauſe zurück. 

Aber es fand auch Mancher ſchon hier, was er lange vermißte, 

Ein gleichfühlendes Herz, innigen Liebesgenuß. 

Keinerlei Heilquell kann ſo Wunder vollbringen, wie Liebe, 

In das verödete Herz ruft ſie den Frühling zurück. 

Wandle nur, glückliches Paar, kein Lauſchender möge dich 
ſtören! 

Feire den vollen Triumph, Liebe, der Liebenden ſtill! 


Aber nun folgt mir wieder zurück auf den Weg zu dem 

Kloſter, 

Miſcht euch wieder mit mir dort ind Gewühle des Zugs! 

Amor verlocket uns fonft in unendliche Waldlabyrintbe, 

Und in das klopfend Herz zifchet der fichere Pfeil. — 

Seht hier! nieblihe Kinder auf forgfam trabendem Maulthier, 

Und mit dem fpornenden Stod fchreitet der Führer zur Seit’; 

Dort am Duell im Gebüfche, da bieten die Knaben gefchäftig 

Köftliches Waffer dir an gegen ein Feines Gefchenf; 

Haft du getrunfen genug von den ſiedenden Thermen der Badftabt, 

Sehnft du mit wahrer Begier dich nad) dem fühlenden Born. — 

Dies die Allee zum Klofter alſo, dies wären die Pilger, 

Deren unendlicher Zug plaudernd bie Vögel verfheucht ? 

Wallen fie hin zum Gebet? Doch nein, bei dem Thore bes 
Kloſters, 


Stadt Baden und Umgebung. 221 


Kehren die Schmwärmenden um, oder zerſtreu'n ſich im Thal, 
Oder befteigen Cäcilienberg und die heitere Seelach, 
Oder bei Wein und Kaffee ſcherzen den Abend fie weg. 


Gern doch weil’ ich im Klofter am Ufer des fchäumenden 

Waldbachs, 

Hinten von dunkeler Wand träumriſcher Tannen begrenzt: 

Wenige folgen mir nur in den Frieden der ſtillen Kapelle, 

Wo das gemeiſelte Bild Rudolfs des Langen ſich ſtreckt, 

Auf dem Paradebette, von rieſigen Löwen bewachet; 

Manch ein Gedenkmal noch dämmert aus Niſchen hervor. 

Und nun tret' ich von da in die hallenden Raͤume der Kirche, 

Wo mit der Orgel vermählt klinget der Nonnen Choral. 

Seltfamer Wechfel! — Verſtummt iſt der Welt Inutraufchendes 

Wogen, 

Und in das fromme Gebiet fenft fih der Himmel herab. 

Aus dem Gewirbel der Fluth in der Andacht Hafen gerettet, 

Fühlt das beflommene Herz neu fi) gehoben und frei; 

Sehnſucht ſchwellt ed empor nad) einer beglückteren Heimath, 

Bon dem Altare hinan winken die Engel des Lichts; 

Ah! und der Kindheit Blumen, des fchuldlos frommen Ge- 
müthes, 

Von dem gekreuzigten Chriſt blühen mir wieder empor. 

Heilige Maͤrtyrer nah'n, mit den leuchtenden Wunden ge⸗ 
ſchmücket, 

Frieden im Antlitz, das Haupt ſtrahlend im goldenen Schein. — 

„Amen!“ — der Priefter verläßt den Altar und die Stimmen 
ber Schweitern 

Sind wie ein feliger Schmerz Tiebender Seelen verhallt. 

Stilfe verliert fi das Volk; nur ich noch zögere träumend, 

Ganz allein, und es fehlt Dennoch Fein theueres Bild; 

Scheidend firahlt noch die Sonne herein durch die farbigen 
Scheiben, 

Und die zerftochene Bruft küßt fie des Dulders am Kreuz; 

Nur ein ſchwankendes Licht noch fällt von ber ewigen Lampe 

Auf der Madonna Geficht, daß es erglüht und erbleicht. — 

Aber die Sonne verfinft und mahnet mich wieder zur Heimfehr, 

Tief aus ber inneren Welt ruft mich Die äußre zurüd, 


222 Stadt Baden und Umgebung. 


Daͤmmernd empfangen mich draußen bie ſtille gewordenen 
Straßen, 
Deber dem fehmärzlichen Berg bebt fich der blühende Mond; 
Geierlich halten die Wacht ringsum die raufchenden Wälder, 
Ueber die Wiefen dahin gleiten Die Nixen des Thals. 
Murmelnd geleitet der Delbadı mich in die dampfende Badſtadt, 
Fern von dem Dorfe noch ſchallt Ländlicher Mädchen Gefang. 
Freunbliches Thal, Teb’ wohl! Dein Frieden erquidt mich im 
| Schlummer, 

Webt mir zum lieblichſten Traum reizende Bilder von dir. 

U, Schale. 


‚Die Wettung des Kloſters Lichtenthal, 


Die Trommeln und Trommeten ſchallen 
In wildem Lärmen durch das Land, 
Die weißen Yilienbanner wallen 
Und hinter ihnen wogt der Brand. 
Schon wälzt hinan die düſtre Lohe 
Zur Duellenftadt des Krieges Sturm, 
In Trümmer fällt dag Schloß, das hohe, 
Zufammen krachen Kirch’ und Thurm. 


Die Flamme hüpft durch alle Gaffen 
Und leckt zum Himmel hoch empor, 
Es hüllt der Rauch in Wolfenmaffen 
Den Sommertag in bunfeln Flor. 
Wie brüllen der Verheerer Schaaren 
Wild fauchzend in die rothe Gluth! 
Sie mag dem Land e8 offenbaren, 
Daß ihre Arbeit noch nicht ruht. 


Es fteht ein Gotteshaus, gelehnet 
Au tannengrüne Bergeöwand, 
Wo heif’gen Frieden, längſt erfehnet, 
Mand Herz in ftiller Zelle fand. 
Dort ſchallt zu frommer Befte Feier 
Der Chorgefang bei Weihrauchbuft 5 


Stadt Baden und Umgebung. 


Dort hüten Frau'n im ſchwarzen Schleier 
Die Todten in ber Fürftengruft. 


Dieibfi du dem Feindesgrimm verborgen, 
Du heil’ge Stätte Lichtenthal? 
Dringt dir nit fihon der nächſte Morgen 
Der Mordbrand⸗Fackel Loderſtrahl? 
Ehrt Der das Gotteshaus, das reine, 
Der nie ein Heiligthum geſcheut, 
Der Todten Ruh, der die Gebeine 
Der Kaiſer in den Staub geſtreut? 


Kein Hoffen mehr, nur ein Ergeben 
In Gottes Rathſchluß, undurchſchaut, 
So ſtehn ſie da, in ſtillem Beben, 

Manch himmelblickend Auge thaut; 

Doch in der reinen Frauen Mitte 

Tritt jetzt des Kloſters treue Magd: 
„Gewährt, zu handeln, mir bie Bitte!“ 
Spricht freudig ſie und unverzagt. 


„Vertraut dem Herrn, der in dem Schwachen 
Zur rechten Stunde mächtig iſt; 
Nach meiner Weiſe laßt mich machen, 
Rath ſchaff' ich euch nach kurzer Friſt!“ — 
Und wohl verſehn mit frommer Gabe 
Verläßt ſie bald das Gotteshaus, 
Und pilgert raſch mit Korb und Stabe 
In das verheerte Land hinaus. 


Nichts ſtört ſie auf der frommen Reiſe, 
Es irrt ſie kein durchkreuzter Weg, 
Sie braucht des Trankes kaum, der Speiſe, 
Nicht müde wird ihr Fuß, ſo reg; 
Rückſchauend auf die Schwarzwaldberge 
Steht ſie am fluthenhellen Rhein, 
Und wie gerufen nimmt der Ferge 
Sie in den ſchwanken Nachen ein. 


224 Stadt Baden und Umgebung. 


Und fort in unerfhöpfter Schnelle 
Eilt fie dem Ziel der Reife zu, 
Nur eine heilige Kapelle 
Deut zum Gebet ihr kurze Ruh. 
Jetzt iſt der Reife Ziel erfchritten, 
Es fteht Die Magd in Hagenau, 
Mit Thränen und berebten Bitten, 
Bor einem Kriegsmann fol; und rauh. 


Den mahnt fie an vergangne Stunden, 
Wo er nah fhwülem Kampfestag, 
Bedeckt von brennend heißen Wunden, 
Hilflos im Kranfenbette lag; 

Er denft der Zeit, wo fein gepfleget 
Die zarte, jungfräuliche Hand; 

Sein Herz, zum Danfe fanft beweget, 
Die erfte ftille Lieb’ empfand. 


Bon frommen Händen groß gezogen, 
Bringt fie ihm Blumen duftig zart, 
Buntfarbig wie der Regenbogen, 

Zu füllereihem Strauß gepaart; 

Der Jungfrau Bildnig, fi) entringend 
Aus Erdennacht ins Meer des Lichts, 
Ins Reich der Himmel auf fi ſchwingend 
Verklärten, fel’gen Angeſichts: 


„Du durfteſt nicht umſonſt verpfänden 
Der Pflegerin dein Ritterwort; 
Nun ſchütze vor den Mörderhänden 
Dein Dank des Friedens ſtillen Port! 
Die Gottesblumen zu bewahren, 
Beeile dich im Sturmgebraus, 
Die dich gerettet in Gefahren, 
Der rette du ihr heilig Haus!“ 


Kann er dem Sturme Halt gebieten, 
Der brauſt auf höheres Gebot? 


Stadt Baden und Umgeburg. 2335 


Kann ſchützen ev bes Kloſters Frieden, 
Das feines Herrfhers Grimm bedroht? — 
Wohl fleht er da, in büfterm Sinnen, 

Bis halb es in Der Seele tagt, 

Und rafch entfendet er von binnen 

Mit Rath und Troft die treue Magd. — — 


No find die Brenner nicht gekommen; 
Wer fam den Wuthenden zuoor ? 
Was Yärmt und tobt im Haus der Frommen? 
Warum verftummt der Sang im Chor? - 
Es flirren Fenſter, Ziegeln raſſeln, 
Der Dachſtuhl fällt, wie ausgebrannt, 
Färbt ſchwarz fich bei der Fackeln Praſſeln 
Des Klofters helle Mauerwand. 


Nicht trägt, des Uebermuthes Beute, 
Das flille Haus des Brandes Spur | 
Es find des Klofters eigne Leute, 

Ihr Werk if fromme Lüge nur; 
Denn Hug befolgten ohne Säumen 
Die Frauen, was ber Freund gelehrt, 
Und in den unverfehrten Räumen 
Sind fie verborgen, unverfehrt. 


Da rollen Trommeln, gelfen Pfeifen 
Die Oos hinan mit wildem Klang: . 
Der Feinde trunfne Schaaren flreifen 
In tollem Muth das Thal entlang. 
Doch wie im Kloſterhof fie fliehen, 
Da biendet fie der Täufchung Wahr, 
Was fie gewollt, ift ſchon geſchehen: 
Graus der Verwüſtung flarrt fie an! 


Und wie bei wirbeindem Gefchmeiter 
Die wilden Feinde weiter ziehn, 
Im Danfgebet zu Gott, dem Retter, 
Die frommen Kiofterfrauen knie'n. 
I. 15 


226 Stadt Baden und Umgebung. 


Geſichert ift der Tobten Frieden, 
Gewahrt der Gottesbräute Schaar; 
Manch obdachloſem Flüchtling bieten 


Sich gern des Kloſters Räume dar. 
Gerhard Helfrich. 


Die Stiftung des Waiſenhauſes in 
L ichtenth al. 


Ein Wanderer begrüßte froh die Flur 
Der unvergeßlich theuern Heimath wieder; 
Im Roſenglanz erglühte die Natur, 
Die Abendſonne glitt am Berge nieder; 
Es ruht ſein Blick auf Thal und Höhen trunken, 
In Bilder ſeiner Knabenzeit verſunken. | 


Mit Wonneftrahlen fein Geſicht verflärt 
Der Anblick feiner heimathlichen Bauen : 
„Hab' Dank, o Gott! dag du mir noch gewährt, 
Dich wieder, theured Jugendland, zu fehauen | 
Hängt doch, mit feinen innigflen Geweben 
An dir, o Heimath, meined Herzens Leben!" 


Und in begeiftertem Gebete wallt, 
Dem lichten Himmel fein Gemüth entgegen; 
Horch, da mit einem Mal ein Glöckchen ſchallt, 
Vom Wege ber zum frommen Abendfegen; 
Er naht, und vor ihm fteht, erleuchtet helle 
Vom letzten Sonnenglanz, die Waldkapelle. 


Und drinnen kniet ein Knaͤblein wunderhold, 
Gefaltet zum Gebet die zarten Hände; 
Sein thränend Aug' erglänzt im Abendgold, 
„Was will das Kind? Vom Himmel eine Spende? 
Ach! finden Sorgen, Leiden, Noth und Schmerzen 
Schon Raum im ahnungsloſen Kinderherzen?“ 


Der Wanderer zum Kinde tritt heran | 
Und fpricht mit fanftem Wort: „Hör auf zu weinen! 


Stadt Baden und Umgebung 297 


Was hat man, armer Knabe, dir gethan? 

Quaͤlt dich ſchon Unglück? Sprich, wer find die Deinen ? 
Sag’ mir dein Leid, ich helfe gern den Armen, 

Gott hat mich hergefandt, er hat Erbarmen!“ 


„Ach!““ — fprad das Kind, und Thränen bel und Mar 
Eniftrömen feinen Augen — „Ah! fie haben 
Den guten Bater ſchon vor einem Jahr, 
Die arme Mutter heute ſchon begraben ! 
Wer lehrt mich nun, gibt Kleider mir und Speife? 
Kein Menſch erbarmt fi mehr ver armen Waife !” 


Und wie ein Blitzſtrahl, welcher zündet fchnell, 
Durchzückt es plötzlich unſres Wandrers Seele, 
Bor feinen Augen fand e8 Kar und heil, 

Was noch dem theuern Heimathlande fehle 
Zu feinem Heil; was er ihm könnt' befcheeren, 
Das mußte ihn der Waiſenknabe lehren. 


Kaum iſt's gedacht, fo führt er auch es aus, 
Und auf der That ruht Gottes reichſter Segen, 
In Beuern ftiftet er ein gaftlih Haus, 
Um Waifen bier zu ehren und zu pflegen; 
Dort aus viel hundert dankerfüllten Herzen 
Wird feine Zeit fein Angebenfen merzen. 
Emilie Scoynionsty. 


Der Waſſerfall von Geroldsau. 


Sin alten grauen Heidenzeiten, 
Da lebt' in Freud’ und Herrlichkeiten 
Ein Heer von Feyen ohne Zahl 
In Badens wunderfhönem Thal. 
Dft wanden Blumen fie zum Kranz 
Und ſchmückten fih damit zum Tanz; 
Dann fohwangen fie den muntern Reigen 
Nachts unter Dunkeln Tannenzweigen. 

15* 





228 


Stadt Baden und Umgebung. 


Da fielen, wie ein braufend Meer, 
Die Römer über Teutſchland her, 
Eroberten das Land am Rhein, 
Bermania’s Sohn mußt Sclave ſeyn. . 
Sie raubten ihm fein Vaterland, 
Zerriffen jedes heil'ge Band. 
Dennoch gefiel's im fihönen Baden, R 
War auch mit Ketten es beladen, 
Dem Römerfeldherrn Barus bald, 
Er wählte ſich's zum Aufenthalt. 
Gekroͤnt vom Sieg, voll Sinnenluft, 
Schwoll ihm die ehrne Kriegerbruft. 
Er badete im warmen Duell, 
Der aus dem Felfen fprudelt Hell, 
Er jug das Wild in Baden’s Wäldern 
Und nahm die Frucht von feinen Feldern, 
Und baute feinem Rom zum Ruhme 
Biel Tempel hier und Heiligthume. 
Da fah er Nachts mit einem Male . 
Sm Geroldsauer Wiefenthale 
Der Feyen Yeichten Jugendreihn 
Sich ſchwingen in dem Mondenſchein. 
Ellene war bie ſchönſte Fee, 
Wie Roſengluth und Lilienfchnee;; 
Er fah, er Tiebte fie zur Stunde, 
Sein Herrfcherwort erflarb im Munde, 
Er nahte fi mit fheuem Bangen, 
Die Bruſt vol Sehnfucht und Verlangen, 
Und bat in füßer Minnebrunft: 
„O ſchenk mir, Holde, deine Gunft! 
Nimm diefen Ring, der Treue Zeichen, 
Und eher fol mein Stern erbleichen, | 
Als daß ich breche meinen Schwur, 
Dir zu gehören einzig nur; 
Ich ſchwör' es bir beim Gott Merkur!" — 
Sein Liebesſchmerz, fein heißes Sehnen 
Wert bald ein Echo in Ellenen, 
Sie reicht gerührt die feine Hand 


Stadt Baden und Umgebung. 239 


Ihm als der Liebe Unterpfand. 

Wie laufcht fie gern der Worte Koſen, 
Die füß von feinen Lippen floßen! 
Und jede Nacht fand dort im Hain 
Das Paar im zärtlichfien Verein. — 


Drei Monden waren fo verſchwommen, 
Da war bed Roͤmers Gluth verglommen; 
Er wurde lau, er wurbe falt, 

Ihm lockten Reize mannigfalt. 

Stets feltener zur Fee fam er, 

Stets Fühler, endlich — gar nicht mehr. 
In neuer Freuden Ueberfluß 

Bergaß er bald Ellenens Kup. 


Wohl Taufchte fie noch manchesmal 
Im Eichenhain, im Mondesſtrahl, 
Und raufchte nur ein Blättchen leis, 
Sp wähnte fie, der Liebſte fey’s. 

Wie manche goldne Sommernadt 
Ward fo vergebens zugebradt ! 

Dis endlich ihr fein Zweifel blieb, 
Daß er vergeflen Schwur und Lieb, 
Und auch die letzte Hoffnung aus 

Ihr loſch in der Verzweiflung Graus. 
Da preßt fie feft im wilden Schmerz 
Den flarren Felfen an ihr Herz, 

Und ruft: „D würde mein Gebein 
Gleich diefem Felfen bier zu Stein!” — 
Und wie fie bat, ift ihr gefchehn: 
Ein Oott erhört ihr heißes Flehn, 
Sie wird verfleinert auf der Stel’ 
Und ihrer Bruft entfpringt ein Duell. 
Das find der Liebe herbe Thränen, 
Des Herzens ungeftilltes Sehnen | 


Die Duelle fprudelt heut noch fort 
Am Rubeplag, fo heißt der Ort, 


230 Stadt Baden und Umgebung. 


Ergiegt fih in den Haren Bad) 
Und ſtürzt mit ihm vom Felſendach, 
Das laut erbraußt im Widerhall 


Der Geroldsauer Wafferfall. 
Emilie Scoyniousty. 


Die Hütte zu Eberfteinburg. 


.. An der Nähe der Burg Alt-Eberftein, des Stammes 
figes der Grafen von Eberftein, ftand in alter Zeit ein Non 
nenkloſter, welches wahrfcheinlich gelegentlich der Belagerung 
biefer Burg zerflört wurde. An diefer Stelle follen noch manch⸗ 
mal in beiteren Nächten weiße Geftalten fihtbar feyn und die 
Umwohner wollen noch bisweilen eine Tiebliche Muſik dort ver- 
nehmen. 

Ein armer Mann hatte auf dem Plage, wo das Kofler ge- 
flanden, ſich ein Kleines Haus erbaut und da er fein Geld befaß, 
ben Maurer und Zimmermann zu bezahlen, Alles felhft gear; 
beitet, fo daß das Häuslein bei feinem Entftehen ſchon baufällig 
war. Nach feinem Tode blieb feine Wittwe darin, eine fromme, 
fleißige Frau, die fih mühfam genug ernährte. Einft in einer 
flürmifchen Nacht faß fie noch fpät am Spinnrade und fang ein 
geiftliches Lied. Da klopft' es am Fenſterlein und fie hörte 
dreimal ihren Namen rufen. In der Meinung, ein verirrter 
Wandersmann ſuche ein Obdach bei ihr, ftand fie auf, befreuzte 
fi$ und ging vor die Thüre. Da fie aber Niemanden davor 
erblidte, ging fie noch einige Schritte weiter auf dem Wege 
hin und rief: „Sft Jemand da, ber ein Obdach fuhrt?” In 
bemjelben Augenblide wichen die fehlecdhtgefügten Balken und 
Steine ihres Häuschend auseinander, und es ſtürzte krachend 
aufammen. 

Die gute Frau dankte Gott inbrünftig, der fie Durch jenes 
warnende Klopfen fo wunderbar errettet. Menſchenfreunde lie⸗ 
Ben ihre Hütte, und zwar auf Dauerhafte Weiſe, wieder auf- 
bauen und fie lebte noch Yange darin. 

(Siehe A. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”) 


— — — · — — 





Stadt Baden und Umgebung. 231 
Sagen von der Burg Alt: Eberftein. 


Vor ohngefähr fechzig Jahren träumte einem armen Manne 
im Dorf Eberfteinburg drei Nächte hinter einander: er 
folle in dem nahen verfallenen Schloß an einem gewiffen Plag 
in der Wanb Elopfen, worauf er Gelb genug erhalten werbe. 
Auf den Rath eines guten Freundes, dem er ben Traum ers 
zählt Hatte, ging er auf das Schloß und klopfte an die bezeich- 
nete Stelle. Da öffnete ſich diefelbe und er fah vor ſich ein 
Gewölbe, worin brei große Kiften ſtanden, auf deren jeder ein 
fhwarzer Hund lag. Die Furcht vor den Hunden Tieß ihn 
jedoch nicht den Muth faffen, näher zu treten, fondern trieb ihn 
zur fchleunigen Flucht. Nachdem er Tags darauf die Sade 
feinem Freunde berichtet und biefer ihm gefagt hatte, daß er 
durch einen einzigen Winf die Hunde von ben Kiften entfernen 
fönne, ging er abermals auf das Schloß und klopfte an bie 
bewußte Stelle. Allein biefelbe öffnete fi nun nicht mehr und 
er mußte mit leeren Händen abziehen. 


Huf der Burg Alt-Eberftein liegen fünf Kiften voll 
Geld, ein filbernes Kegelfpiel (auch auf der Yburg) und ein 
goldenes Kalb unter der Erde verborgen. Dieß hat eine Frau 
vom Ueberrhein offenbart, welche viel dergleichen Geheimniſſe 
mußte. 


or einigen Jahren haben mehrere Leute, worunter ein in 
der Schatgräberei erfahrener Förfter, in der Adventszeit, fünf⸗ 
zehn Mondnächte hintereinander, nach diefen Schägen gegraben. 
Schon waren fie mit der Hade auf eine eiferne Kifte geflogen, 
als eine Menfchengeflalt auf einem ſchwarzen Bode aus ber 
zerfallenen Halle hervorgeritten fam. „Seht, da fommt Einer 
auf einem Geisbock Daher!“ rief einer ber Grabenden. Bet 
diefen Worten verſank die Kifte ftrade in die Tiefe, und Bod 
und Reiter waren und blieben verfchwunden. 

(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.) . 


232 Stadt Baden und Umgebung. 


Die Belagermg von Mit: Eperftein.” 


&rufius erzähkt in feiner Schwähifchen Ehronif: 

„Es gab unter der Regierung Kaifer Othonis in Teutſch⸗ 
land um’s Jahr 938 viele und große Kriege in Teutfchland, 
barinnen aber doch Otho über alle feine Feinde, fonderlich die 
Sranzofen, ſiegte. Nachdem er Straßburg belagert und zur 
raiſon gebracht hatte, ruckte er mit feiner Armee vor Ebers 
fein, weldes vor dem Schwartwald Tiegt, weil man gefagt 
hatte, biefelbige Grafen hätten es mit feinen Feinden gehalten. 
Er belagerte die Feſtung dritthalb Jahr nnd war manchmal 
felbft dabei, konnte aber Doch nicht Meifter von dem Ort wer- 
den, weil er fehr fe war und die Belagerten fi ritterlich 
wehrten. Darauf gab ihm ein Huger Ritter den Rath, er 
follte die großen Herren nach Speyer zufammen berufen, darzu 
jedermann ohne Gefahr kommen dürffte, um ein Turnier zu 
halten. Er wolle gut dafür feyn, die Grafen von Eberftein 
würden auch dahin fommen, um ihre Tapferkeit bei folchen 
Nitterfpielen zu zeigen. Unterbeffen aber folle der Kaifer dahin 
bedacht feyn, wie er das Schloß durch tapfere Soldaten, fo ſich 
die Sache angelegen feyn Yießen, einnehmen möchte. Otho fahe 
biefen Rath vor gut an und ließ nun zu diefem End’ ein Tur⸗ 
nier-Spiel anftellen. Der. Kaifer fam felbft darzu, es famen 
auch drei Grafen von Eberftein und noch viele andere Fürften, 
Herren, tapfere Ritter und Evelfeute, und zeigten alle ihre 
Tapferkeit, Nachdem der Tag mit denen Ritter: Spielen zuges 
bracht war, wurde bei Nacht ein anfehnlicher Tanz gehalten. 
Der Kaifer war in eigener Perfon dabei, auch die Grafen von 
Eherftein fanden ſich hierzu ein. Einem davon, ber noch jung 
war, wurde die Ehre aufgetragen, den erften Tanz mit einer 
sornehmen Dame zu thun, maßen er ein großer, tapferer, an- 
fehnlicher Herr war, Traufe Haare hatte und fehön von Ange: 
fiht war. Nach dem Tanz trat ein fehönes Frauenzimmer von 
Adel herzu und fagte ihm mitten unter feinen Herren Brüdern 
heimlich ind Ohr, er follte ſich ſammt feinen Herren Brüdern 
in Acht nehmen, der Kaifer hätte dieſe Lift wider fie erbacht, 


*) Eberſteinburg. 


nu 


Stadt Baden un Umgebung. 233 


ihr Schloß in ihrer Abweſenheit befleigen und einnehmen zu 
laſſen. Sie follten alfo eilen, noch dieſe Nacht abzureifen. Die 
drei Herren Brüder gingen mit einander zu Rath und ent- 
fchloffen ſich, eilends naher Haus zu gehen, kehrten aber doch 
wieder um zum Tanz und fpracdhen : Sie wollten den Tag dar⸗ 
auf einen Kampff mit denen Rittern und Edelleuten halten und 
hundert Gold = Gulden fegen und daffelbige Geld wollten fie 
denen Edeldamen zur Verehrung zurüdlaffen. Die Anweſen⸗ 
den nahmen die Bedingung an; fie aber waren beffen ohnge- 
acht bedacht, wie fie dieſe Nacht noch über den Rhein fommen 
möchten; welches auch gefchehen. Den andern Tag Morgens 
famen fie in ihr Schloß zurüd, der Kaiſer aber und die Ritter: 
ſchaft warteten lange Zeit, daß das Zurnierfpiel angeben follte. 
Nachdem er aber Wind befommen, daß fie von jemand gewars 
net worben und darauf abgereift wären, gab Otho capablen 
Männern Ordre, zu verfudhen, ob fie nicht das Schloß erobern 
fönnten, ehe die Herren zurüd kämen. Allein fie waren fchon 
wieder in ihrem Schloß und empfingen die Kaiferlichen Stür- 
mer mit Steinwäürffen und andern Kriegs» Inftrumenten fehr 
übel, trieben fie auch endlich wieder ab. Auf dieſes gebachte 
der Kaifer mit denen Grafen zu accordiren und ſchickte in fol- 


. er Abficht drei Ritter an fie ab. Solche Tiefen die Grafen 


in den Weinkeller und in das Kornhaus führen, ließen ihnen 
weißen und rothen Wein zapfen, zeigten ihnen große Hauffen 
Früchte und den reichen Vorrath an Mehl. Hierüber verwun⸗ 
derten fich die Gefandten dergeftalt, daß fie glaubten, es feye 
nicht möglich, über fie Meifter zu werben. Allein die Fäffer 
waren in zwei Fächer abgetheilt und die unteren mit Waffer 
angefüllt. Unter der Frucht aber Tagen alt Zu, Spreu und 
Hülfen. Und war es alfo nur ein eitled Prahlen, daß fie noch 
einen fo großen Ueberfluß hätten. Als nun die Gefandten zum 
Kaifer zurüd kehrten und gefragt worden: wie ed in ber Veftung 
fiehe ? gaben fie zur Antwort, man bemühe ſich vergebens , daß 
man fie Yänger belagere, fie haben noch auf britthalb Jahr 
Früchte und Wein genug. Darauf gab man dem Kaiſer den 
Rath, er follte eine von feinen füngern Schweflern an den 
jüngften Herrn von Eberftein, Namens Eberhard, vermählen, 
weil es tapfere und kluge Herren wären, welde Seiner Mas 


351 Stadt Baden und Umgebung. 


jeftät in wichtigen Gefchäften könnten gute Dienfte leiſten. Otho 
ließ ſich ſolchen Rath gefallen, gab dieſem jungen Herrn ſeine 
füngere Schweſter zur Ehe und hielt ihnen ein prächtiges Hochs 
zeitfeft in Sachſen.“ 


(Berg. mit diefer Sage die Davon etwas abweichende, folgende Romanze Uhlandes.) 


Graf Eberſtein. 


Zu Speyer im Saale, da hebt ſich ein Klingen, 
Mit Fackeln und Kerzen, ein Tanzen und Springen: 
Graf Eberftein 
Sühret den Reih’n 
Mit des Kaifers holdſeligem Töchterlein. 


Und als er fie ſchwingt nun im luftigen Reigen, 
Da flüftert fie leiſe, fie kann's nicht verſchweigen: 
„Graf Eberftein, 
Hüte dich fein! 
Heut Nacht wird dein Schlößlein gefährdet feyn.“ 


Ei! — denfet der Graf, — Euer Kaiferlih Gnaden, 
Sp habt ihr mih Darum zum Tanze geladen? — 
Er ſucht fein Roß, 
Läßt feinen Troß, 
Und jagt nad feinem gefährdeten Schloß. — 


- Um Cberſteins Veſte, da wimmelts von Streitern, 
Sie fchleihen im Nebel mit Haden nnd Leitern. 
Graf Eberſtein 
Grüßt fie fein: 
Er wirft fie vom Wall in die Gräben hinein. 


As nun der Herr Kaifer am Morgen gefommen, 
Da meint er, es feye die Burg fohon genommen. 
Doch auf vem Wall 
Zanzen mit Schall 
Der Graf und feine Gewappneten all. 


Stadt Baden und Umgebung. 235 


„Herr Kaifer, befchleicht Ihr ein andermal Schlöffer, 
Thut's Noth, Ihr verftehet aufs Zanzen Euch beffer ! 
Eu'r Töchterlein 
Tanzet fo fein, 
Dem foll meine Veſte geöffnet ſeyn!“ — 


Im Schloffe des Grafen, da hebt fih ein Klingen, 
Mit Fadeln und Kerzen, ein Tanzen und Springen. 
Graf Eberftein ' 
Führet den Reih'n 
Mit des Kaifers Holdfeligem Töchterlein; 


Und als er fie fchwingt nun im bräutlichen Reigen, 
Da flüftert er leiſe, nicht kann er's verfchweigen; 
„Schön Jungfräulein, 
Hüte dich fein! 
Heut Nacht wird ein Schlößchen gefährdet ſeyn!“ 
Ludwig Uhland. 


Das Kloſter bei Eberſtein. 


Anderhalb Stunden von Baden liegt das Dorf Hauen⸗ 
eberftein, in deſſen Nähe noch die wenigen Ueberrefte eines 
zerfallenen Nonnenklofters fihtbar find. Bon ber Entftehung 
diefes Gotteshaufes geht folgende Sage um. 

Ein junger Ritter, der auf einer benachbarten Burg, deren 
Namen mit ihren Mauern verfehwunden ift, feinen Sig hatte, 
fehrte eines Abends von einem Bankette nach Haufe. Der Wein 
hatte feine Lebensgeifter mehr als gewöhnlich aufgeregt und in 
feinem leichten Jugendſinne den Wunfch hervorgerufen, irgend 
ein Yufliges Abenteuer zu beſtehen. Sein Weg führte ihn an 
einem fleinernen Kreuze vorbei, das zum Gedächtniß und für's 
Seelenheil eines an diefem Ort erfchlagenen Wanderer aufge- 
richtet worden war. An feinem Fuße faß eine weibliche Ge⸗ 
flalt, die, fo weit der Ritter in der Dunkelheit unterjcheiden 
fonnte, jung und von angenehmen Formen fehlen. Er redete 
fie munter an: „Wer bift du, fehönes Kind, und was bindet 
dich noch fo fpät an dieſe traurige Stätte ?“ 


236 Stadt Baden und Umgebung. 


- 


„Ich pflege bier öfters zu weilen;“ — erwieberte Die Ges 
flalt; — „‚unter diefem Kreuze fchlummert mein einftiger Ver⸗ 
lobter, welcher Durch die Hand eines Nebenbublers fiel.” 

Der Ritter ſprach ihr fo tröftend zu, daß die Jungfrau 
leicht eine mehr als gewöhnliche Theilnahme aus dem Tone 
feiner Worte heraushörte und ſich bald in ein lebhaftes, nichts 
weniger ald wehmüthiges Gefpräc mit ihm verflocht; ja, fie 
nahm fogar ohne langes Sträuben den Antrag an, den er ihr 
zulegt machte, ihm auf feine Burg zu folgen. Das Abenddun⸗ 
kel hatte feine Blicke nicht getäufcht, denn bei näherer Betrach⸗ 
tung blühten ihm aus dem düſteren Trauerflore, in den fie 
gehült war, die berrlichften Formen entgegen, und je länger 
er an ihrer Seite wandelte, defto Tiebenswürdiger fchien ihm 
feine neue Bekanntſchaft. Doc als fie erft, auf feiner Burg 
angelangt, im Gemache beim hellen Kerzenfchein ihren Schleier 
gänzlich zurückſchlug, da entbrannte fein Herz in fafl wahn- 
finniger Liebesgluth, denn ein wundervolleres Antlig hatte fein 
Auge noch nie gefchaut. 

Es war fihon fpät Abends und im Laufe ihrer zärtlichen 
Unterredung hatte die Schöne bereits mehrmals etwas ängftlich 
geäußert, fie müfje pünftlih um Mitternacht wieder zu Haufe 
feyn. Der Ritter verhehlte ihr die rechte Stunde und fuchte 
fie auf alle Weife zu zerftreuen. Auch fpielte fie nichts weniger 
als die Spröde gegen feine glühenden Tiebfofungen. Als bie 
Uhr in der Nebenfammer Mitternacht verfündigte, ſchloß er 
fein Liebchen, damit es die Glockenſchläge überhören follte, noch 
fefter in feine Arme und hebedte ihren Mund mit ftürmifchen 
Küſſen. Aber kaum waren die Schläge der Uhr verflungen, 
als plötzlich des Mädchens Lippen unter den feinigen eisfalt 
wurden, die Rofen ihrer Wangen einer töbtlichen Bläffe wichen, 
die leuchtenden Tiebesfterne verloſchen und tief in ihre Höhlen 
fanfen. — Der Ritter bielt eine falte, ftarre Leiche in feinen 
Armen. 

Außer fih vor Entſetzen bringt er fie auf fein Tager und 
wendet alle Mittel an, fie mit Hülfe feiner berbeigerufenen 
Dienerfehaft ind Leben zurüd zu rufen. Vergebens! Es bleibt 
ihm nichts übrig, als die Anftalten zu ihrem Begräbniffe trefs 
fen zu laſſen, das auf den Abend des nächſten Tages feſtgeſetzt 





Stadt Baden und Umgebung. 237 


wurbe. Als die Zeit heran fam und der Sarg in die Burgka⸗ 
pelle getragen werben follte, fand man das Mädchen, aufs 
Neue von friſchem kräftigem- Leben durchglüht und in al ihrer 
Schönheit Reizen blühend, aufgerichtet auf der Bahre fiben. 
Kaum vermochte der Ritter, bei diefem unheimlichen Anblick, 
die Bitte hervorzuſtammeln, ihm bies wunderbare Räthfel zu 
loͤſen. 

„Ih gehöre ſchon längſt dem Reiche der Todten an;“ — 
erwiederte das geheimnißvolle Weſen, — „aber der Spruch des 
ewigen Richters hat mich verurtheilt, keine Ruhe zu finden im 
ftillen Grabe, zur Strafe, daß mein grenzenlofer Reichtfinn, — der 
mid ſtets dazu trieb, die Eiferfucht meines Berlobten zu er- 
regen, um mich daran zu weiden, — feinen Tod durch die Hand 
eines Nebenbuhlers verurfachte. Seglichen Abend, ſobald die 
Sonne hinter die Vogheſen gefunfen ift, erwache ich in meiner 
fühlen engen Behaufung, die fih dann zu öffnen pflegt, und ich 
muß hinaus und mich im Geftlde herumtreiben bie Mitternacht, 
um welche Zeit ih in das Grab zurüdfehren darf, das fi 
alsbald wieder über mir ſchließt. Wollt Ihr meiner irrenden 
Seele die ewige Ruhe verfhaffen, Herr Ritter, fo baut ein 
Klofter auf der Stelle, wo Ihr mich zuerſt beim fleinernen 
Kreuze gefunden, und wendet Euch ſelbſt von den eitlen Freus 


den dieſer Erbenwelt zum Reiche Gottes !“ 
AL, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenben ıc.”) 


Die Haueneberfteiner Glocke, 


In der Nähe des Dorfes Haueneberftein warb vor 
Zeiten von Wildebern eine Glocke am Ufer des Eberbaches aus 
dem Boden gewühlt. Die Dorfbewohner fanden fie und hänge 
ten fie in ihren Kirchenthurm. Als fie geläutet wurde, war ihr 
Klang fo heil und flarf, dag man ihn zwölf Stunden weit, in 
Straßburg, hörte. Nun wollten die Straßburger gerne biefelbe 
haben und boten dafür fo viele Thaler, als fi von der Glocke 
oben im Thurme bis an die Banngrenze des Dorfes, in 
einer zufammenhängenden Reihe, würden legen Iaffen. Die 
Haueneberſteiner gingen jedoch den Handel nicht ein, und um 


238 Stadt Baden und Umgebung. 


ihre Glocke befto fiherer zu behalten, dämpften fie durch einen 
hineingefchlagenen Nagel deren Klang. So blieb ihnen dieſelbe 
noch lange, bis ſolche zuletzt im Kriege durch bie Franzoſen 
zerflört wurde. ”) 

(S. Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.” Jahrg. 1835.) 


Tiefen im WBafler. 


Unter einem Brüdlein, zwifchen Baden und Scheuern, 
hatten bie Darübergebenden zu Zeiten niefen gehört, und ale 
einmal ein betrunfener Bauer von Scheuern ed auch hörte, rief 

: „helf Gott!” Sogleich fand eine ſchöne, glänzend weiße 
Frau vor ihm und dankte ihm, daß er fie buch fein „Helf 
Gott”, worauf fie ſchon viele Jahre geharrt, erlöft habe. Hier⸗ 
auf bat fie ihn, feine Hand, mit dem Schnupftuche darin, her⸗ 
zureichen, was er auch that. Die Frau Yegte ihre Hand auf 
das Tuch und verſchwand. Wo ihre Hand gelegen, war deren 


Abbild Schwarz in dad Tuch gebrannt. 
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1835.) 


Die Geifter führen irre. 


Bor etwa fünfzig Jahren war ein Schulmeifter zu Eberftein- 
burg, ein Greis von 75 Jahren, reblich und fromm, der auf 
Allerfeelentag (2. Nov.) nah Rothenfels herab ging mit 
feinem Pfarrherrn, um feine Andacht bei der Bruderſchaft zu 
verrichten. Da der Pfarrer nicht mit nach Haufe gehen wollte, 
fo kehrte der Schulmeifter allein zurüd, denn der Weg war ihm 
yon Kindheit an wohl bekannt. Aber es war ſchon Nacht und 
die Geifter führten ihn auf Srrgängen herum. Er lief die 
ganze lange Nacht und konnte den Heimmeg nicht finden. Am 
andern Morgen lag er ganz nahe bei dem Dorfe auf dem Feld 
in ben legten Zügen; die Leute, die ihn fahen, brachten ihn ſo⸗ 

* Diefe Sage kommt einigemal vor, denn ich erinnere mid, fie auch von einer 
Glocke des Domes zu Speier gehört zu haben, bie von Schweinen aus der Erbe gewühlt 


wurde. Bielleiht hat ber Name Haueneberftein bazu beigetragen, fie auch an biefen 
Dirt zu Inlpfen. Mone. 


Stadt Baden und Umgebung. 239 


gleich nach Haus, wo er feinen Geift aufgab. Er hatte Schin- 
dein in der Taſche ‚ftedden, feine Schuhe waren ganz durch⸗ 
gelaufen und mit Weiden gebunden, aber an feinem ganzen 
Körper war'gar nichts verleut und auch fein einziger Ritz zu 
bemerfen. °) 

(Siehe Mone!8 „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrgang 1834.) 


Die Drei: Eichenkapelle. 


Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts zog die Peft mit 
ihrem ganzen Gefolge von Schrediniifen und Plagen verheerend 
durch Teutfchland. Die Felder Tagen öde und unbebaut, bie 
Städte wurben entoölfert, Sterbende fchleppten die Todten zum 
Grabe, vor den nächſten Anverwanbten verfchloß man bie Thüre; 
alle gefelligen Bande waren gelöfl. Schon in den nädften 
Städten und Dörfern um Baden hatte diefe furdtbare Geißel 
ber Menfchheit ihre Berwüftungen begonnen. In letzterer Stadt 
hatte man die Thore geſchloſſen und die Behälter der warmen 
Duellen geöffnet, daß fie qualmend und dampfenb durch die 
Straßen hin firömten. Und immer näher rüdte die Seuche; 
ſchon waren in dem Weller Scheuern die Bewohner des 
Außerftien Haufes gegen Dos zu davon ergriffen; der Haus⸗ 
vater hatte nacheinander fein Weib und vier Kinder jämmerlich 
dahin fterben fehen und fie auf dem nächſten Felde verſcharrt 
und erwartete jest, hülflos, von aller Welt gemieden und ge⸗ 
flohen, fein gleichfalld herannahendes Ende, 

Wenige Schritte von dem Berlaffenen wohnte fein erfter 
Nachbar, Diether, mit Weib und Kindern. Bol Schreden 
und Zagen hatten diefe gefehen, wie ber unglüdliche Vater alle 
die Seinigen hinaustrug zum Begräbniß und wie er felbft mit 
wanfendem Schritt und blaffem, bleifahlen Antlig im Haus 
umherſchlich. Zulegt mußte ihm auch hierzu die Kraft gefehlt 
haben, denn fo oft fie auch nad) dem Haufe hinüber fohauten, 
fo vermochten fie doch feine Spur von einem Iebenden Weſen 
mehr zu erblicken; das ganze Haus ſchien ausgeftorben zu feyn, 
oder ber letzte Bewohner deffelben mochte wohl ſchon mit dem 
Tode ringen. Endlich zeigte fich doch der Kranfe wieder am 

2) Die Erzählung ift wahr, bie Erflärung Sage. Monte. 


240 Stadt Baden und Umgebung. 


Fenſter, das er öffnete, und rief mit ſchwacher, flerbeuber 
Stimme berüber, indem er die Hände flehenb empor hob, man 
möchte ihm doch, um der himmlifchen Barmherzigkeit willen, ein 
Gefäß mit Waffer vor die Thüre flellen, damit er den brennen- 
den, verzehrenden Durft Yöfchen könne. Diefer rührenden Bitte 
vermochte Diether nicht zu widerfiehen. Er füllte ein großes 
Gefäß mit friſchem Wafler und flellte es vor die Thüre des 
Peſtkranken, worauf er ſich eiligen Schrittes wieder entfernte. 
Bald darauf ſah er den Alten fih mühfam vor die Thüre 
fehleppen und das Waſſer zu fih in das Haus ziehen. Es war 
das Teste Mal, dag er ihn erblidte. 

Bol Furcht und Angft mufterte Diether, bevor er fi 
Abends zur Ruhe niederlegte, feine Hausgenoffen, ob ſich noch 
an Keinem die Spuren ber entfeglichen Krankheit zeigten. Aber 
obgleich fie Alle gefund und munter waren, fo Tieß ihn Doch bie 
Beforgniß für die kommenden Tage lange nicht einfchlummern. 
Wie er nun fo ſchlaflos im Bette Tag und inbrünftig zur heilt- 
gen Jungfrau betete, ihn und die Seinigen vor der fehredlichen 
Seuche zu bewahren, da vernahm er auf einmal ein feltfames 
Tönen und Klingen. Bald Fam es ihm wie ein Ieifer, Tieblicher 
Geſang vor, bald wie fern verflingende Orgeltöne. Er Taufchte 
lange den wunderbaren Lauten, die feine aufgeregte Seele be- 
fänftigten und ungemeine Beruhigung ihm einflößten, fo daß 
bald ein erquidender Schlaf feine müden Augen fehloß. 

‚ Der nädjfte Tag ging abermals glücklich vorüber, aber die 
Nacht darauf vernahm er wieberum das Tiebliche Klingen. Er 
ſtand auf und oͤffnete das Fenſter. Ihn däuchte jebt, als kämen 
die Töne aus der alten Eiche, die bei feinem Haufe fland. Er 
weckte fogleich feinen älteften Sohn und Beide gingen mit einer 
Leuchte hinaus, die Sache näher zu unterfuchen. Diether hatte 
fih nicht getäufcht. Ye näher fie dem alten Baume kamen, 
befto deutlicher hörten fie den wunderbaren Klang. Sie befahen 
den Baum von allen Seiten, aber nirgends war etwas Auffal- 
lendes daran zu bemerfen. Es war nicht anderd möglich: der 
Schal fam doch aus dem Stamme der Eiche. Sie hielten ihr 
Ohr an bie rauhe harte Rinde, da brang das Getöne ganz 
nahe und Taut hervor. Lange blieben fie Taufchend ſtehen und 
wußten nicht, was fie davon benfen ober was fie beginnen foll- 


Stadt Baden und Umgebung. Ai: 


ten. Endlich Fam Diether zu einem Entſchluß. Ex hieß feinen 
Sohn eine Art herbei holen und fing damit an, die Rinde an 
jener Stelle weg zu bauen, wo bad Tönen am beutlichften zu 
vernehmen war. Kaum aber waren einige Hiche in den Baum 
getban, fo fprang ein großes Stück Rinde heraus und beim 
Schein ihrer Lampen erblidten fie jegt in dem Eichenſtamm eine 
Dlende und darin ein Marienbild mit dem Sefusfnaben, von 
welchem dies wunderbare Klingen ausging. Unwillfürlich flieg 
bei diefem Anblick in Diether der Gebanfen auf, der Himmel 
babe durch diefes Wunder ein Zeichen geben wollen, daß an 
dieſer Stelle die Per ihr Ende gefunden habe. Dankend und 
in frommer Demuth Tnieeten jet Vater und Sohn vor dem 
Dilde nieder und verrichteten ihre Andacht. 

Bald verbreitete fi) das Gerücht von dem wundervollen 
Gnadenbild in dem Dorfe und bis in die Stadt, und da zu 
gleicher Zeit aus den umliegenden Orten die Nachricht einlief, 
bag die Per überall plötzlich nachgelaffen habe, fo befam die 
Sage noch mehr Gewicht und die gläubige Menge firömte 
fhaarenweis herbei, das Wunder zu ſchauen. Sogar in das 
gerpeftete Haus wagten fi einige herzhafte Männer. Sie 
fanden deſſen Bewohner entfeelt auf dem Boden liegen und 
neben ihm das Waflergefäß. Der Leichnam warb zur Erde 
beftattet, das Haus aber niedergeriffen. 

Als im Jahr 1650 die alte Eiche abzufterben anfing, Tieß 
die damalige Markgräfin, Maria Magdalena, zweite Gemahlin 
Ludwig Georgs, eine geborne Gräfin von Dettingen, den 
Baum von den Xeften an abnehmen und über dem Stamm eine 
Kapelle bauen. Mariatroft nannte fie bie fromme Stifterin, 
aber der Namen ift außer Gebrauch gefommen und fie wirb alls 
gemein die Drei-Eichenfapelle genannt von den drei Eichen, 
bie Daneben gepflanzt wurden. | 
Noch jest flieht der Eichenftamm hinter dem Hochaltar und 
in feiner Blende das Marienbild. Das Gemälde an der Dede 
der Kapelle bezieht fih auf die Sage von der Entftehung bes 
Kirchleins: es ſtellt die heilige Jungfrau vor, zu welcher bie 
Peftfranfen ihre Zuflucht nehmen. | AL. Schreiber. 

(Vergl. „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karlsruhe 1834.) 
39€ 
II. | 16 








238 Stabi Baden und umgrbung. 
Sagen von der Yburg. 


Die Aburg. 


Zwei Stunden von der Stadt Baden, auf einem in bie 
Ebene vorſpringenden Bergkegel, erheben fich die grauen Thürme 
ber Burg Yburg. Der eine davon iſt von oben bis unten 
som Blite gefpakten. Bon dem übrigen Mauerwerk Tiegt, 
ander dem allmälig auch einflärzenden vorderen Thorbogen, 
Alles in Trümmern. Das Gefchlecht, welches hier wohnte, ift 
längſt erfof Gen. Der lebte Befiger der Burg führte, wie die 
Sage geht, ein wüſtes Leben, woburd er in manderlei Bes 
draͤngniffe gerieth. ”) Seine Güter wurden verpfändet und er 
mußte fih eine Zeitlang feinen Unterhalt raubritterlich mit dem 
Schwert erkaͤmpfen, bis er in einem Gefechte den rechten Arm 
verlor und ihn der größte Theil feiner Knechte verlieh. Jetzt 
faß er vol finftern Unmuths auf feiner einfamen Burg unb 
Brütete über allerlei fehlimmen Anfchlägen. Da kehrte eines 
Abends ein Pilger bei ihm ein, der vorgab, er wiffe verborgene 
Schäge zu finden und wolle ihn von aller Noth befreien. Der 
Ritter war darob voͤchlich erfreut und vertraute ihm: „Ich 
habe mehrmals von meinen Eltern gehört, daß mein Urgroß⸗ 
vater, als einſt dieſes Schloß von einer ſchweren Belagerung 
bedroht war, einen großen Reichthum an Gold und Edelſteinen 
darin vergraben, gleich beim erften Anfturm des Feinbes aber 
das Leben eingebüßt habe. Könnt Ihr mir zu dieſem Schade 
verhelfen, fo ſollt Ihr auf fürftliche Weife belohnt werben. 

„Das Tann mir nicht ſchwer fallen;“ — erwicderte ber Srembe. 
— „„war ich doch felbft dabei, als Euer Ahne, den man nur ben 
Iſegrimm nannte, feine Kleinodien in Sicherheit brachte. 

„Ihr war dabei?“ fragte der Yburger und ſah ihn mit - 
großen Augen an, „Mein Urgroßvater ift ja ſchon feit mehr 
ats hundert Jahren todt!“ 


9) Dies erinnert “ van Markgrafen Eduard Fortunat. Siehe das 3 betreffende 
Gniät, von J. dub, © : 








Stadt Baden und Umgebung. 243 


„Und dennoch““ — fuhr ber Pilger fort — „hab' ich mehr 
als Einmal mit ihm gezecht. Indeffen laßt ab, nach Dingen zu 
forfhen, die Euch unbegreiflich vorkommen und folgt meinem 
Rathe. Heute ift Walpurgisnacht. Sobald die Glode Mit- 
ternacht fchlägt, begebt Euch Hinunter in bie Rapellengruft, 
worin Eure Väter beigefegt find, öffnet Ihre Särge und tragt 
die Gebeine hinaus in das Freie, Damit der Mond fie befcheine. 
Während fie nun draußen liegen, Tehrt Ihr ſodann in die Gruft 
zurück und holt die Koftbarfeiten aus den Särgen, was fein 
Hinderniß feyn Tann, fobald die Tobten davon entfernt find. 
Nachher mögt Ihr die Gerippe wieder in ihren Särgen zur 
Ruhe bringen.” 

Den Ritter überlief es ganz Falt bei dieſem Borfchlage, 
aber feine Begier nad Reichthum und Lebensgenüflen war fo 
groß, daß fie bald alle feine Furcht überwog. Um Mitternacht 
begab er ſich in die Kapelle, bis zu deren Eingang ber Pilger 
ihn begleitete, dort ſtehen blieb und ſich beharrlich weigerte, 
das Innere derfelben zu betreten. 

Der Ritter öffnete die Säage, einen nad) dem andern, unb 
trug, wie geheißen, fänmtliche Gebeine hinaus auf einen heil 
vom Vollmond befchienenen Raſenplatz. In dem Sarg aber, 
den er zulegt auffchloß, fand er den noch unverweften Leichnam 
eines Kindes Tiegen. Als er auch diefes binaustrug und zu 
den übrigen Todten gefellen wollte, richteten fich Alle mit einem 
Mal empor und riefen mit hohler Stimme: „Augenblicklich 
trag ung in unfre Nubheftätten,.zurüd, damit wir nicht umgehen 
müffen auf Diefer Burg!” 

Kaum war die Schredfensmahnung ergangen, als der Fremde 
vor dem Ritter fland. Das Pilgergewand raufchte von feinem 
Leibe nieder und er wuchs empor, höher und immer höher, big 
fein Haupt, deffen Haare wie Flammen Ioberten, den Mond zu 
berühren ſchien. Schon firedte die furchtbare Riefengeftalt ihre 
gefpreisten Krallen nach dem Ritter aus, deſſen Blut zu Eis 
gerann, da regte fich ber Leichnam bes Kindes, das er noch auf 
feinen Armen trug, eine Glorie umfloß das feine Geſichtchen 
und yon feinen Tippen ertönten bie Worte: „Fliehe, verworfe⸗ 
ner Geift des Abgrunds! Diefer Berblendete hier ſoll nicht 

16°” 


244 Stadt Baden und Umgebung. 


dein Opfer werden, ſondern den Reſt ſeines Lebens der Reue 
und Buße widmen!“ 

Mit wildem Gebrülle verſank die Rieſengeſtalt in den ſich 
unter ihr ſpaltenden Felſenboden. Der Ritter aber eilte, das 
wieder zur ſtarren Leiche geworbene Kind und die Gerippe ſei⸗ 
ner Ahnen nebſt allen geraubten Koſtbarkeiten von Neuem in 
die Särge zu verſchließen, und verließ gleich am nächſten Mor⸗ 
gen, im härenen Gewand und Mufchelhute, feine Burg. Er 
wallfahrtete von einer heiligen Stätte zur andern unter beftän- 
digen Gebeten und Bußübungen, bis man ihn einft an den 
Stufen eined Altar tobt liegen fand. Seine Burg verfiel, fein 
Geiſt aber ſoll noch jeßt unter den Trümmern umbherirren. 

(Siehe A, Schreiber!8 „Sagen vom- Rhein And Schwarzwald 2c.”) 


Das goldene Kegelfpiel. 


Bon der Yhurg fagt man, daß fie von Tempelherren er⸗ 
baut fey. Aber diefe Chorherren wurden einmal alle in Einer 
Nacht umgebracht und ihr Haus zerſtört. Seitdem gehen bie 
Geifter auf diefem Berge, Rieſen und Zwerge find auf ber 
Burg, man hört darin Kriegsgefhrei, und Leute, die dann in 
die Nähe kommen, werben mit Steinen geworfen. Dan hört 
darin auch lachen, jammern und weinen. Diele Geifter find 
ſchon hinauf gebracht worden. Die Geifterbanner ſtecken fie 
zuerft in Säde und tragen fie um Mitternacht aus den Häu⸗ 
fern. Diefe vielen Geifter auf der alten Burg fpielen oftmals 
mit Kegeln. Ein Knabe, der Holz fammelte, hörte das und 
ging aus Neugierde an das Schloßthor, da. fand ein alter 
Mann und führte ihn zu dem Wohnhaus. Da waren zwölf 
Männer mit fohwarzen Kleidern und weißen Bärten und einer 
winfte dem Sinaben, die gelben Kegel aufzufegen. Das that er 
auch, ihm fam aber die Kugel gar zu ſchwer vor. Da ſchlug 
es zu Steinbach zwölf Uhr, die Männer hörten auf und gaben 
ihm zum Lohn einen gelben Kegel in feinen Holzforb, worauf 
Alles mit dem letzten Glockenſchlag vor feinen Augen ver- 
ſchwand. Der Kegel war dem Knaben zu fchwer und als er 
bei einem Stamme einen fhönen Haufen Lesholz fand, da warf 


Stadt Baden und Umgebung. 245 


er den gelben Kegel hin und füllte feinen Rückkorb mit dem 
Holz. — Das trug er denn nah Fahrenhalt und erzählte 
feinem Bater, was ihm begegnet war. Diefer aber ſchalt den 
Sohn, daß er den ſchweren gelben Kegel nicht behalten habe, 
denn er müfle von Gold gewefen feyn. Da Tief der Knabe fei- 
nem Vater zu Lieb wieder in den Wald und fam auch an den 
Stamm, wo er bad Lesholz gefunden, aber der gelbe Kegel 
war fort, ed lag da nur ein Stüd dürres Holz. — Wenn die 
Leute im Walde zu thun haben, fo bleiben fie gern beifammen 
oder warten am Wege auf einander, um gemeinfchaftlich nach 
Haufe zu gehen. Denn einzeln werben fie oft ihre geführt und 
an die Burg gebracht» Dort muß fich Jeder dreimal im Ring 
herumwenden, bevor er weggeht, und wenn er weiß, wie er fich 
zu wenden hat, dann findet er wieder den rechten Weg. 
(Berg, Mone’& „Anzeiger 20.” Jahrg. 1834.) 


Yhurg’3 Ya.” 


Stolz blickt von Bergeszinnen 
Die Aburg in das Thal, 
Doch wüſt und leer ifld innen, 
Und außen dd’ und fahl. 


Des Haufes letzter Sproffe 
Hat all fein Gut verpraflt, 
Sitzt einfam nun im Schloffe, 
Der Ratt’ und Eulen Gaft. 


Er fchwingt nicht mehr mit Ehren 
Sein Schwert in Fehd' und Spiel; 
Des Wandrers Gurt zu leeren, 

Iſt nun fein einzig Ziel. 

Sein Weib und Kind erlegen 
Sind Tängft dem tiefen Weh; 

Sp fagten Lieb’ und Segen 
Der Trauerburg Ade! 


*) Bergl, die erfie Sage, S. 242 u. ff. 


Stadt Baden und Umgebung. 


Die Beten feiner Mannen 
Erſchlug ein blut'ger Strauß, 
Die Schlechten flohn von dannen, 
Da ſchlich die Noth ins Haus. — 


Stolz blickt von Bergeszinnen 
Die Yhurg in das Thal, 
Beim erfien Nachtbeginnen, 
Deglänzt vom Mondenſtrahl. 


Ein Pilgrim fommt gegangen, 
Traͤgt rabenſchwarzes Haar, 
Uns über finſtern Wangen * 
Ein bligend Augenpaar. 


Er pocht wohl an die Pforte — 
„Was ſuchſt du, Srembling, bier? 
Du trifft an diefem Orte 
Nicht Labſal noch Quartier. 


„Denn leer ift Küch' und Keller, - 
Die Kammer fpinnenvoll, 
Im Schrein fein rother Heller 
Zu frommem Pilgerzoll.” — 


„Macht auf dem Reifemüden ! 
Bin hergewallt zur Buß’ 
Aus ferner Stadt im Süden, 
Bom Pilgern hinkt mein Fuß. 


„Macht auf, macht auf die Thüre | 
So's Euch an Troft gebricht, 
In meinem Ranzen führe 
Ich mand ein fein Gerigt. 


„Ein Krüglein edlen Weines. . .' — 
„Herein, du fremder Saft! 
Laß fehen, was du eines 
In deinem Ränzlein haft!’ 








Start Baden und Umgebung, 247 


Auf thut ſich unvergüglich 
Das Thor, der Gaſt tritt ein; 
Bald ſaßen hochvergnüglich 
Die Zwei bei Mahl und Wein. 


Ein Vorrath leckrer Speiſe 
Stieg aus des Pilgrims Sack, 
Gewürzt auf feinſte Weiſe, 
Vortrefflich von Geſchmack. 


Im Römer perli' und glühte 
Der Wein karfunkelklar, 
Als ob dr Flammen ſprühte, 
So feurig wunderbar. 


Deß tranken ſie ſelbander 
Beim Schmauß manch wackern Zug, 
Wettbechernd mit einander, 
Und nie verfiegt ber Krug. 


Bald wurden fie vertrauter, 
Der Strom der Rede fchwoll, 
Daß lauter, immer lauter 
Der Lärm die Burg durchſcholl. 


Die alten, Ahnenbilder 
Am Söller wurden wad, 
Es klangen die roftigen Schilder 
Im nahen Rüftgemad, 


„Ich mögt viel baß es haben, 
Herr Ritter, fo Ihr wollt! 
In Eurer Burg begraben 
Liegt Evelftein und Gold, 


malt unter ber Kapelle 
Bermobert reicher Schag, 
In dumpfer. Todtenzelle; 
»s fänd' aber beffern Play." — 


Stadit Baden und Umgebung. 


„Biel Soll ich frevelnd fchänden 
Erlauchter Ahnen Staub — 
„Der Bäter Gut verwenden, 

Nur Pfaffen nennen’s Raub. 


„Hinweg mit eiteln Sorgen ! 
Nur frifh und flinf daran, 
Sp iſt der Hort geborgen, 
Eh? wieder Träht der Hahn. 


„Trinkt aus bis an den Boden 
Den Kelch aufs Wohlergehn — 
Aufs Wohlergehn der Todten, 
Die niemals auferfteßn "' — 


Zwölf Schläge zittern helle: 
Das Werk ift fhon im Gang, 
Tief unter der Kapelle 
Tönt ungewohnter Klang. 


Die alten Ahnenbilder 
Im Söller wurden wach, 
Es klangen die roſtigen Schilder 
Sm nahen Ruſtgemach. 


Geſprengt beim Fadeljcheine 
Erſchließt fi Sarg um Sarg, 
Die morſchen Todtengebeine 
Sie werben gerüttelt arg.. 


Entfleifchte Schädel ſchauen 
Den Frevler firafend an: 
„Laß ab!" — Unnennbar Grauen 
Win innerft ihn umfahn. 


„geil macht dich Furcht erbleichen 2“ 
Höhnt fein Kumpan von fern. 
Drauf an ben Ietten Leichen 
Will keck der Ritter zerr'n. 


Stadt Baden und Umgebung. 249 


„Laß ab!” — Tönt aus dem Grabe 
Ein Stimmlein, engellind, 
Aufſtreckt ein lichter Knabe 
Die Hand, — fein einzig Kind, 


Zu Boden finft der Ritter: 
„Bergib, Herr Jeſus Chriſt!“ — 
Ein furchtbar Ungewitter 
Brach aus der ſelben Friſt. 


Es wankt die Burgkapelle 
Und ſtürzt mit Sturmgebraus. — 
Der Frembling an der Schwelle 
Berfhwand in Nacht und raus. 


Ebuarb Brauer. 


Die böfe Müllerin von Zell. 


Bu Zeit im Abts-Stab lebte vor Zeiten eine reiche und 
böfe Müllerin. Sie gab den Armen fein Stüdlein Brot und 
brachte manche Leute durch Proceffe um Hab und Gut; fie 
haßte die Geiftlichen, befuchte niemals die Kirche und flarb eines 
plöglihen Todes. Da ging fie nun als Geift um in ihrer 
Mühle, bis die Leute zulest einen Pater kommen Yießen, der 
bes Geifterbefhwörens kundig war. Der bannte die Müllerin 
in einen Sad und trug ihn auf die Ybhurg. Lange Zeit hörte 
man dort ihre Klage; fie rief Tag und Naht: „Ich bin die 
Müherin von Zell!" — Seitdem aber der Blig in die Burg _ 
gefchlagen und den einen Thurm gefpalten hat, iſt ber Geift 


verftummt, wie die anderen auch, die dort oben ihr Wefen trieben. 
(Siehe Mone's Anzeiger 20. v. 3. 1834.) 


Sortunat von Baden, 


Seht dort auf fleilem Bergesgrat 
Die Yburg, waldumfchlofen ! 
Da hauſte Markgraf Fortunat 
Mit feinen Nachtgenoffen. 


250 


Stadt Baden und Umgebung. 


Er hatte mit verrucdhter Hand 

Dem Teufel zum verfluchten Pfand, 
Für ſchwarzer Kunft Befehle 
Berfchrieben Leib und Seele. 


Entfegen rief im Land umher 
Sein wüſtes Sattelleben; 
Zu Straßenraub und Morbbegehr 
Erniedrigt war fein Streben. 
Er ſchmückte mit dem Raub fein Schloß 
Und hielt mit feinem wilden Troß 
Oft Nächte Yang und Tage 
Hölliſche Saufgelage. 


Bon Durlach war's Fürft Friederid, 
Den er zu meucheln trachtete, 
Weil der den Better Lieberlich 
Aus Herzensgrund verachtete. 
„Du zwingft ihn nicht im offnen Streit, 
Drum fhaff ihn heimlich anf die Seit’ “ 
Sp nahm des Markgrafs Buhle 
Ihn fchmeichelnd in die Schule. 


Und im Laboratorium 
Der Yburg hört man ſtampfen 
Die großen Mörfer mit Gefumm, 
Und fieht die Eſſen dampfen. 
Hier braut ein furchtbar Giftrecept 
Mit wälfchen Stroichen der Adept, 
Ein Salz für Belters Kühe, — 
Nicht fehlen Zauberſprüche. 


Der Himmel ſchützte wunderbar 
Davor den arg Bedrohten, 
Doch mand unfchuldig Opfer war 
Gegangen zu den Todten. 
Das kümmert nicht Herrn Kortunat, 
Ihn fpornt, durch feiner Buhle Rath 
Und wälfche Lit, der Satan 
Aufs Neu’ zur finftern That an. 


Stadt Baden und Umgebung. 251 


Und im Gewölb', in fpäter Nacht, 
Wo fonft fie Geld nachfaͤlſchen, 
Wird jest ein Bild auch nachgemacht 
Bon ihm und feinen Wälfchen, 

Aus Jungfernwachs zumal und Leim 
Und Zauberftoffen insgeheim: 
Friedrich's, zur Rad’ erkoren, 
Dem er den Tod gejchworen. 


Behängt mit Fratzen allerlei, 

Verflucht mit freolen Worten, 
Starrt Iebensgroß das Konterfei 
Auf Tiegel und Retorten. 
Im Miderfchein der Koblengluth 
Sein Antlig vöthet fih zu Blut; 
Sogar das Glas der Augen 
Scheint Leben einzufaugen. 


Die ſchmalen Lippenränder weit 
Gefperret, bleckts bie Zähne, 
— Aus Mörderfchädeln eingereiht — 
Mit grinfendem Gegähne. 
Sol das der edle Friedrich feyn? 
Die Hölle borgt ihm nur den Schein, 
Daß fie des Frevlerd Sinne 
Nur fefter noch umfpinne. 


„Beim Trismegiſt!“ rief Fortunat, 
„Der Zauber wirft, Gefellen! 
Der Schelm ift Iuftig, in der That! 
Ob ihm die Ohren ſchellen? 
Gewiß, es ſchläft fein Urbild ſchlecht! 
So macht die Ladung ihm zurecht 
Mit ſchwarzem Todesſamen! 
Wohlan, ins Teufels Namen!“ 


Aus Todtenköpfen mannigfalt 
Buntfarbne Lichter brannten, 
In deren Kreis die Zerrgeſtalt 
Nun ziehn die Nekromanten. 


252 


Stadt Baden und Umgebung. 


Ste Iefen den Beſchwörungs-Pſalm, 
Rings füllt die Wölbung NRäucherquaim, 
Da tönt aus ehrnem Munde 

Die mitternäcdt’ge Stunde. 


Zum Schuß nun feine Creatur 


Der Meiſter faßt ins Auge: 


„Der Zauberkugel Erzmirtur, 

Laß fehn, ob fie was tauge?“ 

Und los nun drückt er das Piftor, 

Hei, pfeift der Ball durchs Bild fo Hohl! 
Doch auch ein Schrei, o Graufen! 

Gellt vor der Thüre draußen. 


Er reißt fie auf in blinder Wuth, 
— ‚Bar das Berräthers Stimme?" — 
Da wälzt verathmend ſich im Blut 
Die Buhle fein, die fehlimme. 
Dep hatte fo die Lauſcherin 
Für fhwarzen Rath den Strafgewinn. 
Zu Durlach, ohne Sorgen 
Schläft Friedrich, wohlgeborgen. 


Doch Fortunat, von Angſt erfaßt, 
Mit feiner Schuld Genoſſen, 
Gedrüdt von des Gewiſſens Laft, 
Entflieht auf fohnellen Roſſen; 

Fort lagt er über Stock und Zaun 
Zum fernen Schloß nach Kaſtelaun, 
Um vor der Hölle Schergen 

Vielleicht ſich dort zu bergen. 


Die Opfer laſſen ihm nicht Ruh; 
In immer wildrem Praſſen 
Stürzt taumelnd er dem Abgrund zu, 
Bon Gott und Welt verlaffen. 
Und einft bei tollem Schwelgermahl 
Lodt ihn der Böfe aus dem Saal, 
Und ſchleudert ihn Eopfunter 
Die Marmortrepp’ hinunter. — 


Stadt Baden und Umgebung. 253 


Doch auf der Yburg jede Nacht 
Der Hölle Beifter rafen. 

CH Da waltet flets des Teufels Macht, 
Wo fhlimme Fürften faßen. 
2 Der Bau zerfiel in Schutt und Staub, 
Ein Thurm noch ragt aus Waldeslaub, 
Das flüſtert felbft am Tage 

Wie eine bange Klage. 


. Ignaz Bub. 
(Driginalmittheilung.) 


Da8 Blutfeld. 


Mach dem Tode des Markgrafen Eduard Fortunatus 
von Baden-Baden wollte der Markgraf Georg Friedrich 
von Baden-Durlad defien Kinder nicht für fucceffionsfähig 
anerfennen, die aus feiner Ehe mit Maria von Eiden ent- 
fproffen waren. Die Bormünder der Kinder gaben ſich vergeb⸗ 
liche Mühe, und der Kaifer zögerte, ein Urtheil in diefer Sache 
-zu fällen, bis nach der für den Durladder Markgrafen fo un- 
glüdlichen Schlacht bei Wimpfen (1622) der Faiferliche Reichs⸗ 
bofrath einen Spruch that, nad welchem Markgraf Wilhelm 
in den Beſitz aller feiner Länder eingefegt wurde. 

Als in Folge des Sieges bei Leipzig die Schweden unauf⸗ 
haltſam gegen den Rhein vorrüdten, führte Markgraf Wilhelm 
ben Befehl über die Fatferlihen Truppen am Oberrhein. Er 
warb in mehreren Treffen von den Schweden gefchlagen und 
fein Land von diefen befeut und dem Markgrafen von Baden⸗ 

Durlach übergeben, während Wilhelm fih nad Innspruck flüch⸗ 

Bald darauf Fam er mit einem Eleinen Deere zurüd, um 
te Schweden aus feinen Landen zu vertreiben. Allein er gerieth 
in einen Hinterhalt, wobei ein großer Theil feines Heeres nie 
dergemacht wurde, und nur mit genauer Noth entging er der 
Gefangenſchaft. Schon hatte ihn ein fhwebifcher Reiter am 
Arm ergriffen, aber weil er nur in gewöhnlicher Solbatentracht 
war, und ber Schwede in demſelben Augenblid einen reich ge- 
kleideten Offizier fah, ſo ließ er Jenen los, und jagte Dies 
fem nad). 





254 Stadt Baden und Umgebung. 


Eilig und nur mit wenig Begleitern floh Markgraf Wilhelm 
feiner Refivenz zu, immer feine Feinde dicht hinter fi. So 
fam er allein bis in das Thal von Dberbeuern, wo fein 
Pferd tobt unter ihm niederflürzte. Zum Tode müde, vermochte 
er feine Flucht nicht weiter fortzufegen. Er trat jezt in ein am 
Wege flehendes Haus, gab fih zu erfennen und forderte bie 
Bewohner deſſelben auf, ihm zu feiner Rettung behülflich zu 
feyn. Der Haugeigenthümer war der. Stabhalter das Thals, 
und alsbald forglich bereit, feinen Fürften von der Gefangen- 
fhaft zu reiten. Während fie noch über bie zweckdienlichſten 
Mittel fi) beriethen, Fam ein Junge nad) Haus mit der Nach⸗ 
richt, daß ein Trupp ſchwediſcher Reiter das Thal herauf Fame 
und alle Wohnungen unterſuche. Jetzt galt fein Säumen mehr; 
doch während der Landmann beforgt nad) einem Ausgang um⸗ 
her fpähte, warb er einen ſchmutzigen, flummen Wagenfchmierer 
gewahr, den er zuweilen bei ſich vaften ließ. Schnell flieg jetzt 
ein Bedanfe in ihm auf, den er eben fo fchnell zur Ausfifrung 
brachte. Der arme Stumme mußte fich fogleich entkleiden und 
in der Tracht eines der Söhne aus dem Haufe fich entfernen, 
aber fein Fäßchen zurüdlaffen. Hierauf wurden dem Marfgra- 
fen die fchmusigen Kleider deffelben angelegt, fein Geſicht ge- 
fhwärzt und ihm die Ofenbanf zum Lager angewiefen, wo er 
die Rolle des Stummen ſpielen follte. Kaum waren die An⸗ 
ordnungen getroffen, fo flürmten auch ſchon die feindlichen 
Reiter herein. Sie durchſuchten das ganze Haus bis in Die 
hinterfien Winkel; auch den Schlafenden auf der Ofenbanf 
riffen fie herum und fragten, wer und was er fey. Man fagte 
ihnen, daß er ein armer Stummer fei, der mit Wagenſchmiere 
handle, und bier aus Barmherzigkeit eine Schlafftelle finde; 
feine Heimath fey das Murgthal. Damit gaben ſich bie Reiter 
zufrieden, holten aber aus dem Stalle noch ein Kalb, welches 
fie am Feuer zurecht machten und verzehrten. 

Am andern Morgen zeigte der Bauer dem Fürften den Weg 
übers Gebirge nah Forbach, und geleitete ihn bi am bie 
Leimenlöcher. Glücklich entfam der Markgraf abermals nad 
Snnsprud, von wo aus er fogleich Durch ein reiches Geldgeſchenk 
fih dankbar gegen feinen Retter bewies. Nachdem er wieder 
in den ungeftörten Beſitz feiner Markgrafichaft gekommen war, 





Stapt Baden und Umgebung. 255 


gab er ihm noch überdies eine große Befigung von Wald und 
Seid zur Belohnung. Graf hieß der wadere Mann und noch 
lebt eine zahlreiche Nachkommenſchaft von ihm. 

Im Jahr 1634 war Markgraf Wilhelm abermals in feine 
Reſidenz Baden zurüdgefehrt, deren Beſitz ihm aber noch nicht 
ungeflört vergönnt wurde. Der Marfgraf von Baden-Durlach 
zog mit einem Heere gegen ihn, und die Waffen follten ent- 
fcheiden, wer, über bie obere Markgraffchaft herrfchen ſolle. Au 
Markgraf Wilhelm. hatte ein Heer gefammelt, und 309 an deſſen 
Spite aus, für fein gutes Recht zu fechten. In der Ebene, 
zwifchen den Dörfern Dos und Sinsheim und dem Fremers⸗ 
berge, trafen die beiden Heere auf einander. Qapfer und hart- 
nädig wurbe auf beiden Seiten gefämpft, und zwei Tage ſchon 
hatte der Kampf mit großer Erbitterung gewüthet, ohne daß 
einer oder der andere der Fürften fi) des geringften Vortheils 
rühmen fonnte. Als am Abend des zweiten Tages die Schlacht 
ruhte, ritt Markgraf Wilhelm, der wohl einſah, daß er ohne 
Verſtaͤrkung ſchwerlich einen gänzlichen Sieg erfechten werde 
tönnen, in Begleitung eines einzigen Dieners nad) dem Beuer- 
ner Thale. Hier Tieß er die Vorfteher der Gemeinde zufam- 
menrufen und ftellte ihnen vor, wie er wahrjcheinlich bei dem 
obwaltenden Rampfe der Uebermacht erliegen werde müflen, 
wenn er feine Hülfe bekaͤme; er habe jedoch von den Bewohnern 
dieſes Thals von jeher fo viel Beweife ihrer Ergebenheit gegen 
ihr Fürftenhaus erhalten, daß er es fett getroft wage, fie zu 
bitten, ihm aus ihrer Mitte Verftärfung an Mannfchaft zu 
ſchicken. Gern und freudigen Muthes verfprachen Die bieberen 
Thalbewohner ihrem Fürften die verlangte Hülfe. Er folle nur 
getroft, fagten fie, am andern Tage die Schlacht beginnen, fie 
würden ficherlich zur rechten Zeit da feyn. Und alsbald fchie- 
ten fie durch das ganze Thal und Tießen alle waffenfähige 
Mannfchaft entbieten, um zum Heere des Markgrafen zu floßen. 
Und als der Morgen erfchien, ba verfammelte fich eine gewal- 
tige Schaar; nicht allein Sünglinge und Männer, fondern auch 
Srauen und Kinder zogen mit aus, für ben verehrten Fürften 
zu fireiten. Und mit Fahnen und Musfeten, mit Piden und 
Senfen, mit Miftgabeln und Knütteln, eilten fie durch& Gebirge 
nach der Seite des Fremersherges, wo fie, durch das Dickicht 





256 Stadt Baden und Umgebung. 


verborgen, das ganze Schlachtfeld überbliden fonnten. Und als 
ber Kampf am beftigfien entbrannt war, brachen fie aus ihrem 
Hinterhalte hervor und fielen dem Feind in den Rüden. Da⸗ 
durch entfland in deſſen Reihen Verwirrung, die bald in allge- 
meine Flucht ausartete. Markgraf Wilhelm verfolgte mit feiner 
Reiterei die Flüchtigen, und bei Bühl gerieth der Durlacher 
Fürft in feine Hände. Wilhelm begnügte fih, ihn verfprechen 
zu Yaffen, daß er künftig allen Anfprücden auf das Baden - Bas 
denſche Land entfage, und ſchenkte ihm gegen diefe Verzichtlei⸗ 
flung die Freiheit. 

Sp wird dies Ereigniß von den Bewohnern des Beuerner 
Thales erzählt; freilich etwas abweichend von der Geſchichte. 
Noch aber heißt das Feld, wo die Schlacht geliefert worden: 
das Blutfeld. 

Aloys Schreiber. 


(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ Carlsruhe, 1834.) 


Die Teufelskanzel. 


Du ſchauerſt, Wandrer, ob dem Graus 
Rings hier in Thal und Wald umher; 
Du fiehft nur Felfen, grau und ſchwer, 
Kein freundfih Blümlein ragt heraus. 
Da fragft, woher das Schreden kam? 
Das weiß die Sage wunderſam 
Und treulich Dir zu deuten. 


Es war in alten, fernen Zeiten; 
Der Teufel hergezogen kam, 
Auffteigend aus den heißen Fluthen, 
Aus Badens tiefverborgnem Duell. 
Noch flammend von der Hölle Gluthen, 
Den Blid von rothem Lichte hell. 

So bricht er auf, erflimmt Die Höhn 
Und heißt umher die Diener gehn, 
Daß fie verfammelten um ihn 

Der Bäuerlein und Ritter viele. 





Stadt Baden und Umgebung. 


Man ſah's von Schloß und Hütte ziehn, 
Als ging's zu Tanz und Waffenfpiele. 


Der Böfe ftellt fih drauf mit Neigen 
Gar fittfam auf den höchften Stein, 
Und als die Hörer alle ſchweigen, 
Beginnt er Ieife, mild und fein, 

Die Rebe fü und Hug erfonnen, 

Und fpricht von feines Reiches Wonnen, 
Bon ewigem Glanz und Herrlichkeit, 
Die feinen Dienern flehn bereit. 

Er weiß mit Iofem Trug und Spott 
Die Geifter Tiftig zu bethören, 

Daß ſchon in mander ſchwachen Bruft 
Sich hebt und regt die fündige Luft, 
Und fpöttelnd über den lieben Gott 
Man kann viel leidige Worte hören. — 


Da fällt's, wie lichter Wetrerfchein, 
Tief in den finftern Wald herein; 
Benüber des Böfen Höllenthron 
Erflingt ein goldner Harfenton; 

Ein Engellnabe niederraufchet 
In filberleuchtendem Gewand, 

Die Palme tragend in der Hand, 
Und ſtill bewegt die Menge Taufchet. 


Und wie er fpricht, beginnt’ zu tagen 
Wie Himmelsroth in jeder Bruftz 
Sie fühlen mädtig, unbewußt, 
Sich zu dem Engel hingetragen. 
Der Böſe wüthet bald allein 
Auf dem verlaffnen Kanzelftein; 
Er bricht empor im wilden Grimme, 
Doch füßer tönt des Engeld Stimme, 
Und immer heißer wird der Drang; 
Bon allen Lippen feftlich Elingt, 
Aus allen Herzen gläubig ſchwingt 
Empor fi heiliger Bußgefang. — 
II. 17 


257 





258: Stadt Baden und Umgebung. - 


Der Böfe mit dem Dienerdjor 
Bricht in der letzten Wuth hervor; 
Mit den Riefenfrallen gewaltig faßt 
Er, niederbonnernd, der Felfen Laſt, 
Und fehleudert die Bäume, groß und ſchwer, 
Wie Brüthenfloden im Thal umher, 
Und öffnet der Erde Naht und Graus, 
Daß fhwarze Quellen fluthen heraus; 
Und fluchend ſchlägt er den foharfen Huf 
Zum ewigen Zeichen tief in den Stein, 
Und flürzt ſich dröhnend, mit wildem Auf 
Sn der Erde klaffenden Schlund hinein. — 


Zieh ſchnell vorüber, o Wandersmann ! 
Noch fiht der Böfe die Menfchen an, 
Und will er Dich locken zur fündigen Luft, 


Sp öffne dem guten Engel die Bruft! 
Anguft Stöber. 


Die Tenfelsfanzel und Klofter Engelöburg. 


or uralten Zeiten, als Satan noch Iehrte, 
Durch fehmeihelnde Worte die Menfchen bethörte, 
Da find fie von nahe und ferne gezögen 
Zur Kanzel ded Teufels wie braufende Wogen, 
Und Manchen, der hörte die Predigten an, 
Befiel wie ein Zauber der trügrifche Wahn: 
Er dünfte, geblendet vom hölliſchen Schein, 
Sich glüflich, ein Kind feines Reiches zu feyn. 
Nur Einer hielt gänzlich vom Wahne fich frei 
Und blieb feinem Gott und den Heiligen treu; 
Graf Eberſtein war es, der biebere Held, 
Ergraut in den Waffen auf ehrlichem Feld. 
Mit Unmuth erfüllt ihn, was Satan verühte 
Zum Unheil der Menfhen, was fo ihn betrübte, 
Daß gern er gefämpfet auf Leben und Tod 
Mit ihm, fie zu retten aus Schmad und aus Noth. 
Doch hielt ihn die Schwäche bes Alters zurüd, 








Stadt Baden und Umgebung, 259 


Auch fenkt auf fein einziges Kind er den Blick. 

Ein Töchterlein war es, fo lieblich und hold, 

Mit Augen wie Beilhen, mit Haaren wie Gold; 

So fromm wie ein Engel, fo fittig und ſchön, 

Es mußte fie lieben, wer je fie gefehn. — 

Drum flellten der Ritter gar viele ſich ein 

3m Schloß, um die Minne des Fräuleins zu frein; 
. Sie waren von Liebe fat Alle von Sinnen, 

Doch konnt' ihre Neigung fih Keiner gewinnen. 

Da ſprach nun ber Vater; „Dem reich’ fie die Hand, 

Der mir von dem Böſen befreiet das Land!“ — 

Da wollte die Palme fi Jeder erringen 

Und Satan im freißfichen Kampfe bezwingen ; 

Doch Keinen befrönte der Sieg und das Glück, 

Nicht Einer Fam heil aus dem Streite zurüd. 

Da jauchzte das Volk dem DVerführer aufs Neu: 

„Heil unferem Herrfcher, wir bleiben ihm treu!“ 

Doc fiehe! nun ſchwebet vom Himmel herab 

Ein Engel des Friedens mit goldenem Stab, 

Derühret mit diefem in heiliger Hand 

Den Teufel, daß brüllend er ferne verſchwand! 

Da wendet Die Menge ſich wieder zu Gott 

Und fieht, daß die Lehren des Satans nur Spott. 

Zum Himmel erhob fi nun freudig empor 

Der Engel, da trat aus dem Kreife hervor 

Graf Eberftein feierlich, führend zu Hand 

Die Tochter im fchneeigen Nonnengewand, 

Und ſprach: „Nur dem Steger verfpradh ich die Braut — 

Der Himmel ward Sieger, ihm fey fie getraut |“ 

Beharrend im Glauben und Gottesvertrau’n. 


Ließ er nun das Klofter : „die Engelsburg“ bau'n. 
Emilie Scosniovsty. 


Die Wolfsſchlucht. 


Bei der Teufelskanzel, dicht am Wege nach Gernsbach, 
zieht ſich links ein Fußpfad in eine mit Felsblöcken überſäte 
Schlucht hinab, welcher man obigen Namen gegeben hat. Einſt 

17 * 


260 Stapt Baden und Umgebung. 


verirrie fich in einer mondhellen Nacht ein armer Fiedler dahin, 
der von einer Bauernhochzeit heimkehrte und fi dabei etwas 
zu gütlich im Weine getban hatte. Die Gegend erfchien ihm 
ſo ganz fremd, daß er gar nicht mehr wußte, in welcher Rich⸗ 
tung feine Heimath lag. Müde lehnt er fih an eine Felfen- 
wand, allmälig fallen ihm die Augen zu, — da hört er auf 
einmal ein Iebhaftes Rafcheln im Gebüſch und fieht zu feinem 
höchſten Entfegen einen mächtigen Wolf, die rothglühenden 
Augen auf ihn gerichtet, hervorfommen. In der Angft feines 
Herzens fängt der arme Teufel an, auf feiner Geige alle die 
Tänze aufzufpielen, deren er fih nur entfinnen kann. Der 
Wolf Hut anfangs, Täßt ſich aber Doch nicht weiter abſchrecken 
und geht wieder auf ihn los; als aber der Fiedler in Verzweif⸗ 
Yung immer wilder und wilder auf den Saiten herumftreicht, 
wird ed dem Meifter Iſegrimm ganz unheimlich zu Muth; plötz⸗ 
lich macht er rechtsum und ift mit einem gewaltigen Sat zur 
Schlucht hinaus, als ob die wilde Jagd hinter ihm ber wäre. 

Die ausgeftandene Todesangſt aber hatte den Geiger nüch⸗ 
tern gemacht; an allen Gliedern zitternd, doch noch immer auf 
feinem Inſtrumente fortfiedelnd, fhritt er behutfam aus der 
Wolfsſchlucht wieder hinauf und fand fih bald auf dem rechten 
Heimwege, den ihn blos der vorige Nebel vor feinen Bliden 


nicht hatte gewahren laſſen. 
(Aus A, Shreiber’s „Sagen aus dem Rheinthale 20.“ ©, 26.) 


Die Wolfsſchlucht. 
(Metriſche Verfion der vorftehennen Sage.) 


Ein Pfeifer, gar ein flotter Gauch, 
Zog einft vom Kirchweihſchmauße 
Bom Bühlerthal mit rundem Bau 
Um Mitternacht nach Haufe. 

Sein Taumelfchritt befagte, 
Wie baß ihm der Trunf behagte. 


Herr Mond fand Teider nicht für gut, 
Wie fonft, ihm heimzuzünden, 


Stadt Baden und Umgebung. 261 


Drob ward dem Zecher bang zu Muth 
In dichten Waldesgründen; 

Hub lallend an zu fingen, 

Die Angft zu überflingen. 


Noch kaum begonnen hat das Lied 
Des wanfelfüßigen Knaben, 
Da flürzt er, ch’ er ſichs verſieht, 
In einen tiefen Graben. 
Wohin er firedt Die Hände, 
Rührt er an Felſenwaͤnde. 


Doch, Höll' und Himmel! — wie erfchridt 
Der ächzende Gefelle, 
Als er genüber ſich erblickt 
Zwei Augen, fchaurig helle, 
Die ihm mit grimmem Leuchten 
Den Tod zu fünden deuchten. 


Da gießt der Mond ein Tröpflein Licht 
Herab durchs Laub der Eichen, 
Und zeigt ihm eines Wolfs Geficht, 
Mordgierig fonder Gleichen. 
„O Tobesfampf vol Grauen 
In eines Wolfes Klauen !“ 


Der Pfeifer hat in höchſter Noth 
Sein Slötenfpiel ergriffen, 
Und gleich, geängftigt bie zum Tod, 
Ein ſchmetternd Lied gepfiffen; 
Wild Hang der Hochzeitsreigen 
Durchs mitternächtige Schweigen. 


Die Bögel fliegen ſcheu empor, 
Da fol ein Ton fie weckte; 
Erbärmlich quadt im nahen Moor 
Der Froſch, der aufgefchredte; 
Ja ſelbſt die Eichen bebten, 

Die manchen Graus erlebten. 


262 


Stadt Baden und Umgebung. 


Dem Wolf au ſchien die Melodei 
Nicht fonders zu behagen, 
Er trat zurüc mit bangem Schrei, 
Troß feinem leeren Magen; 
Doch wie der Pfeifer ruhte, 
Kam er mit neuem Muthe. 


Da bat der Pfeifer abermals 
Sein Flötenfpiel ergriffen 
Und lauter noch aus vollem Hals 


Sein fehmetternd Lied gepfiffen. 


Wild Hang der Hochzeitreigen 
Durchs mitternächtige Schweigen. 


Der Spielmann bläßt fo lang er fann, 
Sein Gaumen wird ihm troden, 
Er bläßt und bläßt, doch bald begann 
Der Odem ihm zu floden. 
„O Todesfampf voll Grauen 
In eines Wolfes Klauen !“ 


Da plöglich ruft e8 von den Höhn: 
„Vermaledeiter Bube! 
Was ſoll dein Höllentanzgetön 
Zu Nacht in dieſer Grube? 
Willſt du den Reh'n und Haſen 
Allhier ein Ständchen blafen ?“ — 


„Ach, Herzenswaidmann, helft mir doch 
Aus dieſes Wolfes Krallen! 
Schon pfeif' ich auf dem letzten Loch, — 
Laßt Euch mein Flehn gefallen!“ 
Der Jäger unverbroffen 
Hat ſchnell den Wolf erfchoflen. 


Drauf flieg der Pilger ſchreckensbleich 
Hervor aus feinem Grabe: . 
„Habt Dank, Herr Schütz! Wie bin ich reich, 





Stadt Baden und Umgebung - 268 


Daß ich dies Pfeiflein habe! 
In Silber will ichs faffen 


Und nimmer von ihm Laffen !” 
Chnarb Baner. 


Anmerkungen zu den Sagen von Baden. 


Kurze Ueberſicht ver Geſchichte der Stadt Baden. 


Der Stadt Baden Urfprung ift vom Dunkel des graueflen Alter» 
thums ummoben, und nur mühfam vermag dad Auge des Geſchichtsfor⸗ 
ſchers die Rebel zu durchdringen, welche fi) über pie erfien Anfievelungen 
in dieſer Gegend gelagert haben. Eine Sage meldet, daß fchon zu Zei⸗ 
ten des Römerkönigs Tarquinius Priscus eine Keltifche Kolonie 
fih Hier niedergelaffen habe; aus Gallien über ven Rhein geprungene 
beuteluftige Schaaren ſetzten fich theils in den Thälern des Schwarz⸗ 
walds feft, theils wagten fie fich tiefer in das Herz Teutſchlands hinein. 
Hierauf entfpannen fih im Laufe der Fahre blutige Kriege; bie Teutfchen 
warfen bie fremden Einbringlinge nach und nach wieder zurüd, bis end⸗ 
lich die verbrüderten fchwäbifchen Stämme, — Marlomannen genannt, 
weil fie die Marken (Grenzen) mannlich ſchirmten, — das Land von den 
ungebetenen Gäſten fäuberten und fogar ſelbſt über ven Rhein drangen, 
wo fie bis zu ven Voghefen und dem Harbigebirge bin die Thalebene 
befeßten. 

Die dunfle Gebirgstette, welche fi von ver nörblichen Grenze ber 
Schweiz, gleichlaufend mit dem Rheine, bis nah Pforzheim (Porta 
Hercyniz, die Pforte des Schwarzwalds) hinabzog, hieß der Mark⸗ ober 
Grenzwald; die Römer nannten ihn silva Martiana oder Hercynia, 
die Zeutfchen fpäter Schwarzwald, von dem finftern Bilde feiner Na⸗ 
delwälder. 

Als Cäſar über den Oberrhein kam, wohnten hier die Triboken, 
die zu einer Heeresabtheilung gehörten, welche mit Arioviſt, (Ehren⸗ 
feſt) Herzog der Markomannen, über den Rhein gezogen waren; doch 
mußten fie dem kaiſerlichen Adlerfluge weichen und wieder über ven Rhein 
fliehen. Als die Römer unter Ziberius und Drufus in Teutſchland 
einfielen, zogen die Marlomannen nah Böhmen und gründeten vafelbft 
ein neues Reih. Rah der großen Befreiungsichlacht im Teutoburger 
Walde ſah fih Zeutfchland endlich von dem Joche der Römer befreit, 
denen nur noch das fogenannte römifche Zentland (agri decumates) übrig 
blieb, nemlich der Strich, welcher fi vom Rhein bis an den Nedar und 
die Donau erfiredt, wovon Baden einen Theil ver Grenze bildete. 

Baden wurde nun der Hauptort des Landes; nach den älteften 
aufgefundenen Dentmalen zu folgern, find die Kaiſer Hadrian und 
Antonin die Gründer ver Stadt gewefen und fehlugen zuweilen bier 
ihren Hofpalt auf. Trajan that Bieles für ven Flor der jungen Thales⸗ 





264 Stadt Baden und Umgebung. 


Konigin, brachte ihre Heilquellen in Aufnahme und erhob fie zur Stadt; 
vom Kaiſer Baffianus Earacalla, nah Andern erft fpäter vom 
Kaifer Alexander Severus, welde beide den Zunamen Aurelius 
führten, erhielt fie ven Ramen Aurelia, civitas aquensis. Bon ihren da⸗ 
maligen Glanze fprechen noch die ausgegrabenen Mauertrümmer, Stein- 
bilder, Altäre, Meilenzeiger, Gefäße u f. w. Mit Argentoratum (Gtraß- 


burg), Saletio (Selz) und Pforzheim war es durch Heerfiraßen verbun- - 


den, von denen, außer der DBergflraße, die eine geradaus nah dem 
Rheine, die andere Über die Höhen in den tieferen Schwarzwald zog. 
Die erfte, fünfte, achte und vierzehnte Legion hatte in dieſen Mauern ihr 
Standquartier. Unter Kaiſer Probus wurden hier die erflen Weinreben 
gepflanzt. 

Aber nicht Iange mochte die Herrlichfeit Aurelia’8 gewährt haben; 
fie verfanf vor dem Andrange ver teutfchen Völker, die mit gemaffneter 
Sand ihre Freipeit von den Fremblingen zurüdforberten, deren Zwing⸗ 
burgen, Kaftelle und Wartthürme brachen und die Brandfadel in die 
zierlichen Tempel und Billen ſchleuderten; damals verſchwand auch, mit 
noch viel anderen ähnlichen Anfievelungen, unfre heitre Quellenftabt faft 
fpurlos, als wäre fie nie da geweſen. 

Die Alemannen wohnten nun, etwa vom Jahr 237 nach Chriſti 
Geb., in diefer Gegend, und die Oos und die Murg bildeten bie nörb- 
liche Grenze ihres Gebietes. An Aurelia’s Stelle fehen wir im Laufe 
der Zeit einen Ort fich erheben, ven wir zuerft in einer Urkunde Dago- 
bert’s II. vom Jahr 675 als eine Oſtfränkiſche Beſitzung unter dem 
. Namen „Badin” erwähnt finden; fpäterhin begegnet er unferm Blid 
als der Hauptort des Oosgau's (auch Uffgau, Ußgau), fogenannt von 
dem Bergwafler, das bei feinem Urfprung Beinnersbach, weiter Oosbach 
und zulebt Delbach heißt. Das über den Trümmern ver Römerherrſchaft 
gegründete Herzogthum Alemannien hatte ſich nämlich nicht allzulange 
behaupten können, ohne an die mächtigen Nachbarn, die Franken, wenig- 
ſtens den Schein der Selbſtſtändigkeit zu verlieren. Die Oberberrlichteit 
der Merovinger verbrängte die uralten Götter, die Anbetung bes 
Kreuzes griff fiegend Plab und veränderte allmälig Gefinnung' und Sitten. 

Der bezeichnende Punkt in ver Uebergangsperiode von ver Barbaret 
zum Mittelalter ift die Regierung Karls des Großen, unter deſſen 
Nachfolgern das von ihm gegründete Reich fich trennte. In viefen Zei⸗ 
ten der Verwirrung flund Fein Befig feft, und wir fehen die Duellenftabt, 
wie andere Orte auch, ihre Herren öfters mechfeln. Ludwig der 
Teutſche gab Baden wieder an die Mönche von Weißenburg, denen 
es voreinft König Dagobert gefchentt hatte. 

Unter Otto dem Großen kam der Oosgau an das Herzogthum 
Schwaben; im Jahr 1036 verlieh Heinrich II. bei der kaiſerlichen 
Pfalz zu Baden, bie wahrfcheinlih auf dem Balzenberg geftanden, 
ein Erbgut an das Stift Speyer. 

Eine Urkunde Otto's II if} von Baden aus ausgeftellt. 








m — s —— 


Stadt Baden und Umgebung. | 265 


Als das Land an das erlaubte Haus ver Zähringer gelommen, 
brachte eine Tochter diefes Stammes das Schloß zu Baden au Hein- 
rich den Löwen, von dem es Friedrich der Rothbart durch Zaufch er» 
warb. Bon Kaifer Friedrich aber erhielt Schloß und Ortſchaft zu Lehen 
aufgetragen Markgraf Hermann III, deſſen Rachlommen hier ihren 
Wohnſitz auffehlugen und fortan von der Befigung den Namen Baden 
führten, der fpäterhin von dem Regentenhaus auch auf das ganze Land 
überging. 

Unter ven Martgrafen bob fih Baden wieder aus Schutt und 
Aſche neu verjüngt empor und behauptete bald den eine Zeitlang an 
Kuppenheim verlorenen Rang des Hauptortes im Oosſsgau; «8 
wurde wieder mit Mauern umgeben, gegen welche im Jahr 1330 ver 
Straßburger Bilchaf vergebens Sturm Tief. Sonft wiflen_ wir wenig von 
den Scidfalen der Stapt und ihrer Heilquellen, bis zum Ende des 
15. Jahrhunderts, da Markgraf Chriſtoph die alte Burg auf der 
Höhe verließ und das von ihm erbaute neue Schloß bezog (1479). 
Doch wurde jenes Stammhaus in baulidem Stand erhalten und erlag 
erft im Jahr 1689 bei der allgemeinen Berwüflung des Landes durch die 
Franzoſen. 

Markgraf Chriſtoph brachte ſeine geliebte Badeſtadt wieder zu 
dem hohen Ruhme, deſſen fie zur Römerzeit fich erfreut hatte. Kaiſer 
und Reich, fo wie der Landesherr felbft, hatten ihr große Freiheiten ver⸗ 
liehen, und eine firenge, weife Badeordnung ficherte und zahmte die zahle 
reichen Säfte, welche ſich alljährlich im Greiffen, Baldreit und Leuen 
zuſammenfanden. Zank, Hader und blutige Händel waren bei Geldbuße, 
Stadtverweiſung und Todesſtrafe unterſagt; eben fo ſcharf wurden Fre⸗ 
vel gegen Frauen und Jungfrauen geahndet; ausgemachte Trunkenbolde, 
Taugenichtſe und Grobtane wurden gewaltſam entfernt. Dafür ſah man 
aber auch Fürſten, Grafen und Herren die Menge jeden Sommer in das 
Dad ziehen. Schon damals zählte man oft bei 3000 Badegäſte, worun⸗ 
ter viele der vornehmften Fremden; Pfalzgraf Otto Heinrich ver 
Oropmüthige baute neben dem Gaft- und Badehaus „zum Vogel Greiff” 
ein neues Badehaus; „zum Trompeter”. Auch reiche Bürger flrömten 
von nah und ferne herbei; gelehrte Männer und Dichter fchrieben und 
fangen das Lob ver unfchäßbaren Heilquellen. ꝛc. — Siehe das Weitere im 
Univerfalleriton von Baden ꝛc. — v. Che zy's Rundgemälde von Baden ır. 


Zu „Badens Entſtehung“, und „Die Sagevon Badens 
Urfprung”. (Seite 173 und 176.) 


Ueber den Urfprung Badens und des Wildbapdes findet fi 
in AL Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenven u. |. w.“ (Beidel- 


. berg, 1839) ©. 146 folgende Sage: 


Einft Hüteten Hirten ihr Vieh in der Nähe des Derrenmwiefer- ober 
Mummelſee's. Da flieg ein ſchwarzer Stier aus demſelben hervor und 
gefellte fich zu den andern Rindern. Aber alsbald kam ein Feines 


266 Stadt Baden und Umgebung. 


Männlein aus dem See nach, in Rattenpelz gekleidet, um den Stier 
zurück zu holen. Da diefer jedoch nicht gehorchen wollte; bat das Maͤnn⸗ 
Iein zwei von den Hirten, fie möchten ihm behülflich feyn, den Stier 
wieder einzufangen und in ven See zurüd zu treiben. Diefe waren ſo⸗ 
gleich dazu bereit und es gelang ihnen, ven wilden Stier bis an ven 
Rand des See's zu treiben, wo er fih augenblidlich in die Fluthen 
flürzte und nicht mehr zum Borfchein fam. Das Männlein im Ratten- 
pelz aber fagte zu den Hirtentnaben: „Bier ſchenke ich Jedem von euch 
ald Zeichen meiner Dankbarkeit einen Stein; wohn ihr ihn merfen 
mögt, da wird auf der Stelle ein warmer Quell entfpringen,, der heil- 
fame Kräfte befißt gegen mancherlei Krankheiten.” — Die Knaben nah« 
men vertrauensvoll die Steine und bewahrten fie Iange Zeit auf, ohne 
davon Gebrauh zu machen. Zufällig kam fpäter einer diefer Hirten in 
das Thal, wo jeßt Baden Liegt und ruhte fih auf dem Hügel aus, in 
defien Innern die meiften Heilquellen ver Stadt kochen. Da gedachte er 
plöglich des Steines, ven er vom Seemännlein erhalten hatte, nahm ihn 
aus der Tafıhe und ließ ihn den Felſen, auf dem er faß, binabfollern, 
und ſiehe va! wo der Stein aufflel, öffnete fih ein Spalt im Felſen, 
aus welchem heißes Wafler berausfprubelte. So entftanden der „Ur« 
fprung“, die „Höllenquelle“ und die „Klofterquelle” in 
Baden-Baden. Der andere Hirt aber warf feinen Stein im oberen 
Enzthale nieder, worauf die Quellen entfprangen, welche jet das 
Wildbad bilden. 


(Obige Sage gehört zum Theil zum Märchentreife des Mummelfee’d. Sie 
wird u. A, auch erzählt in Lud. Klüber's „Befchreibung von Baden 
bei Raftatt u. f. m.” (Tübingen, 1810. Bd. 2. Seite 194.) 


Zuden „Sagen vom alten Schloß.“ Bon Seite 180 an. 


Hier fihauten vor mehr als einem halben Zahrtaufend hinaus die 
Dermanne, die Gründer des Haufed Baden, die mit den Katfern aus 
dem Helvenflamm der Hohenftaufen in die Kriege nach Wälfchland 
und als Kreuzritter nach Paläſtina zogen; Antiochia in Syrien ifl 
Hermanns IV. Grabflätte. Seine Gemahlin Irmentraud, Hein- 
rich des Schönen Zorhter, Ieitete von hier aus den Bau des Jungfrauen⸗ 
. Hofters Tihtenthal. Bon hier aus zog Dermann V., um Gemahl 
der Erbtochter von Defterreich zu werben; verfelbe, deſſen unglüdlicher 
Sopn Friedrich mit feinem Jugendfreunde Konrapin unter bem 
franzöfifchen Mordbeil fiel (1248). Markgraf Rudolf I. befämpfte von 
hier aus den großen König Rudolf von Habsburg, wehrte fid 
sitterlich gegen deſſen drückende Uebermacht und ward ein neuer Stamm⸗ 
vater feines Hauſes. Inter feinen Nachkommen friegte der tapfere Mark⸗ 
graf Bernhard in zahlreichen Fehden, befonders mit ven Städten 
Straßburg, Freiburg und Breifah, und ward ein wahrer Mehrer 
feines Landes. Markgraf Jacob ver Friedfertige, Gründer des Stifte 
Baden (1453), hielt fireng auf ven Landfrieden, fäuberte das Rand von 


Stadt Baden und Umgebung. 267 


den Straßenräubern und erfeßte aus feinem eigenen Beutel jeden Ber- 
{uft, ven Iemand durch fie in feinem Gebiet erlitt; den Lindenſchmidt 
ven berüchtigten Raubritter, ließ ohne Zweifel Er einfangen und in ver 
Stadt Baden an einen hohen Galgen hängen, wie das alte Volkslied 
befagt, das wir Seite 203 mitgetheilt haben. Unglüdlich im Kriege war 
Karl: bei Seckenheim madhte ihn Friedrich ver Steg 
reihe von der Pfalz zum Gefangenen und entließ ihn erſt gegen ein 
fchweres Löſegeld; doch war er ein glüdlicher Gemahl und Later. Seine 
Gemahlin Catharina, Kaifer Friedrichs II. Schwefter, munterte ihren 
Sohn in einem noch vorhandenen Brief auf: „er folle mit andern jungen 
Evelleuten ſich ven NRitterfchlag erwerben durch tapferes Berhalten im 
Turnier; Jedem, der dies thue, wolle fie ein feines Hemd und goldge- 
ſtickt Wamms zur Ritterweihe verehren und Hoffe, als eine treue 
Mutter mit Spinnen wohl fo viel zu gewinnen, daß 
ihr Sohn möge ritterlich beftehen.” Und diefer ihr Sopn, 
Markgraf Chriſtoph, war auch einer folhen Mutter würdig. Als 
Kurfürft Philipp von der Pfalz vom Kaiſer und andern Fürften hoch⸗ 
bedrängt und Markgraf Chriſtoph aufgefordert wurde, fich veffen 
Untervrüdern anzufchließen, um das von feinem Bater an die Pfalz 
Eingebüßte wieder zu gewinnen, fo wie auch Bayern und Würtemberg 
damald Stüde von der Pfalz an ſich riffen, fo ſprach er: „Nein, mein 
Bater hat dem Philipp von ver Pfalz Treue verfprochen auch in meinem 
Namen, und nichts wäre eines teutfchen Fürften unwürbiger, als die= 
fes Wort zu brechen, jet da Philipp ins Unglück gelommen if. Ehr 
und Eid gilt bei Uns mehr, denn Land und Teut!”*) 

Alfo waren die Fürften, die bier ihren Sitz hatten, vie Stammväter 
des Haufes, das jeßt Baden beherrſcht. Chriſtoph war ber Letzte, der 
das alte Schloß bewohnte. Er baute gegen Ende des 15. Jahrhunderts 
das neue, dicht Über der Stadt Baden gelegene. Nach ihm theilten feine 
Söhne das Land. Der Aelteſte und deſſen Nachkommen blieben oder 
Herrfhten zu Baden, daher die Linie der Markgrafen von Baden- 
Baden, bie fpäter zu Raftatt ihren Sig nahmen; der jüngere Sopn 
Markgraf Chriſtophs und feine Erben wohnten zu Pforzheim und ſpä— 
ter in Durlach, daher die Linie Baden-Durlad, die nun feit 
mehr als einem Jahrhundert Karlsruhe zu ihrer Reſidenz gemacht hat. 


Zu „Die graue frau von Hohenbapden.” Seite 180. 


Außer der grauen Frau in ven alten Burgtrümmern von Ba- 
den läßt die Sage auch eine weiße Frau im neueren Schlofle 
fpuden. 

. Wenige unferer Vollsfagen waren fo allgemein verbreitet, als bie 
von der weißen $rau, und an Feine andere hat fih ver Glaube fo 


*) Siehe das Gedicht von Ed. Brauer: „Chriſtoph von Baden.“ ©. 187. 





268 Stadt Baden und Umgebung. 


lange, felbft unter den gebildeten Ständen zum Theil noch, bis auf die 
Gegenwart erhalten. Dinfichtlich der Abkunft dieſer räthſelhaften Dame 
weichen die Erzähler von einander ab. Einige Iaffen fie aus dem be- 
rühmten Haufe Meran in Südtyrol abflammen und machen fie zur Ge- 
mahlin des Grafen Heinrich oder Dito von Orlamünde, die, als 


Wittwe, und einem Buhlen zu Gefallen, ihre beiven Kinder gemorvet 


haben toll. Andere verfihern, auf dem Schloffe Neuhaus in Böhmen 
fey ihr Bildniß vorhanden, ganz in verfelben Tracht, in der fie zu er- 
fiheinen pflege. Diefes Bild fielte aber die gegen Ende des 15. Jahr⸗ 
hunderts verfiorbene Bertha von Rofenberg vor, welche an Johann 
von Kichtenftein perheirathet geweſen. 

Es iſt bekannt, daß diefe weiße Frau noch jetzt in den Refivenz- 
fchlöffern von Berlin, Bayreuth, Darmfladt, Mannheim, Karlsruhe, Ba⸗ 
den⸗Baden u. f. w. umgehen fol, und immer will man fie kurze Zeit 
vor dem Hinfcheiden einer Perfon aus ven ihr verwandten fürftlichen 
Familien gefehen haben. Jung Stilling führt in feiner „Theorie 
der Geiftertunde” das Zeugniß eines Regenten dafür an, ben er zwar 
nicht nennt, deſſen Unbefangenpeit und firenge Redlichkeit aber verbürgt 
werden. 

Da jedoch die weiße Frau nur in ihr verwandten Fürftenhäufern er⸗ 
feheint, fo {ft anzunehmen, daß die Gräfin von Orlamünde und bie Gräfin 


von Rofenberg in der Tradition zu Einer und derſelben Perfon ger 


macht wurden. Wahrſcheinlich aber ift es die Erftere, welche in Berlin und 
Weimar, die Zmeite hingegen die, melde in Karlsruhe und früher in 
Baden - Baden fich zeigte. Das Haus Baden tft nicht mit Orlamünde, 
wohl aber mit ven Grafen von Rofenberg verwandt, da die jüngfle 
Tochter des Markgrafen Philtbert von Baden an einen Grafen von 
Roſenberg vermählt war. 

Bertha von Rofenberg, oder die weiße Frau, von welcher wir 
hier erzählen, wurde im Jahr 1449 mit Johann von Lichtenſtein 
in Steiermark verheirathet. Die Ehe war höchſt unglüdlich, und Bertha 
trennte fich von dem ausfchweifenden Gatten, gegen den fie einen unaus⸗ 
Löfchlichen Haß. im Bufen trug. Später Iebte fie zu Reuhaus in Böh— 
men, wo fie ein Schloß erbaute, wobei ihre Anterthanen lange und 
fihwere Srohnarbeit verriihten mußten, fo daß fie oft Verwünſchungen ge— 
gen die graufame Gebieterin ausftießen, bis fie endlich verfprach, ſobald 
das Schloß vollendet feyn würde, ihnen „einen füßen Brei” aufzutifchen, 
was damals fo viel hieß, als: ein reichlihes Gaftmahl. Ste hielt 
Wort und verorbnete, daß künftig alljährlich ein folches Gaftgebot gehal- 
ten werben folle, eine Anorbnung, der noch bis auf unfere Zeiten treulich 
nachgelommen worden tft. 

Der Geiſt der Gräfin Bertha erfiheint meift bei Nacht, bisweilen 
auch am Lichten Tag. Ste trägt ein fihneeweißes Gewand nach dem 
Schnitt ihrer Zeitz; ihr Antlitz ummwallt ein feiner durchſichtiger Schleier, 
der gewöhnlich von einem matten Strahl beleuchtet ifl. Befonders grauen- 


— 


Stadt Baden und Umgebung. 269 


voll — verfihern Alle, die fie geiehen haben wollen — foll der ftarre 
ſtechende Blick ihrer großen ſchwarzen Augen feyn, melde fie fef und 
unbeweglich auf Diejenigen richtet, denen fie begegnet. indem fie Tangfam 
und ſchweigend, nur von ihren feivenen Gewändern umraufcht, an ihnen 
vorüber fchreitet. Bis ind innerfte Mark bohre fich dieſer eifige Blick 
und erfülle die Seele mit Entfeßen. Wer einmal in piefe Augen ge= 
biidt, dem werve fein Lebenlang ver ſchreckliche Einprud bleiben, — 
Manchmal wird fie auch mit einem Kind an der Dand gefehen. 

Ihr Erfiheinen beveutet immer den Tod eines Gliedes der fürftlichen 
Familie oder fonft ein ſchweres Unglück, welches verfelben droht. Kurz 
vor dem Tode von Kindern aus dem regierenden Stamme will man fie 
vor dem Lager berfelben ſtehend und über die Schlummernden hinge- 
beugt erblidt Haben. Sie zeigt fih bald in den Gemädern und Gängen, 
bald in der Kapelle, ia felbfk in dem Garten des Schloßes. 

(Bergl. „Sagen aus Baden und der Umgegend.” Karlsruhe, 1834. ©. ı u. ff. — 
Ferner Gebrüder Grimm's „teutihe Sagen.”) 

Eine Sage von einer weißen Frau, welche bei dem Babort Lan 
genſteinbach, zwei Stunden von Ettlingen, in ven Trümmern einer 
gothifchen Kapelle umgehen fol, theilt Wilhelm von Epecy in fei« 
nem „Rundgemälde von Baden-Baden“, (Karlsruhe, 1839, Ereugbauer) 
©, 119 u. ff. mit. Wir werden diefelbe am gehörigen Orte einreihen. 


Zu: „Das Kreuz aufdem Friedhofe.“ ©. 195 u. ff. 


Dies Kreuz trägt die Infchrift: „Nicolaus von Leyen“ mit der 
Jahreszahl 1462, und zeugt durch Tunftfinnige Acheit von der Meifterfchaft 
feines Bildners. Weber die Entſtehung dieſes Kunftwerls gehen mehrere, 
von einander ziemlich abweichende Sagen, von benen wir zwei verfchie- 
dene Berfionen mitgetheilt haben. 

Veber dieſen Meifter Nicolaus fagt Strobel in feiner „Gefchichte 
des Elſaßes,“ Thl. IT. ©. 460: 

„Ein fehr ausgezeichneter Künftler war der Steinmeg Nilolaus 
von Leyen, der auch von Lepden heißt, und feinem Familiennamen 
nach Lerch hieß. Als er in den Jahren 1463 und 1464 die fpäter ſo- 
genannte alte Kanzlei vollenbet hatte, fah die Straßburger Bürgerſchaft 
mit großem Behagen oberhalb einer im Hof befindlichen, fehr ſchönen 
Thüre, außer vem Staptwappen noch die von Ihm verfertigten Büften 
des letzten Grafen von Lichtenberg und der ſchönen Barbara von Otten⸗ 
beim, vie beide damals fehr häufig nach Straßburg kamen. CDiefe bei« 
den herrlichen Bilder befinden fich jet in der Vorhalle der vortigen 
Bibliothek.) Bon feiner Hand ift auch ver trefflich in Stein ausgeführte 
Chriſtus am Kreuz auf dem Kirchhofe ver Stadt Baden; die dabei be= 
findliche Jahrzahl 1467 CD tft zugleich das Datum, an welchem dee 
Künftler Straßburg verließ. Friedrich IT. berief ihn nach Wien, um den 
berühmten Sarkophag diefes Kaifers (Siehe Morgenblatt, 1833, Kunſt⸗ 
blatt Ar, 14, ©, 55 und 56) zu verfertigen, ver in ber dortigen Ste⸗ 


270 Stadt Baden und Umgebung. 


phanskirche aufgeftellt if, aber erft fpäterhin, nämlich im Sahr 1518, 
fünfundzwanzig Sahre nad unfers Künfllerd Tod, vollendet wurde.” 

Ein anderer Elfäfifher Gelehrter, Bibliothekar Lud. Schneegans 
in Strasburg, ift gegenwärtig mit einer größeren literarifchen Arbeit 
über den Künſtler beichäftigt. 

Als ein würdiges Gegenſtück des kunſtreichen Friedhofskreuzes mag 
auch Das Denkmal des Markgrafen Leopold Wilhelm (welcher 1671 
in Ungarn im Türfenkrieg gefallen, und nicht mit dem berühmten Tür- 
Benbezwinger Ludwig Wilhelm zu verwechſeln if) in der Stifte: 
firdhe zu Baden angeführt werden. Jedes diefer Runftwerfe hat 
A. 2. Maltiz in einem Sonette gefeiert, 


(Bergl. E. Brauer’s „Bogen und Geſchichten der Stadt Baden 1." Karls, 
ruhe u. f. w.“ S. + fi.) 


Zu „Chriſtoph von Baden” © 41. 


Er regierte von 1475 bis 1526 und wohnte auf dem von ihm vol» 
Iendeten neuen Schloffe zu Baden. (Siehe die Note zum alten Schloß 
S. 266.) 

Er war ein ausgezeichneter Fürft im Kriege wie im $rieden, hoch» 
geachtet von feinen Zeitgenoffen und befonders von Kaifer Mar I, dem 
er weſentliche Dienfte leiftete. 


(Berge, A. Schreiber’s „Babifhe Geſchichte,“ S. 168, yet Bader’ 
„Babifche Landesgeſchichte,“ S. 385 u. ff. und S. 390 


Zu „Rudwigvon Baden.“ ©. 188. 


Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, gewöhnlich Prinz 
Louis von Baden genannt (geb. 1654, gef. 1707), ausgezeichnet als 
Seldherr neben einem Prinz; Eugen und Malborough, if der Drittießte 
in der Reihe der Fürften der Baden» Badenfchen (Bernhardiniichen) Li⸗ 
nie, welche mit feinem jüngern Sohne im Sahr 1771 ausſtarb. Geine 
fiegreichen Keldzüge gegen die Türken fihern ihm einen glänzenden Nach» 
ruhm, fo lang eine Geſchichte beftehen wird. Er nahm Theil an der 
glorreihen Entfegung Wiens i. J. 1683, und gewann im treuen Dienfte 
feines nicht immer dankbaren Kaifers viele wichtige Schlachten, worun⸗ 
ter namentlich die Bernichtungsfhlacht bei Salanfemen (S;lanfament) 
i. 3. 1691 hervorzuheben ift. Als Erinnerungsmaale an jene drangvolle 
Zeit, in welcher die Osmanen auf dem Höhenpunft ihrer Macht, aufe 
gehekt von Ludwig XIV., bis zur Hauptſtadt des teutichen Reiches vor⸗ 
drangen, verdienen der Türfenweg bei Baden (angelegt, wie behaup- 
tet wird, von gefangenen Türken) und die reihe Sammlung türkiicher 
Trophäen im Raſtatter Schloß Ctürfifches Kriegs - und Lagergeräth 
mannigfacher Art) bier Erwähnung. 

Das Bertrauen der Stände des teutfchen Reiches führte den Tür⸗ 
kenbezwinger zur Hülfe gegen ben weflichen Erbfeind an ben Ober« 


Stadt Baden und Umgebung, : 271 


shein. Wegen Mangel an kräftiger Unterſtützung mußte er ſich zwar 
auf weile Bertpeidigungsmaßregeln beſchränken, entwidelte aber au 
hierin feine feltene Heerführergabe. Noch find vie Ueberbleibſel ver 
verſchanzten Linie, die er vom Rhein aus am Schwarzwald gegen 
Heilbronn zu anlegte, Zeugen feiner Thätigkeit. Die Anlegung Raftabts 
zu einer Feſtung, welche unlängft durch Bundesbeſchluß zur Ausführung 
kam, war fchon fein Gedanke. Niemals war Markgraf Ludwig in 
einer Schlaht überwunten worden; wenige ber berühniteften Feldher⸗ 
ren fiehen ihm hierin gleich; darin aber viele, daß ihm, neben hoher 
Auszeihnung, Undank in reihem Maße zu Theil wurde. 

(Bergl. „Der durchl. Fürften und Markgrafen von Baden Leben, Regierung, 
Großthaten und Abfterben.“ Frankfurt und Leipzig, 1695, Thl. II. 3. Bas 
der „Badiſche Landesgefhichte,” ©. 529, 530. — Frhr. Phil. Röder 
son Diersburg: „Des Markgrafen Ludwig von Baden Feldzüge wider 
die Türken,” Bd. L, ©. 62, 91 ff.; Bo. IT. ©. 154 ff., 193. Urfund, 
Anh. ©. 433.) 

Schon oben ward erwähnt, das Markgraf Ludwig feinen Zürftenfig 
von Baden nach Raftadt verlegte. Es geſchah dies im Jahr 1706, 
Der Bau des prächtigen Schloßes hatte ſchon im Jahr 1697 begonnen. 
Daß dies Schloß im Jahr 1714 und 1797 — 1799 Sit einer für das 
teutfhe Reich verhängnißvollen Friedensunterhandlung wurde, ift alle 
gemein befannt. 

Markgraf Ludwigs Gemahlin war die firengfromme Markgräfin 
Sibylle, Tochter des Iehten Herzogs von Sarhfen-Fauenburg. Das 
im Jahr 1725 erbaute Luſtſchloß Kavorite, eine Stunde von Raſtatt 
gelegen, ein fehenswerthes Mufterwerf des altväterifchen Geſchmacks (der 
in neueflex Zeit als Rococo wieder zu Ehren kam) zeugt von ihrem 
Kunftfinn, die dabei angelegte Einfiedelei von ihrer firengen Frömmigkeit. 
Wär’ es nah ihrem Sinne gegangen, fo würde nicht ver heibnifche 
Donnergott mit den kriegeriſchen Blitzen, fondern irgend ein friebfa« 
mer Schußheiliger auf der Kuppel des Naflatter Schloßes prangen. 


(Bergl. Klüber's „Befhreibung von Baden, “Thl. IL S. 100—117. — Kol bis 
„Lexikon von Baden“, Br. J. S. 289, Bd. I. ©. 81. — Ed. Brauers 
„Sagen und Geſchichten ver Stadt Baden u, f. m,” S. 179 und 180.) 


Zu „Kellers Bild und Kreuz" S. 199 und 201. 


Der Urfprung diefer Sage mag in der Zeit der Ausgrabung und 
Aufftellung der römifchen Alterthümer,, woran der Boden der Badener 
Gegend fo reich war, zu fuchen feyn. Diefe, der heidnifhen Götterwelt 
erwiefene Ehre mußte dem Volke, nach den damals herrfchenden Be: 
griffen, als ein frevelhaftes Beginnen erfheinen. 


Zu „Der Lindenfhmidt.” ©. 203. 


Dies alte Volkslied aus dem Ende des 15. Sahrhunderts findet 
ſich in Uhland' s „Alte deutſche Bolfslieder-, Th. 1, G. 358, darin 
non ein zweites Volkslied som Lindenfchmidt mitgeteilt iſt; ferner in 


ML Stadt Baden und Umgebung. 


Sr. v. Erlachs „Volkslieder der Teutfhen” Caus dem "Knaben Wun- 
derhorn“ entiehnt). Die Begebenheit fällt in "die Zeit des Kaifers 
Marimilian],, als durch den ewigen Fandfrieden vom Jahr 1495 
dem Unweſen der Privatfehden und dem Fauftrecht gefteuert werden 
follte. Lindenfhmidt war der Name, unter welchem ein durch Kraft 
und Tapferkeit, Gewandtheit und Lift ausgezeichneter Raubritter in den 
Gegenden der Nheinpfalz berüchtigt war. Der im Lied erwähnte Sun 
fer Kaspar it Kaspar von Frondsberg, der Bruder des berühm: 
ten Georgs, Anführer der Heere des ſchwäbiſchen Bundes. 


Zu „Fremersberg.“ ©. 209, 


Der Sremersberg zieht fih von dem Thälchen bei Baden, durch 
welches der Mühlbach fließt, bis an die Heerfiraße von Sinsheim 
nach Steinbad hin. An der Waldſpitze, wo fich eine ſchöne Ausficht 
in das Elſaß öffnet, baute im Jahr 1411 ein Einftedler, Bruder Heine 
rich genannt, eine Klaufe und eine Kapelle. Im Jahr 1415 gefellten 
fih noch einige Brüder zu ihm und die Klaufe wurde vergrößert. Als 
ber berühmte Johann von Gapiftran in Zeutfchland einen Kreuzzug 
gegen die Türken predigte, hielt ex fich eine Zeitlang bei diefen Ein« 
fiedlern auf, und feine Zelle wurde fpäter in eine Kapelle verwandelt. 
Ein Zufall gab Veranlaffung zur Umwandlung der Einfiedelei in ein 
Klofter. Markgraf Jakob verirrte fich einft, wenige Jahre vor feinem 
Tode, auf der Jagd und wußte in der nächtlichen Finfterniß keinen 
Pfad und Feine Richtung mehr zu finden. Er fließ in fein Hüfthorn 
und feine Hunde huben ein lautes Gebell an. Das hörten die Eremi⸗ 
ten, gingen ihm mit Sadeln entgegen, führten ihn in ihre Wohnung 
und bereiteten ihm ein Nachtlager. Aus Dankbarkeit verwandelte der 
Markgraf die Klaufe in ein Kloſter und befegte daflelbe mit Franzis» 
fanern aus dem Oberland, um 1451. Diefes Klofter entging glüdtich 
ben fürchterlichen Zerflörungen von Melac's Morbbrennerbanden. In 
der lebten Zeit farben die Mönche aus bis auf drei, und als au 
von dieſen noch zwei den Zoll der Natur bezahlten, wurde das Klofter 
aufgehoben und das Gebäude auf den Abbruch verfteigert. 


(Siehe „Freiburger Wochenblatt”. Jahrgang 1827. ©. 4.) 

(Die Seite 64 mitgetheilte Sage fpielt, was die Hauptfcene, nämlich den Teu⸗ 
felsfpud betrifft, in dem fogenannten „Klopfengraben“ bei der 
Aburg. Siche die Note zu „Aburgs Fall“ S. 157.) , 


Zu „Die Rettung des Klofters Lichtenthal.“ ©. 222 


Klüber im mehrerwähnten Werke, Thl. II. S.20. — Schreiber 
in dem Buch: „Baden im Großherzogtbum mit feinen Heilquellen« 
u. f. w. ©. 166, und Kolb im „Lerikon von Baden,“ Bd. II, S. 214 
theilen dieſe Erzählung mit. 

Auf welch barbariihe Weife die Franzoſen unter Marſchall Dur 
ras auf Befehl des allerchriſtlichſten Königs Ludwig XIV. und feines 





Stadt Baben und Umgebung. 973 


Kriegsminifters Louvois im Jahr 1689 auch in Baden und der. Um⸗ 
gegend hausten, ift ausführlich befchrieben in dem Werke: „Der durch⸗ 
lauchtigſten Fürſten und Markgrafen von Baden Leben, Regierung, 
Großthaten und Abfterben u. f. w., Frankfurt und Seipzig 1895,” 
©. 54 — 77. (Died weniger gelannte Bud, und nidt Sachs’ Ba- 
diſche Geſchichte, wie neulich in öffentlichen Blättern hervorgehoben 
wurde, ift wohl die aͤlteſte in teutfcher Sprache erſchienene badiſche 
Geſchichte.) 

„Alle Gotteshäuſer“ — heißt es darin — „ſtunden in vollem 
Brand, und die Glocken mußten in den Flammen gleichfam in Tpränen 
zerſchmelzen, und in biefem Feuer alle kranke, elende und mühfelige 
Leute, die nit von der Stelle fliegen Tonnten und ſich noch mit eini« 
ger Hoffnung auf des Königs Gnade fpeisten, elendiglich begraben wer- 
den. Es war ein folches graufames Spektakel, dergleichen wohl nie» 
mals laum gefehen worden : der Himmel war Mar und heiter und 
wurde in Kurzem mit einer ſchwarzdicken Rauchwolke als mit einem 
Trauerkleide verfinftert und die helle Sonne verbarg ihren Glanz. — 
Das arme Chriſtenvolk war gezwungen, aus biefem Sammer in bie 
Wälder zu fliehen und fich in den Höhlen und Wohnungen ber wilden 
Thiere zu verbergen“ ꝛc. 

Das Klofter Lichtenthal wurde 1245 von Irmengard, SBittwe 
des Markgrafen Hermann V. von Baden, einer gebornen Pfalzgräfin 
bei Rhein, Zochter Herzogs Heinrich des Schönen und Enkelin Hein. 
richs des Löwen von Braunfhweig, dem Sinn und Vorhaben ihres 
verftorbenen Gatten gemäß, gefiftet. Ihre Gebeine nebf denen vieler 
Fürſten und Zürftinnen des Badiſchen Haufes ruhen an diefer Friedens⸗ 
ſtätte. So manden Gefahren glüdiich entgangen, fiel das Klofter zu 
Anfang unferes Jahrhunderts dem allgemeinen Loofe der Secularifirung 
anheim, aber der hochherzige Fürſt Karl Friedrich fliftete es „wegen 
ſtets bezeugter dankbarer Treue und Anhänglichkeit an das Haus Ba⸗ 
den, und weil das Erbbegräbniß der badifchen Ahnen fi darin befin- 
det, bald darauf von Neuem, und fo Tonnte baflelbe denn am 1. Mat 
1845 das Zeft feines 600jährigen Beftehens feiern. 

(Bergl. Klüber und Kolb am angeführten Orte. — I. Bader, „Badiſche Landes“ 
geſchichte,“ S. 157, fo wie deſſen Schriftchen: „Die Stifter des Kloſters Lich 
tenthal find auch Gründer der Markgrafſchaft Baden.” — M.v. Schenken⸗ 
dorf um F. F. v. Maltiz u. 9. haben das liebliche Lichtenthal befungen.) 


Im Hofe des Klofters befindet ſich auch feit mehreren Jahren bie 
9. Stulzifhe Waifenanftalt, hervorgerufen durch bie Stiftung eines 
wadern Mannes, der in Kippenheim (Bezirksamt Eitenheim) von mit« 
tellofen Eltern geboren, fich in der Fremde durch Fleiß und Betrieb⸗ 
ſamkeit ein glänzendes Bermögen erwarb und feines alten Heimath⸗ 
landes mit freigebiger Dankbarkeit gedachte. 


(Siehe Ed. Brauer's „Sagen und Geſchichten“ ꝛc. S. 103.) 
I. 18 


274 Stadt Baden und Umgebung. 


In Mone’s „Anzeiger“ 1889 ꝛc. heißt es unter der Nieberfchrift: 
„Todesdorzeichen“ vom Kloker Lichtenthal: 
Das Klofter Lichtenthal iſt von dem badifchen Fürftenhaufe ge⸗ 
ſtiftet und viele Mitglieder deſſelben liegen in der alten Kirche begra⸗ 
ben. Steht einem Gliede dieſes Haufes ein Todesfall bevor, fo erlöſcht 
in der Kapelle jedesmal bie ewige Lampe.” 


Zu „Der Bafferfallvon Geroldsau.“ ©. 297, 


Ich glaubte diefe Romanze, ald aus der Feder einer talentbegab⸗ 
ten einheimiſchen Dilettantin, hier füglich einreihen zu bürfen, 
Tonnte mir aber eben fo wenig verfagen, in Bezug auf Form und 
Deteum, bedeutende Beränderungen mittelft der Seile darin zu treffen, 
was mir hoffentlich die Fran Berfaflerin nicht als ungalantes Verfah⸗ 
zen auslegen wird. 

Der Herausg. 


Zu „Die Hütte bei Eberſtein.« ©. 230. 


Der alten Sage nach fol an der Stelle jener Hütte ein Kiofter 
errichtet worben feyn, welches Kloſter Engelberg genannt wurde. 
Die Geſchichte berichtet weder das Jahr ihrer Entfiefung, noch das 
feiner Zerflörung. Mit dem Gebäude ſcheint auch alle Kunde von fei- 
ner Geſchichte untergegangen zu feyn, und wie von jenem keine Spur 
mehr zu finden ift, fo fucht man auch vergebens in den alten Chroni⸗ 
fen nach einer Erwähnung diefes Frauenkloſters. Nur im Munde bes 
Volkes hat fih no Weniges erhalten. Weiße Geftalten follen an der 
Etelle, wo das Gebäude fland, in ber Mitternachtfiunde umherwanbeln, 
und lieblicher Sefang auf der Höhe fi hören Yaffen. 

(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend,” Karlsruhe, 1834.) 


Zu den „Sagenvonder Jburg.” ©. 242. 


Der Weg zu diefen Schloßtrümmern führt von Baden aus über 
ben Beitig, hinter dem Selighof, von der Fahrſtraße ab, links empor 
Im Walde , dann durch eine Schlucht, ber Klopfengraben genannt, 
und endlich in gemaͤchlicher Bindung aufwerts bis zur Ruine, von 
welcher, außer dem noch wohl erhalterten Thurme, zu deflen Zinne eine 
hölzerne Treppe Teitet, wenig mehr übrig if; den andern Thurm zer⸗ 
Rörte ein Blitzſtrahl zur größeren Hälfte, und das übrige Gemäuer, 
mit einem Portal, zeugt noch von dem nicht unbebeutenden Umfange 
ber Burg. Die Ausfichtfuon der Plattform des Thurmeg, öſtlich über 
das Gebirg und weſtlich in das weite lachende Rpeinthal, iſt durch 
ihren Eontraft überraſchend und außerordentlich reich. Der Urſprung 
dieſer Veſte tft ein bisher ungelöstes Räthſel; kaum Vermuthungen 
wagt die Geſchichte darüber. Die feſte Bauart und die Lage auf einem 


Stadt Baden und Umgebung. 275 


in die Nheinebene ziemlich weit vorfpringenden und fie weithin be- 
herrſchenden Bergkegel, fpredhen von hohem Alterthum. Viellei ht fund 
bier ebenfalls fhon ein römifcher Wartthurm, oder ein treuer Wächter 
der alemamnifhen Marken fandte von bier aus den forgfamen Blick 
in die Ferne. Wir finden den Berg nicht früher erwähnt als im 
Zahr 1382, und zwar nur nebenbei in dem Lehensbriefe, den Katfer 
Wenzel dem Markgrafen Bernhard von Baden ertheilte. Marke 
araf Georg Friedrich foll die Iburg auf’s Neue hergefiellt und 
befeftigt haben. Im Jahr 1689 war fie jedoch wieder gänzlich unbe» 
wohnbar gemacht worden. 

Auf dem Badener alten Schloffe haust, dem Boltsglauben nad, 
kein Befpenft mehr als die weiße Frau; die Eberfteinburg ift ganz 
frei von allem Spude, aber die Iburg ift der Platz, wo Geifter 
und Kobolde ihr Wefen treiben, und alle bie böfen Teufel, welche vor 
Zeiten, in Säde gebunden, von Mönden heraufgefchleppt und in dieſe 
Mauern gebannt wurden. (Siehe Spindlers Mährchennovelle »Der 
Tenfel im Sad. in feinem Taſchenbuch „Bergißmeinnicht für 1946.) 
— Ein einzelner Kobold pflegt im Klopfengraben zu fpuden; aber 
er tft von ziemlich friedlicher Gefinnung und hat ed nur, gleich dem 
Gefpenft an ver Kanderner Straße, auf Weinbenebelte abgefehen, 
bie er gerne vom Wege feitab in daB Bärhlein führt. 

Mertwürbig ift der Umſtand, daß der Urfprung von noch zwei 
alten Schloͤſſern, welche den gleichen Namen führen, und beren eine in 
der Schweiz, die andere in Weftphalen Tiegt, eben fo vom Dunkel der 
Zeit verhüllt if, als der unfrer Yburg. 

(Bergl, W. v. Che zy „Rundgemälde von Baden“ 20. S. 73, 


In Bezug auf 3. Hubs Ballade „Fortunat von Baden (Siehe 
©. 249 dieſes Buches) führen wir hier noch an, was Al. Schrei⸗ 
ber in feinen „Sagen aus den Nheingegenten 20.» über Fortunats 
Leben und Treiben auf der Aburg erzäplt : 

„Segen das Ende des 16. Jahrhunderts wurde fie von einem Kar 
fielan bewohnt, und der unglüdliche Markgraf Eduard Fortunat, 
ein Sohn der fihönen Cäcilie von Schweden und Enkel Guftav Wafa’s, 
hatte darin fein alchymiftifches und magifches Laboratorium aufgeſchla⸗ 
gen, wo er unter Beihülfe zweier Italiener, des Paolo Peſtalozzi 
von Chiavenna und des Muscatello von Chio den Stein ber Weis 
fen hervor zu bringen, Tag und Nacht, wiewohl vergebens, fih ab⸗ 
mühte und allerfei andere Verſuche anftellte. Unter Anderm verfertigte 
Peſtalozzi aus Wachs ein Bild des Markgrafen Ernft Friedrich von 
Durlach, des geſchwornen Feindes Eduard Fortunats. Dabei wurden 
die gewaltigften Zauberformeln gefprochen, welche bewirken follten, daß 
eine Kugel oder ein Pfeil, vie auf das Bildniß abgefchoflen würden, 
auch zugleich das Bildnis ſelbſt, fey es noch fo weit entfernt, träfen. 
Als das Wachögebilde fertig war, heftete man es an eine Tpüre und 
ein Piftol wurde darauf abgedrückt. Die Kugel er nit allein 








276 Stadt Baden und Umgebung. 


durch die Bruft des Bildes, fondern auch durch die bünnen Bretter 
ber Thüre, und in diefem Augenblick erfcholl ein markerſchütternder 
Geſchrei im Nebengemarhe. Die ſchöne achtzehnjährige Tochter des Ka= 
Rellang, die Buplgenoffin des Markgrafen, lag, von der Kugel mitten 
burch das Herz getroffen, in ihrem Blute zu Boden geftredt, und feit 
biefer Zeit trieb allnächtlich ein folcher Geifterfpud auf der Yburg fein 
Wefen, daß ihre Bewohner fie verlaflen mußten. Die Burg felbfi ver- 
fan? ollmälig in Trümmer. Mehrere Zuhre fpäter — berichtet bie 
Sage — befhworen bie Kapuziner in Baden alle Kobolde und Haus⸗ 
geipenfter aus der Gegend in einen ‚großen Sad und trugen fie darin 
auf die burg, wo fie Iosgelaffen und in den Ruinen feſtgebannt wur⸗ 
den, weßhalb fih noch jeßt nur felten ein Menfch bei nächtlicher Weile 
in die unheimlichen Räume der alten Burg hinaufwagt.“ 

In der Zeitfhrift »Curtofitäten der Bor- und Mitwelt 20.” 
8. Bd. ©. 397 u. ff. leſen wir Nachfolgendes über Fortunat: 

„Da ber mörderifhe Anfchlag auf das Leben des Markgrafen 
Ernſt Friedrich zu Baden weltbefannt wurde und berfelbe fi 
genöthigt fah, was er gegen das Benehmen, XZreiben und Thun des 
Markgrafen Eduard Fortunatus zu fagen hatte, Öffentlich aus⸗ 
zufprechen, fo erfchien nachfolgende merkwürdige Schrift im Drucke: 

„Gründlicher, Waprhafter uud Beftendiger Bericht: Was fi zwi⸗ 
fhen dem Markgrafen Ernft Friedrich zu Baden 2c. und zwifchen Mark⸗ 
graf Eduardi Zortunati Dienerfhaft und von ihm feldft verloffen« ıc. 
1595. 4.« 

Sn diefer Schrift Heißt es: 

‚Nicht allein welttundig muß es, fondern bewieſen foll es auch 
werben, daß Markgraf Eduard Fortunatus zweimal dem Markgrafen 
Ernft Friedrich nach dem Leben geftanden , zuletzt auch noch den Burg- 
voigt zu Norbug, Franz Löcher, anreisen wollen, die That zu voll⸗ 
bringen. Es ſah ſich daher der Markgraf Ernft Friedrich genöthigt, 
Raiferl. Majeftät Alles zu berichten und zum Beweiſe fortzufahren, ber 
Unterfuhung Pla und Ranm zu laffen. Da ergab fi dann, dag, als 
der Markgraf Ernſt Friedrich, nah Recht, den obern Theil des Marf- 
grafenthums in Befit nahm, fein Better, der Markgraf Eduard For⸗ 
tunatus, fogleih Mordanſchläge gegen ihn und feinen Bruder, den 
Markgraf Georg Friedrich, mit böfem Sinne faßte. Aber der Himmel 
verhinderte die Ausführung der Mordanfchläge und es wurben als 
Verbrecher eingezogen die Enuard’fchen Diener: Paul Peſtalotzi 
aus Chiavenna und Franz Muscatello aus Pirenza, nah 
Durlach geführt und denfelben ver Prozeß gemacht. 

„Es lebte aber diefer unfelige Markgraf Eduard Fortunga- 
tus ein ſolch diffolutes Sattelleben,*) daß er ſich felbft nicht fcheuete, 





*) Ein Sattelfeben, ein Stegreifleben führen, hieß im Mittelalter bei ven Edelleuten; 
vom Raube leben. 





Stadt Baden und Umgebung. 277 


den Plasereien in eigener Perfon beizuwohnen, feiner Zürftfichkeit 
ganz vergeflend. Er ritt zur Rauberei mit feinen Dienern anf bie 
Straßen, verftedte ſich in die Kornfelver, fiel heraus und beraubte die 
Keifenden ohne Scheu und Scham; warf die Fuhrleute nieder, bes 
zaubte die Kaufleute und nahm was er befommen konnte. Das that 
er Alles frei und öffentlich, Ließ die Beraubten binden und zählte in 
ihrer Gegenwart das ihnen abgenommene Geld, was er alsdann nad 
Wohlgefallen mit feinen Raubgefellen theilte. Dabei fam es auch zu 
Mordtpaten, wie an einem wälfchen Krämer gefchehen, der erſchoſſen 
wurde. Mit den ibm abgenommenen Sachen fehmüdte der Markgraf 
fein Schloß aus. 

„Wie nun immer eine fihlehie Handlung die andere nach fi 
zieht, fo bat Markgraf Ednard auch ſich des Falſchmünzens unterfan- 
"gen, welches in den Rechten fowohl als in der Kaiferl. Peintichen 
Halsgrrichtsordnung hoch verboten iſt Aus einer fonderbaren Wirtur 
von Metallen, welche der Malefikant Franz Muscatello zu be 
reiten wußte, wurden Ferdinandifche Thaler, Klippenthaler, Portuga⸗ 
Iefer von 10 Dufaten Werth, ıc. geprägt, diefelben auf der Frankfurter 
Mefle ausgegeben und die Leute damit betrogen. Er, der Marfgraf 
feldft, war zugegen, wenn gemünzt wurde, und 308 das zu Augsburg 
erlaufte Preßwerk mit eigener Hand. Die Stempelfchneider zu be« 
fommen, braudte er Gewalt und bielt fi Alles für erlaubt. 

„Ja, er ließ fih von dem leidigen Satan ſo weit treiben, führen 
und einnehmen, daß er einem feiner Bettern durch ein von Muscatello 
zubereitetes Giftwaſſer, als er fie zu Gaſte bat, das Leben nehmen 
wollte. Eben das war er zu thun gefonnen, ald Markgraf Ernſt 
Friedrich nah Ettlingen fam, um dort ein Paffionsichaufpiel vor⸗ 
ftellen zu fehen. Diefes Giftwafler, deſſen noch eine gute Portion 
auf dem Schloffe zu Baden gefunden worden, hat feinen wirkfichen 
Effert an vielen Perfonen gethan, wie die urzichtlihen Ausfagen sub 
Rubrica de Veneno beweifen und darthun. So war auch noch ein ans 
deres Gift vorhanden und gebraucht worden in Geftalt eines unfchäb- 
lich fcheinenden, weißen Salzes. 

„Dabei iſt es aber micht geblieben. Sondern es hat Marfgraf 
Fortunatus auch ein teuflifch-zauberifches Mittel zur Hand genommen, 
weiches ver Malefilant Peftalo st vollführen follte, den Markgraf 
Ernſt Friedrich gu tödten; Siehe die urfihtlichen Auslagen sub Ru- 
brica de Imagine. Das follte gefhehen durch ein fonderlich Dazu ge: 
formtes Bildniß, welches des Markgrafen Ernſt Friedrichs Perfon 
repräfentiren und nach Ausweiſung feiner negromantifchen und zau⸗ 
berifhen, bei im gefundenen Bücher, mit Befhwörungen und anderen 
teufelifihen Zierkichleiten und Solennitäten hat zugerichtet werden fol- 
Ien. Zu dem Ende fandte der Markgraf Fortunatus feinen eigenen 
Hofkaplan und Meßpriefler, Marko del Furno, nah Trarbach 
mit feinem eigenhändigen, mit feinem Wappen verpetfchirten Brief an 








278 Stadt Baden und Umgebung. 


den Malefitanten Peſtalotzi; der Hoffaplan aber, als er des Briefes 
Juhalt erfahren, mißbilligte Alles und mochte nicht einwilligen. Ja, 
es if gewiß, daß die erichrediiche und verflucdhte Sünde der Regro- 
mantie und Zauberei bei dem Markgrafen Sortunato und feinen Com⸗ 
plicibus im Schwange ging und für feine Sünde gehalten wurde; 
wie auch der Prob Born von Madrigal zu Baden ausgelagt 
und bekräftigt hat. Es hatte auch Fortunatus einen Eid von Peſta⸗ 
lotzi genommen und fih mit ihm zu dem greulichen Bubenftüd ver- 
bunden, und mit dem Verluſt ihrer Seelen, ihres Heils und iprer 
Seligkeit dem leidigen Satan ſich felbf zum ewig verfluchten Pfande 
geſetzt.“ | 

Es folgen nun bie Beilagen und Beweife, die Berrechnungen und 
Ausfagen, nah welchen Peſtalotz i und Muscatello nach recht⸗ 
lichem Ausſpruch geviertheilt werden follten. Der Markgraf Ernſt 
Friedrich begnadigte fie aber dahin, daß fie enthauptet wurden. Jedoch 
wurden ihre Leichname geviertheilt und an den Gtraßeneden aufge- 
hangen. 

„Pefalopi hatte gar fonderbare Eramina auszuhalten, in benen 
er u. 9. ausfagte: „Er fey verheiratpet und fein Weib heiße Lagora. 
Die mit ihm umberziehende Dirne, Madama genannt, fey mehr des 
Markgrafen Hortunati Eoncubine als feine eigene. Er müfle aber auf 
Befehl diefelbe mit fih führen auf feinen Namen. Er wiffe nicht, ob 
er oder der Markgraf des Kindes Bater fey. Die magifrhen Bücher 
habe fein Herr aus Löwen erhalten. Die Falſchmünzerei fey gut ge- 
gangen. Das Bergiften fey verunglüdt. Das Bildniß fey gefertigt 
worden von Leim und Jungfernwachs, dann angezündet und ber 
108, Pfalm darüber gefprochen worden. Es habe biefe Incantation 
aber nichts gefruchtet.” Uebrigens agnoseirte Peſtalotzi das ihm vor: 
gezeigte Siftpulver, die Bildform und die Muͤnzformen. 

Muscatello belannte gleichfalls, was er getban. Er hatte Cald 
geübter Staliener in dieſen Münz⸗ und Giftkünſten) das Metall zur 
falfhen Münze verfertigt, das Gift gemifcht ꝛc. und gravirt einen 
gewifien Eapitain Paul gar fehr. Diefer wollte das Bergiften über⸗ 
nehmen, wie er fagte. Ein gewiflee Bernardo Compofini gab 
die Bereitung des Giftes an, welche man jedoch vorfichtigermweife nisht 
mitgetheilt hat.“ 


ne  — 





Murgthal. 


D0 


Die Wolfsſchlucht und die Waldkapelle bei 
Selbach. 


Kommſt etwa du einmal der Wolfsſchlucht nah, 
Dann, Wanderer, nimm bich in Acht! 
Unheimliche Wefen nur treiben fih da 
Im düfteren Schleier der Nacht. 


Dort fucht eine Here ſich allerlei Kraut 
Zufammen bei mondlichem Strahl, 
Draus Liebesbethörende Tränfe fie braut 
Im Keffel im einfamen Thal. 


Sie ſchwingt um den Herd fih im luftigen Tanz, 
Dualm wälzt fi betäubend Heraus, E 
Bon ferne ſchon ſiehſt du den hölliſchen Glanz, 

Dann kreuz' dich und flüchte nah Haus! 


Jetzt aber gefihieht Died nur Einmal im Jahr, 
Sn Andreas’ geheiligter Nacht: 
Dann kochen im Keffel die Gifte fih gar, 
Die rühret die Here mit Macht. 


Bor Zeiten, da war fie ein reizendes Weib, 
Bezaubernd durch Satanas' Kuuſt, 
Doch ihm war verfallen mit Seele und Leib, 
Wer je ſich erfreut ihrer Gunſt. 


280 Murgtpal. 


Einf führte die Jagd einen Ritter daher, 
Berirrt in dem einfamen Wald; 
Ihn quälte der Durft und bie Hite gar fehr, 
Die Kräfte verfagten ihm bald. 


Er wantte fo müde das Thälchen entlang, 
Zu forfchen nach labendem Duell, 
Da plöglich vernimmt er, o himnliſcher Klang! 
Ein Rieſeln aus heimlicher Stell'. 


Er bricht durchs Geftrüppe ſich eilige Bahn, 
Doch bleibt wie gebannt er bald ſtehn: 
Dort lachelt das reizendſte Maͤgdlein ihn an, 
Die je noch ſein Auge geſehn. 


Am Borne dort ſitzt es, auf mooſigem Rand, 
Und ſchöpft aus den Wellen ſo klar 
Ein goldenes Schälchen mit zierlicher Hand, 
Und bietet dem Ritter es dar. 


Der ſchlürfet mit gierigen Zügen den Trank, 
Doch kaum iſt der Becher geleert, 
So fühlt er im innerſten Herzen ſich krank, 
Von glühender Liebe verzehrt. 


Nicht ſpielt ſie die Spröde, nicht bebt ſie zurück, 
Da koſend ſein Arm ſie umſchließt, 
Die Minne verheißt ihm das ſeligſte Glück, 
Das ſehnenden Herzen erſprießt. 


„O Liebchen! und liebſt du mich innig und wahr, 
So reich' mir als Gattin die Hand, 
Auf ewig vereinige uns am Altar 
Der Kirche geheiligtes Band!“ 


Ein Klausnerkapellchen iſt nahe dem Ort, 
Da führt er die Straͤubende hin; 
Wohl flüchtete gerne ſie wieder ſich fort, 
Doch laͤßt er fie nimmer entfliehn. 


Murgthal. 21 


Schon kniet vor dem Prieſter das bräutliche Paar, 
Schon hebt er zum Segen die Hand, — 
Da fhmettert der Donner, ed wanft der Altar, 
Sturz drohet dad Dach und die Wand. 


Noch einmal ein Schlag — mit betäubendem Krach 
Der Boden ſich fpaltet zum Grab, 
Und fihlingt vor den Augen des Ritters jach 
Das fehreiende Bräutchen hinab. — 


Und ale er der Sinne fih wieder bewußt, 
Da war ihm entfremdet die Welt: 
Statt von irbifcher Luft, ihm nun einzig die Bruſt 
Bon himmlifchem Drange gefchwellt. 


Das Kirchlein erbaut er nun wieberum neu, 
Der heiligen Jungfrau geweiht ; 
Dort lebt er noch lange in Büßung und Reu, 
Dis Ruhe der Herr ihm verleiht. — 


Bei Selbach im Walde, da winkt es dir zu, 
Das Kirchlein, fo traulih und Führt, 
Dort wieget die heilige Mutter in Ruh 


Des ftürmifchen Herzens Gewühl. 
A. Schale. 


Bei der Teufelskanzel, diht am Wege nah Gernsbach, 
zieht ſich links ein Fußpfad in die Tiefe hinab, der zu einer Zelfen- 
mafle führt, welche insgemein die Wolfsſchlucht genannt wird. 

Rah H. Schreiber in feinem Taſchenbuch „Baden = Baden, 
bie Stadt ꝛc., S. 187, wäre der Name Wolfsſchlucht der allbekann⸗ 
ten Oper »Breifhüß- entlehnt, alfo neuehen Urfprungs ; jedenfalls 
dürfte unfere Sage in der Nähe Badens ebenfalls heimiſch geworben 
feyn. Mocte fie auch nicht gerade an jene Stätte fich knüpfen, fo if 
doch die Stelle fehr geeignet, den Schauplaß der Sage darzuftellen. 
Es ift diefelbe Schlucht, in welcher der arme Geiger (Siehe S. 185) 
fein Abenteuer mit dem Wolfe befand. — Das Dorf Selbach Liegt 
in einem Seitenthälchen des Murgthals. 


— 


282 Murgtpet. 


Die Hölle. 


Am Murgthal, zwifhen Langenbrand und Gausbad, 
wo die Murg zwifchen Felfen fich krümmt, iſt die finftere 
Klinge; die Stuhläder ziehen fih von da bis an bie ſo⸗ 
genaate Hölle. Das ift eine ungeheure Oeffnung, welche 
tief in den Berg hinein geht, und deren Ende und Beichaffen- 
heit Niemand ergründet hat. Denn das Gewürm und Unge⸗ 
ziefer verwehrt den Eingang, und die böfen Geifter treiben dort 
ihr Weſen und huſchen aus und ein. Bor der Hölle flehen 
zwei mächtigen Felſen mit vielen zadigen Spigen fafl grad in 
die Höhe, die man nicht erfteigen kann; der eine ift ganz ſchwarz 
als wenn er angebrannt wäre. Es mag wohl einige und fiebzig 
Sabre feyn, da war zu Forb ach ein fehr braver Schulmeißter, 
der aber an feine Geifter glaubte. Da ging er einmal nad 
Gernsbach hinunter, um erwas einzufaufen, das gab er feiner 
Tochter mit, die er voraus heimgehen Tieß, denn er wollte ſpä⸗ 
ter zurüdfehren. Da er noch mehr Gefchäfte auf dem Wege 
beforgte, fo hatte ſchon die Betglocke geläutet, ald er von Wei⸗ 
Benbad nach Langenbrand wollte. So kam er bis an den 
Tangenbrander Berg, ber auf die breite Wiefe hinabführt, die 
ſich an die Felfen vor der Hölle hinzieht. Da verließ ihn aber 
fein Schugengel ; er kam auf der Wiefe aus dem Pfade, und 
ed war ihm, als würd’ er ſchwebend in Die Höhe gehoben und 
fortgebradht. So fam er durch Gebüfch und Berghänge, behielt 
aber feinen Stod und Hut; er wollte fohreien und fonnte nicht; 
er meinte manchmal zu fiten, und rutfchte wieder fort; aber 
wie fihmerzlich es ihm auch war, fo fah man nachher doch Feine 
Verlegung an feinem Leibe. Zulest fand er fih auf einem 
fpigen Steine, wo er nicht fiten Tonnte und die ganze Nacht 
ſtehen mußte. Am Morgen fah er zu feinem Schreden, daß 
er auf dem hohen Felfen vor der Hölle fland und nicht mehr 
herab konnte. Da bat er Gott um Erlöfung und fah Flößer 
auf der Murg herablommen, denen er um Rettung zurief. Sie 
erftaunten ob diefem Wunder, holten Leitern herbei und brach⸗ 
ten mit großer Mühe und Gefahr den Schulmeifter glüdlich 


Murgthbal. W3 


gerab. Er wurde aber nachher gefährlich krank, dech nach ſei⸗ 


ner Geneſung ſprach er nicht mehr gegen die Geifter. *) 
(Siehe Mone'd „Anzeiger 2c.” 1834.) 


Die Teufelsmühle. 


Einft hatte ſich ein Müller, der fehr eigenfinnig und hefti⸗ 
ger Gemüthsart war, an der Murg eine Mühle gebaut; allein 
die Stelle war ſchlecht gewählt, das Waſſer trat bafelbft oft 
aus, und der Gang der Mühle wurde gehemmt. Dies verdroß 
den Müller gewaltig und als einft das Waffer von allen Sei- 
ten in feine Mühle eingedrungen war, rief er in vollem Grimm; 
„Ss wollt’ ich, dag mir der Teufel eine Mühle auf dem Steins 
berg erbaute, Die nie weder zu viel noch zu wenig Waſſer 
hätte!” Kaum war Died Wort aus feinem Munde, als auch 
fhon der Teufel vor ihm ftand und ſich bereit erklärte, feinen 
Wunſch zu erfüllen, Doc nur unter der Bedingung, daß er ihm 
feine Seele auf ewig verfchreibe. Lange fämpfte der Müller 
mit fich felbft, bis er endlich einwilligte; doch mußte ihm der 
Teufel noch überdies vierzig forgenlofe Lebensjahre und den 
Bau einer fehlerfreien Mühle auf dem Steinberg zufihern, die 
aber in der erften Nacht, noch vor dem Hahnenfchrei, fertig 
feyn müfle. Der Teufel hielt Wort und holte nach Mitternacht 
den Müller ab, die neue Mühle in Augenfchein zu nehmen. 
Der Müller fand Alles in Ordnung; das Gebäude war fefl 
und zwedmäßig eingerichtet und ein ſtarker Waldbach trieb ein 
oberfchlächtiges Rad für ſechs Gänge. Zulegt bemerkte ber 
Müller doch, daß noch ein unentbehrlicher Stein in dem Bau 
fehle. Er machte den Teufel darauf aufmerkfam, der auch als- 
bald forteilte, den Stein herbei zu holen. Schon ſchwebte Sa⸗ 
tanas mit demfelben in den Lüften, gerade über der Mühle, da 
fing der Hahn im nahen Dorfe Toffenau zu krähen an. Er- 
grimmt darüber, fehleuderte der Böfe den Duaderftein auf die 
Mühle herab, flürzte ihm nad und riß brüllend dieſelbe aus⸗ 
einander, fo daß nichts übrig blieb, als ein Haufe Trümmer, 


*) Die Geſchichte Hat fih wirklich zugetragen, die Erklärung gehbet ber Sagt. 


284 Murgthal. 


die zum Theil jetzt noch den Steinberg bedecken, der davon den 
Namen „Teufelsmühle” bekam. In der Nähe ſieht man ſieben 


Telfenfammern, ringe umher grotesfe Felfenblöde. 
(Aus U. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden ac. ıc.”) 


Etwa dreiviertel Stunden vom Dorfe Loffenau an der Murg 
erhebt fich einer ter höchften Berge der Imgegend, die „Teufels⸗ 
mühle- genannt, an deffen fleilem Hange fich fieben Gewölbe befin- 
den, wohin der „Neue Weg“ über den euchelwald“ führt. 
Bon den Gewölben ſtehen drei in einer Reihe, durch natürliche Pfeiler 
geftügt und verbunden, ebenfo zwei andere über biefen, und bie bei⸗ 
den übrigen feitwerts, fo daß man nur mit Gefahr hingelangen kann. 
Diefe Hallen frheinen durch Auswaſchungen der Gebirgswaſſer entflan- 
den zu feyn. Eine Biertelftunde weiter oben findet man die Teufels⸗ 
müble: ein Chaos von Sandfteinblöden, deren einer mehrere Schuh 
tief wie mit einem Inftrument eingefägt ift, welche Arbeit die Lands 
leute für ein Werk des Teufels halten. Etwas weiter abwerts gelangt 
man an das Tenfelsbett, einen großen, wahrſcheinlich ebenfalls 
durch das Waſſer ausgehölten Stein, den ein überhängender Blod zu 
bedecken ſcheint. 


(Vergl. „das Murgthal“ sc. von Jägerſchmid. Nürnberg, 1800. S. 200.) 


Der Klingel. 


Dieſen Namen führt eine kleine Kapelle, die hinter Gerns⸗ 
bach am hohen Murgufer ſteht, wo der Weg auf das Schloß 
Neu-Eberſtein führt. Vor alter Zeit rauſchten hier dunkel⸗ 
bemooste Rieſeneichen, unter deren weitſchattigem Dache eine 
heidniſche Wahrſagerin hauſte; als ſpäter das Chriſtenthum ſich 
in der Gegend ausbreitete, baute ſich an dieſer Stelle ein Ein⸗ 
ſiedler eine Klauſe und richtete daneben ein großes Kreuz auf. 
Einmal in tiefer Nacht vernahm er eine wehklagende Stimme. 
Alsbald zündete er eine Kienfackel an und eilte hinaus. Da 
fab er unter einem Baume ein junges ſchönes Weib in einem 
fo fein gewobenen Gewand, daß es ihre Reize nur halb ver- 
fehleierte. Die Tangen dunkeln Loden fielen über den blendend⸗ 
weißen Naren und Bufen bis an die Hüften und in der Hand 
hielt fie einen Stab, in den allerlei Zeichen und Schriftzüge 
eingeferbt waren. „Die Nacht ift kalt;“ — fagte fie zum Ein- 
ſiedler — „gewähre mir ein Obdach in deiner Hütte!” — Der 








Murgthal. 285 


mitleidige Klausner war gern dazu bereit, aber ſie weigerte 
ſich, ihm eher zu folgen, als bis er das hölzerne Kreuz neben 
der Thüre hinweggeſchafft hätte. Der Gottesmann erſchrack 
anfangs ob ſolchen Begehrens, aber die wunderbare Schönheit 
des Weibes begann ſein Herz mit Gluthen zu füllen, und im 
Kampfe dagegen ſprach er leis ein inniges Gebet um Rettung 
aus der Verſuchung und Gefahr. Da erklang auf einmal ein 
Glöckchen mit hellem Silberſchall und im Nu war das ver- 
führeriſche Bild verſchwunden. Das Glöcklein tönte noch lange 
fort und der Einſiedler, der verwundert darnach forſchte, fand 
es an einem Zweige im Gebüſche hinter ſeiner Klauſe hängen 
und ſich von ſelbſt bewegen. Er baute ſogleich eine Kapelle aus 
Baumſtämmen und Rinden, und hing das Silberglöckchen 
hinein, dem ſpäter viele andächtige Pilger zuſtrömten. Davon 
hat die Stelle den Namen „Klingel“ erhalten. 


(Aus Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden 20.” — Einige Sagen 
vom „Klingel“ finden fih in Kriegs von Hodfelden „Geſchichte der 
Grafen von Eherftein« ⁊c. S. 255 u. ff. Wir laſſen fie hier in getreuem 
Abdrurk folgen.‘ 


Sagen von der Klingelfapelle und vom 
Schlof Eberftein. 


Als Eherflain In dem Murgenthal vf einem hochen Felfen 
gelegen, bat es hund (unten) im thal allernechfl an der Murg 
ein Capell am weg, haift der Glingel, darbey ain Kleine be= 
Haufung, darin vil Jar ein Claufnerin, oder aber fonft ein alte 
Erbare fram gewonet, fo die Gapellen tags geöffnet, vnd 
nachts befchloßen hat, vnd fagt man das graf . . . . von 
Eberftain fo die von . . . . gehapt, ſolche Capellen von erfien 
erbawen hab, Iſt vor vil Jaren befchehen, die vrſach aber das ber 
graf die Capell gebawen, ift die, das zu felbiger Zeit vnd auch 
deruor, ein folh8 groß gewurm vnd vnziffers vmb Eberftain 
vnd Im Mürgenthal ſich enthalten, vnd infonnderhait ain gro⸗ 
Ber drach oder wurm, das ed dem grafen od der ganzen Landt⸗ 
fhafft ein beſchwerdt, alfo hat der graf daruber Rath gehapt, 
vnd If Im gerathen worden, Er foll der Enden ein Capell 
bawen, das Iſt befchehen, vnd haben die burger von Gerſpach 


286 Murgthal. 


ſampt mertails Inwoner des tals Ir handtreichung vnd hilf 
darzu gethon, Bald darnach Iſt das gewurm verſtrichen. Es 
haben die alten Grafen von Eberſtain vnd Ire weiber vil an⸗ 
dachtz vnd willen dahin gehapt, Iſt nur zu vnſer fraw zur 
Aich genennt worden, dann bie Piltnuß in den Aichbaum ge⸗ 
fehniten, Aber wurt Jezo nun zum Clingel gehaifen. 

Bey Zeiten deß frommen Grafen Bernharten von Eber⸗ 
ſtains, Iſt gar Ain Andechtige Erbare fraw Im Elingel gewe⸗ 
fen, die der Capellen gewart mit befchließen vnd Ampeln anzün- 
den. Im Far 1517 hat ſich begeben, Als die guet fraw fchlaf 
gangen, ft gar nahe umb miternaht was an Jr behaufung 
fommen vnd Anklopfft, Sie Iſt offgeftanden und an das fenfter 
gangen, vnd gefragt, wer da feye. do hat fie ein alten man wie 
ein ordensman In einem langen weifen Rockh geſehen, der hat 
ein weifen part bis vf die gürtel gehapt, vmb In und hünder 
Im feyen bei acht oder zehen Perfonen geweſen, Eleine kurze 
feühte, Ires erachtens weibsbilder, haben ſchwarze Claider an⸗ 
getragen, wie die Cloſterfrawen, vnd Ir Jedes ein Laternen In 
der handt mit einem brinenden liecht. Der alt man hat die 
rawen gebetten, das ſie vnbeſchwert Inen die Capellen öffnen, 
deß wellen ſie Ir lonen, Die fraw hat ſich angelegt, Iſt herab 
zu Inen gangen vnd die Capellen geöffnet, do hat ſie mit dem 
alten man geredt, der hat Ir auch widerumb Antwurt geben, 
Aber die kleinen weiblin haben nichts geredt, der alt man Iſt 
vor Inen allen In die Capellen gangen, darin hat er in eim 
buch, ſo er mit Im dargebracht vnd vnder dem Arm gehapt, 
geleſen vnd gebetet, die Andern ſein Im alle nachgegangen, Je 
Par vnd Par, vnd alldieweil der Alt man In dem Buch ge⸗ 
bettet, haben ſich die andern alle Creuzweiß als In einer Venia 
in der Kirchen gelegt, die alt fraw hat Inen ernſtlich zugeſehen, 
was doch zuletzt darauß werden, vnd als ſollichs bey einer ſtund 
ungefarlich gewert, do ſein ſie wieder auß der Capellen gangen, 
der alt man vor, die anndn gepart hernach. Alſo hat der alt 
man der frawen für Ir muhe Ain goldguldin geſchenkt, vnd 
ſein damit abgeſchaiden, das die alt fraw nit ſagen künden wo 
ſie hinkommen, Allein das ſie geſehen, das ſie mit ain andern 
den Karren⸗weg am Eberſtainer perg hinauf gangen, Alß ob 
ſie In das Schloß welten, vnd das hat die fraw weiter geſagt, 





Murgthal. 287 


was der alt man mit Ir geredt, das hab er alles zway mal 
geſagt. Hiebey kan Ich nit vnderlaſſen zu uermelden, Als der 
Alt man der frawen den goldguldin geſchenkt, Hat er geſagt, 
Liebe fraw, laſen euch diſen guldin lieb ſein, vnd behalt in wol, 
dann Ir werden ſein noch ganz Notturftig werden, das hat die 
fraw gethon, vnd Im ſelbigen Jar Iſt eine ſolche gehe theurung 
Im Murgenthal vnd deren enden eingefallen, das vil vnder 
denen armen groſen mangel vnd hunger leiden mueſen, Alſo 
wie die fraw alles Ir vermögen vmb brot vnd ander Victualien 
vßgeben. Es Iſt aber ſolch ſtukh goldz eins ſolchen alten ſchlags 
oder gepregs geweſt, das es nit Iſt erkennt worden, vnd wie 
dann dergleichen ſachen oft furkommen. Als das An den Vogt 
vnd an ein Rath zu Gerſpach gelangt, hat man vermaint es 
hab vielleucht die fraw ein ſchaz gefunden, Dann Inen wol be⸗ 
wuſt das fie Ain arme frau vnd ſolche gulden nit ererbt, der⸗ 
halben ſie beſchickt vnd ernſtlichen befragt, Woher Ir doch ſolch 
ſtukh goldz kommen, do hat fie Inen die wahrheit und all ſach 
wie bieobgemelt geöffnet vnd nichts verhalten. Alfo hat man 
bie guet fraw wider laſen abfcheiden, Jedoch Sr bey höchſter Peen 
eingebunden, wauer (wofern) dife Componia (Geſellſchaft) wis 
berfommen, das fie nit onderlafen, ſonder eilends ber Stat zu 
welle, ond etlichen Verordneten in der Vorſtatt ſolchs anzaigen 
fol, bey denen auch verfehen worben, dag fie Im fahl Inen was 
weiters furgebracdht, fich hierinnen der gepur nach halten vnd 
was es doch fur Leut feyen, erkundigen follen. Aber dife Com⸗ 
ponia Iſt hinfuro In vil Zaren nit mehr In Clingel fommen, 
oder gefehen worden, vnd fein fo lang Vßblieb, das mitlerweil 
die alt fraw geftorben, vnd ein andere dahin georbnet worden, 
die hat Auch vil Zar Im Elingel gewonet, vnd von biefem 
handel nichts gehört, fo hat man Zr auch nichts anzuzaigen 
wie bey der vorigen Frawen befchehen, befolchen, Iſt alſo biß 
In die fünff und zwainzig Jar angeflanden, dag man von bifer 
Eomponia weiter nichts gehört. 

Aber Im Jar nach Chrifli gepurt 1542 Als der groß Turs 
kenzug angangen, darin doch laider nit vil vßgericht worden, 
Iſt Graf Wilhelm von Eherfiain dep Schwebifchen Kraiß 
Dbrifter geweſt. Mitler weil und Er in Hungarn gewefen, bo 
fein fie aber einmal in den Clingell kommen, dergeftalt es If 


288 Murgthal. 


vaſt vmb mitiernacht der alt man für daß Haus kommen, an⸗ 
geflopft, und an Die fraw begehrt man fol Im die Capellen 
yfthun, das hat die Fraw gethon, bo hat fie den Alten in aller 
geftallt ond beklaidung gefehen, wie hieuor die annder fraw ne 
auch. gefehen. Es fein Im drey Par kurzer mentfchle nachge⸗ 
gangen, alweg ein mansperſon vnd ain weib, vnd die fein nit 
In gaiftlicher Claidung wie vormals beffaidet gewefen, fonder 
in weltlicher Claidung vnd vonder den weibsperfonen Iſt eine 
allerdings zugeruft geweien, als ob ſy ain Hochzeitere were. 
Sie fein in die Eapellen gangen, Aber zwen man die Inen am 
Letſten nachgefolgt, Vnd Jever ein leiren bey ſich gehapt, bie 
fein vor der Gappellen bliben. Der alt man aber hat, wie fie. 
hineingefommen, fein buech herfur gezogen, vnd darin geleien, 
ond alle die Zeit er gelefen, fein die drey Par Ereuzweiß vf 
dem Boden gelegen, Nachgends wider vfgeflanden, Do Iſt der 
alt greiß zu Inen gangen, vnd do hat die Elingelsfraw gefehen, 
daß er zwayen under nen die Hendt zufammen gefuegt vnd 
was darzu geredt, das fie Doch nit verflanden, In aller geitalt, 
als fo man zway eheleut zufammen gibt, Wie das alles beſche⸗ 
ben, fein fie wider vofer der Capellen gangen. Do bat fidh ber 
alt Man vff ein Kloz, ber vor ber Eapellen, gefezt, Aber bie 
zwen mit der Lairen haben dozu danz gemadt. Do haben bie. 
drei Par ganz züchtiglichen mit ainander gebanzet, vnd all 
wegen zwilchen zwayen Paren fein zway Cleine thierle geloffen, 
In der größe und geftalt wie die fchaff, fein Rot geweſt. Has 
ben Zimbelen (Glöcklein) an den helfen bangen gehapt. So 
fih dann der Danz verendert, vnd das fih Die mentichen gegen 
ainander gebudt oder genaigt, fo fein diſe Kleine dirle auch vor. 
Ain andern geftanden, und fich genaigt, difer danz hat ein guete 
weil gewert, dem hat der Alt greiß zugefehen. vnd bie Elingel 
fraw, Hiezwifchen hat Niemands mit dem andern geredt. Nach⸗ 
dem nu der Danz fein enbifchafft erraicht, do fein fy mit ain⸗ 
ander In der ordnung wie fie fommen abgefchaiden, vnd den 
weg als ob fie of Eberfiain welten, wie hieuor gangen, In 
felbigem Hingeen, haben fie difer frawen kain gelt mehr geben: 
Auch bat der alt Man weiters mit der frawen nitt gevebt, fein 
vngeredt mit ainander daruon zogen. In etlich Zeit hernach 
Iſt Graf Wilhelm von Eherfiain widerumb auß Hungern kom⸗ 


RNurgthal. 200 


men, Do hat man Ime, das die vnerkannt Gomponia vorhanden 
geweſen, bericht, Alfo hat ex der Frawen beuolchen, wann fie 
mehr Tommen, das fie das anzaigen folle, Auch bat er orbnung 
geben, das man wachen und Infonderheit darauf ſoll achtung 
geben. Aber folder beuelch Iſt dieſer Componia gleich zu oren 
fommen, Derhalben in gar wenig tagen hernach der alt man 
helles tags zu der frawen zum Elingel fommen, der hat Ye 
serwifen, das fie Iren Ankunft hab eröffnet mit anzaigen fie 
haben wol gewißt, das fie dem Grafen (und damit hat er den 
tag vnd die Zeit als das befchehen benempt) verhaifen, fie zu 
melden, Darbey hat er der frawen gefagt, fie hab Inen mit 
Sem Anzeigen grofen ſchaden zugefuegt vnd haben alberait 
vil vſer Irer gejellfchaft verloren. ſeithero fein fie nit mehr ge- 
ſehen worden, hat auch Niemands mer In felbiger Landzart 
was von Inen gehört. Bott weiſt was es fur Leut fein, deren 
fachen haben fi aineft vil umb Ehberflain begeben, vnder denen 
Jezerzellte Hiſtoria wunderbarlichen dDarbey abzunemmen. Das 
deren Fleinen leut vil umb Eherftain einefl Haben gewonet, Wo 
aber, oder an Welchen orten das waift der Lieb Gott. 


Ber vil Zaren Iſt vf ein nacht ein vnerkannter man geen 
Gerſpach ans thor kommen, Der bat einer Hebammen eilends 
begehrt, alfo hat man Ime ein Hebamme, ein guete Alte fraw, 
verfulgen lafen, Die hat er vf ein fund zwo vngefarlich In 
der Finſtere vmbher gefuert, das fie nit gewiſt wohin fie kom⸗ 
men, Leiftlich Hat Er fie weit In ein Holen felfen vnd In ein 
berg hinein gefuert, Da hat fie vil Liechter auch ſonſt vil Feiner 
Leut gefunden, sonder denen ain ſchwangere Frau, die geperen 
ſollen, vnd hat Niemands mit Ir geredt. Sie hat bey ber 
fhwangeren frawen Ir Ampt vollbracht, Im Abſchaiden hat 
man Fr An Reinefhen Pfenig zu Lohn geben, deflen hat fie 
fh beichwert, mit Bericht,’ Ir gefezter Lon fey drey bazen ober 
ſouil fohilling, fie fey ain arme fraw, bie deß Iren felbs wol 
beburfe. Sie haben Jr aber nit mehr geben wollen, fonder gefagt, 
fie folle fih deß Pfenings begnug Tafen, Welcher die tugendt 
hab, fo lanng fie In behalten, werde Ir gelt nimmermer zer⸗ 
sinnen, fonder werd allemal, fo fie gelds bedurfe, ein Pfennig 

I. 19 


290 Murgthal. 


‚weiter Im Seckel befünden, alſo Iſt die guet Fraw mit diſer 
vertroſtung vßerm berg geſchaiden, der vnerkant man hat ſie 
vor tags biß geen Gerſpach wider gelaitet, das ſie nit gewiſt 
woher ſie komen oder an welch ort ſie geweſen. Hernach hat 
ſich befunden, das dieſelbig Hebamme Ir Leben lang gelz zue 
Irem gebrauch genug gehabe. Wer guet das wir derſelbigen 
münz In vnſer Landzart auch hätten, vnd bey follichen aben- 
theurfihen vnd vngewonlichen fachen, Iſt der gewallt vnd bie 
Allmechtigkait gottes Reuchlichen zu fpueren. *) 


Es fein fonft ander vil felzamer Hendel umb Eberftain 
furgangen, Darumb es auch noch heutige tags, an etlichen Or⸗ 
ten, bei der nacht fonderlich aber bey dem wachtelbronnen, nit 
gehewr, alfo das die grafen ſelbs nen entiegen bey nacht da⸗ 
:fel68 fur zu veiten ober zu Wandlen, vnd waift doch niemands 
warumb, Auch die graf ſelbs kundens nit fagen. Wie dann 
bewift, das Ain ort mehr weder das ander von den gefpenftern 
wurt Infeftirt, Jedoch hat bey tags die Herrfchaft vil Kurzweil 
bafelbs, das man ſommers Manichmal zu abendt alda pfligt zu 
efien. Graf Wilhelm von Eberftain hat eins morgens als es 
noch dundel gewefen, ein greufelichen fahl dafelbs mit eim 
Pferdt gethon, vf etlich Clafter hoch hinab, das fi) zu verwun⸗ 
dern, wie er bey Leben hat Finnen bleiben, Dann das Pferbt 
ohne vrſach ein fahl mit Im die halden hinab gethon, Jedoch 
Iſt er und das Roß unbefchediget daruon fommen, Er hat felbs 
vermaint das gefpenft hab Im das Pferbt dafelbs vberabge- 
worfen. Die Alten haben vermuetet der Adam von Rofen- 
ftain, If ein Lediger von Eberflain gewefen, Hab vor vil Jarn 
ein ſchaz ob dem Wachtelbronnen vergraben, vnd ain dannen 
darzu gefezt, darumb auch Er Hernach big zu ende feind Lebens 
‚alle nacht darzu gangen, etwann vſerm bronnen gedrunk aud) 
zu zeiten fein gebet darbey verbracht vnd fol daruon abgeftor- 
ben fein ond das gelt feinem Herren alfo entfuert, daher, fagt 
man, Tauff fein gaift bey der nacht umb vnd bey dem bronnen. 


U 





*) Vergleiche mit dieſer Hebammen» Dienftleiftung die Sage) „Mummelfee'd Ge⸗ 
{hent” ©, 104, und das_„freigebige Erdmännlein“ unter den Gegen von Durlach. 





Murgthal. 291 


Bey wenig Jaren, Nemlich Anno 1562, Iſt daſſelbig gelt bey 
nacht vßgraben worden, vnd hinweg kommen, das Niemands 
grundlich ſagen kan von wem das beſchehen. Die gruben 
Iſt noch zu ſehen, Aber der ſchazgraber hat ſich das ge⸗ 
ſpenſt nit erſchreken oder Abtreiben laſſen, Ich hab wol ge⸗ 
hört, das es Kundzleut ſollen gethan haben, Wiewol es doch 
ſelten mit den ſchaz gerath, vnd Iſt auch ein groſe ſorg vnd 
gefahr darbey. 





Noch haben wir ain alte Hiſtoria oder geſchicht, die ſich 
bey dem wachtelbronnen begeben. Im Jar 1518 als der groß 
Landzſterbendt gar nahe in allen deutſchen Landen, Hat ſich der 
from graf Bernhart mit ſeinem Gemahl der grefin von Son⸗ 
nenberg vf Eberſtain gehalten. Er hat ein maiſter Koch gehapt, 
gehaiſen der Marcell, der Iſt eins nachts, als der durchſchein 
vfgeſtanden vnd zum fenſter hinauß geſehen, gegen den Wachtel⸗ 
bronnen der Stat Gerſpach zu; alſo hat er geſehen vil Perſonen 
weib vnd man, die ainander bey den Handen vnd den weg 
vom Wachtelbronnen dem Schloß zu ein Rayen gedanzen ha⸗ 
ben, gleichwol ohne ainig Spill. Als ſie wol zum Schloß herauf 
kommen, hat er etlich vnder der Componia gefent, Inſonderhait 
aber hat er ſich ſelbs in ſeiner Claidung geſehen, daß er ſich 
Höchlich verwundert. Er hat fie bey dem Schloß hinum ſehen 
danzen, dem Sichhof zu, das er nit gewift wo fie hinkommen 
fein. Deffelbigen Jars fein alle die fo der Koch am danz ges 
feben geftorben, wie dann Ime Koch auch befrhehen. ıc. ”) 

(Brudfiüd aus Wilhelm Werners, Freiberrn von Zimmern, Geſchichte 


feines Haufes. — Handſchrift aus der Mitte 16. Jahrhunderts, auf dem 
Fürſtl. v. Zürftenberg’fhen Archive zu Donauefhingen.) 


Der Koch zu Cberitein. 


Um offenen Fenfter im Mondenfchein 
Steht der Meifter Koh auf dem Eberftein. 


Ueber Thal und Gebirg ein mattes Licht 
Gießt der Mond, der durch die Wolfen bricht. 


®) Letztere Sage, in metrifcher Berfion von Gerh. Helfrich, Taffen wir Bier folgen. 
Der Heraudg. 


19* 


Nurgthal. 


Langſt träumt im Schloffe der müde Graf, 
Die Knechte liegen im kiefen Schlaf. 


Der Koch allein an dem Fenſter wacht, 
Seine Wangen Tühlet der Hau der Nacht. 


Er ſchaut von dem hoben Herrenhaus 
Weit über die filbernen Tannen hinaus, 


Und wie er blidt in Die Mondnacht kühl, 
Gewahrt er ploͤtzlich ein bunt Gewuhl. 


Wo der Wachtelbrunnen ſo belle rinnt, 
Ein luſtiges Hüpfen und Tanzen beginnt. 


Es weben den Reigen viel Männer und Frau'n, 
Wie gaufelnde Elfen im nächtigen Thau'n. 


Der Koch, der traut feinen Augen kaum, 
Iſt's Wahrheit, ift es ein nedifcher Traum ?. 


Da durchwuhlt ein eifiger Wind fein Haar; 
Wohl wacht er, wohl fieht er fa bel und klar, 


Wohl ficht er, wie näher dem Schloffe tritt 
Die hüpfende Schaar in gemefnem Schritt. 


Kein Pfeifer flötet, kein Fiedler geigt, 
Der Münd der Tänzer, der Frauen, ſchweigt, 


Und bleich wie der Mond bei der Sonne Ticht 
Iſt der Männer, ber Grauen Angeſicht; 


Und ernft, wie von tiefem Leid bewegt, 
Iſt die bunte Schaar, die fi) tanzend regt. 


Und der Männer viele und viel ber Frau'n 
Erfennt er, die feine Augen ſchau'n. 


Sn Gernsbach, im Städtlein, find Alle zu Haus, 
Was lockt fie zur Mitternachiftunde heraus ? 


Murgthal. 293 


Was treibt Die Breife zur nächtlichen Fahrt? 
Was die zühtigen rauen, Die Mägdlein zart? 


Da ftarret fein Blut und es fträubt fi) fein Haar, — 
Er ſieht fich felbft in der tanzenden Schaar ! 


Sich felber tanzen im Feſtesgewand, 
Eine bleiche Frau an der welken Hand. 


Er ſieht ſich tanzen voll Ernſt und ſtumm, 
Mit der ſchweigenden Schaar um das Schloß herum; 


Sieht wandeln fi fort in beiyegter Ruh 
Mit pen flillen Tänzern dem Siechhof zu! — 


Dur den Himmel ſchweifet em blutiger Stern, 
Auf der Erde laſtet die Hand des Herrn. 


Der Herr hat ergoſſen die Schaale des Zorns: 
Gift wurde die Luft und die Welle des Borns. 


Der Herr läßt ſtrömen den Hauch der Peſt 
Nach Nord und Süden, nach Oſt und Weſt. 


Aus jeder Hütte, aus jedem Hans 
Tönt Acchzen und Jammern und Heulen heraus, 


Bon früh bis das letzte Sterniein erſcheint, 
Die Todtenglode wimmert nu weint. 


Im Friedhof zu Gernsbach wächst Grab an Grab, 
Die Tänzer fie fanfen alle hinab. 


Es ſchlaͤft inmitten der fandigen Reih'n 
Der, der fie belauſchet im Mondenfhein. 
Gerhard Helftich. 


Die Gage fpiek im Jahr 19518, wo das große "Ranpaflerbaubt" 
YeR) herrſchte. Der fogenannte Wachtelbrunnen wurde über 
haupt als ein von Sefpenftererfcheinungen heimgefuchter Ort betrachtet, 

Die meiften Städte des Landes wurden feit dem Ende des fünf- 
zehnten Zahrhunderts durch Die Ger entnöllert. Das gefegnete Baden, 
das feine Thore gefhloffen und die heißen Quellen Iosgelaffen haben 


294 Murgtpal. 


ſoll, blieb jedoch verfchont. Bis zur fogenannten Drei⸗Eichenka⸗ 
pelle, nicht weiter, foll dort die ſchreckliche Seuche gedrungen feyn. 
(Siehe Ed. Brauers „Sagen und Gefhichten von Baden 20.” S. 168.) 


Die Belagerung von Neu⸗Sberſtein. 


Im Jahr 1357 gerieth Graf Eberhard von Würtemberg 
mit dem Grafen Wolf von Eberftein, fonft „der gleißende 
Wolf” genannt, in eine fohwere Fehde, in welche auch Wolfs 
Bruder, Graf Wilhelm auf Neu-Eberftein, verwirelt wurde. 
Der Würtemberger z0g mit großer Heeresmacht vor Alt-Eber⸗ 
flein und zerflörte die Burg. Faſt zu derfelben Zeit begann 
aber auch eine große Unzufriedenheit unter dem Schwäbiſchen 
Adel rege zu werben, und diefer fehloß einige Jahre fpäter 
einen Bund mit dem benachbarten Würtembergifchen Adel, wel- 
her der Bund der Schlegler oder Martinsvögel genannt 
wurde. Haupt derfelben war Graf von Eberſtein, der mit 
einigen Fehdegenoffen einen Anfchlag auf Graf Eberhard machte. 
Diefer hielt fih damals nebft feinem Sohne im Wildbade auf 
und die Berfchworenen hatten fo gute Kundfchafter, daß ihr 
Plan auf Bater und Sohn kaum fehlfchlagen konnte. Deffen unges 
achtet wurden fie, als das Städtchen Wildbad bereits in den Hän⸗ 
ben der Feinde war, Durch einen Hirten gerettet, der fie fchleu- 
nigft durch unbefannte Gehirgs= Pfade in Sicherheit brachte. *) 

Eberhard Flagte hierauf bie Eberfteiner und ihre Mitver- 
bündeten bei dem Kaifer als Landfriedensbrecher an; Demzufolge 
der Graf von Dettingen zum Richter ernannt wurde, und 
bie von Eberftein nebft ihren Helfern vorlud. Aber Niemand 
erſchien am feftgefegten Tage vor den Gerichtsfchranfen. Jetzt 
wurde vom Kaiſer Die Acht gegen Eberhards Feinde ausgeſpro⸗ 
hen und es erging an mehrere Ritter und an die Neichgftäbte 
in Schwaben, wie auch an Straßburg, der Befehl, mit ihren 
Truppen zu Graf Eberhard zu floßen, dem man geftattete bie 
Reichsfahne zu führen. Allein Markgraf Rudolf von Baden 
begünftigte heimlich feine VBettern, die Eberfteiner, und Graf 
Ruprecht von der Pfalz erflärte, die Grafen von Eberftein 
feyen verurtheilt worden, ohne dag man ihre Bertheidigung an⸗ 

*) Bergl. Uh land's Ballade: „Der Ueberfall im Wildbad,“ 


Murgthal. 295 


gehört habe, zudem ſey Graf Wilhelm von Eberſtein fein Le⸗ 
bensmann und er müffe biefen als folchen befchügen. 

Unterbeffen rückte Graf Eberhard, an der Spige ber ihm 
zu Hülfe gefandten Reichsftädtifchen Truppen vor Neu-Eberftein; 
der Pfalzgraf ſchlug nun einen Vergleich durch Schiedsrichter 
por und begab ſich deßhalb felbft in das Lager vor Eberftein. 
Eberhard wollte jedoch feinen der vorgefchlagenen Schiedsrich⸗ 
ter annehmen. 

Auf Neu = Eherftein führte Wolf von Wunnenftein ben 
Defehl. Er war es, von dem der erfte Gedanke zur Stiftung 
des Bundes der Martinspdgel*) ausgegangen war, und Eberhard 
hatte ihm feine Burg niedergebrannt. Seine Tochter Ida be= 
fand fich bei ihm auf Eberftein, weil er fonft nirgends Sicher- 
heit für fie wußte. Die beiden Grafen von Eberftein hatten 
fih nach) Baden geflüchtet und ihm die VBertheidigung ihrer Burg 
anvertraut, weil er ein tapfrer, einſichtsvoller Krieger war. 

Unter den Belagerungstruppen befand fi auch ein Fähn⸗ 
fein aus Heilbronn, welches von einem jungen, in der freien 
Reichsſtadt anfäßigen Edelmanne, Georg vom Stein, ange- 
führt wurde. Der Jüngling hatte längſt für die ſchöne Ida 
eine heftige Leidenfchaft gehegt, und auch Gelegenheit gefunden, 
ihr feine Liebe zu erklären. Ida war gegen ihn nichts weniger 
als gleichgültig und diefe Neigung ihrem Vater fein Geheimniß 
geblieben, weßhalb er nun darauf feinen Plan zur Rettung von 
Eherftein baute. Er Tieß Graf Eberhard willen, wie er geneigt 
fey, eine Capitulation abzufchließen; man möge ihm daher den 
Nitter vom Stein als Unterhändler ſchicken, da er fich feft vor= 
genommen babe, nur mit Diefem allein den Vertrag zu fehlie- 
fen. Eberhard willigte ein und Georg, hocherfreut über dieſe 
gute Gelegenheit, feine Geliebte wiederzuſehen, begab ſich auf 
bie Burg, doch nicht ohne zuvor ſich ein freies Geleit zufichern 
haben zu laffen. Der Wunnenfleiner empfing ihn aufs Befte und 
ftellte ihm hierauf vor, wie Graf Eberhard ebenfowohl ber 
Feind der Reichsſtädte, als der des Adels fey, und daß er ge- 
wiß nach und nad beide Theile unterwürfig machen merbe. 
Nur um ihrer Freiheit Willen hätten fih fa die Schlegler 





*) Siehe V. v. Chezyns Roman : „Die Martinsvögel.“ 


296 Murgthal. 


verbunden, and ihre Allianz ſey ebenſowohl zum Frommen der 
freien Städte, als des Adels, geſchloſſen worden. Dies ſchien 
Georgen einzuleuchten, denn in der That war Eberhard ſo 
wenig ein Freund ber freien Städte ale der Ritterſchaft. Wäh⸗ 
send diefer Unterredung trat Fräulein Yon in das Gemach. — 
„Ihr bier, Herr som Stein?” — rief fie, mit fcheinbarer Ber: 
wunderung, und fich gleichfam wegen der verurfachten Störung 
entichuldigend. 

„Ihr hättet mich wohl nicht hier vermuthet, mein Fräu⸗ 
lein?“ — entgegnete der Ritter. 

„Wenigſtens nicht unter unferen Feinden, den Belagerern! 1a 
— verſetzte fie. 

Der Ritter gerieth in die größte Verlegenheit. Er be⸗ 
theuerte, daß er noch immer jeden Augenblick bereit ſey, ſein 
Leben für ſie einzuſetzen. 

„Das ſind eitle Verſicherungen!“ — bemerkte das Fraͤulein. 

— „Sprecht: was wird meines Vaters Loos und das meinige 
ſeyn, falls Burg Eberſtein durch Sturm genommen werden 
ſollte 2“ 

„Neu⸗Eberſtein ſoll nicht geſtürmt werden!“ — rief Georg 
begeiſtert — „und Ihr, Fräulein Ida, und Euer Vater, ſollt 
nicht in die Hände der Feinde fallen!” 

„„Wie wollt Ihr Euere Worte denn bethätigen?““ fragte 
der Wunnenfteiner. 

„Wie? dafür laßt nur mich ſorgen!“ — erwieberte Georg 
— „Aber gebt mir wenigfiens die Hoffnung mit auf den Rüd- 
weg, daß, wenn Ihr wieder in Sreiheit feyd, Ida meiner noch 
in Liebe gedenken werde |.“ 

„„Rechnet getroft auf Die Dankbarkeit ſowohl des Baters 
als der Tochter!““ erwiederte der Wunnenfteiner, dem Juͤng⸗ 
ling freundlich die Hand drüdend, und Georg ſchied, von den 
Reizen der Geliebten wo möglich noch bezauberter,, als vorher. 

Gleich nach feiner Zurückkunft in's Lager gab er dem Gras 
fen Eberhard Nachricht von dem Erfolge feiner Unterhandblung. 
— „Die Belagerten” — ſprach er — „fuchen nur Zeit zu ges 
winnen und ſcheinen zuverläßig auf Hülfe vom Pfalzgrafen und 
vom Markgrafen Rudolf von Baden zu rechnen.” — Ge⸗ 











Murgthal. 297 


gen. bie Daupsleute der reichöftäbtifchen Fähnlein führte Georg 
jedoch eine andere Sprache: er machte fie auf die wachfenbe 
Macht des Wärtembergers aufmerkfam, der auch die freien 
Städte unterjochen werde, wenn er nur erft einmal den Adel 
bezwungen hätte. — „Wir arbeiten” — fchloß er feine Wars 
nungsrede — „an unferem eigenen Untergangs, wenn wir noch 
länger zum Grafen Eberhard halten, und opfern unfere Kräfte 
für einen gefährlichen Feind, deffen ehrgeizige Abfichten Keinem 
von euch verborgen feyn können.“ 

Diefe Worte machten auf die reihsftäbtifchen Führer einen 
um ſo tieferen Eindruck, als fie ohnehin ſchon über den lang⸗ 
famen Gang der Belagerung unzufrieden murrten unb ſchon 
längft unter ihnen ein Mißtrauen gegen den Grafen von Wür⸗ 
temberg berrichte. Georg fuchte zugleich Die Rachricht zu ver 
breiten, der Pfalzgraf bereite einen Einfall in Schwaben ver, 
was benz aud Die folge hatte, dag eined Morgens fänmtliche 
Anführer des rveichsftäbtifchen Zuzugs in fein Zelt traten und 
ihm ihren Entfchluß eröffneten, mit ihren Truppen wieber heim 
zuziehen, falls er fich ihnen anfchließen wolle. Nach einigen 
unbebeutenden Einwürfen, unter denen Georg feine Freude über 
Die gelungene Lift zu verbergen ſuchte, kamen fie mit einander 
dahin übereins, dieſen Entfchluß zuerft dem Grafen und dan 
ihren Truppen zu eröffnen, und fodann am nädflen Morgen 
abzuziehen; Graf Eberhard bat und zürnte und drohte; doch 
Alles war umfonft, zumal als die Soldaten erfuhren, was vor⸗ 
ging. Alles fehrie: „Nach Haufe! nah Haufe!“ — und dem 
Grafen von Würtemberg blieb nichts übrig, ale gehen zu laſ⸗ 
fen, was er doch nicht mehr zurüdhalten konnte. Am nächſten 
Morgen, bei Anbruch der Dämmerung, verließen die Truppen 
ber Städte Straßburg, Heilbronn, Ehlingen, Auge 
burg, Ulm, Nördlingen ıc. das Lager und zogen in tieffler 
Stille ab, um die Belagerten nicht aufmerkſam zu machen. 
Diefe jedoch erfuhren früh genug, was vorgegangen war, und 
machten häufige Ausfälle, fo daß fih Graf Eberhard bald zu 
ſchwach fühlte, die Belagerung mit Erfolg fortzufegen. Wenige 
Tage nad dem Abzuge der Hülfstruppen hob er die Bela- 
gerung anf und kehrte in fein Land zurück. Georg vom Stein 
aber fäumte nicht, ſogleich nad Burg Eberflein zu eilen, we 


298 Murgtpal. 


feine Werbung von Vater und Tochter gleich freundlich aufge- 


nommen wurde, denn er hatte ja Wort gehalten, 


(Aus A, Shreibers „Sagen aus ben Rheingegenden und dem Schwarz⸗ 
walde 20.” 1839) 


„Bon den Sraffen von Eberſtein. 


Man ſagt das die Graffen von Eberſtein vor zeitten fo 
mechtig Herren fein gewefen, alfo das jenen die Marfgraffen 
von Baden zu Hoff fein geritten unnd gedient haben, und haben 
in jrem wappen gefüret eyn Eber auff einem flein. Nun warbt 
einsmall Einer von Eberflein von dem römtfchen Keyfer geſchickt 
in Potichafts weis gen Rom zu dem Bapft, da dann andere 
mechtige potfchaften auch verfamlet waren, Nun begab es fich 
auf den Sonntag Lätare, als dan der Bapſt zu Nom die Rofen 
umbtregt, unnd Die fchanft er zu einer großen ehr unnd wirbig- 
feitt der öberſten unnd größten Potfchaft, die da von einem Rö— 
mifchen Keyfer auf die zeitt gefchicft worden war, Das war ber 
von Eberſtein, unnd als derfelb gros verehrung unnd ſchenkung 
von dem Bapft empfangen hatt, unnd nun wiberumb heimfam 
zu dem Römifchen Keyfer mit folcher begabung, da verendert 
fm der Keyfer das Wappen, unnd gab jm die rotte Roſen in 
den Schilt für den Eber, unnd fchanft fm auch darnach zu einer 
verehrung und begabung einen Föftlichen ring mit einem Türfig, 
unnd wie er jm die rott Rof hatt, von der großen verehrung 
unnd wirdigfeit wegen, in den Schilt geſetzt, alſo fest er jm 
auch denfelbigen Türdis in bie mitten in bie rodt Roſen, auch 
von ber verehrung wegen, barumb führen bie yon Eberftein itzt 
eine rotte Roſen mit einem blawen fernen in einem weißen felt, 
wie dan das jinen von dem Römiſchen Keyſer gefchentt unnd 


gegeben ift worben zu einer großen ehr und wirbigfeitt.” 


(Aus dem Anhang zu Jacob von Königshoven „elſäſiſche Ehronike” ; Frey⸗ 
burgiſche Ehronife, ꝛc. S. 48.) 


Der Grafenſprung. 


Wolf von Eberſtein war in Fehde mit Graf Ebers 
bard von Würtemberg. Diefer rüdte mit großer Heeres⸗ 


Murgthal. | 299 


macht gegen die Burg Alt-Eberftein und zerflörte dieſelbe. 
Der Befiegte machte hierauf den Anfchlag, den Würtemberger 
im Wildbade zu überfallen und gefangen zu nehmen. Diefer 
Plan aber feheiterte und Wolf wurde in die Reichsacht gethan. 
Er flüchtete nun auf das Schloß Neu-Eberftein, wo man 
ihm freundlich eine Freiftätte bot. Sein Aufenthalt daſelbſt 
blieb jedoch nicht lange verborgen und er mußte abermals fein 
Heil in der Flucht fuchen. Er wollte um die Morgendämmerung 
das Schloß verlaffen und faß bereits wohlbewaffnet auf einem 
rafchen Pferde. Allein die Feinde hatten über Nacht alle Aus- 
gänge am Fuße des Berges bis an die Murg befegt, die unten 
an der jachen Felſenwand vorbeirauſcht. Der letzte Weg zur 
Rettung ſchien dem Geädhteten jetzt vollends abgefchnitten, doch 
war er entichloffen, lieber fich felbft den Tod zu geben, als 
lebendig in die Hände feiner Berfolger zu gerathen. Raſch 
lenkt er fein Pferd auf die fleil über den Fluß hinausragende 
Felſenkuppe und fprengt ed mit einem gewaltigen Spornftreich 
in den fchäumenden Abgrund hinunter. Wie durch ein Wunder 
aber bleibt er felbft ungefährdet, nur fein Roß verfinft mit zer: 
fhmetterten Beinen in der Tiefe, während er fih glüdlih an's 
jenfeitige Ufer und von dort in das Hoflager feines Pfalsgra- 
fen rettet. Die Stelle auf dem Felfen oben, von der aus er’ 
fih in die Fluthen hinabſchwang, heißt noch heutigen Tages ber 
Grafenfprung. 

Eine andere Sage berichtet: 

Ein Graf von Eberftein hatte eine wunderfchöne Tochter. 
Eine Menge vornehmer Herren ftellte fih auf dem Schloffe ein, 
um ihre Hand zu werben; da lud fie der Graf fämmtlich eines 
Tags zu einem Gaftmahl ein, wobei es hoch herging und auf's 
Tapferfte gezecht wurde. Endlih, ale Alle des fügen Weines 
vol waren, ſprach er Tächelnd zu feinen Gäften: „Wer von 
euch, ihr Herren, keck und glüdlich genug ift, die jähe Felſen— 
wand bier bie an die Murg hinabzureiten, dem fol die Hand 
meiner Kunigunde und mit ihr ein reicher Brautfchat zu Theil 
werden!’ — Die Herren fahen ſich einander verbugt und be⸗ 
denklich an, als dächte Jeder bei fih: „wer hat Luſt, ven Hals 
zu brechen? Ich nicht!“ — Nur ein junger tolltühner Edel⸗ 
fnabe, von glühender Liebe zu Runigunden entflammt, unter- 


300 Murgthal. 


nahm das eniſetzliche Wageſtück; doch fein Pferd glitt aus, nach 
bevor es ein Drittel des Weges zurüdgelegt hatte, und beibe 
flürzten zerſchmettert in die Fluthen der Murg. 

(Siehe Al. Schreiber's „Sagen aus den Rheingegenden ⁊c.“) 


Der Grafeniprung bei Neu: Eberftein, 


Der Würtemberger fchloß ihn ein; 
Was that Herr Wolf von Eberftein? 
Er ritt von der Burg 
Herab an die Murg, 

Zum fteilften Rand 

Der Felfenwand ; 

Da war das Thal von Feinden rein, 
Da fprengt er in die Murg hinein; 
Erhalte dich Gott, Wolf Eberſtein! 


So fede Flucht bringt Feine Schwach, 
Die Feinde felver jauchzen nad. — 
Er fam herab ohn' Ungemach. 
Sort riti er dann, 
Frei war der Mann! 
Seh’ Einer, ob er’s auch fo kann? 
Auguſt Kopiich. 

Bergleiche die vorige Anmerkung und Rlübers Beſchreibung von 
Baden, Th. II. ©. 133. — „Sagen aus Baden, ꝛc.“ ©. 26. Es 
gehen über den Grafenfprung noch anbere Sagen , die dort gleichfalls 
mitgetheilt find. Bergl. auh Kriegs von Hochfelden, „Ge 
ſchichte der Strafen von Eberftein,. ©. 358. 

Unfere Sage fällt in die Zeit des berühmten Krieges der -Schleg- 
ler⸗ mit Sraf Eberhard von Würtemberg , in das Iepte Viertel des 
vierzehnten Jahrhunderts. Eine Folge des verunglädten Ueberfalles 
im Wildbade war die Belagerung des Schlofles Neu⸗Eberſtein. 


Das Nockenweibchen. 


Die hope Felfenwand im Rüden des Schloßes Eberſt ein 
im Murgthale heißt der „Rockenfels“. Darin wohnte vor 


BAen____ 


Murgthal. 301 


Zeiten in einer unterirdifchen Kmmmer ein Bergweiblein, zwar 
weber jung mehr noch fchön von Geſtalt, doch gar freundlich 
md bienfifertig über die Maßen. Oft pflegte fie des Abends 
die Spinnfruben der umwohnenden Zandleute zu befuchen und 
erzählte dantı dem Taufchenden jungen Böltchen allerlei feltfame 
Marchen, heitere und fehaurige. Wo fie weilte, füllten ſich die 
Spulen noch einmal fo fehnell als fonft, und der Faden wurde 
noch viel feiner und gleicher. 

Damals lebte auf Eherftein ein Burgvogt, ein gar harter, 
finfterer Mann; der zwang die Mägde im Frauenhaus täglich 
bis in die tieffte Nacht zur Arbeit und gönnte ihnen faum ein 
bischen Brod und Erholung. Unter denfelben befand fidy auch 
eine junge ſchmucke Dirne, Namens Klara, ein ausnehmend 
frommes, ehrbares Kind; die hatte der Schlofgärtner ſchon 
fängft zu feiner Liebſten erforen und fie fam ihm mit gleichen 
Gefühlen entgegen. Weil fie aber eine Leibeigene von Eber- 
ftein war, durfte fie fih, ohne des Vogts Bewilligung, nicht 
verheirathen, und Diefer wußte jedesmal, wenn ihn das Liebende 
Härchen mit Bitten darum beftürmte, irgend eime Ausflucht, um 
dies Glück zu verzögern. Einſt, ald das arme Mädchen recht 
flehend in ihn drang, nahm er fie an's Yenfter und fagte 
böhnifch, indem er nach dem nahen Friedhof im ‘Thale deutete: 

„Siehft du dort jenes grünbewachſene Grab, neben dem 
größen Leichenftein?“ 

nah" — feufzte Klara, und die hellen Thränen rieſelten 
ihr tiber die Hlühenden Wangen — „„ach! das ift ja das Grab 
meiner armen Eiftern 

„Die Neffen gedeihen ja prächtig auf dieſem Grabe!" — 
fuhr der Vogt Tadhend fort; — „Es iſt ja ganz davon über- 
wuchert! Nun, höre mich an: ich habe mir fagen laſſen, man 
habe die Erfindung gemacht, aus diefem Unkraut einen überaus 
zarten Inden zu foinnen, und darum will ich bir jest einen 
Vorſchlag thun. Du follſt mir nämlich aus jenen Neſſeln ein 
Stück Leinwand fpinnen, das gerade zu zwei Hemben reicht, 
aber nicht größer und micht Eleiner. Das eine wird dann bein 
Brauthemd, und in dem andern foll man mich einft begraben.” 

Mit diefen Worten ging er, boshaft kichernd, feiner Wege; 
die arme Dirne ſtund aber voll Beſtürzung da und wußte weber 





302 Murgthal. 


Rath noch Troſt. In der Trauer ihres Herzens eilte ſie dann 
hinunter zu dem Grab ihrer Eltern und betete und weinte, 
daß es einen Stein erweichen hätte mögen. Da ſtund plötzlich 
das Bergweiblein neben ihr und fragte nach der Urſache ihres 
Grames. Als ihr Klarchen Alles erzählt, was vorgefallen war, 
verfinſterte ſich das ſonſt fo gutmüthige Geſicht des Bergweib⸗ 
leins und es ſagte: „Sey nur ruhig und getroſt, es ſoll dir 
ſchon geholfen werden! — Sprachs und riß einen Arm voll 
Neſſeln aus dem Grabe und verſchwand damit vor Klara's 
Blicken. Dieſe ging mit erleichtertem Herzen zur Ruhe. 

Kurze Zeit nachher jagte der Vogt im Forſt über der 
Murg und kam zufällig auch an den Rockenfels. Dort ſaß das 
Bergweiblein am Eingang ſeiner Höhle und ſchnellte recht wacker 
die zierliche Spindel. 

„Du ſpinnſt dir wohl ein Brauthemd, du graue Schönheit?” 
— lachte der Bogt. | 
.  mEin Brauthemd und ein Todtenhemd, Herr Bogt, zu 
dienen!“ — verfeste das Mütterchen. 

‚Du haft ja da gar einen fchönen Flachs; den haft du ge- 
wiß irgendwo geftohlen ?⸗ 

„Mit nichten! dort unten ift er gewachfen auf einem armen 
Bauerngrabe!“ | 

Den Bogt überlief es Falt. Die Jagd war ihm nun ent- 
leidet und er kehrte fogleich mit bangem Herzen nach Eberftein 
zurüd, mit fich felbft im Kampfe, ob er das Jawort zu Klär- 
chens Heirath geben folle oder nicht. So vergingen einige Tage, 
ohne daß er zu einem feſten Entfchluffe gelangen konnte. Gegen 
Abend, als er eben beim vollen Humpen im Ritterfaal feine 
‚ängftlihen Gedanken nieder zu trinken verfuchte, erſchien Klara, 
zwei zierliche Hemden auf dem Arme tragend. 

„Herr Vogt,“ — fagte fie — „Eurem Berlangen ift nun 
wilffahrt. Hier find die zwei Hemden aus den Neffen von 
meiner Eltern Grabe; bas eine für Euch und das andere für 
mih! Jetzt haltet aber auch Ihr Euer gegebenes Wort !'« 

„Das will ich gewiß, das will ih” — flotterte der Vogt, 
dem ed ganz unheimlich zu Muthe war, — „morgen foll deine 
Hochzeit ſeyn!“ — In der That gab er auch fogleih dem 
Schloßgärtner die Erfaubnig zur Trauung mit Klärchen und 


Murgthal. 


verſprach, ſich ſelber dem Ehrengeleit in die Kirche anzuſchlie⸗ 


Aber am nächſten Morgen laſtete ſchon die kalte Hand 


des Todes auf feinem fündigen Herzen, und als Klaͤrchen und 
ihr Bräutigam den Segen bed Prieflerd am Altar empfingen 
und aus der Kirche gingen, Tag der Burgvogt auf der Bahre, 


mit dem Leichenhemd aus Neffeln angethan. 


(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ ıc.) 


Des Neffelhemd. 


(Andere Berfion.) 


„Schaͤmt Euch, Herr Bogt von Eberftein! 
Statt auf des Volks Beglückung, 
Sinnt Ihr auf nichts, ald nur allein 
Auf deffen Unterbrüdung ! 

Bol Geiz und Wolluft übt im Land 
hr alle Tyranneien; 

Gott wolle bald aus Eurer Hand 
Ung gnäbiglich befreien |" 


„DOho, mein ſprödes Jungfräulein ! 
Mit dir ift bös zu minnen ! 
Nun gut — kann ich durch Schmeicheler’n 
Dein Herzchen nicht gewinnen, 
Sp will ich gerne deine Gunft 
Nicht mehr zu feffeln finnen, 
Kannft du für mich mit deiner Kunft 
Ein Hemd aus Neffeln fpinnen !“ 


Er läßt beflürzt das arme Kind, 
Und ihre Thränen rinnen: 
„D Gott, wie kann ich fo geſchwind 
Ein Hemd aus Neffeln ſpinnen ?“ 
Da ſchwebt herbei im Abenblicht 
Die niedlichfte der Elfen, 
Und ſpricht. „Chriſtinchen, weine nicht! 
Ein Schutzgeiſt will bir helfen. 





304 


Murgthal. 


„Bekannt biſt ja du lange ſchon 
Mir als das bravſte Mädchen! 
Nimm bier zu deiner Tugend Lohn, 
Dies goldne Spinneraͤdchen; 

Haͤng' Neſſeln dran, und über Nacht 
Wird es zum feinſten Linnen, 

Von ſelbſt, noch eh' du biſt erwacht, 
Ein Hemd dem Burgvogt fpinnen !« 


Bevor Chriftinchen banken kann, 
Iſt ſchon der Geiſt verſchwunden. 
So trägt ſie heim den Rocken dann, 
Mit Neſſeln dicht umwunden; 
Und Nachts im Traume hört fie laut 
Das goldne Rädchen fehnurren, 
Und fieht aus wilden Neſſelkraut 
Die fchönften Fädchen furren. 


Und ſchon beim erften Morgenſchein 
Erblickt fie mit Frohlocken 
Das Neſſelhemd, gar blanf und fein, 
Bollendet an dem Roden. 
Schnell eilt fie mit zum Vogte bin, 
Der juft vom Schlaf erwachte 
Und an die fpröde Spinnerin 
Bol Schadenfreude dachte. 


Der Bogt trant feinen Augen kaum 
Und ruft: „So wahr ich lebe! 
Das Hemd ift weiß wie Schwanenflaum, 
Ein wunderfein Gewebe!“ 
Und auf der Stelle zieht er's an, 
Doc ſinkt er ſchnell zuſammen: 
„Weh' dir, was haſt du mir gethan? 
Dein Hemd brennt ja wie Flammen!“ 


In Todesangſt verſuchet er 
Das Hemd ſich abzureißen; 
Umſonſt! es brennt ihn immer mehr, 
Wie lauter glühend Eiſen. 


Murgtpal. 305 


So flirbt er, von der Gluth verzehrt, 
Mit gräßlichem Gebrülle, 

An feinem Körper unverfehrt 

Blieb nur die Neſſelhülle. — 


Doch Tauter Glück und Segen fpinnt 
Eich aus Chriſtinchens Rädchen; 
Sa, manden Tag fogar gewinnt 
Sie lauter goldne Fäden. 
Bald hat mit einem wackern Dann 
Sie Tiebend ſich verbunden, 
Und heilt im Thale, wo fie fann, 


Der Armuth ſchwere Wunden. 
4. Schzle. 


Die Gräfin im Nockertwald. 


Gegen Morgen von Eberftein liegt der Shwann, ein 
hoher Bergmwald, daran fiößt der Rockert, der bis nad Reis 
henthal geht und am Afikal endigt. Der Rodertwald hat 
drei Theile: den vorderen, mittleren und hinteren Rodert; darin 
geht feit etlichen Hundert Sahren eine Gräfin von Eberftein und 
Hagt ihre Schuld. Biele Leute haben fie fihon gefehen und 
nennen fie das Rodert-Weibele; ihr Rod und ihr Mieder 
find von ſchwarzer Seide, noch von der Trauer um ihren vers 
fiorbenen Daun berrührend; auch trägt fie eine Haube von 
fhwarzem Sammet mit einem hohen ſchwarzen Federbufch. Diefe 
Gräfin wollte einft den Rockert den Leuten von Hilpertsau und 
Reichenthal entziehen und fprach ihn zu eigen an. Da warb 
ein Manngericht von Grafen und Rittern berufen und fie follte 
einen Eid fchwören, daß der Wald ihr eigen fey. Nun trug 
fie einen Löffel in ihrem Dichten Federbuch verſteckt und weil 
man die Löffel auh Schöpfer hieß, fo ſchwur fie: „So wahr 
mein Schöpfer über mir ift, fo wahr gehört der Rockert mir 
und meinen Söhnen!” Da ward ihr der Wald zu Recht zuers 
fannt; fie flarb aber nach wenigen Tagen und geht feitdem im 
Rockert um. Dean hat fie oft gehört, wie fie mit einer großen 
Hunde» Meute das Wild hegte, gewöhnlich aber hört man fie 

I. . 20 


306 Murgthal. 


klagend rufen: Hu! bu! — was weithin über Berg und Thal er⸗ 
ſchallt. Wer ruhig vorübergeht, dem thut fie nichts zu Leibe, 
wer fie aber ausſpottet, dem fett fie fi) auf den Rüden und 
er muß fie den Berg hinauf und hinab bis an den Bach tragen. 
Dort fallt fie dann wie ein Malterfad in's Waſſer. Ste hat 
auch ſchon einmal drei Männer in den Gumpen eingetaucht. 
Befonders fpuct fie auf der Gätelwiefe, die unten am 


Rockert Tiegt. 
(Siehe Mone’s Anzeiger ıc. 3. 1834. 


Gaggenau. 


er figt im warmen Stübchen? 
Ein Mädchen und ein Bübchen, 
Großmutter auch und fpinnt, 
Laͤßt ih ein Weilchen quälen, 
Dis dag fie zu erzählen 
Mit Ieifem Ton beginnt: 


„War einft ein Hirtenfnabe, 
Der nannt' als einz’ge Habe 
Ein junges Gänschen fein; 
Doch ah! vor Badens Thoren 
Hat fih das Thier verloren 
Zu Hanſens bittrer Pein! 


Er läuft von Ort zu Orte, 
Er klopft an jede Pforte, 
Kehrt hoffnungslos zurück, 
Verloren bleibt fein Gänschen, — 
D Hänschen, armes Hänschen! 
Verloren all' dein Glück! 


Und an der Murg Geſtaden 
Hin ſinkt er mühbeladen, 
Und klagt des Herzens Noth 
Den Wellen und den Winden: 
„kLäßt ſich die Gans nicht finden, 
Sp wein’ ih mich zu Tobl« 


Murgthal. 307 


Da kommt ein bucklig Männchen, 
Nicht höher als drei Spännden, 
Vom grünen Berg herab 
Und fprigt: „Nah Gernsbach wandre, 
Und ſtehl dir eine andre, 
Du dummer Hirtenknab'!“ 


Doch Händchen fagt: „Mit nichten 
Mag’ ich fo was verrichten, 
Die Ehr' ift mir zu lieb; 
Biel eher wollt’ ich laufen, 
Mein letztes Hemd verkaufen, 
ALS daß ich würd’ ein Dieb !- 


Kaum ift dies Wort geſprochen, 
Hat lachend ſich verfrochen 
Der Feine Schelm, der Zwerg; 
Da tönt’d „Gaggagg“ vernehmlich, 
Huſch, Huf, da ſchlüpft bequemlich 
Das Gänslein aus dem Berg. 


Bor Freuden tanzt mein Hänschen, 
Und flügelnd fest fein Gänschen 
Das muntre Gaggagg fort; 

Bald flog durch's Thal die Kunde 
Und von derfelben Stunde 
Heißt Gaggenau der Dr.“ 


Das Mädchen und das Bübchen 
Im traulich warmen Stübchen 
Sind felig eingenickt; 

Großmutter fist im Stuhle, 
Sie fist und dreht die Spule 
Bar fleißig und geſchickt. 


Eduard Brauer. 


' Unter den Bewohnern des Murgthals gebt, nad Aloys Schrei: 
ber's Zeugniß in den „Sagen von Baden“ ıc. ©, 57, über bie Ent- 
ftehung des Namens Gaggenau eine, freitich weder finnreiche noch 
poetifhe Sage. Bier if diefelbe im Gewand eines Kindermärcheng, 
das ſich wohl allein für fie fchict, etwas ausgeſchmückt wiedergegeben. 


20* 





308 | Murgthal. 


Das vermißte Gänschen fol aus dem fogenannten Hilpertsloch 
hervorgefommen feyn. Auf dergleichen Auslegungen von Ortsnamen 
geräth der grübelnde Volksverſtand öfters. (Wir erinnern an die Er- 
Hörung des Burgnamens Achalm in Uhlands Dichtung „die 
Schlacht bei Reutlingen«.) 

Daß die Sage auch das Murgthal mit feinen Berggeiftern (Gno⸗ 
men, Erdmännlein) bevölfert hat, ift zu erfehen aus Kriegs von 
Hochfelden „Geſchichte der Grafen von Eberflein, ©. 356 u. ff. 

(Siehe Ed. Brauer’s „Sagen und Gefhichten von Baden 20,” S. 168.) 


Die Geiſterhöhle. 


Der Amalienberg bei Öaggenau hieß vordem Hilpert, 
und es hausten viele Geiſter darin. Es geht ein tiefes Loch 
durch diefen Berg, welches am Murgufer anfängt und bie nach 
Baden reichen fol. In diefen hohlen Berg wurden in alten 
Zeiten die Geifter gebannt; auch ift einmal eine Gans hinein- 
gefommen und darin immer vorwärts gelaufen, fo daß fie am 
andern Tage zu Baden wieder heraus fam.*) Seitdem aber ber 
Hilpert angebaut ift, die vielen Felſen gefprengt find und Das 
Loch verfchüttet wurde, find die Geifter verdrängt worden und 
haben den Berg verlaffen. 

(Berge. Mone's „Anzeiger 20.” Zahrg. 1834.) 


SHilpertsloch. 


Hülffurth, (Hilpert) hieß urfprünglich der Berg, der 
jet als höchft anmuthiger LYandfig unter dem Namen Amalien- 
berg am linfen Ufer der Murg blüht. Am Abhange gegen 
den Fluß fieht man in dem Felfen den Eingang einer Höhle, 
die fih tief in den Berg hinein zieht.”) Seit lange hat es 
Niemand gewagt, in biefen finftern, mit mephitifchen Dünften _ 
gefhwängerten Gang einzubringen; der Sage nad foll er fi 
bis unter die Spitalfirhe in Baden hinziehen und früher eine 
reihe Ausbeute an verfchiedenen Erzen geliefert haben. 

Bor vielen Jahren fam ein Bergfnappe, welcher Arbeit 


*) Siehe die vorige Sage. 





. Murgthal. 309 


ſuchte, in das Murgthal. Da er auch hier Feine Beſchäftigung 
finden konnte, wollte er wenigſtens die Gegend etwas näher 
kennen lernen und gelangte auf ſeinen Streifereien an den Ein⸗ 
gang jener Höhle. Er trat hinein und ſtellte Unterſuchungen 
an, die günſtig für ihn ausgefallen ſeyn müſſen, denn er ließ 
ſich jetzt häͤuslich in Gaggenau nieder, verheirathete ſich daſelbſt 
und man ſah ihn jeden Morgen mit ſeinem Gezäh' nebſt Gru⸗ 
benlicht der Höhle zu wandern, von der er ſpät Abends erſt, 
die Ausbeute des Tages in einem Sacke mit ſich tragend, wie⸗ 
der heimzukehren pflegte. Niemand wußte, was er in dem 
Gange treiben, noch was er an Erzen gewinnen mochte Es 
mußte jedoch nicht unbedeutend geweſen ſeyn, denn er lebte mit 
ſeinem Weibe ganz wohlhabend und gemächlich. 

So ging es viele Jahre hindurch; eines Morgens aber 
waren ber Bergmann und fein Weib aus Gaggenau vers 
fhwunden und Niemand konnte feitdem erfahren, wohin dieſel⸗ 
ben gefommen. 

Hilpert hieß der Bergmann und von ihm erhielt bie 
Höhle den Namen: Hilpertslod. 


(Siehe A. Schreiber's „Sagen aus den Rheingegenden 2c.) 


Die Eliſabethsquelle zu Notheufels. 


Auf grünen Hügeln wehen 
Obfibäum’ und Blüthenlicht, 
Auf hohen Bergen ftehen 
Die Silbertannen dicht; 
Durch Gärten, Felder, Matten 
Tanzt, manches Dorf entlang, 
Der Fluß im Erlenfchatten 
Mit murmelndem Gefang. 


Wohl prangt mit taufend Gaben 
Der Murg gefegnet Thal; 
Nur eine harrt begraben 
Rod auf den Sonnenſtrahl; 


'310 


Murgthal. 


Sie ruht ſo feſt verborgen, 
Sie ſchläft ſo tief verſteckt, 
Bis ſie ein heller Morgen 
Mit lichtem Gruße weckt. 


Deckt nicht das Feld voll Halmen 
Geheimnißvoll den Schaft 
Verſunkner Wunderpalmen 
Der Urwelt, rieſenhaft? 

Bewahrt nicht Stamm am Stamme 
Solch' ſtolze Waldespracht, 
Verkohlt in Gluth und Flamme, 
Getreu die tiefe Nacht? 


Iſt in der Erde Schooße 
Nicht ſolch ein Schatz bewahrt, 
Wo Roſe ſich an Roſe 
Im Fürſtengarten ſchaart? 

Zu ſpähn, was tief im Grunde, 
Bohrt wiederhallend ein 

Sich ſchon die tiefe Wunde 
Dem ſtarren Felsgeſtein. 


O ſucht nur, friſch ermuthet, 
Was bergen mag der Fels! 
O ſeht, die Wunde blutet 
Im lauen Schwall des Quells! 
Dem Tage quillt entgegen 
Ein Born mit hellem Strahl, 
Und ſchüttet neuen Segen 
Ins ſegensreiche Thal. 


Im Waſſerſtrahl, dem muntern, 
Hebt er zum Tagesſchein 
Raſch aus der Tiefe Wundern 
Die hellen Perlenreih'n. 
Viel Kräfte ſtill durchdringen 
Verſchwiſtert im Gemiſch, 
Die Perlen, daß ſie bringen 
Dir Leben ewig friſch. 





Murgthal. 311 


Du wankeſt hin zum Thale 
Kraftlos und müd' und bleich, 
Und ſchlürfſt aus voller Schaale 
Die Fluth ſo lebensreich; 

Bald trägſt du von der Quelle — 
Des Siehthums Dual entrafftl, — 
In deiner Seele belle 

Den Schat der Jugendfraft. 


Gerhard Helfrich. 
(Aus E. Brauer's „Sagen und Geſchichten der Stadt Baden 2.” Karlsruhe, 1845.) 
Das Pfarrdorf Rothenfels, von der Amtsflant Raftatt zwei 
und eine viertel Stunde fünöftlid und eben fo weit von Baden ent- 
fernt, liegt am rechten Ufer der Murg, ift ſehr alt und gehörte früher 
ben Grafen von Eberftein. Gegenüber, auf dem Iinfen Durgufer, 
liegt das Schloß Rothenfels nebſt einem großen Landgut, welches 
dem Markgrafen Wilhelm gehört und durch reizende Gartenanlagen, 
fo wie dur feine mufterhafte Landwirthſchaft ausgezeichnet if. Als 
man im Jahr 1839 hier nach Steinkohlen grub , deren der Boden ein 
reiches Lager bergen fol, entvedte man eine Mineralquelle: einen 
lauwarmen, eifenhaltigen Natron-Säuerling. Bald war diefelbe gefaßt, 
mit den nöthigen Gebäuden verfehen und fchon jetzt erhält fie, nad 
bereits vielfach bethätigter Heilfraft, reichlichen Zuſpruch, namentlich 
aus dem benachbarten Baden, von Trink» und Babegäften, welche zum 
Theil hier eine Nachkur gebrauchen. 


Die Drei Schweitern. 


Hm Eingang in das romantifhe Murgthal ſchaute in ur 
alter Zeit von einer Höhe des linken Ufers eine Burg herab, 
die aber längſt bis auf die legte Spur verfchwunden iſt. Als 
nur noch wenige Trümmer davon übrig waren, flunden am 
Abhange des Hügeld drei Linden, welche die letzte Beſitzerin 
der Burg zum Geburtstag ihrer drei Töchter gepflanzt hatte 
und bie darum „die drei Schweftern” genannt wurden. 

An einem fchönen Sommerabende kehrten einft in ber 
Schenke, die am Fuße des Schloßbergs Tag, drei junge Ritter 
ein, die fih durch Zufall auf der Reife zufammengefunden 
Hatten. Der Eine war ein reicher Graf aus dem Eifaß, mit 
ftattlichem Gefolge; der Zweite wurde gewöhnlich „der Ritter 
vom Sees genannt, weil feine Güter am Bodenſee Tagen. 


312 Murgtbal. 


Unter allen Dreien waren ſeine Sitten die feinſten und ge⸗ 
wandteſten; auch ſchien er ziemlich lebensluſtig. Der Dritte, 
ein Jüngling von zwanzig Jahren, hatte der Natur mehr zu 
danken, als dem Glücke. Mit einer einnehmenden Geſtalt 
verband er eine ächt ritterliche Geſinnung, aber auch eine ge⸗ 
wiſſe Schüchternheit, deren er nicht Meiſter werden konnte. 
Seine Borältern hatten große Güterfchenfungen an Kirchen und 
Klöſter gemacht und ihm nichts hinterlaflen, als eine ziemlich 
fefte, höchſt freundlich gelegene Burg am Rheine, und von 
Ländereien und anderen Einkünften nur fo viel, ald gerade 
zur Beftreitung feiner unentbehrlichftien Lebenshebürfniffe hin- 
reichte. 

Auch zu dieſen drei Rittern war der Auf von der Schön, 
heit und dem Reichthume der drei Schweftern gedrungen und 
hatte fie gelockt, fih als Freier um ihre Hand einzuftellen. 
Nachdem fie ſich in ver Schenke gelabt und vom Staube des 
Neifeweges gereinigt, Tießen fie fich bei der Edelfrau melden, 
von der fie auch alsbald eine Einladung auf die Burg erhiel- 
ten. Man führte fie, dort angelangt, in einen weiten prächs 
tigen Saal, wo fie die drei Fräulein an ihren Spinnroden 
figend fanden. _Die Aelteſte, Rofaura, war von hohem, 
edlem Wuchſe und [chöngeformten regelmäßigen Zügen, aus 
denen aber Fein Gemüth, fondern ein Falter, höhnender Ueber- 
muth fprad. Die zweite, Eudoria, prangte in blühendfter 
Jugendfülle; dagegen glich die Jüngfte, Irene, einer frifchen, 
faum erfchloffenen Roſenknospe, die fih erft fhüchtern den 
Küffen der lauen Lenzesluft zu entfalten beginnt. Roſaura 
fpann einen Goldfaden, Eudoria einen von Purpur und Irene 
drehte bloß fohlichten Hanf an ihrem Roden. Die drei Freier 
liegen fih gleich von den erften Eindrüden, welche dieß Klee- 
blatt auf ihr Herz machte, Teiten und beftimmen: Der Graf 
bewarb fih um Rofaura’s Neigung, der Ritter vom See fühlte 
fh zu Eudoria hingezogen und ber jüngfte Ritter Tieß fich 
hocherröthend in fchüchterner Verwirrung nad einigem Zögern 
an Irenen's Seite nieder. Der Graf und ber GSeeritter wur- 
den bald ganz herzenseinig mit ihren Damen, deren Bedenk⸗ 
lichkeiten ſich bloß innerhalb der Grenzen der Schidlichfeit 
hielten. Irene dagegen fagte zu dem jungen Ritter: „Geſieht 





Murgtpal. 313 


mir nur aufridhtig, ob auf Eurer Burg viel Prunk und raus 
ſchendes Leben herrfcht und ob Ihr ein Freund von Glanz 
und Feftlichfeiten feyd?_ In diefem Falle tauge ich nicht als 
Gattin für Euch. Meine Schweftern nur find dazu erzogen, 
auf großem Fuße und unter Freudegenüffen aller Art zu leben; 
mein Sinn ift aber nur auf das Glück ftiller, einfacher Häus- 
lichkeit gerichtet, weßhalb mich auch mein Bater, als er auf 
dem Sterbefiffen Tag, zu fich rufen ließ und fpradh : „Irene, 
du wirft einft recht glüdlich werden, denn du lichft nicht ben 
Schimmer und eitlen Tand; darum überlaffe, was ich von 
Gold und Koftbarfeiten auf euch vererbe, deinen beiden Schwes 
flern, und nimm dafür diefe Spindel bier! Sie rührt noch von 
meiner Aeltermutter ber und wirb die befondere Tugend an den 
Tag legen, daß, fo lange du und beine dereinftige Familie fie 
forgfältig als Kleinod bewahren, fo lange auch das Glück nicht 
von dir und deinen Kindern und Kindefindern weichen wird.” 
— Iſt es nun Euer ernftliher Vorfag, Herr Ritter, feine vors 
nehme , prunfliebende Dame, fondern eine fehlidhte wackere 
Hausfrau auf Eure Burg zu führen, gut, fo bin ich die Eure 
und folge Euch gern.” 

Mit freudiger Haft ergriff der junge Ritter ihre dargebo⸗ 
tene Hand und rief: „Gott fey gedankt, daß ich in Euch eine 
Sattin finde, wie mein Herz von jeher allein fie wünfchte! Auch 
mir blüht das Glück nur im ftillen, prunflofen Familienleben, 
und zur Beftätigung, daß ih das Vermächtniß Eures feligen 
Baterd als ein Heiligthum ehre, fol Eure Spindel von dem 
Tag unfrer Bermählung an in mein Wappen aufgenommen 
werben.‘ 

Die Edelfrau hatte nichts gegen die Wahl ihrer Töchter 
einzuwenden; doch befand fie darauf, die Trauung folle in 
ihrem Schloß und zwar die aller drei Paare zu gleicher Zeit 
vor fi) gehen. So geſchah ed auch bald darauf, und einige 
Tage fpäter zogen die Ritter mit ihren Frauen nach ihren hei- 
mathlichen Burgen. 

Die Schwiegermutter erlebte nicht mehr die nun folgenden 
Scidfale ihrer Kinder, denn ſchon ſechs Monate nad) der Bers 
mählungsfeier wurde fie von einer Krankheit hinweggerafft. Ein 
halbes Jahr nach diefem fehmerzlichen Verlufte ſaß Irene, ihren 


314 Muragthat. 


Erſtgebornen auf dem Schooß, in ihrem Kloſett, als ihr Gatte 
mit traurigen Mienen herein trat und ſagte: „Ich habe dir 
eine ſchlimme Poſt zu bringen. Unſer Schwager, der Graf, 
hat, nachdem er ſein ganzes Vermögen in Saus und Braus 
durchgebracht, ſich mit einer Schaar von Raubrittern verbunden 
und bereits ſolche Gewaltthätigkeiten mit ihnen auf den Heer⸗ 
ſtraßen verübt, daß ſich der Kaiſer genöthigt ſah, ihn in die 
Acht zu erklären. Wie es heißt, ſoll er ſi ch nun nach Frankreich 
geflüchtet haben.“ 

„Und Roſaura?““ — rief Irene voll ſchmerzlicher Be- 
ſorgniß. — Ihr Gatte hatte nicht erfahren können, welch ein 
Loos ihre Schweſter getroffen. — Aber als Irene gegen Abend, 
ihren Säugling im Arm, unter den Linden im Hofe ſaß, kam 
eine müde Pilgerin, ärmlich gekleidet und die Spuren tiefen 
Grames im bleichen Angeſicht, auf ſie zugewankt: es war Ro⸗ 
ſaura, die nun als Bettlerin vor der wegen ihrer Anſpruchs⸗ 
loſigkeit oft beſpöttelten Schweſter ſtand, verlaſſen von ihrem 
Gatten, hinausgeſtoßen in die fremde Welt, ohne Obdach, ohne 
Brod für ſich und ihren Kleinen. Irene ſchloß unter Thränen 
des innigſten Mitleids die unglückliche Schweſter in ihre Arme 
und bat ſie, bei ihr zu bleiben und ihr ſtilles häusliches Glück 
mit ihr zu theilen, was Roſaura mit überſtrömendem Danke 
annahm. Bon Eudoxia's Schickſal hatte fie feine Kunde. Aber 
wenige Monate fpäter traf der Ritter vom See ganz unver 
mutbet auf der Burg feines Schwager ein und erzählte, wie 
Eudoria, Teichtfinnig ihrer Pflichten als Gattin vergeffend, ſei⸗ 
ner Ehre jo wenig gejchont habe, daß er ſich gendthigt gefehen, 
bie Treulofe in ein Klofter zu fperren. Diefe Nachricht war 
ein neuer fchmerzlicher Schlag für Irenens gefühlvolles Herz 
und fie fuchte nun um fo forgfältiger in ihren Kindern ben ein- 
fachen häuslichen Einn, durch den fie felbft fo glüdlich gewor- 
ben war, zu werden und zu erhalten. 

(Siehe A. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”) 


Murgthal. — Raſtatt. 313 


Muckenſturm, 


ein an der Straße von Karlsruhe nach der Favorite gelegener 
Marktflecken, drei Stunden von Baden, iſt ein uralter Ort. 
Hier ſieht man noch Ueberreſte von römiſchen Backſteinmauern; 
die römifch-aurelifche Land⸗ und Heerſtraße zog ſich hier durch. 
Vor dem Orte, an der Straße nach Baden, liegt die Magda⸗ 
lenenkapelle, welche an gewiſſen Feſttagen ſtark beſucht wird 
Noch bemerkt man hier die Mauertrümmer eines mittelalter⸗ 
lichen Schloffes, Der Sage nach ward es einſt belagert, die 
Stürmenden aber mit von den Zinnen auf ſie herabgeſchleuder⸗ 
ten Bienenkörben begrüßt, deren ergrimmte Bewohner ihnen ſo 
derb zuſetzten, daß ſie unverrichteter Sache die ſchleunigſte Flucht 
ergreifen mußten. Daher ſoll der Name des Ortes rühren, 
noch wahrfcheinlicher aber fommt er davon ber, daß man in 
den Sommermonaten bier unaufhörlid von ganzen Heered- 
fhwärmen von Müden beitürmt wird. 


(Bergl. S. Klüber's „Beihreibung von Baden und Umgegend.“ S. 270 bes 
2. Bandes.) 


50 E0 ——— 


Rastatter Schloß. 





Markgraf Ludwig von Baden, der Türken: 
bezwinger. 


Bon Malboroughs Heldentagen 
Biel Wunder mögt ihr fagen; 
Lohfingen, Sieg auf Sieg, 

‚Eugen, dem edlen Ritter, — 
Hoch firahlt der Helden Dritter, 
Der Markgraf Ludewig. 


Aus Badens Stamm entfprungen 
Bon teutfhem Blut durchdrungen, 
Treufeſt und ritterlich ; 





316 


Rafatt. 


Des Baterlandes Streiter, 
Ein Held, ein gottgeweihter, 
Der Markgraf Ludewig. 


Wie bligt tm Pulvernebel, 
Ein Racheſchwert, fein Säbel! 
Des Halbmonde Glanz verblich, 
tieß er in edlem Grollen 
Sein Feldherrnauge rollen, 

Der Markgraf Ludewig. 


Bor Wien, da hat's gegolten; 
Die Türfenhunde wollten 
Im Mordbrand jämmerlich 
Die Kaiferfiadt verheeren, 
Da ftritt zu Teutſchlands Ehren 
Auch Markgraf Ludewig. 


Hei! wie die wilde Bande 
Hinaus zum teutfhen Rande 
Mit Hafenhaft entwid ! 

Heil wie die Roffe fehnoben, 
Berfolgt mit Sturmestoben 
Vom Marfgraf Ludemwig ! 


Nun zog durch Ungarns Gauen 
Des Krieges Grimm und Grauen; 
Hurrah! da pflüdte fich 
Dem Baterland zum Ruhme, 
Manch duft’ge Siegesblume 
Der Markgraf Ludewig. 


Die Schladht in Ofens Gründen, 
Dei Mohacz wird’s verfünden 
Der Nachwelt ewiglich; 
Salanfemen nicht minder ; 
„Der Türfenüberwinder 
War Marfgraf Ludewig !“ 


Rafatt. 317 


Auch an des Rheins Geftaden, 
Zu neuem Kampf geladen, 
Beſtand er ritterlich; 

Er baute mächt'ge Schanzen 
Als Schutzwehr vor dem Franzen, 
Der Markgraf Ludewig. 


Doch banden ſeine Hände 
Des Reiches lahme Stände, 
Sie ließen ihn im Stich, 
Entzweit durch ſchnöden Hader; 
Drob ſchwoll die Zornesader 
Dem Markgraf Ludewig. 


Ihr Zagen und ihr Zanken, 
Ihr Zaudern und ihr Schwanken 
War ſtets ihm hinderlich; 

Und dennoch durft' er ſagen, 
Das ihn Fein Feind gejchlagen, 
Der Markgraf Tudewig. 


Für alP fein rühmlich Mühen 
Sollt' ihm viel Undanf blühen; 
Dem Tod nur beugte ſich 
Sein Haupt, das Torbeerfchwere ; 
Ein Retter teutfcher Ehre, 
Starb Markgraf Ludewig. 


Aus beffern Sängerd Munde 
Ertönen mag die Kunde, 
Ertönen feierlich 
Zum Borbild und zur Lehre: 
„Sin Retter teutfcher Ehre 
War Markgraf Ludewig.“ 


Eduard Brauer, 


318 


Nafatt. 


Das Raftatter Schloß. 


Noch hat fein Sänger fih erhoben, 
Dich, hohes, edled Schloß zu Toben 
Und zu befingen deine Pracht ! 

Haus, das fo Großes hat gejehen, 
Wie, follteft klanglos du vergehen, 
Ein frühes Opfer Saturn’d Macht ? 


Erbaut von Ludewig von Baden, 
Bliebſt du fo vieler Heldenthaten 
Alleinig würd’ges Monument ! 

Kein andred ward dem großen Manne, 
Bor dem der FTranfe und Osmane 
Gebebt, und den mein Bolt faum fennt. 


Vergeßlich Volk! in jenen Stunden, 
Wo Louis, Torbeerfranzummunden, 
Des Halbmonds Macht bei Mohacz ſchlug; 
Als er, in hehrer Siegeöfreude, 
Des heißes Tages reiche Beute 
Heim zu Sybillens Füßen trug, — 


Nicht ahnt’ er, daß nach hundert Jahren 
Sein Bolf das Heiligthum der Laren 
Kaum achten würde mehr, das Schloß, 
Wo Fampfesfatt Europas Helden 
Eugen und Villars ſich gefellten, 

Wo fih der Janustempel ſchloß! 


Auf eines fanften Hügeld Rüden 
Stellt ſich den überraſchten Blicken 
Das flolge Bauwerk prächtig dar; 
Die Schaar der Götter und Göttinnen 
Don dem Olympos krönt die Zinnen, 
Und hoch thront Zeus mit feinem ar. 


Es ziehen, hallenreich, die Flügel 
In edlem Gleichmaß hin am Hügel, 
Umarmend ringe des Hofes 3ier; 


Raſtatt. 319 


Am fÖllerförwm’gen Eingang wachen 
Acid, die Fauft im Löwenraden, 
Und Pallas, bänd’gend Tiegers Gier. 


Einft herrſcht' im Schloffe reges Leben, 
Und teutfcher Helden fühnem Streben 
Ward bier manch fchallend Hoch gebracht; — 
Doch längſt verfholl der Klang der Becher, 
Und durch bie öden Prunfgemächer 
Raufcht fagenreich die Mitternacht. 


Wie fohaurig, Haus, verwaist für immer, 
Glühſt du in rörhlich düſterm Echimmer 
Spät Abends in der Sonne Gold, 

Wenn Phöbus feinen Strahlenwagen 
Auf Feuerwolfen fortgetragen, 
Hinab zum fernen Weltmeer rollt! 


Die hohen Fenſter ſprühen Blitze; 
Zum ausgeſtorbnen Fürſtenſitze 
Iſt Markgraf Auguſt heimgekehrt! 
Sind es die fränk'ſchen Abgeſandten, 
Die, aus dem blut'gen Grab erſtanden, 
Graf Metternich mit Feſten ehrt? 


Wer nennt die Namen mir von allen 
Den Hoh’n, die einft in diefen Hallen 
Schutz fanden und ein wirtbiih Dad? 

Die legten Conde's, Moreau's Krieger, 
Bon Defterreih Carl, Lodi's Sieger, 
Germaniens Stoß und . . . feine Schmad ! 


Hier lebt’, in feinen Neftortagen, 
Carl Friedrich oft; des Alters Plagen 
Bergeflend und des Herrſchens Müh'; 
Bon Badens Macht den greifen Gründer 
Umfpielt die blüh’nde Schaar der Kinder, 
Und feine Thränen fegnen fie. 


Hier war's, wo Er, in beſſern Jahren, 
Zuerfi des Schickſals Gunft erfahren, 


320 


Raſtatt. 


Das ihn zum Königsthron berief; 
Hier eint' er die getrennten Staaten, 
Hier huldigte ihmn Baden-Baden, 
Als Auguft kinderlos entſchlief. 


Hier weilt', im Flug zu Rieſenſchlachten, 
Als Oeſtreichs Helden neu erwachten, | 
Napoleon, dem Glück getraut — 
Zum Ichten Mal auf teutfcher Erde 
Ruht von der weiten Reif Beſchwerde 
Hier deſſen Faiferlihe Braut. 


Doch mit des Schickſals finftern Mächten, 
Lehrt Schiller, ift fein Bund zu fledten; 
Im Falle fühlt's Lätitia's Sohn; ... 

Und Franz und Alexander traten 
Als Sieger in das Haus von Baden, 
Einärndtend langer Kämpfe Lohn. 


Und hier ſtarb Carl. Er ſtarb, umgeben 
Von Allen, die er liebt' im Leben, | 
Gepflegt von treuer Gattin Hand; 
Und wieder fah’n der Ahnen Hallen 
Dürr einen Aft vom Stamme fallen, 
Der raſch und herrlich blühend ftand. 


Hier freute ſich der Kriegesfpiele, 
Schon nah’ gerücdt dem Lebensziele, 
Großherzog Ludwig, Mars ftets hold; 
Und hier aus tiefflem Hergensgrunde 
Begrüßten wir zum ſchönſten Bunde 
Sophien jüngft und Leopold. 


Sa, was feit Markgraf Ludwig's Tagen 
Nur Großes hat fich zugetragen, 
Dies Schloß hat feinen Theil daran; 
Herold vergangener Geſchlechter, 
Erhebt fih Zeus, des Haufes Wächter, 
Schwingt feine Blige himmelan, 


Raſtatt. 321 


Und donnernd ruft er aus den Hoͤhen: 
„Laßt ja den Frevel nicht geſchehen, 
Die ihr euch Badens Söhne nennt; 
Geſtattet nicht, daß ſie verderbe, 
Die ſchönſte Perl' in Badens Erbe, 
Erhaltet Ludwigs Monument!“ 
Raſtatt. Fre 
(Aus dem Freiburger Wochenblatt, Jahrg. 1835.) 

Raftatt war Schon in uralten Zeiten ein anfehnliches Dorf, wurde 
aber, fo wie es jeßt if, von dem teutfchen Helden Markgraf lupmwig, 
dem Zürfenbändiger, zu Ende des fiebzehnten unb Anfangs des acht⸗ 
zehnten Jahrhunderts erbaut und blieb feitdem bie; Refidenz der Mark⸗ 
arafen von Baden-Baden bis zum Erlöfchen diefer Linie im Jahr 1771. 
Das Reſidenzſchloß iſt unftreitig eines der prächtiaften in Teutſchland. 
Es thront auf einer mäßigen Höhe Über der regelmäßig angelegten 
Stadt und breitet feine mächtigen Flügel und Arme gegen fie aus wie 
zum Schuß und Schirm. Majeftätifch if das Portal, und hoch oben 
auf der Zinne des Daches verfündet die Pupferne, vergoldete Bildfäule 
des Donnergoties Zeus den Herrfcherfiß. Im Innern des Schlofles 
bewundert man die prächtigen Marmortreppen, die herrlichen Säle 
und reihgefhmüdten Gemächer. Beſonders merkwürdig tft das foge- 
nannte Türkiſche Zimmer, in welhem bie Waffen, Fahnen, Roße 
fhmweife 2c. aufbewahrt werden, welche Markgraf Ludwig von den 
Saracenen erbeutet, die er in mehreren Schlachten beflegt Hatte. — 
Ebenfo merkwürdig find die Friedensfäle, wo im Anfange und zu Ende 
des vorigen Jahrhunderts hier an ber Grenze von Frankreih und 
Teutſchland Stiltände gemacht wurden im unferen langwierigen Pro⸗ 
ceffen mit dem unrupigen überrheinifchen Nachbar. In einem diefer 
Zimmer zeigt man noch an den Bänden die Zintenfleden, welche hin⸗ 
gefprüßt wurden von den Federn ber großer Helden und Staatsmänner, 
Prinz Eugen und Marfhall Billars, als fie im Jahr 1714 den 
7. März, Morgens zwifchen drei und vier Uhr, nad einem Langen, 
verheerenden Kriege, den Frieden zwiſchen Teutfchland und Frankreich 
unterzeichneten. Die zweite Sriedensunterhandlung fand hier im Jahr 
1789 ftatt, endigte aber nicht mit Tinten«, fondern mit Blutfleden. 
Denn die franzöfifhen Geſandten, bie freilich ihre Jakobiner'ſche Un⸗ 
verſchämtheit damals auf's Höchſte trieben und die Zeutfchen ſchmach⸗ 
voll behandelten, wurden zuletzt, als der Krieg mit Defterreih ſchon 
wieder ausgebrochen war, bei ihrer Abfahrt nach Frankreich, nit 
weit von den Thoren Raftatts, mörberifch überfallen, wobei zwei von 
ipnen das Leben verloren. Wer die eigentlichen Urheber dieſes, das 
heilige Völkerrecht fo ſchändlich verletzenden Verbrechens waren, iſt nie 
ganz klar erwieſen worden. 


—— en 
I, 21 





Albthal. 


50 


Die Entſtehung von Serrenalb.” 


Es irrt. der Graf von Eberftein 
In tiefer Nacht durchs. Thalgewinde: 
Getrennt von feinem SJagdgefinde, 
Sudt er den Weg heim Sternenfihein. 


Sein Horn Hingt durch die Wildnig Hin, 
Da hört er wunderbare Stimmen, 
Hoch über Felſen muß er klimmen, 
Wo Schatten wie Gefpenfter ziehn. 


Jetzt tönet eines Glöckleins Klang; 
Er fieht von den erftiegnen Höhen 
Tief unter fih ein Klofter ſtehen, 
Und hört den dumpfen Chorgefang. 


Da wird es Teichter ihm zu Sinn, 
Er eilt hinab in die Kapellez” 
Bon hundert Kerzen ift fie belle, 
Die Wände ſchmücket Waldesgrün; 


Und fingend fteht im hohen Chor 
Der blaffen Mönde Doppelreihe, 
Der Priefter hebt zur heil'gen Weihe 
Am Hochaltar den Kelch empor. 
*) Das Rlofter Herrenalb liegt nicht weit von der Badiſchen Grenze, fhon im Wür⸗ 


tembergifchen Gebiete; gehört jeboch eben fowohl, wie Frauenalb, unferm Sagenkreis an. 
Der Herausg. 


Albthal. 323 


Der Graf ſinkt nieder zum Gebet, 
Ihm iſt, er werd' hinaufgezogen 
Aus wildempoͤrten Meereswogen, 
Ins Land, wo ew'ger Friede weht. 


Der Prieſter wendet ſich und ſpricht: 
„Geht hin zur ſtillen Ruh, ihr Müden, 
Und du auch, Berthold, zeuch in Frieden, 
Jedoch vergiß des Herren nicht!“ 


Dieß ſagend winkt er mit der Hand, 
Und Kirch' und Mönche find verſchwunden, 
Und wie von einem Traum entbunden 
Steht Berthold an des Waldbachs Rand. 


Im Often ſcheint ein mattes Licht; 
Der Graf kehrt heim im ernſten Sinnen, 
Jedoch vor ſeinem Blick zerrinnen 
Will nimmermehr das Traumgeſicht. 


„Wohl,“ — ruft er, „iſt die Deutung klar! — 
Wo jene Wunder mir erſchienen, 
Da ſollen fromme Männer dienen, 
Da gründ' ih Tempel und Altar!” 


Er theilt alsbald Befehle aus, 
Und in dem Thal, vom Silberbogen 
Der fpiegelhellen Alb umzogen 
Erhebt fih bald das Gotteshaus. 
Aloys Schreiber. 


Die Stiftung von Frauenalb. 


Bleich, mit angftergrauten Locken, 
Starren Blids, zum Tod erfchroden, 
Kehrt der edle Herr von Zimmern 
Heim vom Wald heim Sterneflimmern. 

21° 





324 


Albthal. 


Und vom Kreis der Jagdgenoſſen, 
Der verwunderten, umſchloſſen, 
Gibt der blaſſe Waidmann Kunde 
Von dem ſchauerlichen Grunde: 


„Wißt, den Rieſenhirſch zu jagen, 
Der uns neckt ſeit vielen Tagen, 
Hatt' ich mich im Wald verloren 
Weit von dieſes Schloſſes Thoren. 


„Als ich meint', ihn zu erlegen, 
Trat ein Recke mir entgegen, 
Wild und gräßlich anzuſchauen, 
Noch gedenk' ich ſein mit Grauen. 


„Ihm zu folgen, winkt er ſchweigend 
Mir, zur Waldſchlucht niederſteigend; 


Folgen mußt' ich wider Willen 


Seinem Machtgebot, dem ftillen. 


„Tief im Walde, weit von binnen, 
Blickt' ein Schloß mit hohen Zinnen, 
Diener harrten an der Pforte, 

Die ung grüßten ohne Worte. 


„Wir durchſchritten lange Gänge; 
Hoch im Saale mit Gepränge 
Saß ein Fürft, fo ſchien's, beim Feſte, 
Reich bewirthend edle Säfte. 


„Schweigen doch rings in der Halle; 
Ernft und fohweigfam grüßen Alle, 
Füllten Becher, tranken, aßen 
Ernft und fchweigfam allermaßen. 


„Bold und filbernes Geräthe 
Trug der Tifch, der glanzbefäte, 
Lautlog Füßten ſich die Becher, 


Gluth entloht dem Mund ber Zecher. 


Albthal. 325 


Oft ſchon ſaht ihr ohne Zittern 
Mit dem Tod mich Lanzen ſplittern, — 
Doch dies Schauſpiel war unfäglicd 
Grauenvoll, faſt unerträglich ! 


„Und mein fehweigender Begleiter 
Führte bald von da mid) weiter; 
Neues Grüßen, neues Neigen, 
Doc ſtets gleiches Todesſchweigen. 


„Durch diefelben Gänge nieder 
Stiegen wir ins Freie wieder; 
Kaum entrüdt dem Schreckensorte, 
Sprach mein Führer diefe Worte: 


„Den du fahft in jenem Schloffe, 
War Herr Friedrich, Zimmerns Sproffe, 
Einft dein Ohm, ein mächt’ger Degen, 
Kühn und mannhaft allerwegen. 


„Doch an eitelem Gewinne 
Hing fein Herz; mit hartem Sinne, 
Gierig ſtets nach neuer Beute, 
Drüdt’ und plackt' er Land und Leute. 


„Ich mit feinen andern Knechten 
Half ihm treu zu allem Schlechten, 
Darum uns und ihn betrafen 
Dualvoll Gottes ew'ge Strafen. 


„Albrecht, Albrecht! laß dir rathen: 
Sieh’ zurüd auf deine Thaten 
Und berew’ aus tieffter Seele 
Deines Stamms und deine Fehle 


„Sprachs und ſchwand. Ich ſchrack zufammen; 
Jenes Waldſchloß ſah ich flammen, 
Und ich hört' ein kläglich Stöhnen 
Aus dem Schwefelqualm ertönen. 


326 Albthal. 


„Dies, ihr Herrn, hab' ich erfahren; 
Leſt's in meinen grauen Haaren! 
Drum zur Buße ſchwerer Sünden 
Will ich nun ein Kloſter gründen.“ — 


Stumm, von Schauern überfloſſen, 
Hörten's ſeine Jagdgenoſſen 
Und erwogen im Gemüthe 
Ihrer Sünden reiche Blüthe. 


„Berthold!“ — ſprach der Eberſteiner: — 
„Euer Vorſatz iſt auch meiner!“ 
Und, von gleicher Gluth entzündet, 
Hat er Trauenalb gegründet. 


Eduard Brauer. 


(Aus deſſen „Sagen und Geſchichten der Stabt Baden und ihrer Umgebung ꝛc.“ 
Vergl. damit die Erzählung derfelben Sage in Kriegs von Hochfelden 
„Geſchichte der Grafen von Eberftein 20.” Geite 13, 14 und 451—354,) 


Johann von Hohenwart. 


Wegen wiederholten Landfriedensbruches war Kunz von 
Hohenwart vom Kaiſer und Reich in Acht und Aberacht er⸗ 
klärt worden, und Graf Eberhard von Eberſtein hatte den 
Auftrag erhalten, ihm feine Befte zu zerbrechen und ihn ſelbſt 
Vebendig oder todt in feine Gewalt zu bringen. 

Siehzehn Wochen lag Eberhard bereits vor Schloß Ho⸗ 
benwart, ohne daß es ihm gelungen war, ben Belagerten 
den geringften Vortheil abzugewinnen. Nach und nad) waren 
aber in ver Burg die Lebensmittel ausgegangen und Hunger 
und Krankheit begannen unter der Mannſchaft einzureißen. 
Durch einen verzweifelten Ausfall wollten die Geächteten neue 
Borräthe in die Veſte fchaffen; allein der Anfchlag mißlang, 
und als fie feinen Ausweg mehr fahen, zogen fie einen rühmli- 
chen Tod dem fchmählichen Ende unter Henferehand vor, und 
bis auf Wenige fanfen Alle mit ihrem Führer unter dem 
Schwert ihrer Feinde, welche jedoch ihren Sieg auch mit dem 
Leben vieler Tapfern bezahlen mußten. Die Burg warb hier- 
auf eingenommen und dem Boden gleich gemacht. Unter den 


Albthal. 327 


wenigen Gefangenen befand ſich auch des Hohenwarters ein⸗ 
ziger, vierzehnjähriger Sohn; der unſchuldige Knabe ſollte 
gleichfalls für das Vergehen feines Vaters büßen: er ward in 
das Kloſter Herrenalb gebracht, um dort erzogen und, fobald 
er das gehörige Alter erreicht, in die Mönchsfutte geſteckt zu 
werben. 

Unter den Mönchen nahm ſich des Knaben befonders ber 
Bruder Placidus an. Oft und bitter vom Leben und den 
Menſchen getäufcht, hatte ihn zuletzt Welthaß in das Kloſter 
geführt, und er fuchte diefen auch in dem jugendlichen Herzen 
feines Schüglings zu erweden. Haß in dem Knaben anzufachen 
gelang ihm zwar, aber nicht gegen die Welt, fondern gegen 
Diejenigen, welche ihn fo graufam daraus verftoßen hatten. 
Oft fand der arme Jüngling an einem Fenfler des Klofters 
und fchaute hinaus in die freie Gotteswelt, die auf ewig ihm 
verfchloffen feyn follte; heiße Thränen rannen ihm über die 
Wangen‘, und die Sehnfucht nach Freiheit, nach der offenen 
Natur, wollte ihn faft das Herz brechen. Vergebens jedoch 
waren feine Klagen; die Pforten des düfteren Klofters erfchlof- 
fen fih ihm nicht mehr. Und er durfte feinen Schmerz nicht 
einmal laut werben, nicht die Leifefte Klage ſich entichlüpfen 
laſſen, fonft wartete feiner die härtefte Züchtigung. So wuch⸗ 
fen Groll und Rachedurſt mit ihm auf; allmählig warb er ein 
Meifter in der Verſtellungskunſt, indeffen tief in feinem Innern 
die verberbliche Flamme des Haſſes gegen die Stürger feines 
Haufes in heller Lohe fortglühte. Am bitterftien jedoch war 
fein Groll gegen den Grafen von Eberflein, der ihm den 
Bater, der ihm fein Erbtheil entriffen, der ihn in das verab- 
heute Kloſter begraben hatte, wo er nun fein frifches, Fräftiges 
Leben vertrauern mußte. Trog dem galt er allgemein im Klo⸗ 
fter für das Mufter eines frommen Bruders, und feinem natür- 
lichen Verſtand gelang es bald, alle feine Mitbrüber durch- 
ſchauend, fih eines Jeden Gunft zu erwerben. So kam ed, daß 
er, noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt, nach dem Tode des 
alten Abtes faft einftimmig zum Vorfteher des Klofterd erhoben 
wurde. 

Fest hatte der junge Mann den erſten Zwed feines Stre⸗ 
bens erreicht, und glaubte num Mittel und Macht genug zu 


328 Albthal. 


beſitzen, ſeinen Racheſchwur löſen zu können. Aber in keines 
Menſchen Bruſt hatte ſeine Vorſicht das Geheimniß ſeines Her⸗ 
zens niedergelegt, Niemand ahnte die ſchwarzen Gedanken, 
über denen ſeine Seele brütete. Jeder wähnte, die Zeit habe 
das Andenken an ſein Mißgeſchick in ihm ausgelöſcht und er 
liebe nun das friedliche Leben der Mönche. 

Die Herren von Eberftein waren Schirmvögte des Got⸗ 
teshaufes Herrenalb, und diefes Amt führte den Grafen 
Eberhard öfters in das Klofter. Als er bei folch einer Ge⸗ 
legenheit bei den Mönchen das Mittagsmahl einnahm, fam das 
Gefpräd unter Anderm zufällig auf feine Familie, und Eber- 
hard erwähnte hierbei mit fichtlichem Wohlgefallen feiner ein- 
zigen Tochter, pries die Anmuth ihrer Geftalt und die Vorzüge 
ihres Verſtandes, und leichthin konnte man an der Wärme, 
womit er ſprach, abnehmen, daß dieſes Kind der Stolz und bie 
Freude feines Lebens fey. Diefe Rede werte in dem Abte 
furchtbare Rachegedanken. Noch war er nicht mit fich einig 
gewejen, wie er feinen Feind am Schmerzhafteften treffen könne; 
aber jest ward es ihm plöglich Far, wie er fih an dem Grafen 
rächen, wie er defien Herz und Stolz verwunden wolle. Die 
Tochter mußt’ er verderben und Dadurch dem Vater den Todes⸗ 
ſtoß verſetzen. 

Durch Kundſchafter erfuhr er, daß die junge Gräfin Agnes 
öfters bieffeits der Murg luſtwandle. Bermummte Yauerten 
eined Tages der Arglofen auf, ergriffen fie und während der 
Naht ward fie unbemerkt ins Klofter in ficheren Gewahrfam 
gebradt. Mit eben fo viel Bosheit als Liſt war der Plan 
zum Verderben der fchönen Agnes angelegt. 

Ein verſchmitzter, vertrauter Knecht des Abtes erfchien im 
Mönchsgewand im Gemach der Gefangenen. Er fagte zu dem 
angfterfüllten Mädchen, er fey der Vorfteher des Kloſters, und 
habe, von heftiger Liebe zu ihr entbrannt, dem Drange feines 
Herzens nicht länger wiberftehen können, fie gewaltfam ent- 
führen und ing Klofter bringen zu laffen. Er bebaure, wenn 
er ihr Kummer verurfache, allein es ftehe nur bei ihr, fich durch 
ihre Gunft die Freiheit zu erfaufen. Wie voraugzufehen, war 
eine verächtliche Abweifung der Beſcheid auf diefen fchamlofen 
Antrag. Der verfappte Mönch entfernte fich mit dem Bemer⸗ 








Albthal. 329 


fen, die Laͤnge der Zeit werde das fpröbe Täubchen ſchon kirre 
machen. 

Einige Stunden fpäter öffnete fi) wieder leife die Thüre, 
und vorſichtig trat ein junger Rittersmann von hohem Wuchs 
und lieblicher Geſichtobildung in das Gemach. Nachdem er die 
niedergefchlagene und weinende Gefangene mit Anftand begrüßt, 
begann er: 

„Verzeiht, fehöne Gräfin, wenn ich Eure Einfamfeit flöre 
und Eure nur zu gegründete Befümmerniß unterbredhe; allein 
meine Abficht muß mir zur Entfchuldigung dienen. Auf Beſuch 
bei einem Anverwandten bier im Kiofter erhielt ich Kunde von 
Eurem Mißgeſchick und von der Schurkerei des Abtes. Lift 
erfchloß mir die Thüre Eures Gefängniffes und ich komme, 
Euch meine Dienfte anzubieten. Wenn Ihr Euch einem Unbe⸗ 
fannten anvertrauen wollt, fo follen hoffentlich die nämlichen 
Mittel, die mir den Eintritt hierher verfchafften, Euch zur Frei⸗ 
heit verhelfen.“ 

Der gewinnende, einfchmeichelnde Ton des jungen Mannes 
erwarb ihm ſchnell Das Zutrauen des freudig überrafchten Mäd- 
hend, wozu fein anmuthiges Aeußere nicht wenig beitragen 
mochte. 

Möge der Himmel Eure wohlmeinende Abfiht Tohnen !“ 
— erwiederte fie — „und wenn Euer Borhaben gelingt, dürft 
Ihr der vollften Dankbarkeit meines Vaters gewiß feyn. DO, 
gebt ihm Nachricht von meinem Aufenthalt, wenn ed Eud 
möglich iſt; bevdenft, wie er fi um fein verlorenes Kind 
grämen mag !“ 


„Bon Dank fann hier nicht die Rede ſeyn,“ — verfegte 
der Ritter — „denn ich thue nur, was die Pflicht mir gebietet, 
und wenn mein rebliches Unternehmen mir ein freundliches 
Andenten bei Euch gewinnt, dann fühl’ ich mic) überreich be- 
lohnt. Eurem Bater Nachricht zu geben, wird indeſſen wohl 
ſchwer feyn, da der Abt überall Spürhunde hat und, falls dieſe 
von unferm Unternehmen etwas vermerften, Euch fiherlih an 
einen Drt bringen ließe, wo Eucd Niemand fo leicht entveden 
fönnte. Doch verlaßt Euch auf mich; ich hafte mit meinem 
Ritterworte dafür, daß Ihr durch mich Eure Freiheit wieder 


330 Albthal. 


erhalten follt. Die Art und Weife, wie dies auszuführen, wird 
erfi Die Zufunft lehren.“ 

Dald hierauf verließ der Ritter die Gräfin, nachdem er 
vorber verfprochen, fie demnächſt wieder zu befuchen; aber 
fein Bild blieb in Agnefens Herzen zurüd. 

In der That fehrte der junge Mann bald wieder zu ihr 
und erneuerte fodann täglich feine Befuche. Die Jungfrau glühte 
von heftiger Liebe zu ihm, und fie verbrachten mit einander 
mande Stunde in traulichem Kofen. Ihr Gefängnig war ihr 
durch Die Gegenwart ihres Geliebten fogar theuer geworben, 
ja fie gedachte fchon nicht ohne Bekümmerniß der Zeit, die fie 
zurüdführen follte in die Arme ihres Vaters, weil fie fih dann 
yon ihrem jungen Tröfter,, vielleicht auf immer, trennen müßte. 
Doch wollte fi, wie der Ritter verficherte, noch immer Feine 
günftige Gelegenheit zur Flucht bieten; fletd traten neue Hin⸗ 
bernifie in den Weg. 

Auch der als Abt verkleidete Knecht ftellte ſich noch einige 
Male ein, warb aber immer verächtlicher und derber zurüdge- 
wiefen. 

Troftlos jammerte indeffen der Graf von Eberftein um bie 
geliebte Tochter. Er fandte nach allen Seiten feine Diener auf 
ihre Spur, doch alle fehrten fie wieder unverrichteter Dinge 
zurüd. Er felbft Durchftreifte täglich zu Roß die ganze Umgegend, 
allein mit eben fo wenig Erfolg. Eines Tages, ald er, am 
Fuß eined Hügeld gelagert, feinem Schmerze nachhing, wäh- 
vend fein Pferd neben ihm grafte, fam ein Knabe mit etlichen 
Ziegen, die er heimwerts trieb, des Weges daher. Auch Diefen 
forfchte der Graf aus, allein der Hirteninnge wußte feine Aus⸗ 
funft zu geben. 

Eberhard feufzte vor fih hin: „O meine arme Agnes!” 

Agnes 2" — fragte der Junge, — „„ſonderbar, heute 
höre ich dieſen Namen, den ich fonft in meinem Leben noch nie 
vernommen , ſchon zum zweiten Mat !«' 

„Wo? Wo?” fragte begierig ber Graf. 

„Ei nun,“ — verfegte der Knabe — „drüben im Klofter. 
Ich bringe manchmal Brunnenfreffe in die Küche dorthin, und 
da befomm’ ich immer etwas zw effen dafür. So war ed auf 
heute. Ich faß in der großen Stube neben der Küche, ba hörte 


nr ERREGT — 
— —— — —— 





Albthal. 331 


ich nebenan ſprechen und dieſen Namen nennen; es kam mir 
gerade vor, als wenn es von dem großen Bilde herfäme , wel⸗ 
ches die Schugpatronin des Klofterd vorſtellt.“ 

Faſt ungläubig fehüttelte der Eberfteiner den Kopf; aber 
nad einigem Nachdenfen dünkte es ihm Doch, daß es der Mühe 
vielleicht Iohnen möchte, der Sade näher nachzuforſchen. Er 
fonnte ſich freilich die Möglichkeit kaum vorftellen, daß feine 
Tochter im Klofter gefangen fäße, wo er nur gute Frunde zu 
haben glaubte, wollte fid) aber dach Feine Fahrläffigfeit vorzu- 
werfen haben. 

Er klopfte darum gleich des andern Tages in Pilgertracht 
an der Kloftierpforte und bat demüthig um etwas Speife, feinen 
Hunger zu flilen. Er ward in das Zimmer gewiefen, das ihm 
der Dirtenfnabe bezeichnet hatte und das er leicht an dem großen 
Gemälde der heiligen Jungfrau erkannte. Ed war in der Wand 
felbft eingerahmt und reichte vom Boden fait bid an bie ge- 
täfelte Dede. 

Anfänglich befanden ſich noch andere Fremde in der Stube, 
weßhalb er diefelbe nicht gleich näher unterfuchen fonnte; doch 
firengte er feine ganze Aufmerffamfeit an, ob er nichts hinter 
der Leinwand vernehmen könne. Lange blieb Dies vergebens. 
Endlich hört’ er flüflernde Stimmen aus jener Gegend, jedoch 
waren fie nicht Iaut genug, um von den Uebrigen vernommen 
zu werben, bie ſich nur mit ihrem Effen befchäftigten. Er harrte 
darum voll Ungeduld ihrer Entfernung, und als er ſich endlich 
allein ſah, trat er näher an das Bild und lauſchte mit verhal- 
tenem Athem. Deutlich unterfchieb er nun zwei Stimmen, und, 
wenn ihn nicht Alles trügte, fo gehörte die eine feiner Tochter. 
Die andere bäuchte ihm ebenfalls befannt, ohne daß er jedoch 
mit fich einig werden fonnte, wem er fie beilegen folle. Er hörte 
ganz vernehmlich, wie von einer Flucht die Rede war, die um 
Mitternacht bewerfftelligt werden follte, und zwar wolle man 
den Weg die Alb abwerts nehmen, um der etwaigen Berfols 
gung zu entgehen, falld das Vorhaben verrathen würde. 

Eberhard bohrte nun mit aller Borficht mit der Spige feines 
Schwertes, das er unter feinem Pilgergewande verborgen trug, 
eine Deffnung am Rande des Gemäldes. Wer befepreibt aber 
feine Ueberrafchung , ala er jet das anfloßende Gemach über- 


332 Albthal. 


ſehen konnte und in demſelben ſeine Tochter in den Armen 
eines Mannes in Rittertracht erblickte, der eben einen feurigen 
Kuß auf die Lippen des Mädchen drückte. Staunen und Wuth 
ließen ihn anfänglich zu keinem Entſchluße kommen, und bevor 
er ſich wieder gefaßt hatte, verließ der junge Mann das Ge⸗ 
mach. Eberhard entfernte ſich gleichfalls augenblickich, um ruhi⸗ 
ger über ſeinen Plan nachzuſinnen. 

Unweit von dem Kloſter erhebt ſich am Wege eine Maſſe 
gewaltiger Felſenklippen, der Falkenſtein genannt. Im 
Schatten diefer mächtigen Steinwand harrte der Graf von Ebers 
ftein mit Reifigen auf die Stunde der Mitternacht. Kaum war 
ber zwölfte Schlag auf der Klofteruhr verflungen,, da tönte 
Hufſchlag durch die Stille der Nacht, und gleich darauf famen 
zwei Reiter des Wegs daher gefprengt. Mit einem donnernden 
„Halt! warfen fih Eberhard und feine Gefährten ihnen ent= 
gegen. 

„Heiliger Gott! das ift meines Vaters Stimme!” rief 
Agnes — denn dieſe war eine der beiden Beritienen — 
ihrem Begleiter zu. Allein Diefer kehrte fi) wenig daran und 
drang wüthend auf die Anwefenden ein. Doch nad) einem kurzen 
Gefecht traf ihn ein jo gewaltiger Streich von Eberhards Schwerte, 
dag er taumelnd und biutend vom Roße fan. 

„Um’s Himmels Willen, was habt Ihr gethban? mein 
Bater?” — jammerte Die troftlofe Gräfin — „Ihr ermordet 
Den, der mich erretiet aus den Händen des ruchlofen Abtes!“ 

„Schweig ungerathene Dirne!“ — berrichte der Bater ihr 
zu — „Sprich, wenn bu gefragt wirft! Zuerft will ich ein 
Wort mit diefem, deinem fogenannten Befreier, reden. — Sprich, 
Schurfe, wer bift du, und was wollteft du mit meinem leicht- 
finnigen Kinde?“ 

„Sure Tochter if ſchuldlos;“ — flöhnte der Verwundete 
mit erflerbender Stimme. — „Ich fühle den Tod mir nahen 
und will feine Lüge mit hinüber nehmen in die Ewigfeit; darum 
hört mich gläubig an. Ich bin Johann von Hohenwart, 
der Abt des Klofters Herrenalb. Ihr habt mir einft den 
Bater gemorbet, mein Beſitzthum zerftört und mich zu einem 
freudelofen Leben im Klofter verdammt, das mir in innerfter 
Seele zuwider ift. Da ſchwur ich Euch grimmige Race. Ich 


Albthal. 333 


raubte Eure Tochter, um ſie Euch entehrt wieder zurückzu⸗ 
ſenden. Unter dieſer Verkleidung gelang es mir, ihr Herz in 
Liebe zu mir zu entflammen, doch ihre Reize waren fo mächtig, 
dag fie meinen Haß entwaffneten. Ich beichloß, mit ihr zu fliehen; 
vielleicht hätte ich in der Ferne ein ſtilles Glück an ihrer Seite 
gefunden und meinen Schwur dennoch dabei gehalten, da Ihr 
ja durch mich Euer theuerſtes Kleinod verloren. Agnes wußte 
nichts von meinem eigentlichen Vorhaben. Es ift mißlungen. 
Wohl mir, dag ich flerbe! Das Gold, womit mein Roß bes 
laden ift, gehört ind Klofter; es mag obngefähr den Werth 
deffen betragen, was das Klofter wiberrechtlih von meinen 
Stammgütern erhielt!” — Hier verließ ihn das Bewußtſeyn. 

Die Gräfin Agnes war während diefer Rede wie leblos zu 
Boden gefunfen. Zwiſchen Mitleid und Rachgier fchwantend, 
fland Graf Eberhard in tiefen Gedanken. Endlich befahl er den 
Knechten, von Baumäften eine Tragbahre zu fertigen und ben 
Verwundeten nad Eberflein zu bringen. Er ſelbſt nahm feine 
ohnmächtige Tochter vor ſich aufs Roß und eilte feiner Burg 
zu. — Bon dem Abte vernahm man nie mehr etwas im Kloſter, 
nur dag ein Unbekannter das von Jenem auf die Flucht mitge- 
nommene Gold zurüdbrachte; doch erzählt man, der Abt fey 
unter forglicher Pflege auf dem Schloß Eberftein genefen, babe 
bald darauf, von dem Grafen reihlih mit Geld und Waffen 
verjeben, unter fremdbem Namen das Kreuz genommen und fey 
in Paläftina in der Schlacht von Edeffa geblieben. Die Gräfin 
Agnes aber nahm den Schleier im Kloſter Frauenalb und farb 
in ber Blüthe ihrer Jahre. 


AH. Schreiber. 
(Vergl. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1834.) 


Fürſtenzell.“ 


Im dreizehnten Jahrhundert zogen aus Deutſchland zahl⸗ 
reiche Schaaren von Edlen und Reiſigen nach Oſtpreußen und 


*) Die Ruine Fürſtenzell liegt nicht weit von ber Stadt Ettlingen, heißt auch 
Burgftadel, und ift ferner dadurch befannt, daß im Jahre 1802 die Ueberrefte einer rö⸗ 
miſchen Villa und ein Neptunsbild ausgegraben wurden, 


334 Albthal. 


Lievland, um dort mit den teutſchen Rittern gegen die Un— 
gläubigen zu fechten. Einem ſolchen Zuge ſchloß ſich auch Kurt 
von Fürſtenzell an, deſſen Stammſchloß auf einem Hügel 
an der AlUb lag. Er ließ eine junge Gattin und zwei Töchter⸗ 
Yein im zarteften Alter zurück. 

Schon im erften Treffen warb er von den wilden Preußen 
gefangen und zu fehimpflichen Sflavenarbeiten verurtheilt, unter 
benen er über fünf Jahre fein Leben elend hinfchleppen mußte, 
bis endlich ein großer Sieg des chriftlichen Heeres ihm Gelegen- 
heit verfchaffte, zu feinen Glaubensbrüdern zu entfliehen. Aber 
jest erneuerte fih mit verboppelter Stärfe das Heimweh in 
feinem Herzen; er gedachte mit bangen Beforgniffen feiner 
ſchutzloſen Gattin und Kinder und beſchloß nun, fo eilig ale 
möglich nach Haufe zu kehren, weßhalb er ein Pilgergemand 
anlegte und ſich augenblicklich auf ven Weg machte. Nach vielen 
Gefahren und Meühfeligfeiten fah er endlich Das Land feiner 
Bäter wieder und war faum noch eine halbe Tagreife von feiner 
Burg entfernt, als er fpat am Abend ein Nonnenfiofter erreichte, 
wo er um Herberge anſprach. Er wurbe freundlich aufgenom⸗ 
men und gut bewirthet, worauf die Schaffnerin ein junges 
Dienftmädchen herbeirief und ihr befahl, den Pilger in bie 
Herberge zu führen, die nur einige Schritte vom Klofter ent- 
fernt lag. Bertha, fo hieß das Mädchen, war eine ſchmucke 
Dirne von ohngefähr achtzehn Jahren, und ſchien fehr über- 
raſcht, einen Pilgrim zu fehen, der aus fo fernen Landen Fam, 
und für das Kreuz geftritten. 

„Ihr kommt aus Preußen ?« — fragte fie auf dem Wege 
nad) der Herberge mit einer Stimme, die mehr ald gewöhnliche 
Neugier verrieth. 

„Ja, mein Kind.’ 

Ein Ach! entfchlüpfte bei diefer Antwort dem Buſen des 
holden Mädchens. 

„Du ſeufzeſt!“ — fagte der Pilger — ‚Daft du vielleicht 
einen Bruber oder Vater unter den teutfehen Schaaren, welche 
in jenes Land gezogen find ?“ 

„Mein, nein,” — erwieberte die Jungfrau — „aber ein 
Rittersmann aus unferer Gegend ift vor mehr als fünf Jah⸗ 
ren zu ben Schwertbrübern gegangen, und Niemand weiß, 


DM __— 


Albthal. 335 


ob er noch lebt oder feinen Tod unter den Heiden gefune 
den hat.“ 

„Wie beißt der Mann?’ — fragte haſtig der Pilgrim, 

„Kurt yon Fürftenzeli.” 

„Ich kenne den Ritter! Er ift bereits auf dem Heimwege 
zu den Seinen begriffen!“ — rief der Pilger. — „Aber weißt 
du auch von ihnen Beſcheid“ 

„Wohl weiß ich Beſcheid — ach, der arme Ritter !« 

„Am Gotteewillen, ſprich, verbehle mir nichts, auch das 
Schlimmſte nicht!“ 

Die Beiden waren gerade in dieſem Augenblick zur Herberge 
gelangt, vor welcher eine Bank ſtand. Das Mädchen drückte 
den zitternden Pilgrim ſanft auf dieſelbe nieder, ſetzte ſich neben 
ihn und ergriff ſeine Hand: „Ritter Kurt wird ſeine Burg in 
den Händen eines Räubers, Diethers von Malſch, und ſeine 
Gattin — im Grabe finden!“ — ſagte ſie nun, während Thrä⸗ 
nen über ihre Wangen ſtrömten. 

„Meine Gattin! Meine Burg! — Ach! und meine armen 
Kinder, wo mögen Die wohl ſeyn?“ — fchrie der Pilger auf: 
fpringend und die Hände ringend. 

„Spott! mein Bater! mein Vater!’ — rief das Mädchen, 
in feine Arme ftürgend — „ich bin Eure Irmentraut! — meine 
Schweſter ift dort im Kloſter!“ 

Nun erzählte Irmentraut, wie drei Jahre nach feinem Weg- 
gange ſich plöglich das Gerücht von feinem Tode verbreitet und 
Diether hierauf feine Anfprüche auf Fürftenzell,, al ein Manns⸗ 
leben, gegründet ; fie erzählte ferner, wie er ſich mit Gewalt 
des Schloſſes bemächtigt und ihre Mutter bei dunkler Nadıt 
mit ihren Kindern entflohen ; wie fie endlich eine Zuflucht in dem 
Kloſter gefunden, wo Frau Elsbeth bald darauf geftorben. „Die 
gute, fromme Aebtiffin” — feßte fie hinzu — "gab mir und 
der Schwefter,, unferer Sicherheit wegen, andere Namen , denn 
ed war vonder Hinterlift des Ritters von Malſch das Schlimmfte 
zu befürchten. Deine Herkunft um fo fiherer zu bergen, mußte 
ih fogar Magd des Klofters werden.“ 

„Meine Tochter eine Magd, eine Leibeigene?“ — rief 
der Pilger in wilbem Ingrimm. 

„Berubigt Euch, liebſter Bater! Man läßt mich nur ganz 


338 albtbal. 


raden Stange umgeformt, genau eben ſo lang, als der Thurm 


hoch iſt. 


Streit zwiſchen Ettlingen und Frauenalb. 


Als die Waldungen von Ettlingen noch bis Bärnbach reich⸗ 
ten, ließ die Bürgerſchaft nächſt der Abtei Frauenalb eine 
gemauerte Schweinſteige mit einem Ziegeldach erbauen. Dieſe 
Nachbarſchaft fiel den Kloſterleuten ſo beſchwerlich, daß ſie ſich 
erboten, die Steige auf ihre Koſten zu verſetzen, und, als die 
Ettlinger es abſchlugen, dieſelbe in der Nacht durch Feuer zer⸗ 
ſtörten. Kaum war dies in Ettlingen bekannt geworden, ſo rief 
der Stadtrath die Bürger zur Rache auf, ſtürmte an ihrer 
Spitze nach Frauenalb und gab das Kloſter den Flammen Preis. 
Ueber dieſe Greuelthat führte die Aebtiſſin perſonlich Klage beim 
Markgrafen von Baden, welcher darauf ſämmtliche Rathsherrn 
zum Tode, und die Bürgerfchaft Dazu verurtheilte: den ganzen 
MWaldhezirf von Bärnba bis zur Moosalb dem Klofter "abzu- 
treten, und den Thurm in ihrem Stadtwappen umzukehren, fo 
daß er darin auf der Spige ſtehe. Der Markgraf wohnte in 
eigener Perfon der Vollziehung biefes Urtheils in Ettlingen bei, 
und als elf Rathoherren (der zwölfte hatte ſich verſteckt,)) ent⸗ 
hauptet waren, frug er feinen Hofnarren, wie das Köpfen ihm 
gefalle? — „Wenn die Menfchen wie die Weidenbäume wieder 
ausichlügen , fo gefiel es mir nicht übel 5”) erwiederte der Narr 
nnd bewog durch dieſen Iaunigen Einfall den Markgrafen, den 
swölften Nathöherren zu begnadigen. Die Enthaupteten wurben 
auf ver Richtflätte begraben und auf Die eilf Gräber ebenfo 
viele Steine mit ausgehauenen Köpfen gefebt. In der Folge, 
ald der Platz in einen Weinberg umgewandelt worben war, 
verſetzte man dieſe Steine außen an die Mauer bei dem Gut⸗ 
leuthauſe, der lat behielt aber von ihnen den Namen „Kopf⸗ 
reben“ bis zum heutigen Tage. 





) Rach Anderen lautete die Antwort : „Ya, wenn es Krautköpfe wären, bie wieder 
auffchlagen, 


Gegend von Ettlingen. 339 


Das Nad von Malich. 


Dies Pfarrdorf ift merkwürdig, weil es eines der erflen 
war, die ſich in dem verberbliden Bauernfrieg empörten und 
mehrere Anführer der Bauern aus dieſem Ortewaren, die nach⸗ 
ber in dem Schloße Kiflau enthauptet wurden. Weil das Dorf 
ein Rad in feinem Wappen führt und die Anführer daſſelbe auf 
ihren Fahnen hatten, fo fol fich daher ber Ausdruck „Rädels⸗ 
führer“ fhreiben. *) 


(Siehe Shreibers: „Führer für Reifende durch das Großherzogthum Baden.“ 
Carlsruhe, 1828.) 


*) Daflelbe wird au von Bunpelsheim im Nedarthal erzähle. 


DD — - 


22* 


Karlsruhe 
und nädfte Umgegend. 


298-- 


Karls: Ruhe. 


on fühnen Kriegesthaten, verübt mit tapfrer Hand, 
Kehrt Markgraf Karl von Baden zurüd ins Heimathland. 


Dem Schloffe feiner Ahnen zu Durlach eilt er zu, 
Und bringt den Unterthanen des Friedens Glück und Ruf. 


Er will Die Stabt erweitern den Bürgern zum Gewinn, 
Do feine Plane feheitern an ihrem Eigenfinn. 


„Das fol euch bald gereuen!« Sprit Karl, erfüllt von 
Zorn 5 
Drauf ruft, ihn zu zerfireuen, zum Wald des Jägers Horn. 


Und wie er, um zu fechten fonft zog in's Schlacdhtgebraug, 
Ritt jetzt mit Heren und Knechten er frifch zur Jagd hinaus. 


Des Hüfthornd Töne ſchallen im Hardtwald und Gefild, 
Die Büchſen luſtig Inallen und flöhnend fält das Wild. _ 


Doch von dem Jagdgetümmel verirrt fih Karl allein, 
Und unter freiem Himmel im Walde fehläft er ein. 


Umrauſcht von dichten Bäumen, allein mit feinem Pferd’, 
Ruht er in fügen Träumen auf weichbemongter Erd’. 


Karlsruhe und Umgebung. 341 


Er träumt von tapfern Degen, von Sieg nach ſchwerem 
Streit, 
Es füllt des Volkes Segen ſein Herz mit Seligkeit. 


Hoch über dunklen Eichen erblickt er eine Kron', 
Dran glänzt mit Sternenzeichen: „Das iſt des Edeln Lohn!“ 


Und rings um die Juwelen, die an der Krone glühn 
Kann er die Strahlen zählen, die von dem Himmel ſprühn. 


Und wie die Strahlen gehen, ſo glaubt er lichtbekränzt 
Die ſchönſte Stadt zu ſehen, da wo die Krone glänzt. 


Er will die Kron’ erreichen, doch plöglich er erwacht, 
Da fhimmert durch die Eichen die helle Sternennadt. 


Und wie ob dem Geſichte der Markgraf fich erfreut, 
Sieht er im Mondenlichte den Sattelfnecht zur Seit’. *) 


„Hal“ fpricht zu dem-Getreuen der Fürft nun wohlgemuth, 
„Ich habe hier im Freien gar wonniglich gerubt. 


„Ich will auf diefem Raume mir eine Stadt erbau’n 
Und bier, beim flillen Baume fol man mein Grabmal fchau’n.” 


Der Traum der’Sternenfrone war gar ein fchöner Traum — 


Zu Karlsruh', wo ich wohne, da fand der Eichenbaum. 
Marimilian Sachs. 


— — — — — 


Die Gründung von Karlsruhe. 


Verirrt auf Waidmannd-Pfaden 
Bar Markgraf Karl von Baden 
In grüner Waldesnacht; 

Wohl hatt' er manche Stunde 
Im Hardtwald ſchon die Runde, 
Doch kargen Fang gemacht. 


*) Des Markgrafen Sattelknecht, Namens Aberle, rettete ihm das Leben in ber 
Schlacht bei Höchſtädt und erbeutete eine Fahne den 13. Auguft 1704. 





342 


Karlsruhe und Umgebung. 


So ward ber Tag gejchieden, 
Und heil'ger Abendfrieden 
Umweht ihn wonnefam ; 

Da fett er fi) ermattet, 
Dom Eichenzelt umfchattet, 
Auf einen morfchen Stamm. 


Still ward's im Hain allmälig; 
Das Lied, das hundertfehlig 
Noch jüngft das Laub durchſcholl, 
Erſtarb in fanften Lauten, 
Und durch Die Wolfen fchauten, 
Die Sterne ſehnſuchtsvoll. 


Und wie der Marfgraf ruhte, 
Ward ihm fo wohl zu Muthe; 
Ihm fehlen, daß unfichtbar 


- Ein Engel ihn umkreiſte 


Und flüftert ihm im Geifte 
Die Worte himmelflar: 


„Dier, wo .erhabne Eichen 
Die Rieſenhand ſich reichen, 
Und traulich aus den Höh’n 
Dir Grüß’ entgegen raufchen, 
Im Grafe Beilchen Taufchen, 
Hier ruht ſichs gut und fchön. 


„Hier muß Die Zwietracht ſchweigen, 
Hier, wo auf allen Zweigen 
Ein fel’ger Friede ruht; 
Vom Sang der Nadhıtigallen 
Die Wipfel widerhallen, 
Hier ruht ſichs füß und gut. 


„sm bunten Hofgewühle 
Sitzt Sorg’_ auf weichem Pfühle, 
Langweil' im Gallakleid; 





Karlsruhe und Imgebung. 343 


Verdruß iſt Kellermeifter, 
Der Mundkoch, Eckel heißt er, 
Miſcht Gift zur Süßigkeit. 


„Auf alle deine Reden, 
Auf deiner Blicke jeden 
Lauſcht Neid und Ehrgeiz dort; 
Geſchminkt ſind Herz und Wangen, 
Die Glieder hält gefangen 
Der Mode Herrſcherwort. 


„Doch hier im Hain, dem kühlen, 
Darf noch das Herz ſich fühlen, 
Da darf noch ſonder Zwang 
Um ſich das Auge ſchauen; — 
Hier ſollſt du Hütten bauen 
Und wohnen lebenslang! 


„Wenn draußen Stürme raſen, 
Palaͤſte niederblaſen, 
Sey hier der Ruhe Port; 
Denn Treue ſoll hier wohnen 
Und Fürſtenweisheit thronen 
Feſt wie die Eichen dort!“ — 


So klang's dem Herzerquickten, 
Die teutſchen Eichen nickten 
Den Worten Beifall zu; 
Und mit vergnügten Sinnen 
Gieng Markgraf Karl von hinnen, 
Im Buſen Gottesruh'. 


Und ſiehe, um ein Kleines 
Ward's laut im Schooß des Haines 
Von Axt und Hammerſchlag, 

Von Meiſtern und von Knechten; 
Bald ſtieg aus Waldesnächten 
Ein ſtattlich Schloß zu Tag. 


344 Karlsruhe und Umgebung. 


Und wieder um ein Kleines 
Ward's heil im Schooß des Haines, 
Und Karlsruh' heißt die Stabt, 
Die fchnell begann zu blühen, 

Wo nah des Waidwerfs Mühen 
Der Fürft geraftet hat. *) 


Eduard Brauer. 


*) Das Nähere über die Gründungsgefchichte der Stadt ift zu 
befannt, um es hier noch einmal anzuführen, ein trefflicher Aufſatz 
Darüber findet ſich in Joſ. Bader's „Badenia- Band Seitel u. ff. 
Nur foviel fey Hier bemerkt: 

Markgraf Karl Wilhelm von Baden⸗Durlach, ein tapferer und 
päterlich herrſchender Fürft, aber durch feinen feurigen Geiſt zu feltfamen 
Privatlaunen verleitet, gründete im Jahr 1715 Karlsruhe an der 
Stelle des Hardimaldes (Lußhardts), wo er auf der Jagd verirrt, auf 
einem Baumſtamme geruht hatte. Während des Schlummers fol der 
Gedanke, dort im Herzen des Waldes einen abgeſchiedenen, ſtillen 
Rubefitz zu fchaffen, in feiner Seele gereift feyn. Karls Ruhe 
nannte er den Drt, der anfangs nur ein Sommerfiß feyn follte, bald 
aber durch die -wachiente Zahl der nachbauenden Anfiedler zu einer 
Stadt und zur bleibenden Refidenz wurde. 

Die frühere Infchrift am Schloffe Tautete alſo: 

„Anno 1715 war ich ein Wald, der wilten Thiere Aufenthalt. 
Ein Liebhaber der Ruhe wollte hier in der Stille die Zeit vertreiben 
in Betrachtung der Ereatur, die Eitelkeit verachtend‘, den Schöpfer 
recht verehren. Allein das Bolt kam auch herbei und baute, was bu 
hier ſieheft. Alſo keine Ruhe, fo lange die Sonne glänzet, als allein 
in Gott zu finden, welche du, wann bu nur willt, auch mitten in der 
Welt genießen kannſt. Anno 1828." 

Bri der Grundfteinlegung wurde ber Hausorden der Treue 
geftiftet. 

Die Wahl diefes Platzes zur Anlegung einer Stadt ift ſchon 
oft Gegenſtand herben Tadels geworden. Allerdings iſt die Lage der 
Stadt, ziemlich fern von Berg und Gewäſſer, Feine befonders gün« 
fige, doch if fie gefund und nicht fo troftlos, als fie oft hinge- 
ſtellt wird; gewährt Doch die Gegend gegen Ettlingen zu einen rerht 
freundlichen Sernblid und die Nähe des urfchönen Harbtwuldes Er 
fa für manden andern Mangel. Schöne Spaziergänge umgeben 
jegt die Stadt beinahe auf allen Seiten, und die allgewaltige Zau⸗ 
berin unferer Tage, die Dampffraft, hat Berg und Gewäfler gleichfam 
herangerüdt. 


Die Vergrößerung des Badiſchen Landes hat märhtig auf Karle- 


= 


Karlsruhe und Imgebung. 345 


ruhe zurückgewirkt. Zu Anfang diefes Jahrhunderts zählte die Stadt 
nur 7000 bis 8000, jetzt enthält fie ſchon über 24,000 Einwohner. 


(Siehe Ed, Brauer’& „Sagen und Oefgichten der Stadt Baden 20,” — Bergl. 
Kolb'is „Leriton von Baden.“ Bd. II. S.118, — Behres, Heine Chronik 
von Durlad, ©. 136. — Bader, „Babifche Landes geſchichte.“ S. 534.) 


Die weiſte Frau. 


Eine ſolche, (naͤmlich der Geiſt der mit dem Hauſe Baden 
verwandten Bertha von Roſenberg) geht nach der Volks⸗ 
ſage auch im hieſigen Reſidenzſchloſſe um. Ihr Erſcheinen ſoll 
immer den bevorſtehenden Hintritt eines Gliedes aus der an⸗ 
geſippten fürſtlichen Familie bedeuten. Ausführlicheres darüber 
haben wir bereits unter den Sagen vom alten Schloſſe zu 
Baden (Siehe S. 267 u. ff.) mitgetheilt. 


Kunde von Senfeits. 


Bu Karlsruh' hart am Sterben Yag 
Ein Doctor der Philofophie; 
Ein Freigeift aU fein Lebenstag, 
Glaubt’ an Unfterbfichfeit er nie; 
Dod jest, da ihn mit bangem Schlag 
Sein Herz den nahen Tod Tieß ahnen, 
Begann's dem Alten doch zu fehwanen, 
Daß nicht die Seele, wie ein Rauch, 
Berfliege mit dem letzten Hauch; 
Daß es doch müß’ ein Jenſeits geben, 
Wo fie, um Rechnung abzulegen 
Bon ihrem ganzen Erdenfeben, 
Schweb' einem Richterſtuhl entgegen. — 


Da rief er feinen Sohn zu fi) 
Und ſprach: „Mein Kind, o höre mich! 
Dumpfpröhnend fchüttern mich Gedanken, 
Jetzt, wo ſich aus des Körpers Schranfen 
Mein ruhlos zweiflerifcher Geift 
Im herben Todesfampfe reißt. 


6 


Karlsruhe und Umgebung. 


Wohl ift ein Himmel überm Grabe, 
Den ich bisher geleugnet habe, 

Wohl gibt es einer Hölle Schacht, 
Worüber ich bisher gelacht — 

Mein Sohn, mein Sohn! wenn du no laben 
Mich willft in dieſer ſchweren Stunde, 
So ſchwöre mir: fobald begraben 
Dein Bater ruht im fühlen Grunde, 
Gleich in der nächſten Mitternacht 

Zur Pyramide hinzugehn 

Dort auf dem Markt, und mit Bedacht 
Und fcharfem Blid darauf zu fehn, 

Ob nicht mein Geift Dir Dort erfcheine, 
Sn welcherlei Geftalt es fey. 

Erblidft du ihn, fo waren meine 
Berfechtungsfünfte, daß es Feine 
Fortdauer für die Seele gebe, 

Nur hohle Selbftbetrügerei, 
Mirrphilofophifh Hirngewebe ; 

Doc fiehft du nichts, Dann glaube frei: 
Daß Alles mit dem Tod vorbei.” — 


Der Sohn gelobt’3 und ald den Sarg 
Des Baters fchon der Friedhof barg, 
Hält in der nädften Mitternacht 
Er bei der Pyramide Wacht; 
Auf einmal fieht, auf deren Gattern 
Er eine ſchwarze Taube flattern, 
Die ruft — er hört's mit Angft und Beben —: 
„Wohl gibts, mein Sohn, ein höh’res Leben, 
Wenn unfer irdifch Auge bricht! 
Laß' nicht vom Wahn dich mehr ummeben, 
Daß droben nicht ein fireng Gericht 
Einft über ung das Urtheil ſpricht; 
Bekehre Dich, noch ift es Zeit 
Zum Glauben an Unfterblichkeit !” — 


Entflattert ift die fchwarze Taube — 
Der Sohn wirft nieder fih im Staube 


Karlsruhe und Umgebung. 347 


Ind fleht inbrünftig himmelan. 
Da füllt fein Herz ein füßer Friede; 
Heim fehrt er von der Pyramide, 
Und unerfchütterlicher Glaube 
Lenkt ihn fortan zur Himmelsbahn. *) 
A. Schale. 


*) Ein ähnliches Geifterabenteuer fol Hebel’n von Seiten feines 
verftorbenen Freundes Hofrath Böckmann begegnet feyn. 


Die Hexenwäſche. 


In Karlsruhe war einſt eine Magd, die, wenn ſie Nachts 
waſchen mußte, von Niemanden ſich dabei helfen ließ, dennoch 
aber am Morgen allemal mit der ganzen Wäſche ſchon fertig 
war. Ihrer Herrſchaft kam dies ſo bedenklich vor, daß ſie 
einem Bedienten den Auftrag gab, bei nächſter Gelegenheit die 
Magd ſcharf zu beobachten. Er that es und ſah in der Waſch⸗ 
küche eine Menge Katzen um den Zuber auf den Hinterbeinen 
ſtehen und emſig waſchen, während die Magd nur das Feuer 
unterhielt und öfters zu einer ſchwarzen Katze, Der größten von 
allen fagte: „Mohrle, nur fauber!” Nachdem der Bediente 
feinen Herrn hberbeigeholt und Beide eine Weile unbemerft zu- 
geſehen hatten, begaben fie fich wieder zu Bette. Am Morgen 
bing, wie jedesmal, ſämmtliche Wäſche blendend weiß auf Dem 
Zrodenfeil; aber als noch am felben Tag die Magb ihren Ab- 
jchied erhalten und, ohne nach der Urfache zu fragen, das Haus 
verlaffen hatte, fand man die Wäfche wieder fo ſchmutzig, ale 
ob fie gar micht gewafchen worden wäre. 

Bon dieſer Gefchichte rührt die in Karlsruhe noch übliche 
Ermahnungsweife her: „Mohrle, nur fauber !“ 


(Rad mündliher Neberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
mAnzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrg. 1839.) 


Gar! Zriedrich im Jahre 1806. 


Es klingt wie Trauerläuten 
Am Rhein ein dumpfer Schall, 








348 


Karlsruhe und Umgebung. 


Was mag der Ruf bedeuten? 
Welch hohen Hauptes Fall? 


Es geht ein Greis zu Grabe, 
Verwaiſt und jammerbleich, 
Am tauſendjähr'gen Stabe: 
Das heilge Röm'ſche Reich. — 


Karl Friedrich ſaß, der Weiſe, 
Auf hohem Fürſtenthron, 
Als vom Gebirge leiſe 
Erklang der Trauerton. 


Sein Land war groß geworden, 
Ein langes, breites Band 
Von Süden bis zu Norden, 
Das ſchöne Badnerland. 


„Nun brach der letzte Schemen 
Der Kaiſermacht entzwei, 
Das Scepter laßt uns nehmen, 
Und herrſchen froh und frei!“ 


So ſprachen ſonder Zagen 
Viel Fürſten anderwerts, 
Doch leiſes tiefes Klagen 
Durchſchnitt Karl Friedrich's Herz. 


Die Botſchaft, daß ſein Erbe, 
Vergrößert wiederum, 
Noch höhern Glanz erwerbe, — 
Empfing er ernſt und ſtumm. 


Auf's Angeſicht, das hehre, 
Floß Wehmuthsthau herab, — 
Die einzige Fürſtenzähre 
Auf teutſchen Reiches Grab. 


Eduard Brauer. 


— — ——— — — 


Karlsrube und Umgebung. 349 
Die hohe Ruhe. 


Bon Karlsruhe zieht eine fehnurgerade Landſtraße nad 
dem eine halbe Stunde entfernten Mühlburg. Auf diefem 
Wege ging, vor ungefähr 20 Jahren, Abende, als es ſchon 
dunfel war, eine Mühlburger Frau, um Milch nah Karlsruhe 
zu bringen. Als fie an die fteinerne Bank fam, welde, auf. 
einer Heinen Erhöhung, am Saum des Hardtwaldes fleht und 
die „bohe Ruhe” heißt, fah fie drei Männer darauf figen, die 
im Mondfchein Karte fpielten. Einer derfelben rief ihr zu, fie 
möge ihm aus ihrer Tabakspfeife (7) Feuer geben, was fie 
auch that, und dann weiter ging, fich über die feltfame Spiels 
gefellfchaft verwundernd. Auf einmal merkte fie, daß fie von 
der geraden Straße, die fie ſchon unzähligemal bei Tag und 
Nacht gelommen, abgelommen, und tief in den Hardtwald ge 
rathen war. Obgleich darin wohlbefannt, wußte fie doch Died» 
mal weder aus noch ein, und mußte viele Stunden umberirren, 
bis fie, Nachts um zwei Uhr, am Walde auf dem großen 
Uebungsplatz heraus fam, wo fie endlich fich zurecht fand. 

. (S. Mone's „Anzeiger für Kunde ver teutſchen Vorzeit.“ 1835. 3, Jahrg.) 


Gottesaue. 


Tief in des Hardtwalds Nachtgefild, 
Von Schweigen rings umſchloſſen, 
Stand einſt ein Muttergottesbild 

In jungen Blüthenſproſſen; 
Weit floh des ſcheuen Wildes Spur 
Von der geweihten Stelle, 
Der Murmelquelle. Rauſchen nur 
Umflüftert die Kapelle. 


Und weit vom frommen Bolf verehrt 
In feines Haines Stille, 
Es Yeife waltend ſich verklärt 
In hoher Wunderfüle. 
In feiner Tannen dichter Nacht 
Wo jedes Tofen ſchwindet, 





Karlsrube und Umgebung. 


Verborgner Mächte heil'ge Macht 
Sich fiegender verkündet. 


Nur Berthold, nur der ſtolze Graf 
Bon Henneberg verfchmähte 

Den frommen Wahn, und höhnend traf 

Sein Spott, wen im @ebete 

Er nahen fah dem Heiligthum, 

Erhörung dort zu finden; 

Berachtung für der Gottheit Ruhm 

Sollt' feinen Ruhm begründen. 


Dft donnert mit dem Jagdgemühl 
Er durch des Waldes Mitte, 
Der wilde Schwarm hat kein Gefühl 
Für frommer Ehrfurcht Sitte. 
Er flürmt dahin, der Morbfucht Gluth 
Im Morde zu erfüllen, 
In des ergrimmten Ebers Blut 
Die eigne Wuth zu ſtillen. 


Erwünſcht ihm einft die Botſchaft war, 
Daß zu des Volkes Sraufen 
Auf's New’ der rauhen Wölfe Schaar 
Im Sorfte folle haufen; 
Schon tönt von feiner Zinnen Rand 
Sein Horn mit Schmetterfchalle, 
Bald vor der Veſte Thoren fand 
Er feine Mannen alle. 


„Hinaus zum Wald, der Morgen ruft, 
Die hellen Hörner klingen, 
Es lebt im Haine, Thal und Kluft, 
Die jungen Falken ſchwingen 
Der Flügel prüfende Gewalt, 
Dott naht der Felfenquelfe 
Das fcheue Reh’ vom dunklen Wald, 
Es naht der Hirſch, der fchnelfe !“ 








Karlsrube und Umgebung, 351- 


Und in den tiefften Forſt hinein 
Drang mit des Sturmes Flügeln 
Die wilde Schaar der Jäger ein 
Und Donnert von den Hügeln; 
Doch der Vernichtung blut’ge Spur 
Iſt Alles, was fie finden, 

Der graufe Anblid kann fie nur 
Zu neuer Gier entzünden. 


Dort fhimmerte, vom Blute roth, 
Der moos'ge Stamm der Eiche; 
Hier melften, wie berührt vom Tod 
Die trauernden Gefträuche; 

Hier flattert fhaurig das Gewand 
Bon einem zarten Knaben, 

Den Wölfe feiner Mutter Hand 
Noch jüngft entriffen haben. 


Und mit dem Durft der eignen Bruſt 
Entflammt der Graf die Seinen; 
Doch fruchtlos tobt die Fägerluft, 
Noch will fein Feind erfcheinen. 
Am fpäten Abend wenden fie 
Sich endlich zu der Rückkehr, 
Ergrimmt, daß ihnen nicht verlieh’ 
Der Gott der Jagd ein Glück mehr. 


Und Yangfam zog auf rauber Dahn 
Mit fchmerzlihem Gefühle 
Der Graf den Neifigen voran, 
Noch fern vom Heimathziele; 
Schon rauſcht im Dämmerflor erwacht 
Der Eulen Grabgefieder; 
Stil Teuchtete der Stern der Nacht 
Vom hohen Schwarzwald nieder. 


Sieh, da erglänzt fo mild und bleich, 
Mit zweifelhafter Helle, 
Fernher durchs dichte Waldgefträuch 
Das Licht aus der Kapelle. 


352 


Karlsruhe und Umgebung. 


Sp winkt im Sturm der Erdenwelt 
Des Himmels Friedenshafen ;z 

Doch wilder noch, vom Zorn gefchwellt, 
Erglüht die Bruft des Grafen. 


„Ha!“ — rief er — „Schmach dem eitlen Wahn!“ 
Und feine Augen blitzen — 
„Ihr betet falfhe Mächte an, 
Seht jet, ob fie euch ſchützen! 
Seht, ob das Bild, das ihr verehrt, 
Wohl euer Leiden raͤche, 
Wenn nicht mein gutes Heldenfchwert 
Erfegt des Gottes Schwäche !” 


Wild jagt er feiner Schaar voran, 
Fliegt mit entflammten Blide 
Den Hügel feiner Burg hinan, | , 
Dumpf donnerte die Brüde, 
Da naht Luitgarde todtenbleidh 
Kaum fähig fih zu regen: 
„Bringt ihre das Kind 2“ — ruft geifterbleich 
Dem Gatten fie entgegen. 


Und ſchaudernd jegt der Vater hört 
Aus ihrem blaffen Munde, 
Allmälich ſchrecklicher erklärt, 
Die grauenvolle Kunde: 
Daß heute früh fein Toöchterlein, 
Die Tieblihe Mechtilde, 
Verloren babe ſich hinein 
Tief in des Forſtes Wilde. 


„Schon haben Knechte weit und breit” — 
Sprit fi, — „den Wald durdflogen, 
Doch war das meilte Jagdgeleit 
Mit dir ſchon ausgezogen. 

D Gott der Gnade, Gott der Huld! 
Du Vater voll Erbarmen! 

Riß etwa meiner Sünden Schuld 
Das Kind aus meinen Armen? 


Karlsruhe unp Umgebung. 858 


„Iſt doch zue Jungfrau, beiß und rein, 
Stets mein Gebet erflungen. 
Hab’ ich Doch nie der Gnaden Schrein 
Entweiht durch Läfterungen; 
Und wenn auh — ftraft der Höchſte blind 
Die Unſchuld für Verbrechen? 
Mein Kind, mein Tiebes armes Kind! 
Was war an dir zu rächen?“ — 


Tief traf fie Bertholds Herz; wis Brand 
Fühlt Neue drin er toben: 
„Ja, ich erfenne deine Hand, 
Du Richtender dort oben! 
Schmerzvolle Mutter, harre mein! 
Beug dih am Throne nieder 
Der ew’gen Gnade, denn allein | 
Kehr' ich dir nimmer wieder !” | 


Und wieder flürmt er alfobald 
Mit feinen Jagdgenoffen 
Den Weg zurüd, tief in den Wald, 
Auf futterfrifhen Roſſen; 
Ein Jeder fucht auf eigner Bahn 
Des Kindes Spur zu finden, 
Doch Jeder fieht als eitlen Wahn 
Den Strahl der Hoffnung fhwinden. 


Und plöglich fieht der Graf allein 

Sih in des Forſtes Raume, 

Bleich glänzt herein der Sterne Schein 
Bom dunflen Wolkenſaume; 

Nichts hört der Graf, als ahndungsvoll 
Der Nachtgeſang der Eulen, 

Horch, und von ferne ſchaurig ſchwoll 
Der gier'gen Wölfe Heulen! 


. Bald bier, bald dort, wie Grabgeſang 
Aus Schwarzer Nebel Schleier, 
Und näher, immer näher drang 

Der Ruf der Ungeheuer. 
II. 23 





354 


Karlsrupe und Umgebung. 


Und neugeflachelt von der Wuth 
Und der Verzweiflung Grimme, 
Folgt Berthold mit der Rache Gluth 
Der graufen Würgerfiimme. 


Mit feinem Schwert haut er fich jach 
Bahn durch's Geftrüpp, bis helle 
Auf Einmal aus dem Dunkel brach, 
Das Lichtlein der Kapelle; 


- Er eilt dahin, gefchwind, gefchwind, 


Sein Herz vol Neu’ und Buße, 
Und fieh, da ſchlaͤft fein theures Kind 
An des Altares Fuße! 


Still lag's wie in ber Liebe Schooß, 
In goldner Strablenhelle, 
Sanfthüllend ſchlang ſich weiches Moos 
Um ſeine Schlummerſtelle. 

Mit ihm ſchien des Erlöſers Bild 
Der Unſchuld Ruh zu theilen, 
Der Gnadenmutter Blick ſo mild 


Auf ſeiner Stirn zu weilen. 


Und Berthold faßt die Wonne kaum 
Kaum traut er ſeinen Sinnen, 
Ihm bangt, es möchte wie ein Traum 
Das Bild vor ihm zerrinnen; 
Er drüdt das Kind an’s Vaterherz; 
Nein, 's ift Fein leeres Wähnen | 
Zum erfienmale fchmilzt fein Herz 
In heißer Andacht Thränen. 


. Zu dem Madonnabild empor 

Hebt betend er die Kleine, 

Und feiner Seele Nebelflor 

Weicht vor dem Himmelgfcheine: 

„O Mutter Gottes, fieh mit Huld 
Den Sünder vor dir fnieen, 

Iſt's möglich noch, fo ſey die Schuld, 
Die ſchwere, mir verziehen | 





Karlörupe und Umgebung. 355 


„Hier, wo in beinem Gnabenfchrein 
Mein theures Kind ich fehaue, 
Hier weht der Unſchuld Friebenshain, 
Sa, bier it Gottes Aue! 
Die fpäte Nachwelt noch foll -hier 
Ein Gnadendenkmal fchauen, 
Drum will ich einen Tempel dir 
Auf diefer Stelle bauen. 


„Bier, wo gefchirmt die Unſchuld fehlief 
Bon Gottes Friedenhafen, 
Hier will ich, wenn er mich berief, 
Im flilen Grunde fchlafen. 
Der Namen Gottesaue fol 
Den neuen Tempel frönen, 
Und unerfchöpfter Andacht Zoll 
Daraus zum Himmel tönen!" 

Triedrich von Maltiz 


Die Art, wie hier die Gründung des Kloſters erzählt wird, ent- 
fpricht einer mündlichen Heberlieferung, und zwar in ber Weife, daß 
man den Namen Gottesaue ald Gottes Auge, das über dem Kinbe 
wachte, erflärt wird; eine Auslegung, welche den Klang bes Iateini- 
firten Namens Godisaugia, Augia dei, nicht aber die richtige Ablei⸗ 
tung für fih hat. 

7 (Vergl. Ed. Brauer’s „Sagen von Baden.“ ©, 183,) 


Die Geitter zu Gottesau. 


Zu Gotts au hört man oft in nächt’ger Stunde 
Die Mönche Hopfen in des Keller Grunde. 


Es pocht und ſchallt, als fchafften ohne Ruh 
Biel Küfer an den Fäffern ab und zu. 


Und oben in des Schloffes Hallengang, 
Da raufcht und fchlurft ed dann fo Dumpf und bang; 


Da geht umher ein Feines weißes Weibchen, 
Den Schlüffelbund am fehwarsgeftreiften Leibchen. 
23 * 





336 Rarlsrupeund Umgebung. 


Ihr folgt ein ſchwarzer Pudel immerdar, 
Und rollt ein glühend Yeueraugenpaar. 


Wohin fie gehn hat Niemand noch gefehn, 
Denn fie verwehn, follen fie Rede ftehn. 


Und oben in dem Kleinen Gartenzimmer, 
Siät oft ein bleicher Mönch im Mondenfchimmer. 


Wehmüthig grüßt er Jeden, der ihm naht, 
Fortweiſend ihn mit ſtummer Winfe Rath. 


Weh dem, der ſich erfrecht, die Spuckgeſtalten 
Durch Zuruf oder Drohung aufzuhalten! 


Dafür auch büßte der Nachtwächter fcharf, 
Der feinen Spieß nach jenem Pudel warf. - 


Ein Höllenfchmerz durchfuhr ihm Mark und Bein, 
In Ohnmacht fiel er auf den Falten Stein. 


Da fand man ihn am Morgen halber tobt, 
Ext rät genas er noch mit knapper Noth. 
A. Schile. 


(Vergl. Mpne's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1834. ©. 258.) 


Die Kirche von Hagsfelden. 


Außerhalb dem Dorfe Hagsfelden fland vor Zeiten 
eine Kapelle, welrke zum Kloſter Gottesau gehörte und mit dem- 
felben durch einen unterirdifchen Gang zufammenhing. Als fpäter, 
nach Aufhobung des Kloſters, die Gemeinde eine größere Kirche 
bedurfte, riß man bie Kapelle ab und fdhaffte das noch gute 
Holzwerf ins. Dorf auf die Stelle, wo die neue Kirche gebaut 
werden follte. In der folgenden Nacht aber wurde all Dies Holz 
durch eine geheimnißvolle Macht wieder auf den Plab der Ras 
pelle zurückgebracht, und eben dieß geſchah in der zweiten Nacht, 
nachdem dag Holz wieder an ven Ort 'geführt worden war. Zum 
drittenmal fohaffte man nun das Holz auf die für Die Kirche 
beftimmte Stelle und ein Zimmermann hielt dabei in der nächften 
Naht Wache. Trog deſſen war am Morgen darauf Das Holz 


Karlsruhe und Umgebung. 357 


wieder auf der Stätte, wo bie Kapelle geweſen; der Zimmer 
mann aber lag tobt neben daran. Hieburch endlich belehrt, er- 
baute man bie Kirche auf Diefem Plage, wo fie noch heutigen - 
Tages fleht. 

(Vergl. Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 


Die befchirmten Kronen, 


Am Früuhjahr 1838 braden Nachts in die Kapelle, die 
zwifchen Bulach und Scheibenhard am Weg ſteht, Diebe ein. 
Sie nahmen alled, was Werth hatte, mit fort, ausgenommen 
die Kronen des Jeſuskindleins und der Muttergettes, welche 
Kleinodien fie, durch ein Wunder, im Kirchlein zurüdlafien 


mußten. 
(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde ver teutfchen Vorzeit,” Jahrg. 1839. 


Hippur. 


Liebes Kirchlein an ber Straßen, 
Wer dich einfam hier erbaut, 
Hat in Sehnfucht ohne Maßen, 
Hat, gleich mir, hinausgeſchaut. ) 


. Nach den Bergen, nad dem düftern 
Schauerlichen Waldesgrün; 
Wo die Hohen Bäume flüfern, 
Wo die tiefen Schatten ziehn, 


In die ahnungsvollen Weiten, 
In ein unbekanntes Land, 
Wo die Nebelgeifter reiten, 
Auf ber alten Berge Fand. 


Kommſt fo fröhlich hergezogen, 
Bächlein, lieber Felfenfoht ! 
Rinnet Tangfam fort, ihr Wogen, 
Rauſchet mit gebämpfterm Ton; 


358 Karlsruhe und Imgebung. 


Denn der alte Riefe breitet 
Mächtig feine Arme aus, 
Und ihr, eilet und ihr gleitet, 
Um zu flerben, in fein Haus. 


Schauſt aud) du herab vom Hügel, 
Grauer, hoher Rittersmann ? 
Thurm, wer löſt Das Geifterfiegel, 
Wer den taufendjähr’gen Bann? — 


Kirchlein! aus der Lieben Mitte, 
Ohne Raft und ohne Ruh 
Lenken täglich meine Schritte 
Durch die Etoppeln dir fich zu. 


Kirchlein, einfam an der Straßen ! 
Wer dich hier einft aufgebaut; 
Liebend Hat er ohne Maßen 


Zu den Bergen aufgefchaut. 
Mar v, Schentendorf. 


Die Wallfahrtskirche von Vickesheim. 


Diefe Kirche iſt uralt; davon zeugt ein Glöcklein auf dem 
Thurm; auf ihr ift in lombardiſchen Schriftzeichen die Jahrzahl 
918 eingegraben. Demnach ift diefe Glocke wahrfcheinlich eine 
der älteften in Teutichland und ſchon damals aus Wälfchland 
gebracht worden, vielleicht auf Beranlaffung der heiligen Med» 
tildis, Gemahlin Kaiſers Heinrich J., die um dieſe Zeit 
lebte und viele Kirchen und Klöfter geftiftet hat. Bon nun an war 
die Umgebung dieſes Kirchleind eine Freiftätte, die ſich weit 
hinaus erftredite. Wie wohl mag es oft manchem Unglücklichen 
gewefen feyn, wenn er, auf der Flucht vor feinen Verfolgern, 
ben Klang des der Mutter Gottes geweihten Glockleins vernahm, 
das ihm Sicherheit und Ruhe verhieg! Iſt's doch auch ſchon 
Lange her, daß es ind Brautbett Täutete dem ritterlihen Mark⸗ 
grafen Rudolf und feiner geliebten Runigunde! Denn noch 
fiebt man die Badiſchen Wappen mit der Eberfteinifchen 
Roſe auf den alten Säulen und Tenftern der Kirche, und an 


Karlsruhe und Umgebung. 359 


dem Marienbild hängt eine uralte Münze, worauf ein chrifls 
Yiches Brautpaar abgebildet ift, mit einer gothifchen Juſchrift, 
die zu teutſch lautet: 

„Es knüpfte der Jungfrau erſehnete Hand 

Des heiligen Bündnißes freundliches Band.“ 

Man deutet dies auf Markgraf Rudolf J., der mit Kuni⸗ 
gunde von Eberftein ſich vermählte, wodurch die nachbarlichen 
Häufer Baden und Eberftein ſich aufs Innigfte verbanden, — 
Auch das gegen den Rhein bin gelegene Dorf Forchheim, 
Filial von der Pfarrei Mörſch, war vor Alters ein berühm- 
ter Drt der Gegend, wo die alten Grafen des Albgau's ihre 
Malle oder Landgerichte hielten. 

2.9.8. 





De &> 





Durlacher Sagen. 


Durlachs Namensurſprung. 


(Mündliche Ueberlieferung.) 


Auf dem Plage, wo jetzt Durlach fteht, gieng es vor 
Zeiten Durch eine Rache, und daher befam ber Ort, welchen 
man dort erbaute, den Namen „durch d' Tach,” woraus 
mit der Zeit „Durlach“ wurde.) 

*) Die größte Wahrfiheintichkeit für fi hat die Ableitung vom 
römifchen Wartthurm Lturris ad lacum) welcher, als die Ebene größten- 


theils noch einen See bildete, auf dem Hügel oberhalb Durlach ge⸗ 
fanden haben foll. 


468 " Durladı 


1. Zu Durlach im Garten am alten Brunnenhaus arbei⸗ 
teie eines Mittags ein Mann, wobei er gerade, als es Zwolf 
ſchlug, einen Haufen Kirſchenkerne herausſtach, bie außersrbeni« 
lich weiß und glatt waren. Er fledte drei derfelben zu ſich, und 
fand, als er fie zu Haufe feiner Frau zeigen wollte, jeden in 
einen Rronenthaler verwandelt. Eilig begab er ſich wieder in 
ven Marten, fand aber nur noch Einen Kronenihaler , der als 
Kirfchtern beim Herausſtechen weit von den übrigen auf bie 
Seite gefprungen war. 

(S. Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.“ 1838, 3. Jahrg.) 





2. Die Paulwirthin. Gegen die Mitte des vorigen 
Jahrhunderts lebte zu Durlach die fogenannte Paulwirthin, 
welche wegen ihrer Betrügerei, indem fie den Leuten fchlechte 
Mitch für gute zu verfaufen pflegte, nad) ihrem Tode im Haus 
umgehen Mıßte. Man Tieß fie deßhalb durch einen Schornftein- 
feger befchwören und hinaus in die Nähe des Galgens tragen. 
Dort wurde fie an drei in die Erde gefchlagene Pflöde feflge- 
bunden und gieng nun ſtets im Kreife darum bin und ber. 
Eine runde Stelle, worauf fein Gras wuchs, bezeichnete diefen 
Gang, auf den fie aber jegt nicht mehr befchränft ift, denn fie 
wandelt fchon felt Jahren in der ganzen Tiefenthaler Klinge 
umber. Sie ruft dabei häufig: „Drei Schoppen Milch und ein 
Schoppen Waffer giebt auch eine Maaß!“ und zeigt fich meifteng 
in menschlicher Geftalt ohne Kopf, zuweilen aber aud als Schaaf 
ober Pudel, Leute, welche fie unterwegs nedten, find theils von 
ihr irregeführt, ober auch mit tüchtigen Obrfeigen regalirt 
worben. 


Herzog Konrad von Schwaben in Durlach. 


(1197,) 


Merkt auf, ihr Frau'n und Mädchen, 
Die ihr gen Durlach reift, 





Durlad. 361 


Bernehmt von diefem Städtchen 
Ein Lied, das Treue preist. 


Es war vor langen Jahren \ 
Ein Herzog hochgeehrt, 
Im Buhlen wohlerfahren, 
In Durlach eingefehrt. 


Und wie er auf der Straßen 
Ein reizend Weib erblickt, 
Da fühlt er über Maßen 
Sein lockres Herz umftridt. 


„Bott grüß dich, Herzlein, holdes, 
Willſt du mein Liebchen feyn ? 
Sieh diefen Sädel Goldes, 
Zum Lohne werd’ er dein |“ 


— „Herr Fürft von Hohenſtaufen! 
Ein ehrſam Eheweib 
nicht für Gold zu faufen ! 
Sucht andern Zeitvertreib” — 


„Schön Kind, fey nicht jo blöde, 
So viel du nur begehrft 
Sey dein, du füße Spröde, 
Sp du mir Huld gewährſt.“ 


„Herr Fürft von Hohenflaufen, 
Hebt euch hinweg von mir! 
Die Chr’ ift nicht zu kaufen 
Um aller Kronen Zier. 


‚„Berbannt den Schmacdhgebanfen, 
Ihm folgt nur Schmach und Neu, 
Eh fol der Thurmberg wanfen, 

AS teutfhen Weibes Treu I” 





362 Durlad. 


Und wie er nun verwegen 
Sie um die Hüfte fat, 
Da reißt fie ihm den Degen 
Bom Gurt mit Feder Haft: 


„Herr Fürft von Hohenftaufen, 
Ein Gott im Himmel lebt! 
Mit Blut nur könnt ihr faufen 
Die Gunft, nad der Ihr ſtrebt!“ — 


„Was frommt die grimme Wehre 
In Schwachen Weibes Hand ? 
Gib mir, was ich begehre, 
Eh’ Kraft dich übermannt.” — 
„Ein hilflos Weib nur bin ich, . 
Berzagt und ſchwach fürmahr; 
Doch heiligen Kampf beginn ich, 
Iſt Ehre in Gefahr.“ 


Und wie fie Dies geſprochen, 
Schwingt fie den Flamberg gut; 
Der Herzog ſinkt erftochen 
Zur Erde roth von Blut. 


Sp hielt durch Weiberhände 
Der Herr ein fireng Gericht. — 
Das Liedlein ift zu Ende, 

Doch wahr ift dies Gedicht. 


Wie alt fein Grundgedanfen, 
Der Sinn bleibt ewig nen: 
Eh’ foll der Thurmberg mwanfen, 
Als teutfchen Weibes Treu! 


Eduard Brauer, 
Daß Herzog Konrad von Schwaben, Kaifer Friedrich Rothbart's 


Sohn, von ſeinem Bruder Heinrich VI. gegen Herzog Berthold V. zu 
Feld geſchickkt, im Jahr 1196 wegen Angriffs auf die Keuſchheit einer 





Durlach. 363 


Bürgersfrau zu Durlach ermordert wurde, iſt geſchichtlich; noch heißt 
der That zum Gedächtniß ein Gäßchen daſelbſt das Königsgäßchen. 

Bon den Schwäbiſchen Kaifern kam Durlach durch Tauſch an den 
Markgrafen von Baden. Markgraf Karl IL erbaute 1562 das hiefige 
Schloß, die Karlsburg, und zahlte die Dabei befchäftigten Arbeiter 
eigenhändig aus feiner Tafche, daher er den Beinamen „Karl mit 
ber Taſche“ befam. Der Franzgofengeneral und Morobrenner Melak, 
defien Namen man jeßt noch den Hunden gibt, plünberte und ver: 
brannte Stadt und Schloß im Jahr 1689, als fie gerade in ihrer 
fhönften Blüthe fland. Ohne Plan und Geſchmack wurde die Stadt 
aus ihren Trümmern wieder auferbaut, — In der Pfarrkirche fol 
ehedem, nemlich vor dem Franzoſenbrand, fih eine Grabſchrift folgen: 
den Inhalts befunden haben: „Den 4. November 1564 ift hier felig 
im Heren entfchlafen Herr Ehrhard Franz von Ulm, der Fromme, 
renfihe und großmädtige Staptrichter, deflen Körperlein gar nahe 
feh8 Zentner gewogen.” 

L. H. B. 


Der Markgraf und die Mönche. 


Der Markgraf hieß Rudolfus,“) 
War zugenannt der Wecker, 
Der hielt gern gute Tafel, 
Er ſelbſt war etwas lecker. 


Einſt ſaß der Herr zu Durlach 
Im alten Ritterſaale, 
Mit vielen edeln Gäften, 
Dei einem großen Mahle. 


Sie aßen guten Braten 
Und tranfen guten Wein, 
Und waren guter Dinge 
Und jchenften fleißig ein. 


Sie Ieerten große Humpen, 
Wie's teutfhen Männern ziemt, 


*) Regierte von 1349—1361. Liegt begraben zu Lichtenthal vor dem Altar der heil, 
Katharina, 


368 


Durlad. 


Und haben ihrer Minnen 


Und Fehden ſich gerühmt. 


Da trat Berein ein Pfäfftein, 
Das fah gar traurig aus, 
Mar abgezehrt und mager 
Wie eine Kirchenmaus. 


Trat bin zu Markgraf Rudolf 
Und faßte feinen Arm: 
„Mein Fürſt ich bin von Gottsau, 


Ad, daß fih Gott erbarm’! 


„Wir find im größten Elend: 
Leer ift mein armer Magen, 
Wir haben nichts zu beißen 
Und haben nichts zu nagen. 


„Bir haben feinen Schinken 
Und feinen Wein im Keller, 
Mir Haben viele Schulden 
Und feinen rothen Heller. 


„Wir blöden wie die Schafe 
Nach etwas grünem Futter, 
Wir haben feinen Käfe mehr 
Und haben feine Butter. 


„Du figeft da und freuft dich 
Des allerbeften Schmaufes, 
Gedenk' auch deiner Mönde 
Und ihres Gotteshauſes! 


„Biſt du nicht reih? Dir sollen 
Die Schiffe auf dem Rhein, 
Und an des Stromes Ufern 
Wächſt dir der befte Wein. 


„Doch wir find arm und haben 
Nicht Einen guten Biffen, 








Dyrlap. 


Iſt's vecht, daß Gottes Diener 
Aus Mangel faſten müffen? 


„Wie lange hab' ich keinen 
Rehbraten mehr gerochen! 
Der Pater Küchenmeiſter 
Hat ganz verlernt das Kochen. 


„Ach, gnäd'ger Herr! erbarmt Euch 
Der Hungrigen und Matten! 
Wir gleichen nicht mehr Menfchen, 


Wir gleichen nur noch. Schatten!” — . 
Und lachend fprach der Markgraf: 


„Haſt fehr gut Tamentirt ! 
Habt ihr, wies Faſten fehmedet, 
Nun auch einmal gejpürt ? 


„Euch wars zu wohl, ihr waret 
Zu feift und fugelrund, 
Den ganzen lieben langen Tag 
Stund euch nicht ſtill der Mund. 


„Doch Spaß bei Seite, Brüderlein, 
Ich will für euch doch ſorgen; 
Geh, ſag' den lieben Mönchen mein, 
Ich käme ſelber morgen.“ — 


Und Morgens kam der gnädge Herr 
Mit Wildpret und mit Schinken, 
Und nahm aus ſeinem Kellerſchatz 
Vom Beſten mit zum Trinken. 


Wie jauchzten da die Pfäffelein, 
Wie ausgelaßne Ritter! 
Wie ſangen ſie und ſprangen fie 
Und hüpften wie bie Wibber! 


Wie fihmauften fie und tranfen fie, 
Aller Kummer. war nun fern; 


"65 


366 Durlad. 


Sie waren bis in bie fpäte Nacht 
Gar fröhlich vor dem Herrn. 
©. 
(Mitgetheilt im Mannheimer Stadt⸗ und Landboten, 1834, Ar. 10.) 


Geld ſonnt ſich. 


An den Freitagen im März heben ſich die vergrabenen 
Schätze aus dem Boden, um ſich zu ſonnen. Ein Mädchen aus 
Durlach, welches an einem ſolchen Tage auf den dortigen 
Wieſen graſte, erblickte nicht weit von ſich, auf einer Erhöhung 
einen funkelnden Haufen Geldes, etwa drei bis vier Seſter groß. 


- Eilig ſprang fie Darauf zu; ehe fie aber ganz dort war, rief 


ihr ein Knecht: „Wo willſt du hin ?« — Da verfanf der Geld- 
haufen und fie fonnte davon nur noch fieben Silbermünzen ers 
bafchen,, die von uraltem Gepräge waren. 

(Siehe Mone's Anzeiger 2c. 3. 1839, 


Sagen vom Thurmberg bei Durlach. 


1. Auf dieſem Berge haben ſich vor Zeiten Riefen aufge- 
halten und der Kopf eines folchen, mit einer Reihe von un- 
geheueren Zähnen, iſt vor noch nicht vielen Jahren im Boden 
gefunden worben. 





2. Bei dem Heidenthburme, welder auf dem Gipfel bes 
Berges fteht und fo tief in den Grundboden hinabgeht, als er 
Daraus emporragt, befand fi, vorbem eine flattliche Burg. 
Darin hauften zur Zeit als das untenliegende Rheinthal noch 
einen einzigen See bildete, Seeräuber *), welche ihre Gefange- 
nen in das finftere feuchte Berlieg des Thurmes an Striden 
binabzuverfenfen pflegten, um fie nie mehr wieder das Licht des 
Tages erblicken zu laſſen. Einft erbot fih ein Gefangener, das 


H Siehe die Note 1 in Dr. I. Bader’ 8 Einleitung zu biefem Werke. 4. 9b, S, ZU, 


Durlad. 367 


Thal vom Waffer zu befreien, wenn man ihm dafür die Frei⸗ 
heit ſchenkte. Nachdem biefer Vertrag eingegangen war, begab - 
fi) der Gefangene zu dem damals noch gefchloffenen Binger- 
Loche und ließ die dortigen Felſen durchbrechen, wodurch ber 
Rhein feinen Abflug erhielt und das Thal zu einem urbaren 
gefegneten Landftrich wurbe. 





3. Don der Burg führten drei unterirbifche Gänge, ber 
eine in die Auguftenburg, ber zweite in das Schlößchen und 
ber dritte in das Schloß zu Durlach. Durch den letzteren Gang 
fonnte man fechsfpännig fahren und eben fo in dem Durch⸗ 
lacher Schloße, (welches vor feiner Niederbrennung eines ber 
fchönften in der Welt war) bis zum Speifefaal im oberen Stod» 
werfe. 





A. In dem unterirdifhen Burg-Gewölbe Tiegt ein großer 
Schatz, um deffentwillen ſich fehon mehrmals einzelne Männer 
hinuntergewagt haben, aber niemals wieder herausgefom- 
men find. 





3. Diefen Schag hütet eine weiße Jungfrau, welche häufig, 
zuweilen fogar "unter Tags, fih auf dem Schloße zeigt und 
unter anderm ſchon mit Geisfüßen, wie auch mit langen fpigen 
Singernägeln gefehen worben iſt. Sie trägt ein Gebund Schlüffel, 
woraus fie, wie Einige behaupten, den Hauptfchlüffel ver- 
Ioren hat und nun emfig nach ihm ſucht. 





6. Bor langer Zeit kam fie einft zu einem jungen Dann, 
ber auf der Banf vor dem Thurme faß, und fagte ibm, er 
könne fie erlöfen und den Schat gewinnen, wenn er drei Tage 
hintereinander, zwifchen Eilf und Zwölf Mittags, bieherfomme 
und fi durch die Geftalten, worin fie vor feinen Blicken er- 
ſcheinen werbe, nicht abfchresfen laſſe, fie jedesmal zu Füßen. - 
Der beherzte junge Dann .ertlärte fi zu Allem bereit, fand 
fih gleich am erfien Tage zur beflimmten Stunde ein, und 
küßte die Jungfrau, welche als Froſch fich zeigte. Ebenfo that 
er am zweiten Tage, wo fie fih als Schlange vor ihm bliden 
ließ. Am dritten Tage jedoch, wo fie als feuerfpeiender Drache 
ihm entgegen ranfchte, überwältigte ihn. der Schreden und er 


e 





368 Durlaf. 


‚ergriff Die Flucht. Jammernd eilte und rief fie ihm nad, er 
möge doch zurädfehren und fie erlöfen, weil der Baum zur 
Wiege des nächften Menfchen, der fie wieder erlöfen könne, 
noch nicht einmal gepflanzt ſey; allein der {unge Mann floh über 
Hals und Kopf, bis er drunten in der Stabt wer. 





7. Als der Durlacher Geishirt eines Tages feine Heerde 
auf dem Berge weidete, kam zwiſchen Eilf und Zwölf vom 
Thurme ber eine vornehm gefleidete Frau zu ihm, die einen 
langen Stab von gebiegenem Gold in der Hand trug, und bat 
ihn, fogleih nah Durlach zu gehen und dem Stadtrathe zu 
melden, daß die der Stadt längft fehlenden ‚_verloren gegange- 
nen Altenſtücke und Urkunden über ihre Gerechtfame hier oben fi 
befänden, weßhalb Jemand vom Rathe herauffommen und fie 
von ihr in Empfang nehmen folle. Der Hirt, ein alberner 
Menſch, weigerte fih hartnädig, feine Heerde zu verlaffen, 
obgleich die Frau inftändig flehte und ihm ben gofdenen Stab 
zur Belohnung biefes Dienfies verfprach. Weber diefem Hin⸗ 
und Herreden ſchlug e8 drunten Zwölf Uhr; worauf die Frau 
in lautes Jammern ausbrach, daß fie nun abermals noch fo 
lange unerlöft bleiben müffe, und nad) dem Thurime zurüdging. 
Als der Hirte bei feiner Heimfunft am Abend die Sache an⸗ 
zeigte, begaben fich fogleich mehrere Rathsglieder auf den Thurm- 
berg, fonnten aber weder Frau noch Urfunden auffinden. 





S. In dem Burgbrunnen war ein ſchwarzer Mann einge- 
mauert, ben man einft aus Weingarten in einer Butte 
hinaufgebracht und hineingebannt hatte. Als fpäter Die Brunnen 
mauer verfiel, Fonnte das Geſpenſt heraus und es pflegte. nun 
bei Racht hinauf zum Thurm und zuräd in den Brunnen zu 
gehen, Als es einmal wieber in demfelben war, ſtellte man bie 
. Maner fchleunigft wieder ber, fo daß der fhmarze Mann jest 
nimmer berauszufommen vermag. 





O. Bei dem Burgbrunnen ift fohon am Tage zuweilen eine 
Schlange mit einem Gebund Schlüffel um ben Hals geichen 
worden und um Mitternacht ein geharnifchter Mütter, welder 
ſtarr und unbeweglich da ſtand. Ebendaſelbſt gehen manchmal 


Durlag. 369 


einige Tapegierer, bie bei ihren Lebzeiten oft im Schloße zu Saft 
gewejen, und ein graues Männlein, ald Geifter um. 





10. Auf dem Berge gaudelte in gewiflen Nächten eine 
Menge Lichtlein umher und über ihnen, wie auch über Durlady 
it ſchon Nachts das wilde Heer mit Gefnall und Gefchmetter 
dahingebrauft. Wer fih unter freiem Himmel befindet, wenn 
Daffelbe oben herangefprengt kommt, muß fich flüchten oder 
fogleich platt zu Boden werfen, fonft wird er vom Zuge in bie 
Luft empor und mit fort gerifien. 





11. Drei Durlacher Mepger, die bei einbrechender Däm- 
merung von Stupferich heim gingen, erblidten auf dem 
Thurmberg ein mächtiges Feuer. Sie fliegen hinauf und fahen 
bei dem Feuer einen vornehmen Mann in alter Tracht mit 
einem Spighute figen und in einem großen Buche leſen, das 
vor ihm auf einem fleinernem Tifche Tag. Als er damit fertig 
war, brachte ihm ein Diener eine Dienge anderer Bücher, die 
er alle nach einander raſch durchblätterte. Verwundert und, 
ihrer Meinung nach, unbemerkt, ſchauten ihm Die Mebger zu; 
auf einmal aber wandte fi ber vornehme Mann gegen fie 
um und rief: „et aber macht, daß ihr fortfommt; ihr habt 
die hoͤchſte Zeit!« — Da rannten fie, fo fohnell ihre Füße fie 
trugen, den Berg hinab von dannen. 





12, An einem Sonntage begaben fich mehrere noch uner> 
wachfene Mädchen in den unbewohnten Bergthurm. Dort fan- 
den fie die Stiege zierlich mit Sand beftreut und famen in ein 
fhönes Zimmer, das fie früher niemals gefehen hatten, worin 
ein Bett ftand, deffen Vorhang oben von einer Krone feflges 
halten ward. Als fie denfelben zurüdichlugen, wimmelte das 
Dett von Goldkäfern und wiegte fih von felbft auf und nieder. ' 
Bol Erfiaunen fahen die Mädchen eine Weile zu, plöglich über- 
fiel fie aber ein ſolcher Schreien, daß fie aus der Stube und bie 
Stiege hinab flohen, während ihnen ein ſchreckliches Geheul 
und Gepolter nachfchallte. 


13. Ein Mann, welcher nach der Betzeitglocke im Stein« 
bruche des Thurmberges noch arbeitete, hörte, da er troß aller 
I. 2A 


370 Durlacher Umgegend. 


Anſtrengung einen Stein nicht losbringen fonnte, hinter ſich 
auf einmal ein fpöttifches Gelächter. Als er umfchaute, ſtand 
ein langer fchwarzer Dann da, vor dem er erfchroden da⸗ 
yon lief, 


14. Zwei Schweftern aus Durlach wollten eines Minags 
den Taglöhnern, welche im Weinberge hinter dem Thurm ar⸗ 
beiteten, das Eſſen bringen. Als fie an die Bank vor dem Thurme 
famen, fahen fie daſelbſt eine Menge der fchönften Citronen 
liegen, aber alle zur Hälfte auseinandergefchnitten. Eins der 
Mädchen nahm mehrere davon in feine Schürze, warf fie aber, 
von ihrer Schwefter gewarnt , wieder weg und gieng mit diefer 
zu den Taglöhnern, denen fie glei den Vorfall erzählten. Un- 
verweilt Tiefen die Leute nun, auf einen Schatz hoffend, jener 


Bank zu, fanden aber dafelbft Feine einzige Citrone mehr. 
(Nach münblicher —— mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone's „An⸗ 
zeiger 0.” Jahrg. 1 





Sagen von Wolfartsweier. 


1. Wolfartsweier hat feinen Namen daher, weil vor 
Zeiten zu der dortigen Kirche gewallfahrtet wurde. Damals 
flund aud) auf den fogenannten „Heiligenädern“ ein Heiligen- 
kapellchen. Die Wallfahrt fund unter der Pflege von Kapuzi- 
nern, die zunächft der Kirche wohnten und einen großen Scha& 
son den frommen Gaben der Pilger zufummenbradhten. Den 
felben vergruben fie in das Gewölbe unter den jegigen Pfarr- 
garten und deßhalb müffen Drei von ihnen Nachts im Garten 
und deſſen Nachbarichaft umgehen. Sie wachen manchmal an 
dem vorbeifließenden Bache, ober binden im Stalle beim Garten 
das Vieh los, welches dann noch am Morgen ganz mit Angfls 
Schweiß bedeckt ift. Einer von ihnen trägt vor der Herzgrube ein 
hellſcheinendes Licht und ein Anderer, den man einft um Mitter⸗ 
nacht am hölzernen Stege figend erblidte, wuchs beim Aufflehen 
und Weggeben fo hoch wie ein Baum und wurde von fürdter- 
Yihem Krachen begleitet. In dem Garten tänzeln zuweilen Nachts 
blaue Flaͤmmchen um drei Kälber herum, welche die drei Ka⸗ 
puziner find. 


— — — 


Durlader Umgegenv. 371 


2. In früheren Jahren fuhr oft zur Herbfizeit, gleich nad 
der Abendglode, das wüthende Heer über Wolfartöweier. Man 
fah feine Geflalten, hörte aber Schießen, Hundegebell, Hörner- 
Hang und Jägerhalloh. Bor dem Zuge ber rief eine Stimme: 
„Wenn du befhädigt wirft, fo verbinde die Wunde mit rohem 
Garne.” 





3. Wolfartsweter war in alten Tagen wohl dreimal 
jo groß als jegt und feine Gemarkung erftredte fih bis Gröt- 
zingen, wohin feine Kinder in die Schule gingen. Durch 
den Schwedenfrieg Tam aber der Ort fo herunter, daß er nur 
noch fieben Bürger zählte, die, weil die damalige Gemarkung 
für fie zu groß war, es ruhig gefchehen ließen, daß die Dur- 
lacher einen beträchtlichen Theil derfelben an fi rigen. Als 
Lestere jedoch hiermit noch nicht zufrieden waren, und bis in 
die Nähe des Dorfes hervordrangen, wiberfegten fich ihnen bie 
fieben Bürger, indem fie waker den Mund aufthaten und über 
ihr Recht vollgültiges Zeugniß abgaben, wodurd fie auch die 
Durlacher von weiterem Umfichgreifen abhielten. Die Gegend, 
wo dies gefchehen, heißt jegt noch: „Im fiebenten Mund« 
und das dortige Gäßlein, welches den Wolfartöweier Wald vom 
Durlacher fcheidet: „bas fiebente Mundgäßlein. 

Bon diefem an bis zum Tiefenthaler Bach muß derjenige 
Durlacher, welcher an der erwähnten Beraubung die meifle 
Schuld trägt, feit feinem Tode umhergehen. Er erfcheint bald 
als fchwarzer Mann ohne Kopf, bald als Fuchs, bald als Hafe, 
oder fährt unfichtbar, wie mit einem raſſelnden Schiebfarren, 
durch die Kronen der Bäume, daß die Aefte brechen. Als einft 
der Förfter von Au nach einem Fuchfe ſchoß, verſchwand derfelbe 
vor feinen Augen, dem Schügen aber wurden das Gewehr und 
einige Finger verdreht. 9) * 

*) Sagen über Berlufte der Gemarkung gibt ed noch in vielen 
Gemeinden. Wie mandmal Gemarkungsnamen fagenhaft ausgedeutet 
werben, bier ein Beifpiel: In der Gemarkung Kronau heißt ein 
großes Wiefenftüd die Neut, welches in bie Gemarkung von Min- 
golspeim hineingreift. Nun erzählen die Bewohner, das Feldſtück 
babe zu ihrer Gemarkung gehört, fie hätten es aber aus Gutmüthig- 
feit den-Kronauern zur Benügung überluffen. Durch Zeit und Un- 
dank marhten es Diefe zu ihrem Eigenthum und deßwegen geben bie 








372 Durladeriimgegenb. 


Mingolsheimer dem Feldſtück den Namen Reut, weil ihre Gut—⸗ 
müthigkeit fie gereut bat. 
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutihen Vorzeit.” Jahrg. 1939.) 


Glocke läutet von ſelbſt. , 


His die Grünwettersbacher vom Tatholifchen zum 
Iutherifchen Glauben abgefallen waren, wollten fie das Geläute 
Mittags um 12 Uhr abftellen, allein die Kirchenglocke Täutete, 
mehrere Tage nacheinander, um dieſe Stunde von ſelbſt, wor- 
auf das Geläute wieder eingeführt wurde, welches auch noch 
heute fortbefteht. *) 

*) Daß Glocken von felbft läuten, fommt in manden Sagen und 
Legenden vor, nicht nur bei ung, fondern bei andern Völkern, z. DB. in 
Spanien bei der Glocke von Belilla. Die Glocken wurden nämlich ald 
Perſonen gedacht, wie ihre Taufen und Snfchriften G. B. die Glode 
Sufanne in St. Georgen auf dem Schwarzwalde, ©. 445 des 
1. Bandes) anzeigen, und darum unterlegte man ihrem Geläute auch 
einen Sinn. M. 





Sagen vom Thurmberge bei Wolfartöweier. 


2, Auf diefem Berge hat vor Zeiten eine Burg geftanden, 
von der jegt nur noch ber Graben und einiges Gemäuer übrig 
iſt. Darin hauften, ald die Thalgegend umher noch eine weite 
Woafferfläche war **) Seeräuber, deren Abföümmlinge Ritter 
wurden. — Bon der Burg ging übers Gebirge eine gute Fahr⸗ 
ſtraße nad dem Durlacher Thurmberg; ihre Spur heißt- 
heute nody der Rutfchenweg. 





2. Zu dem Gewölbe unter den Schloßruinen liegt ein großer 
Schatz verborgen, wegen beffen alle fieben Jahre, wenn die 
Maiblumen blühn, eine weiße Jungfrau dort erfcheint. Ihre 
rabenfchwarzen Toden find gewöhnlich in zwei lange Zöpfe ge— 
flochten; das fchneeweiße Gewand umfchließt ein goldener Gür⸗ 
tel, an der Seite hängt ihr ein Gebund Sclüffel *) und in 
ber Hand trägt fie einen Strauß Maiblumen. Gewöhnlich erfcheint 
fie unfchuldigen Kindern, und fie winfte einft deren einem vom . 
Graben her , zu ihr herüberzufommen. Das Kind Tief aber vol 


*e) Vergl. mit Nr. 2 der Sagen vom Durlader Thurmberg. 


Durlacher Umgegend. 373 


Schreden heim und erzählte dies, worauf ed gleich feinen 
Bater hinführen mußte; allein die Jungfrau ließ ſich nicht mehr 
bliden. 

*) Wenn die weiße Frau in mehreren Sagen mit dem Monat 
Mat, mit Mai» oder anderen Blumen in Berbindung gebracht wird, 
fo könnte fie wohl eine dunkle Erinnerung an die alte Göttin Wunna 
feyn, und der Schlüffelbund wäre von der Göttin Oſtar entlehnt, da 
diefe dem Monat April entfpricht, welcher den Namen von aperire, scil. 
terram, (erſchließen, naͤmlich die Erde) haben fol. (Mono). 


3. Wie fchon mandye Andere, ſahen eines Mittags auch die 
zwei kleinen Mädchen des Gänfehirten die weiße Jungfrau 
herunter an den Bad kommen, fich dafelbft fümmen und die 
Zöpfe flechten, Hände und Geficht wafchen und dann wieber 
auf den Schloßberg gehen. Daffelbe bemerften fie auch am 
folgenden Mittag, und obgleich ihnen zu Haufe feharf einge- 
prägt worden war, die Jungfrau beim Wiederſehen anzureben, 
unterließen fie’d aus Zaghaftigfeit dennoch. Am dritten Tag’ 
erblicten fie Die Jungfrau nicht mehr, fanden aber auf einem 
Steine mitten im Bach eine frifchgebratene Leherwurft, Die 


fie ſich köſtlich fchmeden Tießen. 


A. Zwei Männer aus Grünwettersbach fahen eines 
Tages die Jungfrau einen Kübel vol Waffer, den fie am Bache 
gefüllt hatte, den Berg hinauftragen. An dem Kübel waren 
zwei breite Reife von lauterem Golde. . 








5. Nach Wolfartsw eier fam einmal ein fahrender Schüler 
und fagte, daß in dem Gewölbe des Schloßberges fieben Kiften 
voll Gold lägen. Diefelben mit ihm berausgraben, fprad er 
den Leuten dringend zu, indem er ihnen bemerkte, daß alle 
Knochen und Scherben, welde zum Vorfchein fommen würden, 
lauter Geld feyen. Weil aber damals nur wenige und reiche 
Bauern im Orte waren, wollte fih feines derſelben mit Dem 
Schüler einlaffen, und der Schatz blieb ungehoben. Lange Zeit 
nachher wurde in einer Adventsnaht, man weiß nit von 
Wem? eine der Kiften gewonnen. ”) 

*%) In diefen Sagen, wie in äbnlichen, ift der fahrende Schüler 
zur Hebung des Schatzes bekimmt, muß aber menfehliche Beihülfe haben, 





374 Durlaherlimgegen?. 


6. Zwei Buben, welche bei Tag auf dem Berg ein Stein- 
plättchen aufhoben, fahen darunter viele Heine weiße Perlen 
liegen. Ohne davon zu nehmen, eilten fie nad) Haus und er- 
zählten es ihrer Mutter, von der fie gleich wieder fortgeſchickt 
wurden, um die Perlen zu holen. Sie fanden aber feine einzige 
mehr auf dem Plabe. 


6. Ebenfalls bei Tage fah ein kleines Mädchen auf dem 
Berg einen dreifüßigen Kupferhafen flehen, der funfelneu und 
vol wimmelnder Roßfäfer war. Sie berichtete dies alsbald 
ihren Aeltern , die wohl merften, daß die Käfer einen Schatz 
vorftellten, und daher mit ihr auf den Berg eilten, allein weder 
Hafen nad Käfer mehr fanden. 


7. Ein Dann, welcher da, wo das Schloß geftanden , fein 
Gabholz fällte, hörte mehrmals aus dem Boden rufen: „Hau’ 
dich nicht !” und übertrug deßwegen am andern Tag die Arbeit 
einem Taglöhner. Hierüber verfpottete ihn ein Dritter, der 
auch fein Loosholz machte, hieb ſich aber unverſehens fo tief 
in den Fuß, daß ihm das Lachen auf Yange Zeit verging. 








8. Auf demfelben Plage fah ein anderer Dann im Boden 
einen Spalt entflehen, woraus ein fo ftarfer und Föftlicher Wein- 
geruch drang, daß der Mann, welcher ihn gierig einfog, da⸗ 
von ganz betäubt wurde und einfchlief. Als er nach einiger 
Zeit erwachte, war ber Spalt verſchwunden. Gleich darunter 
am Graben find ſchon von den Schweinen eiferne Faßreife her- 
ausgewählt worden, 


9. Um eilf Uhr in der Ehriftnacht hörte einft der Waldhüter, 
als er das Gehölz des Berges durchftreifte, vom Gipfel ber 
ein ſchweres Geraffel. Dit gejpanntem Gewehr kauert' er nieder 
und erwartete dad Getöfe, welches immer näher und endlich 
hart über und an ihm vorbeifam, ohne daß er etwas zu fehen 
oder zu fühlen befam. *) 


10. Bei der Burg reitet zuweilen Mittags zwifchen Eilf 
und Zwölf auf einem Schimmel ein weißer Mann, der feinen 


*) Gehört aud zu den Sagen vom wilden Heere. 











Durladerlimgegenb. 375 


Kopf unterm Arme trägt; *) eine helle Flamme ſchwebt manch⸗ 
mal in der Nacht den Berg hinauf, auch wird öfters dort von 
unfichtbaren Händen mit Steinen nad den VBorübergehenden 


geworfen. **) 
(Stiche Mone!8 „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrgang 1839.) 


*) Kommt an andern Orten auch vor, 3. Bd. am Mückenlocher 
Wald bei Wimmersbach. 

++) Das unfichtbare Steinmwerfen feheint mit zu den Sagen vom 
Eifenwurf zu gehören. Siehe Mone's "Unterfurhungen zur teut: 
fhen Heldenfage.“ ©. 148. 


Das Dorfthier. 


In den Gaſſen und Gaͤrten des Dorfes Stupferich geht 
in manchen Nächten, beſonders in jenen des Advents und der 
Faſten, ein Gefpenft um, welches das Dorfthier genannt wird. 
Bald erſcheint es als hagerer Mann mit einem alten Schatthute, 
bald als kohlſchwarzer Hund, bald als Schafhammel mit langem 
Schwanze. In ber erfteren Geftalt wirft e8 die Leute um, über 
die ed Gewalt hat und zuweilen geht ein blaues Lichtlein vor 
ihm her. Erfcheint es als Hammel, fo nöthigt ed einen Jeden, 
der ihm begegnet, auf ihm zu reiten; dann macht es in einem 
Bänglein, das nah den Neben führt, Halt, und der Reiter 
muß fogleich abfteigen. Am öfterften hat der Nachtwächter diefen 
Ritt getban, der immer vor dem Frühgeläute flattfindet, weil 
nur bis zu diefem das Dorfthier, in welcher Geftalt es auch 


ift, umherzuwandeln pflegt. 


(Mitgetheilt von Bernhard Baader in „Mone's Anzeiger für Kunde ber 
teutfhen Vorzeit,” Jahrg. 1837. ©. 305.) 





Der verfabhrne*) Schüler. 


In dem verfallenen Schloffe zu Weingarten bei Dur- 
lach war vordem viel Geld vergraben, das zu gewiffen Zeiten 
fi) aus dem Boden heraushob, jedoch von Niemand gewonnen 
werden fonnte. Nun fam in den Ort zu einem Schuhmacher 
ein verfahrener Schüler, das ift, ein Menſch, welcher, von feinen 
Eltern dem Teufel verkauft, 7 Jahre in der Hölle Teufelskünſte 


*) Volksausdruck für „fahrende.“ 





376 Durlacher Umgegend. 


gelernt hat, alsdann an demſelben Platz, wo er hinunier ge⸗ 
fahren, auf die Erde zurückgekommen iſt, auf welcher er nie⸗ 
mals Mangel an Geld hat, jedoch keines für die Zukunft auf⸗ 
heben darf, ſondern jeden Tag alles rein ausgeben muß.“) 
Dieſer Schüler begehrte von dem Schuhmacher eine Sauermilch 
mit dem Rahm, und fragte, da er ſie gleich erhielt, ob nicht der 
Schuhmacher einen zuverläſſigen Freund habe? Auf die Antwort, 
daß der Nachbarsmann ein ſolcher ſei, ſagte der Schüler: „So 
iſt's recht, denn es darf keine Falſchheit dabei ſeyn, wenn ich 
Euch das viele Geld verſchaffen ſoll, welches im alten Schloß, 
in einer Kiſte mit vier Handhaben, vergraben liegt. Geht alſo 
am Abend, wenn die Betglocke läutet, miteinander unbeſchrieen 
in das Schloß, und holt dort ſtillſchweigend einen Hafen voll 
Erde, aber mit dem Aufhoͤren des Läutens muß eure Arbeit 
gethan feyn. An dem Schag will und darf ich feinen Theil haben, 
wenn ihr mir aber andres Geld geben wollt, laſſ' ich mir's 
gefallen.” Nachdem der Schuhmacher die Sache feinem Nachbarn 
eröffnet und biefer in alles gewilligt hatte, giengen beide am 
Abend, wie es der Schüler vorgefhrieben, die Erbe zu holen, 
waren aber doch ängſtlich, befonders da der Eine, als fie bie 
Erde einfüllen wollten, an den Haaren in 'die Höhe gehoben 
wurde, Sie ſahen jedoch nichts , ſprachen auch nicht8 , und brachten 
die Erde glüdlih in das Haus des Nachbars, wo dann ber 
Schüler in einer obern Stube feine Künfte anfing. Als er die⸗ 
selben in der zweiten Nacht fortfebte, brachten vier Männer, 
welche Scharlachröde mit weißen Borten anhatten, hinter wel- 
chen zwei weißgefleidete Frauen gingen, die Kifte. Sie nahmen 
fie zwar wieder mit, jedoch in der dritten Nadıt hätten fie die= - 
felbe wiederbringen und da laſſen müſſen, wenn fein Hinderniß 
dazwifchen gefommen wäre. Nun aber hatte der Nachbar feine 
alte Mutter bei ſich, welche glaubte, fie befäme nichts von dem 
Geld. Daher ließ fie am nächflen Tag ihren Mann, der ale 
Schäfer in Bretten lebte, herbeiholen, und erzählte ihm Alles, 
was bisher gefchehen war. Diefer war wie gewöhnlich betruns 


*) Diefe Definition iſt merkwürdig, und wohl von der gewöhnlichen Anfiht zu un, 
terfcheiden. Ein fahrender Schüler ift nur ein Lanbftreiher, ein verfahrener ift aber verz 
flucht und verdammt, d. h. er hat eine üble Fahrt gemacht, nämlich zum Teufel und in 
die Höfe. Wir Haben diefe Borftellung nur noch in der Redensart „Todes verfahren,” 
denn das ift auch eine üble Fahrt, von der man nicht zurüd kommt, (Mone). 


Durlacher Umgegend. 377 


fen, fing an zu toben und ſchrie: Der Schäfer ſei ein Betrüger, 
den er zum Haus hinaus werfen wolle. Kaum hatte der Schüler 
in der obern Stube dies gehört, fo nabm er den Hafen voll 
Erde und gieng Damit weg. Der Schuhmacher und der Nach⸗ 
bar Tiefen ihm zwar bis an den Rhein nad, allein er ging 
nad Speier in ein Klofter, dem er wahrfcheinlich den Schag 
verfchafft hat: denn feitdem if er im Schloffe zu Weingarten 
nicht wieber gefehen worden. 
(Siehe Mone!8 „Anzeiger“ 1837.) 


Das freigebige Erdmännlein. 


Bu einem Bauer, welcher in ber ®egend von Weingar- 
ten pflügte, kamen plöglich aus dem Boden ein Erbmännlein 
und ein Erbweiblein, Legteres war feiner Entbindung nahe und 
das Männlein bat den Bauer, aus dem Drie die Hebamme 
berbeizubolen. Der weigerte ſich teffen und arbeitete fort, Tieß 
fih aber auf des Männleins immer dringendere Bitten doch 
enblich zu diefem Gange bewegen. Unterdeſſen kroch das ſchwan⸗ 
gere Weiblein wieder in den Boden, das Männlein jedoch 
blieb da und wartete die Hebamme ab. Als diefe nun in Be⸗ 
gleitung des Bauers kam, führte er fie durch eine, vorher nicht 
fihtbar gewordene, Deffnung in die Erde in eine Art von Kam- 
mer, wo fie dem Weiblein bei feiner Niederkunft aufs Gefchid- 
tefte beifland. Als man ihrer nicht mehr beburfte und fie fi 
zum Kortgehn anſchickte, füllte das Männlein ihr zum Lohn 
ihre Schürze mit dürrem Laub und rief, als fie während bes 
Gehens einige Blätter davon verzettelte, ihr nach: fie möge 
die Schürze doch feft zufammenhbalten nnd das Laub wohl in 
Acht nehmen! — Berbrießlich erwieberte fie, daß fie Laubes 
genug zu Haufe habe und nicht wiffe, was fie noch mit dieſem 
anfangen folle, und ging ihres Weges. Zu der Oeffnung kaum 
wieder herausgekommen, fand fie alles Laub, das fie noch in 
der Schürze hatte, in eitel Gold verwandelt. *) 


*) Vergl. mit diefer Sage die verwandte; „Mummelſee's Gefhent.” ©, 101 dieſ. Dos, 
und unter den Gagen von der Klingellapelle im Deurgthal die auf Seite 289. 





— —— Pb — — — 


378 Durlacher Umgegend. 


Erdmannskuchen. 


Ein Mann von Weingarten hörte beim Pflügen, wie 
die Erdmännlein im Boden eine Backmulde ausſcharrten. Da 
rief er: „Ich will auch Kuchen!“ und ackerte fort bis ans Ende 
des Feldes. Als er nach dem Umkehren wieder zu dem Platze 
kam, worunter es geſcharrt hatte, fand er daſelbſt einen präch⸗ 
tigen halben Kuchen nebſt einem Meſſer liegen, und ließ es ſich 
trefflich munden. | 

(Beide obige Sagen aus Mone's „Anzeiger 2.” Yahrg. 1838.) 


Sagen von der Barbarafirche bei Langen: 
fteinbach. *) 


1. Auf einem Hügel bei Tangenfteinbad Liegt im 
Walde die längft verfallene St. Barbaraficche. Bor etlichen Jahr- 
hunderten begann ein Ritter ihren Bau, mußte aber während 
beffelben auf längere Zeit fort und befahl feiner zurüdbleibenden 
Tochter, den Bau genau nach feinem Willen und Plane fort- 
zuführen. Diefe achtete jedoch den Befehl nicht und ließ an der 
Kirche mehr Fenfter anbringen, als ihr Vater gewollt hatte. 
Darum wurde fie von demfelben, nach feiner Rüdfehr , in die 
Kirche verwünfht, wo fie nun feit ihrem Tode bei den dort 
vergrabenen Schägen umbergeht, und in ber ganzen Gegend 
Die „weiße Frau” genannt wird. 





2. Eine Bauersfrau von Spielberg, welde dem Got- 
tesdienfte zu Langenſteinbach beigewohnt hatte, fah auf 
dem Heimwege an ber Barbarafirche die weiße Frau; biefe 
fagte zu ihr, fie ſolle mit ihr gehen, fie-fönne fie erlöfen 
und daburd reich werben. Da die Bauersfrau dem Geifle 
folgte, führte er fie in pas Gewölbe unter der Kirche, worin 
zwei Kiften flanden, auf Deren einer eine Kröte, auf der andern 
ein weißer Hund Iag. Hier gab ihr das Gefpenft eine Gerte in 
die Hand und hieß fie Diefelbe umherfchwingen, aber Tein 
Wort, felbft nicht den Namen Jeſus, dabei fprehen; es 
wolle nun fortgehen, jeboch bald zurüdfommen und ihr die 
Schlüffel zu den Kiften bringen. Als die Bauersfrau fich allein 


u MWallfahrtsort nebft Mineralbabanftalt 2 Stunden von Durlad, 


Durlacher Umgegend. 379 


befand, fuhr ſie befohlenermaßen mit der Gerte im Kreis um⸗ 
her; da wurde der weiße Hund kohlſchwarz, worüber entſetzt 
ſie ausrief „Ach Gott!“ Kaum war das Wort aus ihrem Munde, 
fo fiel ſie ohnmächtig nieder. Bei ihrem Erwachen fand fie fi 
oben in der Kirche unter dem Schwiebbogen liegend und vernahm 
in der Luft ein Acchzen und Wehklagen, darunter die Worte: 
„Wehe! nun muß ich noch lange leiden !” Dies jammern folgte 
ihr ein paar Stunden lang nad, fo daß fie vor Angft nicht 
wußte, was fie thun follte, und endlich ganz erfchöpft in das 
Bad in Langenfteinbady Fam, wo fie ſich allmählig wieder er- 
holte, 





3. Im Frühling eines Schaltjahres ging ein unerwachſe⸗ 
nes Mädchen in die St. Barbarafirche, während ihr Vater 
nebft einem andern Manne draußen beichäftigt waren. Da fah 
fie Die weiße Trau aus dem Chore fommen. Diefe blieb dort 
fiehben und winfte dem Mädchen mit einem Bft! zu ſich Hin. 
Ihr Gefiht und ihre Hände waren fehneeweiß, ihre Augen und 
zurüdgefchlagenen Haare rabenfhwarz; in der Hand, womit 
fie winfte, hielt fie ein Sträußlein blauer Blumen, an der an⸗ 
bern hatte fie eine Menge goldener Ringe; fie trug ein weißes 
Ueberfleid und darunter ein Gewand von berfelben Farbe, grüne 
Schuhe und an der Seite einen großen Bund Schlüffel. Bon 
Tobesfchreden ergriffen, Tief das Mädchen aus der Kirche und 
holte die beiden Männer herein. Diefe konnten aber Die weiße 
Frau nicht fehen und als fie fragten, wo biefelbe fey, deutete 
das Mädchen hin, und fagte: „Dort!“ Da wandte die Frau 
fih um, ihr Haar hing über den Rüden bis auf den Boden 
und fie fehritt nach dem Chore zurück; das Mädchen aber fiel 
in Ohnmacht. Als es wieder zu fih Fam, war die weiße Frau 
verſchwunden und ließ fih, obwohl die Männer überall nad: 
forſchten, nirgends mehr bliden. 





A. Sn und bei der Kirche laſſen ſich öfters bei Nacht viele 
Hunde, Kagen und Lichter von verfchiedenen Farben, wie auch 
ein fohwarzer Mann ſehen; Schellen ertönen zuweilen darin, 
und im Wald, der zunächft ber Kirche Tiegt, kann das Wild von 
ben Kugeln der Jäger nicht getroffen werben. Schon mande 


380 Durlageriimgegend. 


Leute haben, um Gelb zu erhalten, die weiße Frau fleißig 
aufgeſucht, jevoch vergebens, und als fie nach den vermutheten 
Schägen gruben, rüdten diefelben in ber Erde fort. Bon 
der Kirche fol fi ein unterirbifher Gang nad Ettlingen 
ziehen, und von da weiter bis in das ehmalige Klofter Got⸗ 
tesaue. 

GObige vier Sagen ©. in Mone's „Anzeiger ıc.” Jahrg. 1836.) 


&t. Barbara. 


Als teutfches Land noch ganz und gar 
Mit wilden Heiden bevölfert war, 
Da wohnt’ ein Fürft am Strom des Rheines, 
Der hatt? ein Töchterlein, ein feines, 
Um das mit heißem Herzverlangen . \ 
Biel wunderfühne Degen rangen; 
Die Maid indeß, von Weltluft fern, 
Diente dem Heiland, unferm Herrn, 
Hielt aller Fürften Glanz gering, 
Seit fie ein himmlifches Licht empfing. 
Das blieb dem Vater unverborgen, 
Und alfo ſprach er am Oftermorgen: 
„Sag ab dem Gögen Jefu Chrift,. 
Mit Leib und Seele zu diefer Frift, 
Sonft will ich felbft dich fluchbeladen 
In's Elend ftoßen fonder Gnaden!“ 
Die Maid fprach: „Nein.“ — „Sag’ ab, zur Stunde! 
Sonſt ſoll im tiefften Kerfergrunde 
Bei Kröt' und Molch' dein Wohnſitz ſeyn!“ 
Er ſprach's voll Grimm, die Maid ſprach: „Nein!“ — 
„Sag’ ab, fonft fol am Hügel hier, 
Beim Zürnen Odin's ſchwör' ich's dir, 
Dein Blut vergießen diefer Stahl!" — 
„Nein!“ Sprach die Maid zum Drittenmal. 
„So ſtirb!“ — Der Wüthrich hat inmitten 
Ten Tilienweißen Hals durchſchnitten, 
Doch aus der Wunde fließt fein Blut; 


381 Durlaheriimgegen. 


Sie wallt, umftrahlt von Himmelsgluth, 

Zum Kreuze, das im Thale fteht, 

Schwingt fih zu Gott in frommem Gebet, 

Derweil in regungslofem Grauen - 

Die Heiden folches Wunder fchauen. 

Erft als fie hat das Amen gefprocen, 
Iſt heil das Blut hervorgebrochen; 
Mit Lächeln ftarb fie feligen Tod. 
Und fieh, des Blutſtroms dunfel Roth 
Ward plöglich eine Wunderquelle, 

Die filbern fleußt an jener Stelle. 

Da ward des Volks ein großer Theil 
Sofort befehrt zum ewigen Heil, 

Und Pilger wallten von fern und nah, 

Zum Kirdhlein der Sanct Barbara. 

Wohl mancher Mann und manches Weib 
Wuſch fih am Born den fiechen Leib, 
Und haben fie Heilung dort empfahn, 

Das hat Sanct Barbara gethan. 

Eduard Brauer. 

Der Stoff obiger Legende findet fih u. A. in des Karlsruher 
Nectors Malſch „Noctes vacivae lucerna,“ t. I. p. 104. Die Heilige 
fol fogar ihr abgehauenes Haupt, ohne den Kopf zu verlieren, ruhig 
den Berg herab zur Duelle getragen haben; ein Wunder, welches 
ſelbſt für die Poefie etwas zu ſtark if. 


Die weiße Frau, 
(Bei Langenfteinbady). 
„Ein flüchtig Liedchen auf den Tippen, 
Das Herz belebt von treuem Sinn, 
So fahr’ ich zwiichen flarren Klippen 
Keck durch des Lebens Brandung bin.” 


So fingt er laut zum Saitenfpiele 
In der ſmaragdnen Waldesnacht, 
Wo er im heimlichen Afyle 
Allein mit tiefer Sehnfucht wacht. 
Den Wonnemond will er begrüßen, 
Den jetzt gebiert des Jahres Schoos; 


382 Durlaherlimgegen». 


So zieht er hin auf Teichten Füßen 
Und preift des Sängers felig Loos. 


Die Sterne, fo im Morgenſcheine 
Berbleichend ſchon hernieverjehn, 
Die Blätter, fo im Buchenhaine 
Bol Frühlingsfeier raufchend wehn, 
Die Böglein, deren muntre Kehle 
Die heitre Einfamfeit belebt, — 
Es grüßt fie al’ aus voller Seele 
Sein Lied, das durch die Saiten hebt. 


Wie wohl ift ihm im Waldesichatten, 

Der fhaurig-füge Ahnung hegt! 

Drum floh er von den offnen Matten, 
Wo fich zu laut dag Leben regt; 

Und rüftig fördert er Die Schritte, 
Denft an.die ferne, treue Braut, 

Als plöslich in des Waldes Mitte 

Er ein verfallnes Kirchlein ſchaut. 


Und in den ernflen, grauen Zrümmern, 
Um die fein Neb der Epheu ftridt, 
Er in dem räthfelhaften Schimmern 
Ein feltfam Frauenbild erblidt: 
Ein Wefen, wie aus Duft gewoben, 
Schwebt dur das Thor im Gottedhaug, 
Und in der Rechten, hoch erhoben, 
Winkt es mit einem Blumenftrauß." 


Und zaudernd bleibt er laufchend ftehen, 
Und flarrt mit Grau'n ind offne Thor; 
Da fieht er's wieder glänzend wehen, 
Und Töne Hingen in fein Ohr. 

Wie träumend hlict er auf Die Schwelle, 
Wo, angethan mit weißem Kleid, 

Ihm Iodend ruft nach der Kapelle 

Und mit dem Strauße winft die Maid. 


„MWillkommen Knabe! holder Knabe!’ — 
Singt fie mit fülberhellem Ton; — 


Durladerlimgegend. 


„Erlöſe mich aus meinem Grabe, 

Und dic erwartet reicher Lohn! 

Die Blumen, wie vom Thau fie glänzen, 
Den noch der Sonnenftrahl nicht traf, 
Sie follen deine Stirne fränzen, 

Defreift du mich vom Zauberſchlaf!“ — 


„Dich lüſtet's nicht nach deinem Kranze, 
Nicht trüb’ er meines Herzens Ruh! 
Mir winkt mit einem höhren Glanze 
Ein Kranz der reinften Minne zu; 
Behalte deiner Blumen Fülle, 


‚Mir lacht ein bauernderes Glück; 


Zieh? nur, entfagend, in die Hülle 
Des Grabes wieder dich zurück!“ 


„Ach, ſchöner Knabe!“ — fang fie wieder — 
„D wüßte du, was du verfchmähft ! 
Was trägt dir denn der Schag der Lieder, 
Den rings du in die Lüfte far? 
Arm ziehft du Doch dahin auf Erden! 
Doch nimmft Die Blumen du von mir, 
Wird jede zum Juwel dir werben, 
Und Glanz und Ruhm fih häufen dir 1" 


„O laß mich!“ rief er — „Solche Gaben 


Sind's nicht, wonach mein Herz begehrt ! 


Am Frühlingsgold will ich mich laben, 

Bom Gold ber Tiefen unbefchwert; 

Der Than in Augen und in Blüthen 

Iſt mir der Föftlichfte Demant, 

Was wilft du mir noch Schäge bieten, 

Der Tängft fich überreich genannt?” — 
„„Trotzvoller Knabe, laß bir rathen! 


Ein andres Kleinod dir noch blüht, 
Um das in Liedern und in Thaten 


. Manch’ edfer Ritter fi bemüht. 


Tag führen dich zu einer Blume, 
Die mandes Lebens Sonne war, 


383 


384 Durlacher Umgegend. 


Komm, folge mir den Weg zum Ruhme, 
Sonſt quält dich Reue immerdar!““ — 


„Laß ab, Berführerin! wo Treue 
Im Herzen unverwelfiich blüht, 
Da niftet nie fi) mehr die Neue, 
Die leere Herzen nur durchglüht. 
Fahr wohl! nicht deine bunten Steine 
Begehr' ich, noch dein Gold fo Licht! 
Frei laß mich ziehn durch meine Haine! 
Reich if, wen Treue Kränze flicht.“ — 


Sie fteht ihn raſch von binnen fcheiden, 
Und feufzt, verweh’nd in leifen Duft: 
„Auf's Neue muß id wieder leiden 
Auf fieben Jahr? in Fühler Gruft!’ — 
Er aber fteigt hinab zu Thale, 

Die Seele jauchzt, die Saite tönt, 
Und laut erfhallt im Morgenftrahle 
Der Sang, der alle Schäte höhnt: 


„Ein flüchtig Liedchen auf den Lippen, 
Das Herz belebt von treuem Sinn, 
Sp fahr ih unter Sturm und Klippen 


Keck dur des Lebens Brandung hin!” 
Wilh. v. Ehesy. 


Der Rothacdergeiit und der wilde Jäger. 


Wo man von Hochſtetten nah Tiedolsheim geht, 
liegt rechts an der Straße der „rothe Ader” und eine Ziegelhütte 
darauf. Ein Fußpfad führt über den rothen Ader, und wo er 
an die Wiefen grenzt, da fleben zwei Rickel, *) die man über- 
fihreitet, und die das Vieh vom Ader abhalten. Auf dem rothen. 
Ader geht ein Geiſt, der oft als ein fchwarzer Mann auf dem 
Rickel fist. Dort hat er ſchon einem Mädchen einen Korb Wälfch« 
forn aufgeholfen, fie bat ihn aber an den Pferbefüßen erkannt 
und ift ganz verflört nad Haus gefommen. Auch haben ihn 
Andere gefehen, wie er auf dem Ridel faß und Funken von 


*, Eine Art Schranten aus Baumflämmen, 


Durladerlimgegenv. 385 


fih fprühte, und wieder Andere, wie er dort ganz lichterloh 
brannte. Einige Leute fahen ihn einft bei Nacht als einen ſchwar⸗ 
zen Mann am Wege und mußten ihm ausweichen, aber er 
ging ihnen immer zur Seite, fo daß fie bis in den Wald, 
bie lange Hede, fi) verirrten, und erft morgens wieder auf 
den Weg kamen. Niemand weiß, wo der Rothadergeift feinen 
Urfprung hat und was fein Wefen ifl. In der Iangen Hede, 
nicht weit vom rothen Ader, jagt manchmal der wilde Jäger; 
man hört die Yagdhörner und das Hundegebell oft ganze 
Nächte hindurch. 


(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” 1834.) 


Qunfer Marten und der wilde Jäger. 


or dem Dorfe Singen geht bie Schloßbrücke über die 
Pfinz auf die Wieſen; fie heißt fo, weil dort im Thale das 
Schloß des Junkers Marten fland. Wo der Weg Tinte 
hinein nah Königsbach geht, da war einft eine Gnaden⸗ 
fapelle zu unferer lieben Frauen zur Ad, die aber jetzt abge— 
riffen ift. In diefer Kirche ag der Srabftein des Junkers Mar: 
ten, worauf er in Lebensgröße ausgehauen iſt.“) Diefen Stein 
ließ der Schulz von Wilferdingen in fein Dorf führen, 
als die Kapelle abgebrochen wurde. Sp wie Jener auf dem Steine 
ſteht, fo erfcheint er den Leuten Nachts im Bahnwald bei Sin- 
gen mit Hunden auf der Jagd und macht einen großen Lärmen. 
Er hat Manchen ſchon erfchredt, und einen Mann, der ihn be⸗ 
Veidigte, in die Pfinz geworfen, 

-*) Der Grabflein des Junkers Marten Scheint nicht mehr vorhanden; 
man findet ihn zu Wilferdingen jeder in der Kirche noch auf dem 
Kicchhofe. Als Zeugniß der Verbreitung der Sage vom wilden Jäger 
bemerfe ih, daß er zum Gefchledhtsnamen wurde. „Wolf Wilden 
jägers Erben“ zu Sandhaufen bei Heidelberg kommen in dem Schö⸗ 
nauer Gefällbuch von 1670, BI 117, vor. 


Mone, 
(Siege Mone!8 „Anzeiger 20.” 1834, \ 


—— I 1— 


II. 25 








Pforzheim 


und Umgegend. 


SD6E0 


Das von den Juden getödtete Mägdlein. 


Im Jahr 1267 war zu Pforzheim eine alte Frau, die 
verkaufte den Juden aus Geldgier ein unſchuldiges, ſiebenjähri⸗ 
ges Mädchen. Die Juden ſtopften ihm den Mund, daß es 
nicht ſchreien konnte, ſchnitten ihm die Adern auf und umwan⸗ 
‚den es, um fein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Das arme 
Kind ftarb bald unter der Marter und fie warfen es in die 


*) M. Jakob Friſchlin, ehmaliger Theologe zu Bahlingen, ale 
Sefchichtfchreiber rühmlichſt befannt, behauptet Folgendes : 

Im Jahr 2900 nah Erfchaffung der Welt haben fi} Grunnius 
und Phorcis, vom Stamme des Aeneas Sylvius, in ber Gegend des 
Schwarzwalds niedergelaffen. Grunnius baute Öryningen, und 
Phoreis die Stadt Pfortzheim an der Entz, welde Stadt durch 
Attila, der Hunnen König, (um's Jahr 450 nad) Chr. ©.) nebft an- 
deren Städten gefchleift wurde, Emmerich, (ein geborner Franke, 
Gouverneur in Allemanien und vormaliger Connetable des Fränfifchen 
Königs Clodovicus, fo wie auch der erfte Herr zu Beutelsbach) 
habe die Stadt Pforzheim aber im Jahr 510 wieder aufgebaut.” 

(Siehe M. Yalob Friſchlin's „Hiftorifche Befchreibung bes Landes Würtemberg 
vom Jahr 1614. 2, Theil, Ferner; Gehres „Heine Chronik von Pforze 
beim.” ©&,.10.) 

Die wahrfcheinlichfte Ableitung des Namens Pforzheim if vie 
von Porta Hercyniae : „das Schlußthor des Schwarzwalds,“ wie bie 
Gegend unter den Römern benannt wurde. 


Pforzheim und Umgegend. 387 


. Enz, eine Laft von Steinen obendrauf. Nah wenig Tagen 
rechte Margarethen ihr Hänblein über dem fließenden Waſſer 
in bie Höhe; das fahen die Fiſcher und entſetzten ſich; bald 
Tief das Volk zufammen und auch der Markgraf eilte herbei. 
Es gelang den Sciffern, das Kind heraus zu ziehen, das noch 
Yebte, aber, nachdem es Rache über feine Mörder gerufen, den 
Geift aufgab. Der Argwohn traf die Juden; alle wurden zu⸗ 
.fammengefordert und wie fie dem Leichnam nahten, floß aus 
deffen offenen Wunden das Blut firommeife, Die Juden und 
auch das alte Weib befannten die Unthat und wurden hinge⸗ 
richtet. Beim Eingang der Schloßfirde zu Pforzheim, da, 
wo man die Glockenſeile zum Geläute zieht, fleht der Sarg des 
Kindes mit einer Inſchrift. *) Unter der Scifferzunft hat ſich 
von Kind zu Kind einflimmig die Sage fortgepflanzt, daß da- 
mals der Markgraf ihren Vorfahren zur Belohnung die Wacht: 
freiheit, „fo lang Sonne und Mond leuchten,’ in der Stadt 
Pforzheim und zugleich das Vorrecht verliehen habe, daß alle 
Jahre am Faſtnachtsmarkte vierundzwanzig Schiffer mit Waffen 
und Hingendem Spiel aufziehen und an diefem Tage Stadt 
und Markt allein bewachen follten. Dies gilt noch heutigen 
Tage. 


(Siehe Grimm's „teutfhhe Sagen,” Berlin, 1816, Eher Band. S. 456. Bergl. 
auch Gehres; „Pforzheimer Chronik.“ ©, 18 — 24, 


*) In der Schloßkirche zu Pforzheim befindet fich links beim Ein⸗ 
gange, da wo man die Glockenſeile zum Gebete zieht, auf einer flei« 
nernen Grabplatie folgende Infchrift: 

Margaretha A Judaeis Occisa 
Ob. Feliciter Anno Dom. 
MCCLXVII, Cal. Jul. Fer. VI. 
auf teutfh: Margaretha, von den Juden ermordet, flarb felig ben 
1. Zufi 1367. 


Die vierhundert Pforzheimer. 


1622. 


Georg von Baden zog zum Streit 
In blut'ger, unheilvoller Zeit, 
Bor TilLy's wilden Schaaren 
Sein Vaterland zu wahren. 
25* 


388 


Pforzheim und Umgegend. 


Dem Herrfcherftab, dem Fürftenhut 
Entfagt der Fürft mit keckem Muth, 
Und fpricht zu feinem Sohne: 

„Sit du auf meinem Throne! 


„Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht, 
Die Noth ift groß! Hilft Gott und nicht, 
Wird und das Schwert bevehren. 

In Luther's reinen Lehren. 


„Doch ferne fey mird, Mord und Brand 
Zu Inden in mein friedlich Land! 
Ich will das Schwert erfaflen 
Und dir das Scepter Laffen. 


„Nimm's hin, mein Sohn, und trag’ es weiß 
Zu deines Volks und Gottes Preis: 
Des heil'gen Nechts Beſchützer, 
Der Schwachheit Unterftüger!” 


Er ſprach's und ſchwang fih auf fein Roß: 
„Leb wohl, du meiner Ahnen Schloß!” — 
Biel heiße Thränen rannen, 

Doc raſtlos gings von dannen. 


Da half fein Rath, Fein warnend Wort, 
Ein blind Verlangen trieb ihn fort, 
Wie einft in beffern Zeiten, 
In offner Schlacht zu flreiten. 


„Der Feigling fucht den Hinterhalt, 
Ich trau’ auf meines Arm Gewalt! 
Sp rief er, — „Kühn Beginnen 
Muß uns den Sieg gewinnen!" 


Und unaufhaltfam rüdt er vor, 
Und trifft den Feind vor Wimpfen’s Thor: 
Biel Taufend’ wohl gerüftet, . 
Die all des Kampfes gelüflet. 





Pforzheim und Umgegend. 389 


Die Trommel ruft, das Schwert wird bloß, 
Wie Blite folgen Hieb und Stoß, 
Es donnern die Kanonen, 
Die Freund und Feind nicht ſchonen. 


Und Mander flürzt’, und Mander fant, 
Und mander Kämpe fterben: frant 
Hat fchmeren Tod gelitten, 
Denn blutig warb geftritten. 


Es flah der Sonne heißer Brand 
Den Fürften, der im Freien fland; 
Doch fühles Obdach hatten 
Die Feind’ im Waldesſchatten. 


Da hat gar mander Held geklagt; 
Der Marfgraf flreitet unverzagt, 
Und Mander muß erbleichen 
Bor feines Armes Streichen. 


Doc fieh! welch ſchwarzer Höllendampf 
Steigt dort empor und flört den Kampf? 
Horcht wie es Fracht und wettert, 

Und Alles rings zerfchmettert ! 


Des Fürften Heer wird ſchnell zerfprengt, 
Und Herrn und Knechte fliehn vermengt; 
Ein Schredensruf verkündet : 

Das Pulver ift entzündet ! 


Umfonft war Bitte, Mahnung, Droh’n, 
Sp Muth ald Ordnung war entflobn; 
Doch focht, vom Feind umgeben, 

Der Marfgraf für fein Leben. 


Nun fpist das Ohr und hört die That, 
Die nirgends ihres Gleichen hat, 
Bernehmt fie, und bewundert 
Bon Pforzheim die Vierhundert ! 


390° Pforzheim und Umgegend. 


Ein Häuflein Flein, doch edler Art, 
Hat um den Fürften ſich gefchaart, 
Aus jener Stadt gebürtig, 

Des Schwabenlandes würdig. 


Sie flanden vor dem-Fürften dicht, 
Wie Säulen feft, und wanften nicht, 
Sein theured Haupt zu retten 
Aus ew’ger Knechtichaft Ketten. 


Und Mander flürzt’ und Mancher fant, 
Das Blut der treuften Herzen tranf 
Der nimmerfatte Boden, 
Ein weites Feld von Todten. 


Sie fämpften, bis der Lebte blieb — 
O weinet nicht, ihr Mütter Tieb ! 
Der Ruhm von euern Söhnen 
Wird alles Land durchtönen ! 


So ward der edle Fürft befreit 
Durch feiner Bürger Tapferkeit; 
Denn Lieb’ ift beßre Wehre, 

Als Furcht und fleh’nde Heere. 


Und ihr, ihr Herren eblen Bluts, 
Degebt euch eures folgen Muths, 
Und ehret und bewuntert 
Bon Pforzheim die VBierhundert! 


Eduard Brauer, 


Biel gerühmt in gebundener und ungebundener Rede, neuerlich 
wohl auch bezweifelt und befritielt, wurbe bie glorreiche That der vier⸗ 
hundert Pforzheimer. Nicht Jeder mag in unferer nüchternen Zeit 
den hohen Geift begreifen, der diefe That erzeugte. Daß nicht gerade 
vierhundert Bürger aus der Stadt Pforzheim die Heldenfhaar bil- 
beten, welche fich für ihren Fürften aufopferten, vielmehr „das weiße 
Regiment“ auch viele Angehörige ber umliegenden anderen Baden⸗Dur⸗ 
lachiſchen Orte in ſich faffen mochte, läßt fich Leicht denfen, aber auch 
Ieicht erklären, da ber Name ber Stadt Pforzheim bei weitem der be» 
Tanntefle war, und die Erneftinifche Linie die Pforzheimer genannt 
wurde. Der Kern der Sage wird immerhin als eine wahre Begeben- 


Pforzheim und Umgegend. .391° 


heit zu betrachten ſeyn, und dieſe Begebenheit ihre richtige Erffärung 
und Würdigung finden, wenn man ben Geift der weifen, väterlichen 
Regierung, wodurd fi die Kürften des Zähringer Stammes von An⸗ 
fang fo vortheilhaft auszeichneten, und die Hiedurch begründete Gefin- 
nung des Badifchen Volkes, fowie auch insbefondere die Perſönlichkeit 
Georg Friedrich's in's Auge faßt. Daß ganz gleichzeitige Schriften 
des Borganges nicht erwähnen, ift in der That ein Gegengrund von 
fehe Teichtem Gewicht. Wie viele der Aufzeichnung würdige Züge 
mögen im Getümmel bes breißigfährigen biutigen Glaubenskampfes 
überfehen worden feyn! Im Jahr 1622 fand die Schlacht bei Wimpfen 
ftatt; dag Theatrum europaeum, Thl. I. Seite 627, (erſchienen im Jahr 
1662 die Borreve und Dedication M. Merian’s trägt die Jahres⸗ 
aahl 1634); erzählt das MWefentlihe der Begebenheit, und ebenfo das 
mehrerwähnte Werk: „Der durchl. Fürften und Markgrafen von Baden 
Leben, Regierung u. f. w.” vom Sahr 1695. 

Vergl. auch Bader, „Badiſche Landesgefhichte,” S. 504. 

In der intereffanten Schloßlirche zu Pforzheim, unter welcher bie 
Gruft der Baden⸗Durlachiſchen Fürſten fich befindet, hat ver regierende 
Großherzog den vierhundert Pforgheimern ein würdiges Denfmal errichtet. 

In diefer Kirche wird auch noch die Zelle des berühmten Pforz⸗ 
heimer Gelehrten Reuchlin gezeigt. 

(Siehe Ed. Brauers „Sagen von Baben ⁊c.“) 


Die Pforzheimer Bürger. 


An des Neckarſtroms Geſtade 
Zog gen Wimpfen ſeine Pfade 
Baden⸗Durlach's kleines Heer; 
Und es ſchwangen in der Rechten, 
Für das Lutherthum zu fechten, 
Hoch die Krieger ihre Wehr. 
Plötzlich dringt es durch die Reihen: 
„Tilly naht mit ſtarker Macht!“ 
Und es ordnet jeder Führer 
Seine Schaar zur heißen Schlacht. 


Eine wetterfchwangre Wolfe, 
Braußt mit feinem wilden Volke 
Tilly fürchterlich heran; 

Und fo weit die Augen fchauen, 
Zeigen indes Landes Auen 


392 


Dforspeim und Umgegenb. 


Feuerfäulen feine Bahn; 

Markgraf Friedrich ruft im Grimme: 
„Seht des Baterlandes Schmadh ! 
Tapfre, folgt mir, es zu retten, 

In das Schlachtgetümmel nad !" 


Und er jagt auf ftarfem Roſſe 
In den Hagel der Gefchoffe, 
Den der Feind entgegen fehidt. 
Löwenmuthig fprengt zum Streite 
Weimars Fürft an feiner Seite, *) 
Hoch fein ſcharfes Schwert gezüdt. 
Und wer ift, in weißen Röcken, 
Dort die auserwählte Schaar, 
Die den beiden tapfern Fürften 
Folgt in jegliche Gefahr? 


Wo der Nagold fanfte Wellen 
Und die Würm den Enzfluß fohwellen, 
Liegt ein Städtchen wohlgebaut ; **) 
Dorther ſtammen jene Steeiter, 
Die, als Friederichs Begleiter, 
Euer Bli verwundert fchaut. 
Da des Fürften Ruf erfhollen: 
„Glauben gilts und Baterland !“ 
Legten fie die Weberfpule 
Aus der Funftgeübten Hand, 


Wie geprüfte Heldenfchaaren 
Trotzten fie der Schlacht Gefahren 
est mit frommem teutfchen Muth; 
Unter ihres Schwertes Streichen 
Thürmten Berge fih von Leichen, 


x**) Mforzheim. 


*) Herzog Wilhelm, der fib mit feinem Bruder Johann 


Ernſt in der Schlacht bei Prag (1620) tapfer hervorgetfan und 
(1621) dem Grafen von Mans feld 3000 Fußgänger und 600 Reiter 
(unter diefen feinen jüngften Bruder Bernhard als Rittmeiſter) zu- 
geführt Hatte. 


Hforzpeim und Umgegend. 


Und der Boden ſchwamm in Blut. 
Schon verläßt des Kaifers Fahnen 
Fliehend das Hispan’iche Heer, 
Und zerftreuet auf ber Fläche 
Furchtbar heulend fid, umber. 


Aehnlich hochempörten Bächen 
In der Feinde Linien brechen 
Baden-Durlach's Schaaren ein, 
Und die muthentſeelten Glieder 
Stürzen wild ſie vor ſich nieder 
Mit der Waffen Wetterſchein. 
Wie auch Tilly’s Stimme tobet, 
„Halt!“ den Fliehenden gebeut, 
Seine ungezählten Rotten 
Sind wie Spreu vom Sturm zerſtreut. 


Und wie mit des Sturmes Flügel, 
Flogen über Berg und Hügel 
Ihnen Durlach's Krieger nad). 
Da ertönt in ihrem Rüden, 
Als zerbörft? ein Berg in Stüden, 
Tiefbetäubendes Gekrach; 
Unvermerfet fanf im Kampfe 
Einer Kugel Feuerball 
In den Kreis der Pulverwagen, 
Zündend dort in feinem Sal. , 


Und des Tages Ticht verhüllet 
Und den reinen Aether füllet, 
Athem raubend, Pulvernadt, 
Während rund von bangem Stöhnen 
Fluren, Thal und Hügel dröhnen, 
Und der Eichen Waldung Fracht. 
Zaufend Tapfre find zerfihmettert, 
Wälzen fi) in ihrem Blut, 
Wer ed noch vermag, entfliehet 
Schleunig mit gefunfnem Muth. 


393 


394 


Pforzheim und Umgegend. 


Bon den Dampfummwogten Höhen 
Sieht man Feindes Fahnen wehen, 
Und Berderben Allen droh’n. 

In das Schlachigefilde nieder 

Führet feine Rotten wieder 

Der gewalt’ge Tilly ſchon, 

Rufend mit Commandoftimme : 
„Jaget nach dem Ketzerheer! 

Und wen ihr erreicht, dem ftoßet 
Durch den Körper Schwert und Speer!” 


Alfo folgt im rafchen Fluge 
Mordend er dem flücht’gen Zuge, 
Bis er Durlach felbft gewahrt; 
Wähnend ihn in feinen Händen, 
Denkt fein Teben er zu enden 
Auf entſetzensvolle Art. 

Aber unvermuthet ftürzet 

Wohlgeordnet Mann zu Dann, 
Durlach treuer weißer Haufen 
Gegen Tilly’s Schlachtheer an. 


Tilly flaunet. „Kommt zum Heere 
Ferdinando's!“ — ruft er — „Ehre 
Schmüdt euch bier im höchften Grad, 
Wenn zu eurem Keberfürften, 
Welchen wir zu fahen dürften, 

Ihr geöffnet ung den Pfad! — 
Doc vergebens! AN erwiedern: 
„Eher Tod dur Feindeshand, 
Als Verrath dem theuern Fürften 
Und dem lieben Vaterland !“' 


Tilly drauf: „Ihr wollt Verderben? 
Nun, ſo ſollt ihr Alle ſterben, 
Eh gelingt des Fürſten Flucht!“ 
Und mit ſeinem ganzen Heere, 
Gleich dem hochempörten Meere, 
Das den Fels zu ſtürzen ſucht, 





Pforzbeimund imgegend. 395 


Stürmt er auf den fühnen Haufen, 
Welcher unerfchüttert ftebt, 

Ob auch mancher feiner Helden 
Offnem Tod entgegen gebt. 

Tief im Innerften beweget 
Ruft von Neuem Tilly: „Leget 
Eure Waffen vor mid hin!“ 

Aber Deimling: „Magſt fie holen!’ 
Mit ihm äußern, unbefohlen, 
Ale Bürger gleichen Sinn, 
Und erfechtend ihres Fürften 
. Rettung mit der Väter Muth, 
Fallen Mann für Mann, fie Alte, 


Hohumftrömt von Feinded Blut. 
Abolf Bube. 

Die Heldenthat der vierhundert Pforzheimer ift auch in einem 
größeren Gedichte gefelert, betitelt: „Die Schlacht bei Wimpfen,- ein 
vaterländifhes Heldenlied von Karl Fernand, evangelifch » proteft. 
Pfarrer in Egringen. (Karlsrufe, 1838. Berlag des artift. Inſti⸗ 
tuts.) Einen Auszug daraus theilt Baader in feinen "Sagen der 
Dfalz, der Bergfiraße und des Odenwaldes“ mit. (S. 194—220.) 

Eine andere poetifhe Bearbeitung deſſelben Stoffes von Anton 
Dietrich findet fih im Stuttg. Morgenblatt Nr. 123. Mai 1822. 


Triumphzug Eindlicher Liebe, 


Am dreißigjährigen Krieg, als unfer armes Teutfchland 
von der Nordfee bis an die Donau, vom Rhein bis an den 
Böhmerwald blutig zerfleifcht und ſchrecklich verheert wurde, 
und der eine Theil für Luther und des Evangeliums Predigt, 
der andere für den Papft und die Meffe, mit heißem Eifer 
fämpfte und Gut und Blut opferte, und die Kriegsfchanren, zu 
jeder Zeit fchrediich, aber Damals ganz zügellos und verwilbert, 
auf beiden Eeiten unerhörte Greuel verübten, geſchah es, daß 
nach der Nörblinger Schlacht Anno 1635, wo die Schweden 
und die Eyangelifchen gefchlagen wurden, in Würtemberg und 
Daden- Durlach, zuerft die Fürften, dann auch die Unterthanen 
die Flucht ergriffen, meiftens nad Straßburg und auf bie 
andere Rheinfeite. ine gut evangelifche Stadt war Pfor z⸗ 
beim, der Geburtsort Reuchlins, der zuerft ein helles Licht 





396 Pforzheim und Umgegenv. 


in Teutfchland angezündet hatte, und der Ort der Schule und 
Bildung Melanchton's von Bretten, bed gelehrten und 
fanften Freundes Luther’, des Lehrers Teutſchlands, der auch 
von den Katholifchen hochgeachtet wird. Dort floh auch Alles, 
befonders als man hörte, wie in Schwaben und im Würtem- 
bergifchen ed manchen Stäbten gegangen war; wie dort bie 
Kroaten und Panduren und Spanier gehauft, Alles geplün- 
dert, gebrannt und alle Greuel verübt hatten, auch in fol- 
hen Orten, die fich mit Accord übergeben. Da dachte auch 
Markgraf Ernft Friedrichs wohlbeftallter Amtskeller zu Pforz- 
heim, Herr Maler, fi mit einigen wichtigen Schriften feines 
Fürften auf Die Rheinſeite zu retten. Seine alte Mutter aber frug 
er, ob fie nicht bleiben und das Haus bewahren wolle, fo viel 
möglich ; vor ihrem Alter, hoffte er, würden auch die rohen Eol- 
baten Ehrfurdt haben. Sie aber erfchrad ob diefer Zumu⸗ 
thung und flebte ihren Sohn dringend an, ihr hülflos Alter 
nicht der blinden Wuth erbitterter Feinde ihres Glaubens preis 
zu geben. Nun fuchte der Amtöfeller Pferde berbeizufchaffen, 
aber in der ganzen Stadt und Gegend war fein Zugvieh 
aufzutreiben. Da lud er feine wichtigflen Schriften auf ein 
Feines Wägelein, auf dem man auch fonft ſchon in der Stadt 
Aften und andere Sachen hin und her gefahren hatte, fette 
- feine alte Mutter auch darauf, und er und feine Geſchwi⸗ 
fter fpannten fi) davor und zogen die gute Mutter fort an den 
Rhein, wo fie ein Schiff fanden, und drüben weiter zogen 
bis nad Landau. Wo fie Durchfamen und noch Einwohner an⸗ 
trafen, betrachtete man den frommen Zug mit Bewunderung und 
Rührung, und fo nahm man ihn aud in Landau auf; wer es ſah, 
wer es hörte, Kathol ſche wie Evangelifhe, yrieß als vom 
Himmel gefegnet ſolche Kinder, prieß glüdlih, wenn fie auch 
fonft Alles verloren, eine ſolche Mutter. Ihr Segen, der Segen 
ber geretteten frommen Mutter, ruhte auf diefen ebeln Kindern, 
und ruht auf ihrem noch in unferm Tagen blühenden Ge⸗ 
ſchlecht. 


2.98. 


Diefe rüprende Sage hat Sach's in feiner »Sefhichte der Mark⸗ 
graffhaft Baden“ (Bd. 4. S. 543) aufbewahrt. Siehe auch 3. Ba- 


Porzheimund Umgegend. 397 


der's „Badifhe Landesgeſchichte“ ©. 518. — Kaspar Maler, Ba- 
diſcher Amtsteller und Landfchaftsfchreiber, lebte von 1580—1648. 

Eduard Brauer, in feinen „Sagen und Geſchichten der Stadt 
Baden und Umgegend 2c.. (Seite 148) hat diefe Kindesliebe poetifch 
gefeiert. 


Die Peſt in Pforzheim. 


Welch Lärmen, welch Gebränge 
Stört Pforzheim's Morgenrub’ ? 
Was treibt in bunter Menge 
Das Volk dem Rathhaus zu? 

D wär ed nie gefprocden 

Das ſchauervolle Wort : 

„Die Peſt ift ausgebrochen !” 

Sp tönt von Drt zu Drt. 

Heute roth, 

Morgen tobt — 

Hilf uns Herr, in der legten Noth! 

Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriftenpflicht! 


D Leid! in jedem Haufe 
Kehrt Klag’ und Jammer ein; 
Die Würgerin, die graufe, 
Berfchont nicht Groß und Rlein; 
Das Kind, den Fräft’gen Gatten, 
Das Weib im Schönheitsglanz, 
Den Greis, den altersmatten, 
Die Braut im Myrthenkranz. 
Heute voth, 
Morgen todt — 
Hilf ung, Herr, in der lebten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Ehriftenpflicht ! 


Verödet ſtehn die Straßen, 
Es ſchweigt der Arbeit Schall, 





398 


Pforzheim und Umgegend. 


Des Hirten muntres Blaſen, 

Geſang und Peitſchenknall; 

Die Sterbglock' hört man hallen, 

Der Nonnen Klagepſalm, 

Viel hundert Opfer fallen 

Jach wie des Graſes Halm. 

Heute roth, 

Morgen todt — 

Hilf uns Herr, in der letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht! 


Der Kirchhof wird zu enge, 
Er ſträubt ſich mehr und mehr, 
Der Todten ſchwere Menge 
Zu faſſen nach Begehr; 
Am Wege, vor den Thüren 
Häuft ſich der Leichen Zahl; 
Kein Menſch will ſie berühren, 
Es ſteigt die Angſt und Qual. 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenfe des Todes, der Chriſtenpflicht! 


Der Bruder flieht Die Schweiter, 
Den Hausherren das Geſind, 
Den Freund der Freund, fein befter, 
Die Mutter felbft ihr Kind. 
Gefprengt find alle Bande 
Der Sitte, der Natur; 
Wer übt noh Macht im Lande? 
Die Peft ift Herrin nur! 
Heute roth, 
Morgen tobt — 
Hilf ung, Herr, in der Testen Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenfe des Todes, der Chriftenpflicht ! 





Pforspeimundiimgegend. 399 


Derweil nun peflgepeinigt 
Die Stadt voll Jammers war, 
Hat Rathes ſich vereinigt 
Bon Bürgern eine Schaar, 
Und glaubensftarf gefchloffen 
Den edlen Singerbund; 
Biel wahre Gildgenoffen 
Gelobten ſich's zur Stund’: 
„Was euch droht, 
Qual und Tod, 
Laßt uns lindern der Kranken Noth, 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Er üb' an dem Todten die Chriſtenpflicht!“ 


So führten ſie mit Singen 

Ihr Amt der Stadt zum Heil, 

So Hohen als Geringen 

Ward Hülf' und Troſt zu Theil; 

Die Lieb' und Treue kehrte 

Zurück ins Thal der Enz, 

Und Gott im Himmel wehrte 

Dem Grimm der Peſtilenz. 

Heute roth, 

Morgen todt — | 

Hilf dem Näcften nad Gottes Gebot! 

Wer weiß, wann die Noth in’d Haus dir bricht! 

Gedenfe ded Todes, der Chriftenpflicht ! 

Eduarb Brauer, 
Obiges Gedicht lehnt fih im Weſentlichen an bie Geſchichte an. 

Sm Jahr 1501, als die Peſt in Pforzheim Grauen und Jammer ver« 
breitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Todtengeſellſchaft 
(Singergefelfchaft) zuſammen, um Jedem in Noth und Tod beizuftehen, 
dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entfchlafenen Ruhe im Grabe 
zu verfchaffen. Den Namen Singer erhielten die Theilnehmer wahr- 
ſcheinlich deßhalb, weit fie die Todten mit Eang und Klang zu Grab 
geleiteten. Noch beftept bie Löbliche Singergefellfchaft, freilich nach den 
Zeitumfländen verändert. D. O. 


398 


Pforzbheimund Umgegend. 


Des Hirten muntres Blaſen, 

Geſang und Peitſchenknall; 

Die Sterbglock' hört man hallen, 

Der Nonnen Klagepſalm, 

Viel hundert Opfer fallen 

Jach wie des Graſes Halm. 

Heute roth, 

Morgen todt — 

Hilf uns Herr, in der letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht! 


Der Kirchhof wird zu enge, 
Er ſträubt ſich mehr und mehr, 
Der Todten ſchwere Menge 
Zu faſſen nach Begehr; 
Am Wege, vor den Thüren 
Häuft ſich der Leichen Zahl; 
Kein Menſch will ſie berühren, 
Es ſteigt die Angſt und Qual. 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht! 


Der Bruder flieht die Schweſter, 
Den Hausherrn das Geſind, 
Den Freund der Freund, ſein beſter, 
Die Mutter ſelbſt ihr Kind. 
Geſprengt ſind alle Bande 
Der Sitte, der Natur; | 
Wer übt noh Macht im Lande? | 
Die Peft ift Herrin nur! | 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriftenpflicht ! 


Pforzheim und Umgegend. 399 


Derweil nun peſtgepeinigt 
Die Stadt voll Jammers war, 
Hat Rathes ſich vereinigt 
Von Bürgern eine Schaar, 
Und glaubensſtark geſchloſſen 
Den edlen Singerbund; 
Viel wakre Gildgenoſſen 
Gelobten ſich's zur Stund': 
„Was euch droht, 
Qual und Tod, 
Laßt uns lindern der Kranken Noth, 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Er üb' an dem Todten die Chriſtenpflicht!“ 


So führten ſie mit Singen 
Ihr Amt der Stadt zum Heil, 
So Hohen als Geringen 
Ward Hülf' und Troſt zu Theil; 
Die Lieb' und Treue kehrte 
Zurück ins Thal der Enz, 
Und Gott im Himmel wehrte 
Dem Grimm der Peſtilenz. 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf dem Nächſten nach Gottes Gebot! 
Wer weiß, wann die Noth in's Haus dir bricht! 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht! 


Eduard Brauer, 


Obiges Gedicht lehnt fih im Weſentlichen an die Geſchichte an. 
Im Jahr 1501, als die Per in Pforzheim Grauen und Jammer ver- 
breitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Zodtengefelifchaft 
(Singergefelifchaft) zufammen, um Jedem in Noth und Tod beizuftehen, 
dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entſchlafenen Ruhe im Grabe 
zu verfchaffen. Den Namen Singer erhielten bie Theilnehmer wahr⸗ 
ſcheinlich deßhalb, weil fie die Todten mit Eang und Klang zu Grab 
geleiteten. Noch befteht die Löbliche Singergefellfchaft, freilich nach den 
Zeitumftänden verändert. DD. 


402 Pforzheim und imgegend. 


Als er den Schulzen einſt getraut 
Bor Schöften, Bettern, Muhmen, Bafen: 
War, wie zum Hohn, der jungen Braut 
Das Kränzlein flugs hinweg geblafen. 


Wie oft der Schabernad gefchah, 
Ich weiß es wahrlich nicht zu fagen; 
Die Zauberer famen von fern und nah, 
Das Blaſerle hinweg zu jagen. 


Es blies, es blies bei Tag und Nacht, — 
Die Bauern mußten mandes Späßchen, — 
Bis fih der Pfarr in's Haus gebracht 
Die flinkite Maid, fein muntres Bäschen. 


Die nahm’3 mit allen Geiftern auf,! 
Flog durch das Haus, treppauf, treppnieder — 
Das Blaferle warb ſtill hierauf 


Und plagte nie den Pfarrer wieder. 
A. Nobnagel. 
(Vergl. Mone's „Anzeiger“ 1834. (Bech ſt ein) „Sagen,“ M. Bd. S. 100, erzählt, 
daß ſich ein fleißiger Hausgeiſt vertreiben ließ, indem der Hausbefitzer ihm einen 
eigenthümlichen Ton nachaͤffte. 


Die Nonnen zu Weiſtenſtein. 


Zu Weißenftein bei Pforzheim fland vor alter Zeit 
ein Nonnenkloſter. Es ift aber längſt verfhwunden, und auf 
den Play ift die Herrenfcheuer gebaut worden, die auch nicht 
mehr fteht. Die Kloflerfrauen trugen weiße und ſchwarze Kleider 
und noch fieht man fie Nachts auf den Wiefen an der Nagold 
umgeben. Man fieht immer nur drei beifammen; im Ganzen 
find es aber neune, die fonft aus der Herrenfcheuer heraus und 
hinab ins Wiefenthal giengen. Wenn man fie nicht beleidigt, 
fo thun fie Einem nichts; aber einmal ging ein Mann über 
die Brüde und rief ihnen zu, fie follten ihn nah Dillftein be- 
gleiten, flatt fonft fpazieren zu gehen; da ward er von unfichte 
baren Händen ind Waſſer geworfen und an den Singern und 
im Geficht zerriffen. So fam auch einmal ein betrunfener Mann 
son Pforzheim an die Brüde, wofelbft er feine Nothdurft ver⸗ 


Pforzheim und Umgegend. 403 


richtete. Der rief ihnen aud aus Uebermuth, fie follten ihn 
reinigen, worauf fogleich eine Nonne mit einem Dornwifch er- 
ſchien und ihn fo übel zurichtete, Daß er lange Zeit nicht ohne 
die größten Schmerzen figen Tonnte. 

(Siehe Mone's „Anzeiger 26.” Jahrg. 1834.) 


Der nächtliche Schlachtlärm. 


Das alte Schloß Kräheneck bei Weißenftein fl 
ganz verfallen und abgetragen, von Gebüfh und Gras um⸗ 
wucert. Wo der Weg von Huchenfeld nah Pforzheim 
geht, da hört man oft Nachts ein Getös in der Burg, wie von 
einer Schlacht.) Auch Haben Die Leute dort manchmal ben Burg« 
herrn felbft auf feinem Schimmel reiten gefehn. Diefes Pferd 
weidet zuweilen auf den Wiefen an der Nagold, die dem 


Krähenecker gehörten. 
(Siehe Mone's „Anzeiger 26.” Jahrg. 1834.) 


Der beitrafte Saktramentfchänder. 


An einer Spinnftube zu Göbrichen waren an einem 
Winterabende die Burfchen und Mädchen fo ausgelaflen, daß 
fie auf den Einfall gerietben, eine f. g. Katzentaufe zu 
halten. Nachdem eines der Mädchen ſich wie eine Wöchnerin 
ind Bett gelegt hatte, wurde die Hauskatze eingemwidelt wie ein 
Kind, zu ihr gethan, alsdann von Zweien , welche die Pathen 
vorftellten, abgeholt, und von einem Burfchen, der den Pfarrer 
machte, förmlich getauft. Darauf festen fih Alle zu Tiſch und 
hielten Iuftig das Taufmahl. Indem fie fo zechten, hörten fie 
plöglich draußen am Fenfterladen klopfen und eine unbekannte 
Stimme rufen: „Derjenige, welcher die Kate getauft hat, foll 
herauskommen!“ Den Burſchen überfiel ein Grauen, und er 
wagte fih nicht aus der Stube, obgleich bald nachher Die Thüre 
zweimal halb aufgemadt und bas Nämliche hereingerufen wurbe. 
Erft, nachdem dies zum Drittenmal gefchehen,, ging er auf das 
dringende Zureden feiner Kameraden hinaus, war aber faum 


+) Abermald das wilde Heer! 


26* 


404 Pforzheim und Umgegend. 


vor der Thüre, als er mit einem gräßlichen Schrei zuſammen⸗ 
flärste. Die Andern eilten ihm zu Hülfe, fanden ihn aber an ber 
Schwelle tobt, mit gebrochenem Genid Tiegen. Neben ihm auf 
dem Boden waren drei frifche Blutstropfen. Bon dem Wefen, 
welches ihn herausgerufen,, fonnte nirgends eine Spur entdeckt 


werben. 
(Siehe Mone’8 „Anzeiger 2c.” Jahrg, 1839.) 


Der feurige Mann. 


Huf dem Felde zwifhen Elmendingen und Nöt- 
tingen geht in den heiligen Nächten ein feuriger Mann um, 
welcher manchmal auch als ſchwarzer Hund erfcheint. Einft fuhr 
dort, tief in der Nacht, ein Bauer von Stupfer ich, der aus 
dem fiebenten Buch Moſis ſich gegen Geifter zu ſchützen wußte, 
und als er den feurigen Mann erblidte, rief er ihm zu, er folle 
nur herbeikommen. Diefer folgte dem Geheiß und feste fih auf 
den Leiterwagen zu dem Bauern, der ihn bann fragte, warum 
er bier umgehe und ob er zu erlöfen fey? Hierauf antwortete 
Das Geſpenſt: „Ich babe bei meinen Lebzeiten Waifenfinder dort 
um jene drei Viertel Morgen betrogen und deßhalb muß ich 
jest, ohne Hoffnung auf Erlöfung, auf diefem Ackerſtück ums 
gehen und fo lange Gott Gott heißt, fo lange muß ih auf 
dem Plate Geift heißen.” 


(Siehe Mone's „Anzeiger 2.” Jahrg. 1839.) 


— m — 


Kraichgau m Elfenzgan. 


295> 


Die Eleine Fürftengruft. 


Ms man in Bruchſal zum Bau der Vetersficche ſchrei⸗ 
ten wollte, fragte der Baumeifter den Fürſtbiſchof Schönborn, 
wie groß die fürftlihe Gruft gemacht werden folle? Der 
Fürft hieß ihn nach einigen Tagen die Antwort holen, und 
diefe lautete dann: Die Gruft folle nur für drei Särge ge- 
baut werben; für mehr fey nicht nöthig. Zu Jedermanns 
Erflaunen wurde fie demnach fo Fein gemacht; allein fie war, 
wie Schönborn richtig vorbergefagt, groß genug. Unter dem 
Dritten feiner Nachfolger ward nämlich das bifchöfliche Für- 
ſtenthum aufgehoben und da der Zweite derfelben in Paflau 
geftorben und begraben ift, reichte Die Gruft gerade für drei 
Fürſtbiſchöfe aus und ift jegt auf immer gefchloffen. *) 


Der Nekrut auf Philippsburg. 


Bor Philippsburg der Franzmann Yag, 
Die Reichsarmee barinnen, 
Die Feinde meinten Tag für Tag, 
Die Feſtung zu gewinnen. 
Biel Bomben flogen hin und her, 
Und plasten fie, fo Tracht?’ es fehr! 
Das mußte man gewohnen. 


*) In der That ift jene Gruft nur für drei Särge gebaut. 
(Siehe Mone's „Anzeiger“ sc. Jahrg. 1838.) 


Kraichgau. 


Da fland beim Sturm einſt ein Rekrut 
Abſeits auf einem often; 
Er dacht in feinem dummen Muth: 
„Bier wird's den Hals dir koſten; 
Der d'Asfeld greift dort hinten an, 
Hier kann ih ruhig Schildwacht ſtahn!“ 
Iſt aber anders kommen. 


Denn juft erfahn den ſchwachen led 
Der Franzen fi ein Dugend, 
Und richteten die Leiter Ted, 
Auf ihre Menge trugend ; 
Sie meinten ſich ſchon oben drauf 
Ha! Hommen fadht den Wal herauf, 
Der Eine hinterm Andern. 


„Ei fieh, ein ſchwarzgeſchnauzt Geftcht 
Da drüben auf der Mauer! 
Hal! galt mir diefe Kugel nit? 
Willſt du hinab, du Lauer! 
Doc weil von felber. Der nicht ging, 
So wies er mit der Degenfling’ 
Ihn höflich in den Graben. 


Nun, dacht' er, wird wohl Fried’ im Land! 
Ging ruhig auf und nieder, 
Doch plöglich vor der Brüftung fland 
Der fhwarze Schnauzbart wieder. 
„Biſt du noch einmal da, du Frag? 
Und Haft noch Pulver? Pas, mach Plag! 
Nun aber fommft du nimmer !“ 


Da hat er doch zuviel gefagt, 
Denn vor der Mauer kauzte 
Schon wieder, den er zwier (zweimal) verjagt, 
Der leid'ge Schwarzgefchnaute. 
„Ei, du verwetterter Franzos! 
Wann werd’ ich Dich wohl einmal los? 
Da lieg’ und fomm’ mir wieder !« 


Kraichgau. 407 


So ging es noch zum Viertenmal, 
Zum Fuünften und fo weiter; 
Er fließ die volle. Dutzendzahl 
Den Franzmann von ber Leiter. 
Doch endlich als die Stunde ſchlug, 
Löſt' ihn der Waibel ab und frug: 
„Iſt nichts zu rapportiren 9x 


„sa doc, hier bat mir eingeheigt 
Ein ſchwarzer Bärenhäuter, 
Ich hab’ ihm oft den Kopf gebeizt, 
Doch ward er nicht gefcheuter. 

Wohl zwölfmal hat er angefegt, 
Doch ſtill im Graben Tiegt er jetzt.“ 
Da Tagen aber Zwölfe. 


Man frug beim Kommandanten an: 
„Was ſoll er Stechgeld haben? 
Nur Einen hat er abgethan, 
Dog Tiegen Zwölf im Graben!“ 
Da lachte Der, das war ein Glüd, 
Und Tieg ihm ein Halbguldenftüd 
Für jedem Schnausbart reichen. 

K. Simrock. 


Das Gnadenbild zu Waghäuſel. 


Vor etlichen hundert Jahren geſchah es, daß ein Schäfer, 
der am Lußhardtwalde feine Heerde weidete, in demfelben einen 


wunderfchönen Gefang vernahm. Er gieng den Klängen nach 


nnd Fam an einen Sumpf, in deſſen Mitte ein abgeföpfter 
Baumftamm und darauf ein feines Muttergotted Bild fand, 
aus deſſen Munde der berrlichfte Gefang ertönte. Er bemühte 
ſich, das Bild mit. feinem Krumftabe zu erlangen, um es zu fich 
zu ziehen, war aber zu weit Davon entfernt; auf einmal rief es 
ihm zu: „Wag’ es nur!” woraufermutbigt, er burdh den Sumpf 
wabete und baffelbe herabholte. Freudig trug er es in feine 
Hütte, aber am folgenden Morgen war es verſchwunden und 





&08 Kraichgan. 


wieder an ſeinem vorigen Platze. Abermals trug er es vom 
Sumpfe mit ſich nach Hauſe, allein in der nächſten Frühe fand 
er es wieder auf dem Baumſtumpen, nnd ebenſo, nach noch⸗ 
maligem Heimtragen, am dritten Morgen; worauf er es ruhig 
dort ſtehen ließ. In der Folge kamen auf einer ihrer Wander⸗ 
ungen einige Kapuziner an dieſen Ort und bauten, nachdem 
ihnen der Schäfer fein Wunderbegebniß berichtet, eine Kapelle 
über den Stamm mit dem Bilde, und daneben für fih eine 
Wohnung. Diefe Anfieblung erhielt, nach dem Zuruf der Ma⸗ 
donna „Wag’ es!“ den Namen „Waghäufel« und bald 


wurde von nah und fern zu dem Wunberbilde .gewallfahrtet. *) 
(S. Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839.) 


*) Häufig ſtrebt Die Volksſage, Namen zu erklären. Solche Sagen 
find meiſtens jung, weil ſie die Namen der Orte gewöhnlich mißver⸗ 
ſtehen und deren alte Bedeutung nicht mehr kennen, wie obiges Bei⸗ 
ſpiel beweiſft. Vaghäuſel hieß urſprünglic Waaghus, d.h. das 
Haus bei dem ſtebenden Waſſer, von dem noch das nahegelegene Torf⸗ 
moor zurücgeblieben if. MM. 


— — — — — — 


Die Kapelle zu Waghäuſel. 


Vor etlichen hundert Jahren geſchah es, daß zwei Ritter 
im Lußhardtwalde ſich ein Treffen lieferten. Schon wich die Mann⸗ 
ſchaft des Einen; er ſelbſt lag erſchöpft unter einem Baum und 
rief die feligfte Jungfrau um Beiſtand an. Da vernahm er eine 
wunderbare Stimme, welche aus der Krone des Baumes ihm 
zurief: wage, wage! Hierdurch mächtig gefärft, Tehrt er in 
das Treffen zurüd, und erlangt einen vollfländigen Sieg. Zum 
Danfe ließ er nachmals da, wo der Baum ſtand, eine Mutters 
gottesfapelle bauen, die den Namen „Waghäufel” erhielt, 


und bald das Ziel vieler Pilgerfahrten wurde. *) 
(Siehe Mone’s „Anzeiger“ 1835.), 


*) Diefe Sage hat mit der Entftehungsgefhichte der Wagh äusler Wallfahrt nur ent- 
fernte Aehnlichkeit, und ſcheint ihr Dafeyn hauptfählich einer Erklärung des Ortsnamens zu 
verbanten. Man vergleiche das „anmuthige Waghäusier Büchlein“, Bruchſal bei X. G. Gott⸗ 
—— en worin bie erwähnte Geſchichte, nach den Urkunden bes Kloſters Waghäufel, 
erzahlt if. 


Kraichgau. 409 
Der entheiligte Gürtel, 


Zu der Rapuzinerwohnung auf dem Michelsberg bei 
Untergrombach pflegten häufig die Hiriche des benachbarten 
Waldes zu kommen. Einem derfelben warf ein Kapuziner feinen 
Gürtel um's Geweih und fchleppte den fo Gefangenen daran 
nad Haufe. Wegen diefer Entheiligung des Gürteld und Ver⸗ 
letzung des frommen Gaftrechtd mußte der Kapuziner nadı feinem 
Tode noch lange Zeit, den Gürtel um den Leib, ald Geiſt um- 
gehen. *) 

(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839). 


*) Die Sagen von zauberifchen Sürteln fiheinen in das Heidenthum 
zurüdzugehen; der Gürtel Thors und Brumpildg und bie Hals⸗ 
fetten der Schwanenkinder gehören dazu. Siehe die Sage vom 
ledernen Riemen im Schloßarchive zu Wertheim. 


Teufelskutſchen. 


1. Eines Abende um ſieben Uhr ging eine Frau, welche nad) 
Heidelsheim wollte, auf der Landftraße zwifchen Ubſtadt 
und Bruchſal. Am dortigen Galgen fam eine Kutfche hinter 
ihr ber, hielt bei ihr an und ein, darin ſitzender Mann lud ſie, 
während die Thür aufſprang, zum Einſteigen ein. Nach eini⸗ 
gem Zögern ſtieg ſie ein, worauf der Schlag von ſelbſt wieder 
zuging. Der Mann ſprach fein Wort, doch die Frau gewahrte 
mit Schreden, daß er Bocksfüße habe. Als fie vergebens verfucht 
hatte, die Kutfchenthüre zu öffnen, um heraugzufpringen, 308 
fie ein Gebetbüchlein aus der Tafche und betete in Einem fort, 
big fie bei Untergrombacd zu einem Kapellhen famen. Da 
öffnete fi der Schlag wieder von felbft, die Frau fprang her- 
aus, und unter fürchterlichem Knall verſchwand die Kutſche mit 
Mann und Roffen. 





2. Bor etlichen vierzig Sahren kamen ein Schneider aus 
VBöffingen und feintlehrjunge, als fie Nachts vom Trais- 
hof heimgingen, zu einer Rutfche, worin ein Mann und auf 
dem Bode der Kutfcher ſaß, und neben welcher ein anderer Dann 
in grünem Rod einherfchritt. Derfelbe Iud die Beiden zum Ein- 


410 Kraichgau. 


ſteigen ein, was der Lehrjunge ablehnte, der Schneider aber 
annahm, worauf ihm ber Grüngekleidete hineinhalf und dann 
ſelbſt einflieg. Kaum war dies gefchehen, fo erhob fich die Kutfche 
in die Luft und fuhr fchnell wie der Wind über Berg und Thal, 
fo dag den Schneider Die Befinnung verließ. Als er wieder zu 
fih fam, war es Morgen und er lag allein am öden Meeres- 
ufer, wo ein Schiff anhielt. Er wußte fi) nicht anders zu hel⸗ 
fen, als daß er die Schiffleute bat, ihn mitzunehmen, was fie 
auch thaten. Sie fegelten nad Oſtindien. Dafelbft blieb der 
Schneider zwanzig Jahre ang, nach deren Verlauf er nad 
Wöffingen, woman ihn Yängft für todt gehalten, zurüd- 
fehrte. Weil er aber feine Frau an jenen Lehrjungen , der unters 
beffen Meifter geworben war, verheirathet fand, nahm er feine 
beiden Söhne von ihr und begab fich mit ihnen an feinen voris 
gen Wohnort in DOftindien, von wo er nichts mehr von fi 


hat hören Yaffen. 
(Siehe Mone’s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 


Das mildthätige Männlein. 


Ein armes Mädchen aus Heidelsheim, welches im 
dortigen Wald einem Männlein begegnete, fragte daffelbe, wo 
fie Späne finden könnte. „Späne habe ich feine gefehen, wohl 
aber Kohlen !« erwiederte das Männlein, führte darauf das 
Mädchen zu einem Haufen Holzfohlen nnd ſprach: „Made 
beinen ganzen Korb voll; fie werden gewiß gut brennen.“ Nach⸗ 
dem das Mädchen ſolches gethan, fchied fie von dem Männlein, 
um nad Haufe zu gehn. Unterwegs ward ihr der Korb fo ſchwer, 
Daß fie ihn faft nicht mehr fortbracdhte, weßhalb fie einen gerade 
sorbeifahrenden Mann aus Heidelsheim bat, ihre Laft auf 
feinen Wagen zu nehmen. Da er ihr dies abfchlug, warf fie 
den Korb unmuthevoll auf die Erde. Kaum lagen die Kohlen 
da, fo gewahrte fie, daß fie zu Tauter Gold = und Silbermüngen 
geworben waren; mit Hülfe des Schulzen, der dazu fam, las 
fie nun al’ das Geld forgfam auf und trug es glüdlich nad 
Haufe. 


(Siehe Mone's „Anzeiger ıc. Jahrg. 1838.) 


Kraichgau. 411 


Das Hündchen von Bretten. 


Grfte Sage. 


Zu Bretten überm Stabtthor fleht an u —* 
Ein Hündchen ohne Schwanz, 
Und über feinem Haupte weht 
Ein hart verdienter Kranz. 
Wer fich umfonft zu Tode zieht, 
Bergnügt in ſchweren Ketten, 
Dem fagt man: »Wahrlich, dir gefchieht 
Noch wie dem Hund von Bretten.” 


Dem Hündchen ward, dem treuen Thier, 
Die Treue ſchlimm gelohnt, 
Und fiher fo ergeht es Dir, 
Der fih im Dienft nicht ſchont. 
Es war von feinem Herrn, wie Du, 
Zu Manchem abgerichtet, 
Der lieg ihm feine Stunde Ruh’, 
Die Chronif hats berichtet. 


Wohl mochte fein geplagt’rer Gaul 
Im ganzen Städtchen ſeyn; 
Gab er ihm einen Korb in's Maul, 
Sp lief's und kauft' ihm ein: 
Beim Metzger Fleifh und Bratwurft gar, 
Und Weißbrod bei dem Bäcker, 
Im Korbe fagt’ ein Zettel Har, 
Was nöthig war dem Schleder. 


Das Hündchen Tief von Haus zu Haug, 
Und Tieß fich nie verführen, 
Nur einen Bißen von dem Schmaus 
Des Herren anzurühren, 
Wenn es ihn treulich heimgebrachtz 
Doch war e8 fchon zufrieden, 
Ward ihm von feiner fchweren Fracht 
Ein Knöchlein nur befchieden. 


412 


Kraidgau 


Sein Herr, ber evangelifch war, 
Hielt wenig auf die Faflen, 
Und ließ den Speifecommiffar 
An feinem Freitag raften. 
Der Hund, der täglich faften muß, 
Geht feinen Weg befcheiden, 
Nicht kann er, wie ein Klerifug 
Den Fefttag unterfcheiden. 


Da führt ihn einft fein Mißgeſchick 
Zu einem Fleifcher hin, 
Der als ein echter Katholik 
Streng hielt die Disciplin; 
Wie Der den Zettel nimmt und Lieft 
Ben einer Wurft gefchrieben, 
Ihn das Gelüſte baß verdrießt, 
Hätt' es ihm gern vertrieben. 


Im frommen Eifer hat er gleich 
Das arme Thier gepadt, . 
Ihm auf dem Block mit Einem Streidh 
Das Schwänzlein abgehadt; 

Das legt' er in den Korb dem Hund: 
Da haft du Fleifh, nun troffe, 

Und deinem Herren made fund, 

Daß ich's ihm ſchenken wollel« 


Das Hündchen, bis zum Tode wund, 
Lief doch, der Pflicht gebenf, 
Und trug dem Herrn fogleih zur Stund’ 
Sein Schwänzlein zum Geſchenk; 

Legt’ ihm den Korb noch vor den Fuß 
Und firedte fih daneben; 

Das war fein Vetter, ſtummer Gruß, 
Dann haucht' es aus fein Leben. — 


Hier fleht das Bild des armen Wichts; 
Den Lohn erwarb er doch, 


Kraichgau. 


Weil er ſein Leben lang um Nichts 

Im ſauern Dienſte kroch. 

Du mühe dich, nach ſeinem Brauch, 

Im Joch des Undankbaren, 

So mag Dir nach dem Tod wohl auch 
Die Ehre wiederfahren. 


K. Simrod. 





Zweite Bage. 
Es ift ein Hündlein, wohl befannt, 
Aus rauhem Stein gehauen, 
Zu Bretten auf der Kirchenwand 
Am hohen Dach zu fohauen. 
Die Kirche St. Laurentii 
Weiß felbft nicht mehr, warum und wie 
Sie zu dem Hund gelommen; 
Ich aber hab's vernommen. 


Ihr Herrn, die ihr mit Heldenmuth 
Euch kecker Thaten rühmet: 
Bor diefem Hünbdlein zieht den Hut, 
Als dem die Ehre ziemet! 
Denn wißet: dieſes Hünblein hat 
Gerettet feine Baterflabt 
Bor vielen hundert Jahren 
Aus Sammer und Gefahren. 


Einft war von einer Kriegerſchaar 
Die fromme Stadt umgeben, 
Da thät fie greulich in Gefahr 
Und Todesängften ſchweben; 
Es dauerte wohl Wochen lang 
Des Feindes mächt'ger Waffendrang, 
Doch wollt's ihm nicht gelingen, 
Die Tapfern zu bezwingen. 
Gewalt vermochte nimmermehr 
Das Stäbtlein zu befiegen, 
Doc blieb das. ganze Feindesheer 
Rings um die Mauern Tiegen, 


413 


414 


Kraichgau. 


- Daß Hunger es beinah bezwang; 


Schon droht den Bürgern Untergang, 
Bis ſie, die Noth zu enden, 
Zu einer Liſt ſich wenden. 


Ein fettes Hündlein wird erſehn, 
Das fchwerbebrängte Bretten 
Wo möglich vor dem Untergehn 
Uud Hungertod zu retten. 

Man mäftet nun das Thier fo fehr, 
Daß es fo feift ward, di und ſchwer, 
Dem Feinde nur zum Trug doch, 
Als hätt’ man Fleiſch genug noch. 

ALS diefer bald darauf die Stadt 
Mit flolgem Trog fo eben 
Bon Neuem aufgefordert hat, 

Sich endlich zu ergeben; 

Da kroch gemädlicd aus dem Thor 
Ein fett gemäftet Thier hervor, 

Als folt’ fein voller Magen 

Dem Feind die Antwort fagen. 


Obwohl ihn folder Spott verbroß, 
Bergaß er, fih zu rächen, 
Und fand für gut, mit feinem Troß 
Soforten aufzubrechen. 
Er ſchickt mit zornentflammtem Blick 
Schwanzlos den armen Hund zurück; 
Sp hat für fette Bißen 
Das Hündlein leiden müffen ! 


Doch um dem Hündlein für bie That 
Ein Denfmal zu erbauen, 
Beichloß hierauf der Magiftrat 
Sein Bildnig auszubauen. 
Sp fieht man feßo fpat und früh 
Am Dache St. Laurentii 
Den Hund, den immer fetten; 


Das ift der Hund von Breiten. 
Maximilian Sachs. 


Kraichgau. 415 


Der wachſende Stein. *) 


Um Ranft der Kraich im Thale 
Tritt aus der Wand ein Stein 
Und wächft mit feinem Leibe 
Bald in die Kraich hinein. 


Er wächſt feit Mannsgedenken: 
Mit jedem neuen Jahr 
Stellt größer er und höher 
Und mädtiger ſich dar. 


Man weiß nit, was ihn wachen 
Und sorwärts rüden macht, 
Auch wächft er nicht am Tage, 
Er wächſt nur in der Nadıt. 


Man glaubt drum auch vom Steine, 
Er fei des Teufels Stein, 
Der trage bort allnädhtig 
Mandy frifhe Seel’ hinein, 


Und lade von den Seelen 
Die Sünden allzufamm, 
Der Pad son Sünden gebe 
Stets einen größern Damm. 


Den Sündendamm bebede 
Als Hülle nur den Stein, 
Und nur der Teufel könne 
Zum Steine aus und ein; 


Und fei vom Stein durchwachſen 
Die Kraich, fo fchwell fie an, 
Bis endlich ihre Waffer 
Gebrochen ſich die Bahn. 





*) Diefer Stein, der mehrere Kubikklafter Mächtigkeit hat, liegt ober vielmehr ſteht 
als Ausläufer ter niebrigen Thalmand am Wege zwifchen Flehingen und Gochsheim, und foll 
(dicitur) wachſen ıc. 





416 . Kraichgau. 


Dann ſchwemmten Steinund Sünden 
Die Waffer in den Rhein, 
Und dort verfchläng’ ein Strudel 
Den Nachts gewachfnen Stein. 


Der Teufel wol’ ihn halten, 
Der Strudel geb’ nicht nach, 
Es fei der Macht des Rheines 
Der Teufel felbft zu ſchwach. -- *) 


Drum rieth' ih großen Sünbern, 
Sie wüfchen fih im Rhein, | 
Waſcht der fie nicht, fo müffen 


Sie wohl des Teufels feyn. 
Zudwig Kieffer. 


*) Das Wachfen des genannten Steines if} höchft wahrfcheinlich dahin 
zu erflären, daß er aus einer Iuftbeftändigern Felsmaſſe befteht, als 
bie ihn unmittelbar berührende Thalwand. Je mehr diefe durch Wit- 
terungseinflüffe fih auflodert und abloͤſt, um fo mehr Test fie den 
Stein bloß, um fo größer erfiheint er, ohne deßhalb heraus⸗ und in 
das Thal hinein zu wachſen; der ſchon vorher in feiner ganzen Größe 
vorhandene Stein wird nur fihtbarer und hat deßhalb bei dem Volke 
zu diefer Redensart, er wachſe, Veranlaffung gegeben. 


Der Schwabe vor Bretten. 


Eine tapfere That verübten einft die Brettener im Jahr 
1504, als der Herzog Ulrich von Würtemberg mit 20,000 
Mann die Pfalz Eriegerifch heimfuchte und Bretten bela= 
gerte. Die Schwaben lagen Nachts im beften Schlaf, wur⸗ 
ben aber fehr unhöflich geweckt; denn die Brettener machten 
einen Ausfall und famen ihnen fo derb über den Hals, daß fie 
Geſchütz und Munition im Stiche Tießen und fchleunigft Reiß⸗ 
aus nahmen. Bei diefer Gelegenheit hielt ein Schwabe feinen 
Singer juſt vor die Mündung einer Feldfehlange, als man fie 
Yosbrannte. Der Finger flog mit der Kugel weg und ber 
Schwabe ſchrie: 


Kraichgau. 417 


„Au wai, au wai! 
Noh Bretta, glaubeis nau, (nur) 
Komm ih jo nimmi mai!“ (mehr) 
Dieſe wahrhafte Geſchichte war ehmals an dem alten Rath⸗ 


| Haus abgemalt. 2.8 


Ein Gefpenft pflügt. 


Auf dem Bauerbacher Felde bei Bretten ging ein Gefpenft um, 
welches die Buben, die am nahen Wald ihr Vieh weideten, flets 
Mittags zwifchen 11 — 12 Uhr in den Furchen hin und her wan⸗ 
dein fahen. Um zu erfahren, was es wolle, ſchickten fie Einen 
von ihnen zu ihm und ließen nad feinem Begehren frogen. 
Der Geiſt erwiederte blos: „Komm morgen Mittags um 12 Uhr 
mit deines Vaters Pflug und Ochfen bierber!« — und vers 
fhwand, Auf Geheiß feiner Eltern, denen er bied erzählt 
hatte und die auf einen Schaf hofften, fand fich der Bube mit 
Pflug und Ochfen zur beftimmten Zeit wieder auf dem Kelb ein. 
Das Gefpenft winfte ihm und hieß ihn vorausgehen,, ed wolle 
hintennach zadern (Bolföwort für adern). Nachdem es bies 
gethan und dadurch ein Stüd Feldes an dem angrenzenden 
Ader gepflügt hatte, fprady es zu dem Knaben: „Gebt bin ich 
ertöft! Nach fieben Jahren wirft du mir folgen und auch ein 
Engel im Himmel werden.“ — Hierauf verſchwand der Geift. 
Der Bube ftarb richtig nach Berfluß der fieben Jahre. 


(Siehe Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) _ 


Gefpenit ind Haus gebracht. 


Ein Mann von Eppingen, der Nachts durch den dorti- 
gen Wald fuhr, hörte feitwerts vom Wege ein Blöden und 
fand, als er nachforfchte, ein Milchkalb allein dort Liegen. Er 
lud es auf feinen Wagen und ſperrt' es zu Haufe in feinen 
Stall. Als er vor dem Schlafengeben noch einmal nach dem 
Kalbe fehen wollte, traf er flatt deffelben eine hochbejahrte 
Frau in alterthümlicher Tracht an. „Fürchte dich nicht,“ — ſprach 
fie zu ihm — ich thue Dir nichts zu Leide. Schon über hundert 

ll. 27 


418 Kraichgau. 


Jahre ſchwebe ich zwiſchen Himmel und Erde und kann nicht 
ertöft werben. Manchmal nehme ich die Geſtalt eines Hundes, 
mandmal eines Schafes und manchmal eines Kalbes an. Weil 
ich in dein Haus gebracht worben bin, gehe ich nicht mehr her⸗ 
aus, will mich aber gerne mit jedem Winkelchen barin begnüs 
gen.” — Darauf ließ der Dann für fie einen befonderen Kaften 


machen, worin der Geift noch heute fich befinden ſoll. *) 
(Siehe Mone's „Anzeiger ⁊c.“ 1838.) 


Die übel belohnte Hexe. 


Ein Bauer in der Gegend von Eppingen hatte’ eine 
Frau, welde im Ort ald Hexe verfihrieen war. Um bies 
zu ergründen, gab er genau Obacht auf Alles was fie that, 
da er aber trotzdem nichts heraus brachte, ließ er oft gegen 
fie den Wunſch fallen: „Wenn ich doch nur heren könnte!“ 
— Lange fagte fie nichts darauf; ale er jedoch biefen Wunſch 
ſtets eifriger wiederholte, ſprach fie endlich: „So komm heute 
Nacht zwifchen 11 und 12 Uhr mit in den Hof; da will ih 
dir dad Heren lehren!“ — Zu gleicher Zeit fanden ſich Beide 
dort ein, der Mann mußte, gleich ihr, eine Miftgabel ergrei- 
fen und fie hieß ihn Hinter ihe her um den Düngerhaufen 
gehen und nachfprechen, was fie fagen werde. Sie fehritt nun 
voran und ſprach: 

„Ich verleugne Herrn Jeſum Chrift lu 
Da fiel ihr der Bauer in die Rede: 
„And ich fchlag tobt, was teuflifch ift 1 
zugleich gab er ihr mit feiner Miftgabel einen ſolchen Schlag 
auf den Kopf, daß fie augenblicklich tobt niederfiel. 
. (S. Mone’s „Anzeiger 2.” Jahrg. 1838.) 


% 
2) Mer den Geiſt mit in fein Haus nimmt, dem bleibt er als Haudgeiftz dies ift 
ein alter, oft wieberkehrender Zug’; bie Erlöfung in obiger Sage ift eine neue und dadurch 
ſtörende Zuthat, weil die Erlöfte dennoch als Hausgeift an ben Ort gebannt bleibt, - 


M. 





Kraichgan. 419 


Arbeit in der andern Welt. 


In alter Zeit ſtarb in Flehingen eine Wöchnerin mit 
ihrem neugebornen Kinde und dies wurde ihr in den Arm 
gelegt und ind Grab mitgegeben. Die zwei folgenden Nächte 
ſchwebte ihr Geift vor das Bett der Großmutter und bat, fie 
möge ihr Faden, Nabel, Scheere, Fingerhut, Wachs und Seife 
ing Grab geben, weit fie jenfeits für ihr Kind noch nähen 
und wafchen müffe. Die Großmutter erfüllte dieſes Begehren, 
worauf der Geift fih nicht mehr fehen Tieß. 

Seitdem tft ed zu Flehingen hie und da Sitte, den Wöch⸗ 
nerinnen, bie mit ihren neugebornen Kindern fterben und bes 
graben werben, die Dinge, welde jene Grau verlangt bat, 


mit ind Grab zu geben. 
(Siehe Mone's „Anzeiger 20. Jahrg. 1838, S. 473). 


Scha in Flehingen. 


"Sn einem Sausgarten zu Flehingen fpudte Nachts 
ein weißer Mann. Einft frug ihn der Eigenthümer des Haus 
fes nach feinem Begehren, worauf der Geift erwieberte: „Ich 
muß wegen eines Schages umgehen, den ich bei meinen Leb⸗ 
zeiten bier an diefem Plage vergraben habe. Du fannft ihn 
heben und mich dadurch erlöfen, mußt aber dann nad zehn 
Jahren ſterben!“ — Weil der Hauseigenthümer ſchon ziemlich 
bejahrt war, trug er fein Bedenken, in einer beflimmten Nacht 
auf dem bezeichneten Plage zu graben. Er fand im Boden 
eine Backmulde vol Geld, die er mit Hülfe unfichtbarer Hände 
ſtillſchweigend zu dem Senfter brachte, das aus der Stube in 
den Garten ging. Als er die Mulde zum Fenfter - hinein 
ſchob und feine Frau, welche drinnen harrte, das viele Gelb 
erblickte, rief fie: „Gottlob! jest ift uns geholfen; nun kön⸗ 
nen wir al’ unfre Schulden bezahlen "- — Bei biefen Wor- 
ten verfchwand Mulde und Geld, und der Geift mußte nad 


wie vor im Garten umgehen. 
(S. Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


27? 





420 Elſenzgan. 


Sage vom alten See. 


Im Elſenzgau, bei den Ruinen von Burg Steinberg, 
zieht ſich eine Niederung hin, die man den „alten See“ nennt. 
Schlanke Silberpappeln erheben ſich auf dem erhöhten Ufer 
des ehemaligen Waſſerbettes, deſſen Gründe jetzt durch friſches 
Grün und bunte Blumen das Auge weiden. 

Auf dem Steinberg ſoll einſt ein greulicher Recke gehauſt 
haben, welcher das Schrecken der ganzen Gegend war. Er 
beraubte die harmloſen Wanderer, trieb den Hirten ihre Her⸗ 
den weg, und, fiel zuweilen ein hübſches Mägdlein in ſeine 
Hände, fo ward es auf feine faſt unzugängliche Burg ge⸗ 
fhleppt. Eine Tages zog er. an einer Kapelle vorüber, bie, 
von Linden umgeben, am Ufer des Sees fland, und gewahrte 
in derfelben eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit. Bor 
dem Altare Tnieend verrichtete fie brünftig ihr Danfgebet zum 
Himmel, der ihre Mutter yon einer fchweren Krankheit gene= 
fen hatte Taffen. Der Ritter entbrannte augenblicklich in fehnd- 
ber Luft, riß die Betende vom Altare weg und wollte fie fchon, 
ihres Flehens und ihrer Thränen ungeachtet, auf. fein Pferd 
heben, um mit ihr davon zu jagen auf fein Selfenneft, als 
fie die Bitte wagte, ihr nur noch ein kurzes Gebet in der 
Kapelle zu geftatten. Wiewohl ungern, willigte der Räuber doch 
endlich ein. Nun warf fih die Jungfrau vor dem Muttergottes- 
bilde nieder und rief mit ber Stimme der Verzweiflung: „OD du 
Reine und Unbefleckte, nimm mich rein und fledenlog zu dir!“ — 
Nah diefen Worten raffte fie fih auf, eilte aus dem Kirchlein, 
huſch an dem Reden vorüber, und flürzte fih in den See. Aber 
die Fluthen wurden ihr nicht zum Grabe; wie von unfichtbaren 
Händen getragen, ſchwebte fie darüber hin zum jenfeitigen Ges 
ſtade. Der Räuber, in blinder Wuth, will ihr nachſtürmen, 
aber die Waffer ſchlagen über feinem Haupte zufammen und 
des Abgrunds Geiſter reißen ihn hinab in ihr finfteres Reich. 

Noch jetzt hört der einfame Wanderer manchmal im Dunfel 
ber Nacht dumpfe, wehftöhnende Laute aus dem See; geheimniß- 
voll rauſchen und flüftern die Zitterpappeln und erfüllen das 


Herz mit Grauen. 
(Siehe U. Schreib er's Sagen aus den Rheingegenden ꝛc.) 





Elſenzgau. 421 
Tiefenau. 


Nahe bei der Burg Tiefenau, eine halbe Stunde vom 
Rhein, Tag einft ein dunkler tiefer See. Auf der Burg lebte ein 
Ritter, ber hatte eine einzige Tochter von fo wunderbarer 
Schönheit, daß weit und breit ihr Preiß erſcholl und viele 
Herren Tamen, um fie zu werben. Eines Tages kehrte fie nicht 
wieder von ihrem Lieblingsfpaziergange unter den Bäumen am 
Seegeſtade zurüd. Der beforgte Bater eilte, fie ſelbſt dort aufs 
zufuchen und rief mehrmals fo laut er fonnte ihren Namen; da 
Fangen ihm endlih aus dem See die Worte in klagendem 
Ton entgegen: 

„Ah, Vater, liehfter Vater ! 
Im See bin ich verfunten, 
Weil ih von feinem Waffer 
Aus Unbedacht getrunfen. 
Nie mehr darf ich mich heben 
Zum geldnen Sonnenglan;, 
Hier unten muß ich Ieben, 
Bis er vertrodnet ganz. 

Ach Bater Tiebfter Vater, 
Trink ja nicht aus dem See! 

Kaum war bie Stimme leiſe verhallt, als plöglich ein engel- 

holdes Knäblein vor den Ritter von Tiefenau hinhüpfte, ihm 
einen goldenen Becher Darreichte und fang: 
Ä „Da trink' du alter Degen, 
So wird bein Töchterlein, 
Die fie gefangen hegen, 
Bald wieder bei dir ſeyn!“ 

Der Ritter wollte raſch den Becher an die Lippen füh- 
ven, als er feinen Arm von einer fremden Hand zurüdgehalten 
fühlte. Er wandte ſich um und erblickte einen Jüngling von ebler 
Geſtalt, wiewohl in fehr befcheidener Tracht. Diefer Hatte die 
Tochter des Ritters Längft im Stillen geliebt, boch feiner Ar- 
muth wegen ed nie gewagt, ihr feine Minnegluth zu gefteben. 
Mit den Worten: Ä | 

„Trinkt nicht, mein edler Ritter! 
Das Waffer iſt vom See ;“ 





429 | Elſenzgau. 


entwand er ihm den goldnen Becher und leerte ihn ſelbſt auf 
einen Zug. Kaum war dies geſchehen, als ihn das Knäblein 
bei der Hand faßte und mit ihm in den See hinunterfprang. 
Umfonft war der Sammer des troftlofen Baterd. Das Pärchen 
fam nimmer zum Borfchein, verzweifelnd flürzte auch er ſich in 
die Fluthen. — 

Der See ift längft ausgetrodinet, aber auf Dem Moorboben, 
den er zurüdgelaffen, fieht man oft in fliller Nacht helle Fläämm⸗ 
hen auf und nieder ſchweben und hört mit Geifterfiimmen bie 
Worte fingen: 

Das Waſſer ift faft ganz alle, 
Bald werden erlöfl wir feyn, 
Und gehn in die himmliche Halle 


3um lieben Bater ein. 
Rad Aloys Schreiber. 


Die See⸗Nonnen von Tiefenau. 


Die tiefe Au, fo weit ihr ſchaut, 
War fonft ein See, draus Mäglich laut 
Oft Nonnenfang erflungen ; 

Hier ſtand voll Luft und Leppigfeit 
Ein Frauenflofter in alter Zeit, 
Längſt hat es die Erbe verfchlungen. 


Hell gligerte die Winternacht, 
Es blies der eifige Wind mit Macht, 
Da pochts an der Klofterpforte: 
Um Einlaß fleht und Nachtquartier - 
Ein alter Pilgerömann allhier 
Mit fromm befcheidenem Worte. 


Vergebens; weh! die Pförtnerin 
Bon dannen wies mit hartem Sinn 
Den frofterflarrten Armen; 

Die Frauen drinn bei Iederm Map, 
Die dide Priorin zumal, 
Sie fühlten ja fein Erbarmen. 


Elſenzgau. 423 


Ach, haͤnderingend bat der Greis 
Um einen Imbiß nur zur Reiſ', 
Faſt brechen ihm die Glieder; — 
Umſonſt: Erbarmen war hier karg, 
Nur Eine, die Novizin, barg 
Ein fühlendes Herz im Mieder. 


Verſtohlen reicht, was ſie erhaſcht, 
Ihm dar die Maid, doch überraſcht 
Verhöhnen ſie die Nonnen. 

In der Angel knarrt die Pfortenthür, 
Gelaͤchter ſchallt wie Spott herfür — 
Weh euch, was habt ihr begonnen! 


Des Fremden Auge blitzend rollt, 
Sein Fluch wie dumpfer Donner grollt; 
Und raſch mit ſeinem Stabe 
Hat er berührt den Boden kaum, 

Da lag der weite Kloſterraum 
Verſunken im Erdengrabe. 


Wehklage ſtöhnt aus tiefem Grund, 
Rings ziſchen Flammen aus dem Schlund, 
Drinn Waſſer braußen und giſchen. 

An ſchwillt zum dunkeln See die Fluth, 
Wie durch ein Wunder grünend ruht 
Ein kleines Eiland dazwiſchen. 


Hier, ſichtbarlich in Gottes Hand, 
Inmitten der Zerſtörung ſtand 
Die reine Kloſterlilie; 
Sie führt zum Uferſtrand der Greis, 
Indeß ertönt vom Waſſer leis 
Des Nonnenchors Vigilie. 


„Kehr' zu den Deinen,“ — ſprach er ſanft, — 
„Doch morgen an der Wogen Ranft, 
Daß ich Dein Herz belohne, 
Um Mitmacht mit dem Liebſten hier 
Zum Brautgeſchenk verehr' ich Dir 
Den Schmud der Myrtenkrone!“ 


42 Elſenzgau. 


Ob ihrer Herkunft Niedrigkeit 
Geriſſen von des Theuren Seit, 
So nahm fie füngft den Schleier; — 
Wie fchlägt ihr Herz in Wonne jebt, 
Wie hat die Hoffnung fie geletzt 
Bei diefer Worte Feier ! 


Und ale die Geifterfiunde kam, 
Wohl harrt fie mit dem Bräutigam 
Erwartungsvoll der Runde. 
Vom nahen Dorfe zwölfmal ſcholl 
Die Glocke — Horch! da rauſcht' und ſchwoll 
Die Fluth empor vom Grunde. 


Auf tauchen ſtumm der Nonnen drei, 
Den Brautfhas ſchleppen fie herbei, 
Säde sol Gold und Juwelen; 

Und wie fie Achzend der See verfchlingt, 
Des Paars Gebet zum Himmel Flingt 


Zur Ruh? für ihre Seelen. 
Ignaz Hub. 
(Driginatmittheilung.) 


Das verfuntene Kloſter. 
(Siefenan.) 


Ein Kiofter ift verfunfen 
Tief in den wilben Ger, 
Die Nonnen find ertrunfen 
Zufammt dem Pater, weh ! 
Der Nixen muntre Schaaren 
Sie ſchwimmen ſtracks herbei, 
Nun einmal zu erfahren, 
Was in den Mauern fei. 


Das plätfchert und das rauſchet 
In Kreuzgang und Dorment ! 
Am Locutorium Taufchet 
Der fihäternde Convent; 








Elſenzgau. 


Man hört Geſang im Chore 
Und luſtig Orgelſpiel; 
Das Glöcklein ruft zur Hore 


Wann's ihnen juſt gefiel. , 


Bei heitrem Bollmondglanze 
Lockt fie der grüne Strand 
Zu einem Ringeltanze 
In geiftlihem Gewand; 
Die weißen Schleier flattern, 
Die fhwarzen Stolen wehn, 
Die Kerzenflämmchen Inattern, 
Wie fie im Sprung fi drehn. 


Der Kobold dort im Schutte 
Der hohen Felfenwand, 
Er nimmt des Paterd Kutte, 
Die er am Ufer fand; 
Die Tänzerinnen fehredend, 
Kommt er zur Mummerei, 
Sie aber tauchen nedend 


Hinab in die Abtei. 
Ludwig uhland. 


Der Nixenquell. 
(Epfenbad bei Sinsheim.) 


Ein Ritter zieht mit hohem Muth, 
Wenn fi) der Schatten Tängt, 
Wohl an des Brunnens fühle Fluth, 
Wo Liebchen ihn umfängt. 
Er fragt fie nicht: wo kommſt du her? 
Auch nicht: wo gehft du Hin? 
Das macht ihm wenig Herzbeſchwer, 
Küßt fie nur traulich ihn. 


Doch wenn das Nachtgeläute ſchallt, 
Beim esften Glockenſchlag, 


426 


Elfenzgau. 


Iſt fie verfchwunden in dem Wald, 
Er blickt ihr trauernd nad, 
Denn länger hält fie.nicht fein Flehn, 
Sein dringendes, zurück: 

„Und blieb ich noch, ſo wär's geſchehn 
Um unſrer Liebe Süd!” | 


Der Ritter nimmt ihr Wort in Acht, 
Geſchreckt von ihrem Droh'n; 
Doch ach! in jeder Liebesnacht 
Iſt fie zu früh entfloh'n. 
Zum Glöckner eilt er drum und beut 
Ihm Gold und grüne Flur, | 
Verſchöb' er heut fein Nachtgeläut 
Ein halbes Stündchen nur. 


Nun er fein Lieb am Brunnen fand, 
Nimmt er fie fert in Arm, 
Daß nimmer fie fih ihm entwand, 
Und herzt und küßt fie warm. 
Die Arme, die von Liebe glüht, 
Bergißt der Stunden Lauf; 
Doch am Gebirge blutig zieht 
Der Vollmond fchon herauf. 


: Und wie fie den Betrug verftand : 
„Was Haft du, Thor, gethan? 
Du haft zerriffen unfer Band 
In blinder Liebe Wahn!” 
Umfonft, dag er die Hände ringt, 
Wie er auch fleht und thut, 
Sein trautes Liebchen flöhnend ſchwingt 
Sid in die Nirenfluth. 
Karl Simrock. 


Die fchöne Buche. 


Nahe dem Dörfchen Steinsfurth führt, an dem Ab- 
hang eines Berges, ein Zußpfad durch ein freundliches Wälbchen 
bis nah Kirch ardt. Ueberraſcht fühle fih hier der Wan- 


— — 


— 


Elſenzgau. 427 


derer beim Anblick eines wunderſchoͤnen Baumes. Seine Zweige 
find fo dicht, daß man von fern eine große bunfelgrüne Taube 
zu fehen vermeint, und in ber That, wenn bu die Zweige 
auseinander biegft und in das fihattige Heiligthum eintritift, 
da ergreift dich freudiges Erflaunen. Rings unter dem rei- 
Sen Laubnege wölbt ſich die Tieblichfte fühle Halle, die fein 
Sonnenftrahl zu durchdringen vermag. 

Als ich das erfie Mal hier ruhte, drängte fich mir unwills 
fürlich die finnige Dichtung ber Alten auf. Eine holde Dryade, 
dachte ich, wohnt in diefer fchönen Buche, wartet ihrer mit 
forgfamer Pflege und fpricht zu mir in fanftbewegten Blättern. 
Ein altes Männchen mit eidgrauen Haaren, das ebenfalls 
hier Schatten fuchte, erzählte mir Folgendes von biefem 
Baume: | 

„Schon von meiner Großmutter hörte ich, daß vor alten 
Zeiten ein gelber Zwerg bier auf diefem Plage gewohnt habe. 
Dft erfchien er den Leuten, befonders den armen Holzlefern, 
denen er ihre Bürde aufladen half. Wenn diefe nach Haufe 
famen, fanden fie meiftens einiges Geld in dem Bündel verftedt. 
Diefer Zwerg fol zu feinen Lebzeiten ein ftattlicher Ritter gewefen 
feyn. An der Stelle, wo die Buche fleht, fand er eines Tages bie 
Leiche feiner Geliebten, weldhe von wilden Thieren zerriffen 
worden war. Er begrub fie auf derfelben Stätte, pflanzte die 
Buche auf ihre Grab und trauerte bafelbft viele Jahre lang, bis 
auch ihn die flile Gruft mit ber Theuern vereinte. ’ 

„Lebende Pärchen wallfahrteten feither oft zu der geheiligten 
Buche, ſchwuren fi Darunter ewige Treue, und Segen folgte 
ihrer Verehelichung. Noch jest, erfcheint gleich der Zwerg 
nicht mehr fihtbar, ift er Befchüger biefes Baumes. Nie- 
mand wagt es, ihn zu befhädigen und folch ein Frevel würde 


gewiß auch nicht ungerochen bleiben.“ 
(Siehe „Badiſche Wochenſchrift.“ 1807. Rr. 34. Der Name bes Einſenders 
ift nicht „angegeben.) 


Der Metzger bei der Hexenverſammlung. 


Ein Metzger von Waibſtadt, der fpät in der Nacht 
heimging, fich aber verirrt hatte, fah Licht auf einem Hügel 


⸗ 


428 Elſenzgau. 


und flieg hinauf. Oben fand er eine Menge Leue verſammelt, 
bei welchen aufgefpielt und getanzt wurde. Unter benfelben 
ward er feine Gevatterin gewahr, die auch ihn erblidte und 
fragte, was er hier zu thun habe? Nachdem er ihr geant- 
wortet, er babe fidy verirrt und fey dem Lichtichimmer nachges 
gangen, fagte fie zu ihm, er könne da bleiben, was er auch 
that und dem Tanze zufchaute. Gegen Mitiernacht erfundigte 
fih die Gevatterin, ob er fih noch nicht fchläfrig fühle und 
führte ihn, als er es bejahte, in einen nahen Saal, worin 
ein feidenes Bett fand. Er Iegte fih auf ihr Geheiß barin 
nieder und fchlief alsbald ein. Als er erwachte, war es Mor⸗ 
gen und er fah fich unter dem Waibſtadter Galgen liegen und 
ringsum war fein Menfch mehr zu erbliden. Er machte fih 
befhämt nun fogleich hinunter in den Ort, wo die erfle Pers 
fon, welche ihm unter dem Thore begegnete, Die Gevatterin war 
und ihn bat, von dem, was er auf dem Berge gefeben, Feiner 
Seele was zu verratben. Dies verſprach er ihr, konnte fi 
jedoch nicht enthalten, die. Sache fpäter feiner Frau zu ents 
beden. Bald darauf warb er von der Gevatterin erfucht, in 
ihrem Haus.ein Schwein zu fehlachten, wozu er, body erft nach 
mehrmaligem Weigern, fich endlich verfland. Beim Ausnehmen 
bes Schweines ward er, in den Eingeweiben befjelben wühlend, 
yon etwas Spigem ſcharf in die Hand geftochen, in Folge deffen 
fie ganz fchwarz wurde und er nach wenigen Tagen am Brand 
fterben mußte. 


(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
! „Anzeiger für Kunde ver teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1838.) 


Der dreifüfige Dafe. 


Sn der Hohlgaffe zwifchen Wiesloh und Baierthal 
ſitzt allnächtlih auf dem Kreuzwege ein dreifüßiger Hafe, ber 
Denjenigen, welchem es gelingt, ihn zu fangen, glüdlih zu 
machen beflimmt iſt. Ein Heiner budliger Schuhmacher, der 
einſtmals auch den Hafen bortfelbft erblidte, fprang, um ihn zu 
haſchen, mit den Worten auf ihn zu: „Halt Häglein, bu bift 
mein!" Da war im Nu der Hafe verſchwunden; quf bem 


' Elfenzgau. 429 


Buckel des Schufterleins aber hing ein Sad, den ed, während 
er immer fihwerer und ſchwerer wurde, eine halbe Stunde weit 
forttragen mußte. Alsdann fiel der Sad mit ſtarkem Plump 
ab und aus der Erde rief eine Stimme: „Nun kannſt du dich 
glücklich ſchätzen, daß du nur noch eine Laſt auf deinem 
Rüden trägſt“! — welchen Worten ein gellendes Gelächter folgte. 


(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernharb Baader in Mone's 
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrg. 1838, S. 309.) 


” “= 


Der Gänsberg, 


an defien Buße der Wieslocher Schwefelbrunnen Yiegt, foll 
feinen Namen folgender Begebenheit zu verdanten haben: Als 
einft fremde Völker unverfehens ins Land fielen, retirirte ſich 
der Gänfehirt von Wiesloch mit feinem fehnatterluftigen Heere 
in das Gebüſch oben am Berge. Der Feind rüdte heran, um 
die Höhe zu beſetzen; plöglich rannten die aufgefchredten Gänfe 
mit Donnerndem Gepraffel durch das Gebüfch : der Feind, in 
der Meinung, aus einem Hinterhalte überfallen zu werben, 
floh, von panifcher Angft ergriffen, jähling den Berg hinunter 
und, als ob ihm der Böfe auf den Ferfen wäre, ohne Urfache 
wieder über den Rhein zurück. — Ein neuer, wenn gleich Fein 
Capitolinifher Evelftein in der Verbienfifrone dieſer Thiere ! 


(Siehe „Barifhes Magazin.” Jahrg. 1811. Nr. 156.) 


Der Teufelsbeſchwörer. 


Oberhalb Wiesloch geht der Pfab von Rauenberg nad 
Waldorf über Die Landſtraße und bildet fomit einen Kreuzweg, 
an dem ein fleinernes Cruzifix ſteht. Auf dieſem Plate verrich- 
teten einft Nachts etliche Leute das fogenannte Chriſtophels⸗ 
gebet, um dadurch zu erwirfen, bag ber Teufel ihnen Gelb 
herbeibringe. Während des Betens entftand in der Luft ein 
großes Getöſe; fie blickten empor und fahen bicht über ihren 


430 Elfenzgan. 


Häuptern an einem bünnen Faden einen Mühlſtein hängen, 
worauf fie voll Entfeten die Flucht ergriffen. 


Nah mündlicher Neberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Monde 
„Anzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrg. 1836. S. 309.) 


Das beberte Kind in Nuſtloch. 


Als eine Frau zu Nuß loch Mittags ihrem ſechswöchigen 
Kinde Brei gab, Fam eine Krautfchneiderin in die Stube und 
fragte fie, warum das Kind fo wenig Brei erhalte? Die 
Frau verfegte, das gehe bie Krautfchneiberin nichts an; worauf 
diefelbe voll Zorn fih entfernte. Am Abend, als das Kind 
wieder Brei befommen follte, nahm es feinen an, fondern 
weinte heftig und ben ganzen nädften Tag über blieb fein 
Benehmen eben fo. Bekümmert trug die Frau das Kind im 
Dorfe herum und fragte, ob ihm Niemand helfen fünne? Ein 
alter Strumpfftrider erbot fih dazu und trug das Kind am 
folgenden Morgen um 5 Uhr nad Wiesloch zu den Kapuzi⸗ 
nern. Nachdem diefelben lange über das Kind gebetet hatten, 
fam eine große Kapfel zur Thüre herein und Tlapperte die 
Worte hervor: „Mad mih auf! Mad mich auf!" — Man 
öffnete fie nun und fah darin eine Menge von Pärchen liegen, 
deren jebes mit einem Namen überfchrieben war. Die Kapfel 
gefland nun, fie fey felbft die Krautfchneiberin und habe dag 
Kinde behert; es könne jedoch von dem Zauber befreit werben, 
wenn man ihm Pulver aus dem Päckchen eingebe, worauf fein 
Name fiehe. Die Kapuziner fanden das Päckchen und gaben 
die eine Hälfte des Pulver dem Kind ein, bie andere bem 
Strumpfſtricker mit nad Haufe. Dort fagte derfelbe der Mut⸗ 
ter des Kindes, am Abend werde die Krautfchneiderin wieder 
zu ihr fommen und fie folle derfelben dann das Pulver, wels 
ches er ihr bier mitgebracht habe, in einem Stüde Brod zu 
effen geben. Die Frau that wie geheißen, worauf bie Kraut 
fhneiderin ganz rafend wurde und oben aus dem Schornftein 
binausfuhr. Das Kind aber war wieder ganz hergeftellt und 
erreichte ein Hohes Alter. 

(Siehe Mone!s Anzeiger ıc, J. 1838.) 


D 0 E 








Mannheim 
und naͤchſte Umgegend. 


+30€&> 


Mannem. 


Pfälzer Dialeet. 


Mannem! Ja, deg muß mer fage, 
Wie ich mich befinn’ un waͤhl': 
Mannem bleibt halt immer Mannem, 
S' gibt nor eens, bei meiner Seel'! 


Do der Rhein un do der Necker — 
S'is der der e Paradies! 
Un bie Stadt mit ihre Gaffe, 
Hol mih Gott! e klee Paris. 


Will mer nor deß Schloß betrachte, 
Werren eem bie Ange fchen, 
Wo mer hinkummt, is Doch nergends 
Sp e weltmillions Gebäu. 


Dod wie werd mer’s, wenn ich dran benf, 
Wie der Karel Theodor 
Roc gelebt hot, greine möcht’ ih — 
S' fummt mer jeß ganz anerfcht vor. 


Sellemol, do war e Lebe! 
Freilich war ich noch e Bu, 


432 


Mannheim. 


Sechzehn Johr alt, awer denk' is, 
Schnürt mer’s fafcht die Gorgel zu. 


Bin emol mit meiner Schwefter 
uf de Voxall *) gange, denk! 
War maskirt; no, den Spektakel, 
Hofcht gemeent, du krieſchſt Die Krenk! 


War der der e Menjchetruppel 
Do in dem Theaterfaal, 
Wann er noch emol fo groß wär, 
Wär er doch zu korz un ſchmal. 


Kummt e Paff zu meiner Schwefter 
Un e Nunn kummt zu mer bin, 
In der Paff, des war der Korferfcht, *) 
Un die Nunn die Korferfchtin. 


No, hab ich gebenkt, du kumſcht mer 
Recht, du biſcht emal nit faul; 
Un mein Oos vun ere Schweiter 
Die nimmt a keen Blatt vor’d Maul. 


Un do han mer dann bie Herzer 
Ausgeleert, recht di un binn, 
Un getanzt, fie mit dem Korferſcht, 
Un ich mit der Korferſchtin. 


Regifchtrater wär ich worre, 
Odder fo e Sefretär, 
Wann nit e verfluchter Zufall 
Uns derzwifche Tumme wär. 


Rumpelt der e Pärche z’amme, 
Un die Ann’re driver naug, 
Un ich fall mer dann zum Unglüd 
Gleich e fuͤrchterliche Brauß. 


*) Vauxhall. Großer Maskenball. 
++) Kurfürſt. 


Mannheim. 433 


Jetz war's al! Was war ze made? 
S' Klotte’s Bube have g’fagt: 
„Die bio Chlaue) Daub (Taube) is halt beim Deivel!⸗ 
Ham mid aus dem Staab gemadht. 


Selli Zeite Tumme nimmer, 
Aber deſſentwege is 
Mannem halt noch immer Mannem, 
Is e wahres Paradies. 


S' gibt nor eens, ich kann's Euch ſage, 
Wie ich mich beſinn un wähl': 
Mannem bleibt halt immer Mannem, 
©’ gibt nor eend, bei meiner Seel! 
(Dies haracteriftifche Lied if, ohne Namensangabe des Berfaf- 
fers, mitgetheilt im Mannheimer „Stadbt- und Landbothen.“ Jahrg. 
1834. ©. 1005.) 


‘ 


Mannheim's Urſprung. 


Einige wollen behaupten, ein Mannus, König der Deutfchen, 
habe vor Ehrifti Geburt ſchon hier eine Stadt gegründet. Daß 
die Römer bier eine Niederlaffung hatten, dafür ſpricht Vie 
les, befonders mehrere bier gefundene Müuzen, Scherben an- 
tifer Gefäße und ein Stein, der im alten Rathöhaufe einge- 
mauert war, auf dem man eine heidnifhe Sündenabwafchung 
mit dem Blute ‚von Opferftieren unterfcheiden Tonnte. Heller 
wird Mannheims Gefchichte vom Jahr 764 an, wo es noch 
Mannenheim hieß; *) im dreizehnten Jahrhundert warb 
es Rurpfälzifch und blieb es bis ind neunzehnte Jahrhundert. 
Kurfürft Friedrich IV. der eifrige Reformationsfreund, baute 


*) Der Boden, auf dem Mannheim gebaut ift, hieß in den altgermanifdhen Zeiten 
bald; „Mannheim,“ bald „Mann im Hain“ d. i. Schusgeift ded Waldes. Der 
Plass war alfo geheiligt als naturwüchſiger Nationaltempel, Götterhain. Früher gehörte 
dieſe Stätte zum alten Lob⸗den⸗Gau, nämlich zu der Zeit, als fie no ein Dorf war; 
doch hat der Nedar feither feinen Kauf verändert, da er noch zur Zeit der Karolinger 
oberhalb Mannheim, gegen Nedarau zu, fi) mit dem Rheine vereinigte, 

(Siehe Hegewalds „Mannheims romantifhe Borzeit,”) 


I. 28 


434 Mannheim. 


hier 1606 eine fefte Burg, die Friedrichsburg; Wallonen, 
(8.1. Niederländer) von dem Tyrannen Alba vertrieben, fiebels 
ten fih an und vermehrten die Bevölferung um ein Bebeu- 
tendes. Der dreißigiährige Krieg brachte au) Mannheim gänz- 
liche Verwuſtung; doch die von Natur begünftigte Lage ber 
Stadt und biefe große Freiheiten, deren fie genoß , lockten bald 
wieder viele Anfiedler; auch die Peft, welche im fiebzehnten Jahr⸗ 
hundert bier wüthete, der ſch warze Tod genannt, vermochte 
nicht, das Emporblühen diefer Stabt zu vernichten. Kurfürft 
Karl ludwig baute hier die Concordien-Kirche, worin auch 
feine geliebte Degenfeld ihre Ruheſtätte fand. Alle chrift- 
lichen Eonfeffionen follten bier in inniger Eintracht Gott ihre 
Verehrung barbringen. — Neue Noth. brachten die folgenden 
Kriege, bis endlich Kurfürft Karl Philipp, mit Heidelberg 
in Zerwürfnig gerathen, feine Reſidenz hieher verlegte. 

AS der eigentliche Schöpfer von Mannheims jebiger Größe 


und Schönheit iſt Karl Theodor zu betrachten. 
8.9.8. 


! 


Die weiße Dame, 


Um Mitternacht: geht bei der Uhr im Schloß ein ſchwarzer 
Hund um und in den Gängen eine vornehme Hofbame, die 
ein weißes Seidenkleid mit ſchwarzen Blumen an hat. Um 
fih vor ihr zu ſchützen, Tehrten ehedem Die Schildwachen, wenn 
fie an ihnen vorüberging, die Gewehre um, fo daß bie ge⸗ 
weihten Slintenfolben oben waren. Einem Soldaten, welder 
dies einmal unterließ, gab dieſe weiße Dame eine tüchtige 


Ofrfeige. 


Der Nheingeiſt. 


Im Schloßgarten, der ſich laͤngs des Rheines hinzieht, 
iſt in der Abenddämmerung ſchon manchmal ber Rheingeiſt 





Mannheim. 435 


als grauer Mann erſchienen. Auch läßt ſich daſelbſt das durchs 
dringende Gewimmer eines Gefpenftes halbe Nächte ang hören. 


(Nach mündlicher Meberlieferung mitgetheilt von Bernhard Bader 
in Mone's Anzeiger ıc. Sahrg. 1838.) 


Der Saft in der Nheinmühle. 


Wohl war es um die Mitternacht, 
Den Müller treibt zur Mühle; 
Es gleitet durch die Wellen facht 
Sein Kahn im Mondfchein Fühle. 


Tief ruht die Stadt; — das Mühlenrad 
Sp ſchläfrig geht’s im Kreife; 
Die Waſſer wallen ihren Pfad 
Traumfeierlicher Weiſe. 


Und aus dem Nachen leiſe leis 
Der Müller tritt zur ‘Mühle, 
Dar fieh | mit langem Bart ein Greis 
Ruht Hier auf ſchilf'gem Pfuͤhle. 


„He, fauler Knecht! wen herbergſt du?“ 
Der Müller riefs im Zorne. — 
„Herr, gönnt dem müden Alten Ruh! 
Er ſchadet nicht dem Korne.“ 


„Und wärs der müde Herrgott auch — 
Die Schlote wollen rauchen! 
Hinaus mit dir, du alter Gauch! 
Kann nicht Faullenzer brauchen!“ 


Das Waſſer ſchwoll, der Sturmwind ſchnob 
Wild brauſend um die Muͤhle; 
Mit drohender Gebärde hob 
Der Alte fih vom Pfühle: 
28* 





436 Mannheim. 


„Gemahlen hab’ ich dir die Frucht 
Sahraus, jahrein mit Seife; 
Ein Stündden Schlaf, das ich geſucht, 
Bereitelt dein Geheiße! 


„Dein Herz ift wie ein Mühlenflein, 
Bol Undank iſt's, voll Wucher ! 
Ich geb’, — doch wiſſ': der Alte vom Rhein, 
War felber Dein Befucher. 


„Dir aber, braver Müllerfnecht ! 
Bleib' dankbar ich ergeben; 
Befteig den Kahn und rudre recht! 
Lang’ freu’ Dich meiner Neben !“' 


So ſprach der Nheingeift und zerfloß 
Im grauen Fluthgewühle, 
Und wirbelnd fammt dem Müller ſchoß 
Zum tieffien Grund die Mühle. 
Ignaz Sub, 


(Driginalmittheilung,) 





Da3 Feuer und der Trappgaul. 


Von dem Haupteingange des abgebrannten Schloßflügels 
in Mannheim fieht man das Thor des Fatholifchen Kirchhofg, 
der am andern Ende der Stadt liegt. An beiden Thoren brennt 
in den heiligen Nächten eine helle Flamme; wer aber an 
dem einen oder dem andern ſteht, fieht nicht das dortige, ſon⸗ 
dern nur das entgegengefeßte Feuer. 

Ferner ſpukt in den Straßen Mannheims ein großes Pferd, 
der „Trappgaul“ genannt, welches fihon viele Leute flunden- 
Yang irre geführt hat. | 

Berge, Mone’s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 





Mannheim. 


Die Teufelskaroſſe. 


Zu Mannheim um die Mitternacht 
Ein Wagen fährt mit ſeltner Fracht 
Gaß' auf, Gaß' ab; nehmt euch in Acht! 
Des Teufels Staatstaroffe. 


Einmal, — ed war ein Pietift, 
Kopfhängeriſch, voll Trug und Liſt, — 
Vor's Fenfter Tugt der falfche Chriſt, 
Der Thurmuhr Räder fohnarrten. 


Fünf — fieben — zwölf! Die Geifterftund’ 
Hallt dumpf aus vollem Glockenmund, 
Aufſchauert tief von Seelengrund 
Gewiſſensbang der Heuchler. 


Horch, Räderraffeln, Peitfchenfnall ! 
Bierfpännig rollt heran mit Schall 
Der Wagen, daß vom Widerhall 
Die Häufer rings erbeben. 


Bon hohem Bord, reich gallonirt, 
Der Kutfcher das Gefpann regiert, - 
Das Funken fchlagend galoppirt 
Und aus den Nüftern flammet. 


Der Mann am Fenfter ſchreckt zurüd; 
Zum Schlag heraus, den Blid voll Tu, 
Mit feuriger Allongeperrüf’ 

Gruß nit ihm zu der Teufel! 


Er will zurüd, — zum Riefentopf 
Schwillt ihm der Kopf, zum Thurmesknopf, 
Und greulic, flarren ihm am Schopf 
Wie Zgelborften die Haare. 


Die Peitfche Enallt von fern; es dröhnt 
Das Pflafter Hohl; Gekicher höhnt 
Ihn allerwerts; er feucht und flöhnt, 
Die Augen Freifen wie Zeller. 


437 





438 Mannheim. 


Des Schadels zentnerfhwere Lafl, 
Sie droht ihn zu erbrüden fafl, 
Noch vor dem Fenfter ohne Raſt 
Sein Haupt fi wölbt und weitet. 


Um Hülfe fehreit fein Jammerlaut, 
Bis daß der Morgenhimmel graut 
Und man das Ungeheuer ſchaut. 
Des Kopfs des Pietiſten. 


Man riß den Fenſterkreuzſtock ein, 
Des Haupts Koloß auf ſchwankem Bein 
Ward erſt allmälig wieder klein, — 


Doch war ſein Verſtand des Teufels. 
Ignaz Hub, 
(DOriginafmittheilung.) 
(Bergl. „die feurige Rutfche” in Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1836.) 


Die Here und der Mühlknecht. 


Eine Müllersfrau zu Mannheim, die eine Here war, ber 
gab fih jede Mittwochs- und Freitagsnacht zum Herentange, wels 
cher im freien Feld unter einem großen Baum gehalten wurbe, 
Wenn fie fih dahin aufmachen wollte, verwandelte fie einen 
Strohwiſch oder ein Stüd Holz in ihre eigene Geftalt, legte 
das Blendwerk zu ihrem Manne ind Bett, ging dann in bie 
- Kammer bes LTehrfungen, über welchen fle Gewalt hatte, legte 
dem Schlafenden einen Zaum an, verzauberte den Knaben in 
ein Pferd und ritt darauf hinaus. Ebenſo Fehrte fie fpäter wies 
ber heim und der Junge wachte am Morgen ganz ermübet in 
feinem Bette auf, ohne von dem Vorgange nur das Mindeſte 
zu ahnen. Weil er darüber nach und nach außerordentlich abs 
magerte, fehöpfte der Mühlfnecht Verdacht, daß es nicht mit 
rechten Dingen zugebe. Derfelbe hatte früher bei einem. Scharfs 
richter gedient und von ihm mancherlei geheime Künfte gelernt. 
Nachdem er ſich mit dem Jungen beſprochen, mußte biefer in 


Mannheim. 439 


ber nächſten Freitagsnacht mit ihm die Schlafftätte wechſeln. 
Zur gewöhnlichen Zeit kam die Müllersfrau an das Bett, worin 
jegt der Knecht lag, zäumte denfelben, in der Meinung es fey 
der Junge, auf, gab ihm Pferdsgeftalt und ritt auf ihm das 
von, was er alles ruhig gefchehen ließ. In der Nähe der Herens 
verfammlung band fie den fo verwandelten Knecht an einen 
Baum, nahm ihm den Zaum ab und begab ſich allein gu dem 
Feſt. Als folches zu Ende war, kehrte fie zurüd und wollte ihm. 
den Zaum wieder anlegen, er aber padte denſelben, warf ihn 
geſchickt ihr felbft über, verwandelte fie damit in ein Pferd, 
fhwang fih, nun wieder in feiner eigenen Geflalt, darauf, 
und fprengte nach der Stadt und gerade nor eine Schmiede. 
Dort ließ er das Pferd an allen vier Hufen befchlagen, ritt 
dann in die Mühle und ging, das Pferd fich felbft überlaffend, 
zu Bette, um noch auszuruhen. Am Morgen gab ſich die Mül- 
lerin für frank aus und hülfte ſich forgfältig in die Beitdecke, 
aber ihr Mann, welchem allein der Knecht die Sache mittheilte, 
nöthigte fie, ihm ihre Hände und Füße zu zeigen, woran die 
Hufeifen noch feft faßen. Diefe nahm er ihr zwar unter Gebet» 
ſprüchen glüdlich ab, jedoch mußte fie hoch und theuer ihm ges 
Ioben, fich zu befehren und vornehmlich auf immer der Hexerei 
zu entfagen, welches Berfprechen fie auch, mit Gottes Beiftand, 
treulich erfüllt hat. 

(Nah mündlicher Meberlieferung mitgetheilt von Bernhard 
Baader in Mone's „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839, ©. 182). 


Der Rofengarten. 
(Erzählung nad) der Wolksfage.) 


Gleich außerhalb der Feſtung Mannheim, am bieffeitigen 
Neckarufer, ftand eine Hütte auf einer Kleinen Anhöhe, die das 
Hochwaſſer nicht überfluthete. Um die Hütte zog fich ein freunds 
liches Särtchen. Hier wohnte der alte Fifher Hamm mit 
feinem Weib und feinem Sohne, einem ſtarken gefunden Burs 
fhen von neunzehn Jahren, der feinem Bater im Geſchaͤfte 
treulich beiftand. Der Junge hieß Baftian, die Fifcher aber 
nannten ihn nur den Singbaftel, denn er johlte den ganzen 
Tag und war voll Durchtriebener Einfälle, jedoch ein ehrlicher 


440 Mannpeim. 


Kauz, der wohl den Muth gehabt hätte, dem Lieben Herrgoit 
felber frei ind Antlig zu ſchauen. Jegt war er Bräutigam, 
oder fand im Begriffe, fih nad Oſtern einen eigenen Haus⸗ 
balt zu gründen, das heißt, Die Hütte feines Vaters etwas 
zu vergrößern und bie ftille Samilie zum Anfang um ein Glied 
zu vermehren. Seine Braut Liesbeth war ein frifches bra⸗ 
ves Maͤdchen, deren ganze Ausftattung jedoch nur in ihrem 
guten Muthe und einem Paar fleifiger Hände befland. Ihre 
Aeltern hatte fie früh verloren, daher fie dann im Dienfle 
fremder Leute ſich ſpärlich durchbrachte. Auch Baftian befaß 
nur wenige Gulden, die er fi mit raſtloſem Fleiße zufammen- 
gefpart Hatte, um, was bie Hochzeit und die Einrichtung etwa 
foften möchten, damit zu beftreiten; deßungeachtet fah das 
Brautpaar den Himmel voller Geigen und hatte feinen fehn- 
licheren Wunfch, als wenn nur erft Oftern vorüber wäre. Das 
Vierteljahr, das noch dazwiſchen Tag, glaubten fie faum er⸗ 
leben zu fünnen. 

Es war ein kalter fpäter Winterabend; der alte Hamm ſaß 
bei feiner Frau, die Krankheitshalber darniederlag, am Bette 
und plauberte mit ihr vom fünftigen Hausſtande ihres Sohnes. 


Diefer war heute ungewöhnlich Tange auf dem Fifchfange aus⸗ 


geblieben und eben wollte Die Mutter ihre Beforgniffe darüber 
äußern, als beffen ſchon von fern ertönendes fröhliches Gejol 
diefelben auf einmal zerfireute. Gleich darauf trat Baſtian 
in befonders luſtiger Stimmung zur Kammer herein und er 
zählte lachend, welch ein Glück ihm heute begegnet ſey. „Hört 
nur,” — hnb er an — „in der Stadt iſt ein Leben, fo 
etwas hab’ ich mein Lebtage nicht gefehn! Um bie Sriedriche- 
burg und am Sand hin ift Alles voll Buben und Ständen, und 
zwei Regelbahnen nebeneinander, und Zelte zum Tanzen — 
das muß fa Morgen eine Luft geben, wie im Paradies; benkt 
nur! al’ meine Fifche hab’ ich an den Durlacherhof-Wirth ver- 
fauft und ihm felhft ind Haus bringen müffen. So viel Geld 
follten wir alle Tag Iöfen, da feht einmal her, Vater!“ Mit 
biefen Worten fehüttete Baflian feine Tafche voll blanker Münze 
auf den Tiſch auf; der Vater ſtrich fehmunzelnd ein und über« 
reichte das Geld der Mutter, die e8 auf dem Dedbette behag⸗ 
Lich nachzählte. „Als ich die Fifche hinbrachte — fuhr Baſtian 


Mannheim. 441 


indeffen fort,“ — fagte der Witrh zu mir: Da, Baſtian, fep’ 
dich her und iſſ und trinP, fo lang's die gut ſchmeckt! — Ich ließ 
mir das natürlich nicht zweimal fagen. Da faß aud der Ja⸗ 
ger des Grafen — den Namen hab’ ich vergefien — der ift 
ein Tyroler, ein Treuzlufliger Kerl; wir haben miteinander ge= 
fungen und angeftoßen, nun, da konnt' ich nicht fo leicht fort⸗ 
fommen; die Säfte faßen um uns herum, horchten zu und 
ſchenkten ung immer die Gläſer wieder voll; fonft wär’ ich ſchon 
lange zu Haufe! Ich weiß auch jet, was die Jubelmeſſe 
morgen bedeutet; es hat's mir Einer erzählt: der Churfürft 
hätte vor dreizehn Jahren die Gerechtigfeiten der Stadt bes 
willigt, und zum Andenken an biefen Freudentag wären eben 
biefe Feftlichkeiten zur allfährigen Feier .feftgefegt worden.” 

„Ja, jo verhält es fih wirklich!“ — bemerkte der alte 
Hamm — „aber Baflian, Junge, du haft, ſcheint's mir, ein 
wenig zu tief in's Glas gegudt, ich denke, du thuft nun am 
beften, du legſt dich zu Bette und fohläfft aus.” — „Ia, aber 
der Tyroler⸗ — begann Baftian wieder mit Laden — „der 
fann’s! Trinkt der doch den Wein hinab, wie wenn’s Nedars 
wafjer wäre; und der Wirth hat gefagt, ich follte nur zu⸗ 
trinfen, es koſte nichts, und follte morgen in fein Zelt fommen, 
da könnt' ich tanzen, fo Yang’ id wollte, — die Mufifanten 
wären frei. Gelt, Vater, da darf ich hin mit meiner Tiefe? — 
und doch tanz’ ih — und da tanzen wir — und —“ Der 
Bater wurbe jetzt etwas verdrießlich und fagte: „in, ja! geh’ 
nur jett und leg' dich ſchlafen!“ was denn aud gleich 
geſchah. 

„Froh bin ich,“ — ſprach der Vater, als er nun wieder 
mit ſeinem Weib allein war — „wenn der Junge einmal ver⸗ 
heurathet iſt; ich fürchte ſonſt, er wird mir noch lüderlich!“ 
Das wollte Die Mutter aber nicht aufkommen laſſen. „O geh! 
— verfeßte fie — „was iſt denn Arges daran, wenn er nun 
einmal ein Glas über den Durft getrunfen! Er ift das 
nicht gewohnt — du weißt, -wie ordentlich er fonft iſt!“ Im 
ſolchen Fällen hat eine Mutter immer taufend Entfchuldigungen 
für den einzigen Sohn. 

Am andern Tage ging Baſtian wirklich mit feiner Verlobten 
zum Tanze. Die Mutter drückte ihm verfiohlen noch ein Geld⸗ 


442 . Mannheim. 


fili in die Hand, machte ihm aber zur firengen Pflicht, ja 
nicht fo ſpät heimzukommen, weil fie fonft in taufend Sorgen 
feben müſſe. Baftian verſprach Alles, was fie wollte, ſteckte 
noch al fein erjpartes Geld in die Taſche und als Tiefe ihm 
darüber ſchüchtern Borftellungen machte, warf er ihr hin: „Pah! 
wenn man’s auch nicht ausgibt, fo ſteht's dem Bräutigam doch 
wohl an, wenn ihm beim Tanz die blanfen Thaler in ber 
Tafche klingen!“ 

Zubelnder Frohſinn erfüllte die Straßen Mannheims; unter 
freiem Himmel wurde gefotten und gebraten, getrunfen und 
geſchmaußt; reihenweife faßen die luſtigen Zecher, fröhliche Lies 
der ſchallten durch das Getümmel des Volks, dazwiſchen tönten 
nah' und fern die Pfeifen und Geigen der Muſikanten, die 
allerlei ſchöne Tanzweiſen aufſpielten. Baſtian und ſeine Lieſe 
wähnten ſich im Himmel; beide tanzten heute zum Erſtenmale, 
fo gut e8 eben ging, aber die Neuheit diefes Vergnügens wirfte 
auf fie mit ihrem ganzen Reize. Minuten erft fehienen vors 
übergeflogen,, da war ber Abend ſchon da, da war bie Stunde 
gefommen, die Tiefen nach Haufe rief. Mit biutendem Herzen 
verließ fie das herrliche Zelt, doch wollte fie dem Gebot ihrer 
Dienftherrfchaft nicht ungehorfam feyn und Baſtian begleitete 
fie bi8 an ihre Wohnung, wo er ihr auf der Schwelle feier- 
lich verſprach, fih gleichfalls unverzüglich nach Haufe zu bes 
geben. In der That war bies auch Baftians fefter Wille und 
Vorſatz. Der Rückweg nach feines Vaters Hütte führte ihn 
wieder über den „Sand.“ in neues Vergnügen wär’ ed ihm 
jet gewefen, das Feft ald Zufchauer zu überbliden, Doch, feines 
Verſprechens eingedenk, ging er mit fchnellen Schritten vor⸗ 
über, nur zuweilen ſich noch nad dem Indenden Schauplage 
umſehend. 

Um einen großen Tiſch, auf dem mehrere Lichter brannten, 
drängten ſich viele Menſchen, meiſtens Soldaten; ihr oft 
wiederholtes Gejubel und Beifallsklatſchen reizte Baſtians Neu⸗ 
gier, und als er näher trat, erkannte er den Tyroler, mit dem 
er Tags zuvor im Durlacher Hofe geſungen und gezecht hatte. 
Der Tyroler würfelte mit einem Juden um Geld und gewann 
faſt immer. Nebenbei wetteten viele der Umſtehenden, theils 
auf den Juden, theils auf den Tyroler, und das Alles ging 


Mannheim. 443 


ungemein Vebhaft zu. Der Tyroler hatte alle Tafchen vol 
- Geld. Indeſſen war Baftian bis zum Tifche vorgebrungen. 
Kaum erblickte ihn der Tyroler, fo rief er ihm freudig zu.: 
„Srüß dich Gott, Bruderherz, komm ber, verfuche dein Glück 
ebenfalls! Da, der Wurf fol für Dich gelten!“ — „Gilt 1“ 
— fragte der Jude. — „Meinetwegen!” — rief Baftian, ſelbſt 
nicht wiffend, wie ihm geſchah. Die Würfel rollten, Baſtian 
hatte gewonnen; der Jude zahlte mit verbiffenem Grimme und 
warf von Neuem. Zum zweitenmale gewann Baflian und 
foielte nun weiter. Der Tyroler war verſchwunden. Baftian 
gewann noch einigemale, dann aber wendete ſich das Glück, 
das Spiel ſchwankte herüber, hinüber, und auf einmal verlor 
Baftian hintereinander nicht nur fein bereits gewonnenes, fon- 
bern auch den größten Theil feines mitgebrachten Geldes. Da 
zitterte feine Hand; er wollte den Würfelbedyer niederlegen, 
doch ein alter bärtiger MWachtmeifter, mit ernſtem grämlichem 
Geſichte, der Hinter ihm fland, brummte ihm in die Ohren : 
„Nicht nachgelaffen! Das Glück dreht fich wieder; Doppelt ges 
fest!” Baſtian wagte, verlor, und fland wie vernichtet. — 
„Da haft du Geld!“ — raunte ihm der Wachtmeifter wieder 
zu, ihm einen Beutel in die Hand fehiebend — „ſetz' nur frifch 
zu, das Glück dreht fih doch noch!” Baſtian war in ber 
größten Beklommenheit; er wollte wegen bes Geldes feine 
Beforgniß äußern, er möchte unvermögend feyn, es je wieder 
zurüdzuerftatten, allein der Wachtmeifter ließ ihn nicht zu 
Worte fommen und fagte immerfort: „Spiel nur, ſpiel'!“ 
Baftian griff abermals nad dem verhängnißvollen Becher. 
Aber auch nicht ein einzigesmal mehr gewannen feine Würfel 
und nicht lange, fo war auch ber geliehene Beutel in des Juden 
Händen. „Jetzt bift du mir fünfzehn Gulden fhulbigl» — 
flüfterte ihm der Wachtmeifter zu und folgte dem vor Entfeßen 
Wanfenden aus dem Gebränge, führte ihn in ein abgelegenes 
Zelt, ließ Wein fommen und ſprach dem betäubten unglüdlt 
hen Baſtian fo lange zu, bis dieſer aus lauter Berzweiflung 
mehrere Släfer raſch nacheinander Ieerte. Sein ohnehin aufs 
geregted Blut gerieth durch das Feuer des Weines in noch hef- 
tigere Bewegung. Sein Yested klares Bewußtfeyn ſchwand, 
noch zwei Soldaten feßten fih an den Tifch; Baftian tranf mit 


444 Mannheim. 


Allen, wurde vertrauter, nannte ſie Kameraden, Freunde und 
Brüder, verſprach, bei ihnen zu bleiben, nahm Handgeld und 
ward die Beute der Werber. Er wußte nichts mehr von ſich 
und ſank in einen tiefen Schlaf. 

Als er am andern Tage ſpät erwachte, fand er ſich auf 
einem Wagen liegend, mit einem alten Mantel bedeckt; vor 
ihm ſaßen ein Offizier und zwei Soldaten, hinter dem Wagen 
her kam noch ein ganzer Trupp Angeworbener, in den verſchie⸗ 
denſten Trachten. Den Zug ſchloß eine Anzahl Bewaffneter 
und fo gings langſam fort der Heerſtraße nach, dem ſchwäbiſchen 
Kreife zu. Baſtian war in flummer Verzweiflung und big fi 
in die Lippen, um fie nicht laut werben zu Taffenz ihm bot füch 
feine Ausſicht auf Hülfe, auf Rettung. Heiße Thränen ſtrömten 
über feine Wangen bei dem Gedanfen an feine Braut, feine 
Aeltern. Der Zug wälzte fih ohne Aufenthalt Tangfam fort. 
Ba mußte auch Baftian den Wagen verlaflen, um fich den 
übrigen Gefährten Hinten anzufchließen. Welchen Troft hätte 
ihm jest der Anblick eines Freundes gewährt! Aber unter Allen 
ſah er feinen einzigen Befannten. | 

Baſtian's Mutter hatte jene unglüdlihe Nacht qualvoll 
durchwacht, der Bater Fein Auge geſchloſſen, nur Liesbeth ahnte 
nichts Schlimmes. Fröhlich hatte fie fich zu Bette gelegt, das 
Fe im Traume noch einmal durchlebt und ihr erſter Gedanfe 
beim Erwachen war der Wunſch, den Geliebten heute recht 
bald wiederzufehn. So trat fie munter ihre Tagwerf an. 
Statt Baftians fam aber deſſen Bater mit forgenvnller Miene 
zu ihr und als auch Liesbeth ihm Feine weitere Auskunft über feinen 
Sohn geben konnte, als daß er fie geflern Abends heimbegleitet 
und ihr verfprochen habe, fi) ebenfalld gleich nach Haufe zu 
begeben, da ftieg feine Angft noch weit höher. Er ging von 
Straße zu Straße und forfchte bei all feinen Bekannten nad, 
auch Liesbeth gab fich alle Mühe, Doch vergebens. Erft nad) eis 
nigen Tagen verbreitete fih das Gerücht, Baftian habe fi, 
vom Weine bethört, anmwerben laſſen, die näheren Umftände 
aber wußte Niemand anzugeben. 

Für Baftians Tranfe Mutter war diefe Nachricht ein Todes 
ſtoß, den fie nicht lange überlebte; noch vor. Oflern ward fie zu 
Grabe getragen. | 


Mannheim. 445 


Der alte Hamm ſah ſich nun allein, verlaffen von aller 
Welt, ein bülflofer Greis, und wäünfchte gleichfalls zu fterben. 
Da kam Liesbeth in der Tiefe ihres eigenen Schmerzes zu ihm, 
verfuchte ihn zu tröften, entfchloß ſich bei ihm zu wohnen, ihm 
bei feiner Arbeit zu helfen und nach ihren Kräften die verlorene 
Stüge zu erfeben. Ihre fleißigen Hände ſchafften bald eine 
beffere Ordnung in die Hütte und in den Heinen Haushalt; fie 
pflegte den alten Hamm mit der kindlichſten Sorgfalt, nannte 
ihn Vater, verkaufte die Fifche, die er fing, ſpann nebenher 
zierlihed Garn, flocht Nepe zum Berfaufe und den Sommer 
über prangten im Gärtchen die berrlichfien Rofen auf weit und 
breit, aus welchen fie manchen ſchönen Batzen auf dem Markte 
loͤſte. Ueberhaupt fehlen Gottes Segen ihren Fleiß zu loh⸗ 
nen; die Dürftigkeit ſchwand immer mehr aus der Hütte, 
Zufriedenheit wohnte unter dem flilen Dache, nur dem Andenfen 
bes verfchollenen Baftians flogen zuweilen flille Thränen. Ob 
er noch lebe ober den Tod gefunden, darüber fam nirgendsher 
Kunde; nur fo viel verlautete, daß er mit nad) Böhmen babe 
ziehen müſſen. Die Nachrichten aus diefem Lande Fangen für 
die Pfälzer nichts weniger ale erfreulich ; die Schlacht am weis 
Ben Berge war bereits verloren, Friedrichs Heer zer- 
freut, der Kurfürft ein Flüchtling geworden. Creigniffe von 
der höchſten Wichtigkeit flunden in drohender Ausfiht. So 
verfirich ein trübfeliger Winter. Mit dem erflen Frühlingshauch 
aber grünte Hamms Gärtchen wieder, die Rofen trieben boff- 
nungsvolle Knospen, Liesbeth wartete der zarten Erftlinge mit 
emfiger Sorgfalt und dankbar lohnte ihr dieſe mit dem reichften 
Bluͤthenflore. 

Eines Morgens weckte den alten Hamm verworrenes Ge⸗ 
tümmel aus der Ferne. Erſchrocken ſtund er auf und trat vor 
die Hüttenthüre: die ganze Gegend wimmelte von Soldaten. 
Die Bayern hatten in jener Nacht unter Til ly's Anführung 
die Feſtung Mannheim eingefchloffen und die Landſtraße war 
bedeckt mit Gefhügen und Fouragewagen, die noch nachkamen. 
Da ftand der Greis wie vor einem unvermeiblichen Abgrunde 
und dachte: nun ift Alles verloren; es ift zu ſpät, noch in bie 
Stadt zu flüchten; die wilden Kriegsſchaaren werben auch biefe 
Stelle nicht verfchonen und mir Alles zerfiören — ad! und 


446 Mannheim. 


was wird aus meiner guten Lieſe werden! — In dieſem Au⸗ 
genblick kam ihm die treue Pflegerin, die er eben wecken und 
auf das Aergſte vorbereiten wollte, gefaßt und ruhigen Antlitzes 
entgegen. „Wir ſtehen ja in ber Hand des lieben Gottes;“ — 
fagte fie, bereits unterrichtet von der drohenden Gefahr — 
„Bürchtet Euch nicht, Bäterhen! Das Schlimmfte, was und 
etwa treffen mag, iſt der Tod, und al’ unfre Lieben find ung 
bereits vorausgegangen in den Himmel! — Nach diefen Wor- 
ten kleidete fie fich forgfältig an und verrichtete mit dem Vater 
ein herzliches Gebet. Kaum aber war dies zu Ende, als 
an der Hüttenthüre ein heftiges Pochen erfchol. Der Alte 
öffnete mit bangem Zagen. Ein Hauptmann trat herein, ges 
folgt von zwei Soldaten und viele andere blieben zur Bewa⸗ 
fung draußen zurüd. Der Hauptmann fragte nad) des Fiſchers 
Namen, ſprach ihm Muth ein und verfierte ihm, daß ihm 
fein Leid widerfahren folle, jedoch nur unter der Bedingung, 
Daß er ſich ruhig verhalte und keinen Schritt außerhalb ber 
Hütte thue. Denfelben Befehl gab er auch dem Mädchen, 
ftellte hierauf zwei Mann als Wade vor die Thüre, entfernte 
fih wieder und ließ nahe bei der Hütte fein Zelt auffchlagen. 
Rings herum lagerte feine Mannfchaft. 

Fortwährend mehrie fi) das Kriegsgetümmel. So weit 
das Auge reichte, blinften Rüftungen und Waffen; Wagenges 
raſſel, Trommetengefchmetter Tärmten durcheinander und in ber 
Berne raufchte Die Feldmuſik. Nicht minder lebhaft ging es 
in der Stabt zu; die Wachen wurden vermehrt; die Thore 
verrammelt, beim Gefchüge ftanden die Kanoniere mit brens 
nenden Lunten; mit allen Gloden wurde gefäutet. Hamm und 
Liefe konnten von ihrem Fenfter aus Alles überfehen. Ihre 
Herzen fpochten allmälig ruhiger, je mehr fich ihre Augen an 
ben betrübenden Anblid gewöhnten; als aber plöglih, an der 
Spige feines Gefolges, der Städteverwüfter Tilly vorbeiritt, 
ba fühlte fich Liefe von einer folchen Angft überfallen, daß fie 
mit dem Schrei „Gott fey und gnädig!“ in die Arme des nit 
minder bebenden Greiſes fanf. | 

Bald darauf begann der Donner des Gefchüges, die Troms 
mein wirbelten zum Sturme, bazwifchen hallte das Gefchrei 
ber Krieger und ber erfle Angriff auf die Stabt erfolgte, Vers 


Mannheim, 447 


zweifelte Gegenwehr vermehrte die Wuth der Feinde, Jeder 
Tag gebar neues Entfegen. Der mörberifhe Kampf dauerte 
drei volle Wochen — endlich fiel die unglüdliche Feſtung in bie 
* Hände der Bayern, und Tylli's Augenweide, der rothe Hahn, 
fhwang feine Flügel über Die Dächer Mannheims. 

Liesberh land wieder am Fenſter, die Züge mit Leichenbläffe 
übergofien. Eben brachten Die Soldaten einen Verwundeten in 
das Zelt, das nächſt der Hütte aufgefchlagen war. Auf dem 
Angefichte der Krieger lag Trauer um ben geliebten Haupt⸗ 
mann; eine Kugel hatte ihm das rechte Bein zerfchmettert. 
Wenige Stunden naher wurden Hamm und tiefe in das 
Zelt gerufen. Der Hauptmann lag noch angefleivet auf einem 
Schragen, um ihn fanden einige Freunde, fein Diener faß am 
Untertbeil des Betted und barg das verweinte Antlig in die 
faltigen Deden. 

„Tretet näher, gute Leute!” — ſprach der Hauptmann mit 
matter Stimme, — „ber Unfall, der mid) heute betroffen hat, 
ruft mir die alte Lehre in's Gedächtniß, daß man nichts zu 
lang aufſchieben folle, denn ungewiß ift uns die nächfle Stunde. 
Hört, was ich euch erzählen will. 

„Die naͤchſte Woche wirb’s gerad?’ zwei Jahre, daß wir bei 
Prag den weißen Berg erflürmten, auf dem fich die Böhmen 
mit den Pfälzern gelagert hatten. Die Schlacht war furz, doch 
fanf ich im Gedränge, von einem Kolbenfchlag aufs Haupt ges 
troffen. Dicht an meiner Seite fiel ein Pfälzer, von meiner 
Hand verwundet. Wir wurben Beide, als die Schlacht ge⸗ 
wonnen war, in's Hospital getragen und kamen burd ein 
Spiel des Zufalls nebeneinander zu liegen. Der Pfälzer genaß 
in wenigen Wochen, auch meine Wunde war bald geheilt, aber 
nun überfielen mich plöglich die fürchterlichiten Kopfſchmerzen. 
Mein Zuftand glich dem eined Wahnfinnigen. In einem Anfall 
ſolcher Raferei fprang ich an’s Fenſter, mich binauszuftürzen. 
Schon hatte ich mich auf das Geſims gefchwungen und war 
des Todes fiher, hätte nicht der Pfälzer, der mir nachges 
ſchlichen, mich gepadt und zurüdgeriffen. Bon diefem Augen 
blid an hielt fr an meinem Krankenlager beſtaͤndig Wache, er 
pflegte mich wie ber warerfte Kamerad; bald war ich genefen, 
und weil ich ihm das Leben dankte, behielt ich ihn als treuen 





448 Mannheim. 


Gefährten bei mir. Er diente mir mit feltener Anhänglichkeit, 
begleitete mich auf biefem Zuge hieher und als wir nun erfuh- 
ren, daß feine Braut noch lebe und fein Bater, da wünfchte 
ich das freudige Wiederſehen ald Zeuge mitzugenießen. Damit 
mir dieſe Wohne ganz ungeflört zu Theil werde, wollte ich 
warten, bie es mit der Stabt in's Reine gekommen feyn 


würde. Jetzt darf ich aber nicht länger fäumen. Fon, Maͤd⸗ 


chen, komm!“ 

Mit dieſen Worten ergriff er Liesbeths Hand, — fein « am Bette 
knieender Diener richtete fi auf — „Baſtian!“ fchrie Tiefe — 
die Liebenden flogen fih in bie Arme, der alte Hamm weinte 
laut vor Freude, die Hand. des Hauptmanns mit Küffen be⸗ 
deckend, und ſelbſt in den Augen ber umftehenden bärtigen Krie⸗ 
ger perlten Thränen der Rührung. 

Baftian und Liesbeth wichen von nun an nicht mehr vom 
Kranfenlager des edeln Hauptmanns, aber ihrer Pflege gelang 
die erwünfchte Nettung nicht, der Brand kam an die Wunde 
und der großherzige Mann flarb wenige Tage darauf, nachdem 
er noch das Brautpaar zu Erben feiner bedeutenden Baarſchaft 
eingeſetzt hatte. 

Hinter der Hütte in dem Gärtchen, in einem üppigwu⸗ 
hernden Rofenbeete, warb er begraben, uud zwar mit allen 
Feierlichkeiten, womit man tapfere Krieger ehrt. Das ganze 
Regiment betrauerte den Berluft eines milden Führers, eines 
väterlichen Freundes. 

Aber die heißeften Thränen um ihren Befchüger vergoßen 
Baftian und Liefe. Das dankbare Pärchen, das kurz darauf 
feine Hochzeit feierte, unterhielt die Roſen auf feinem Grab- 
hügel mit forgfamfter Pflege noch viele Jahre eines glücklichen 
Eheftandes hindurch, 

Noch heißt jene Stelle bei Mannheim der Rofengarten. 
Den Luftwandelnden umfpielen dort füge Wehmuthsgefühle und 
verfiohlene Liebespärchen lenken gerne dahin auf dem einfamen 
Fußpfade. 


Das Teufelsloch. 
Ohngefähr auf dem halben Wege zwiſchen Mannheim 


‚und Feudenheim führte von der Heidelberger Heerſtraße 





Mannheim. 249: 


rechtsabwerts ein einfamer Feldweg, an dem Schützenhäuschen 
vorüber, durch die menfchenleere Flur. Schwermüthige Stille 
umgibt den Wanderer; nur zuweilen noch tönt der Knall einer 
Peitfihe son der Straße herüber, bald aber verliert ſich auch 
Diefe Spur des Lebens in der fchauerlichen Einöde. Der Wan⸗ 
derer überläßt fich ernfler Betrachtung. Plötzlich wedt ihn 
ein Geräuſch; er wendet Die Augen rechts, ein Schwarm aufges 
ſcheuchter Staare ſchwirrt Freifchend aus rauſchendem Schilfe 
und hier iſt das Teufelsloch, eine grauenvolle, ſumpfige 
Tiefe, von Uufen bewohnt und ſcheußlichen Molchen. Durch 
den Nebel der Vorzeit lispelt Die geheimnißvolle Sage. 

In dem Dorfe Dornheim, weldhes mit dem benachbarten 
Mannheim zur Burg Rheinhaufen gehörte, wohnten einft 
drei wohlhabende Brüder, Die ſich theild vom Fiſchfang, theils 
som Aderbau nährten. Sie befaßen, faft am Ende der Ge- 
marfung, ein großes Stüd Aderland, auf Das fie, feiner Frucht 
barfeit wegen, befonderen Fleiß verwendeten. Sie wänfchten, 
da e8 ihnen an Waffer fehlte, dort einen Brunnen zu haben 
und begannen auch einen foldhen zu graben. Durch vereinte 
Anftrengung gelangten fie bald in bedeutende Tiefe, Doch fanden 
fie, feltfamer Weife, feine Spur von Waſſer. Ueberbies be⸗ 
gegneten ihnen bei dieſer Arbeit allerlei Unfälle. Oefters rote 
die aufgegrabene Erde wieder hinunter und verfchüttete vie 
Tiefe; zuweilen zerbrachen ihre Schaufeln in lockerem Sande; 
ja einmal festen fich zahllofe Naben ringe um die Grube und 
Frächzten aufs Wildefte; ein andermal als die Brüber gerade 
zur Arbeit famen, fahen fie eine weiße Frau in der Grube 
ſchweben, u. |. w. Doch ließen fie fich Durch Alles Das nicht abhalten, 
weiter zu graben. Endlich fließen fie mit ihren Spaten auf 
eine große, eiferne Platte; Die Schläge Darauf mit Der Hade 
widerhallen dumpf; nur um fo emfiger fchürften die Brüber, 
aber Die Erbe wurde fo ſchwer und Dicht, Daß bie Gefchirre faft bet 
jeder Anftrengung brachen. Angftfchweis roflte yon den Stirnen 
der Brüder; fie Tonnten bie Arbeit unmöglich weiter förbern. 
Der Jüngfte von ihnen eilte in Das Dorf, um Hülfe zu holen, 
indeffen die beiden Andern fich wieder an's Werk machten. 
Da war's ihnen plößlich, als hörte fie dumpfes Donnerrolfen 
tief im Innern der Erde. Erſchrocken hielten fie eine geraume 

I 29 


450 Mannheim. 


Weile ein, aber Alles war wieder flille geworben. Der jüngfte 
Bruder kehrte nun mit Helferöhelfern und allerlei Werkzeugen 
zurüd und bie Arbeit begann aufs Neue. Den vielen Händen 
gelang es endlich, nach unfäglicher Mühe, die eiferne Platte zu 
heben; wie flaunten fie aber, als fie darunter einen großen 
Sarg von blantem Silber erblidten, der eine prächtige In⸗ 
fehrift trug. Es drängten ſich Alle herbei, um ihre Lefung zu 
verſuchen, da hörte man plöglich wieder den unterirbifchen 
Donner, der Sarg wankte, ein gewaltiger Wafferfirom brach 
aus ber Tiefe hervor und füllte die ganze Grube aus. Nur 
Wenige konnten fi reiten, Die Meiften wurben die Beute bes 
Todes, die Erde ſank ringsum in die Tiefe hinab und begrub 
auch die Brüder auf ewig. 

Die Wenigen, die fih zu reiten vermocht, flohen nad 
Dornheim zurüd und erzählten die gräßliche Geſchichte. Alt 
und Jung eilte hinaus an die Stelle: ein tiefer Teih war 
daraus entftanden, deſſen finfteres Waſſer alle Hoffnung und 
Neugier und Habfucht für immer verfchlang. 

Das Dorf Dornheim if fpurlod untergegangen im 
Strom der Zeit, au die Burg Rheinhaufen befteht nit 
mehr; jenen Teich aber fehen wir heute noch und fein Namen 


allein ſchon füllt Die Seele mit Schauer. 


(Siche Mannheimer Stabt » und Landbote v. 3. 183%. Nr. 40,) 
(Ohne Namen des Berfaflers.) 


Das Seläute von Ladenburg. *) 


Im Schwabenheimer Wäldchen bei Ladenburg hatte ſich 
ein Fräulein aus dem in dieſem Städtchen blühenden Gefchlechte 
von Sickingen verirrt und nur der Ton einer Ladenbur⸗ 
ger Glocke führte fie wieder zurecht. Seit jener Zeit wird nun 


jede Nacht um 11 Uhr ein Zeichen mit einer Glode gegeben . 


und einmal jede Woche das aus einem Malter Korn gebadene 


Brod vom Güterſchaffner an die Armen von Ladenburg vertheilt. 
(Aus 8. Hegewald's; „Mannheim's romantifhe Vorzeit, in feiner Umgebung 
dargeftellt,”) 





*) Das altrömifche Lopodunum. Später Hauptort bes ehmaligen Bohbengau’s. 


— 29 











 Bälger- Bergitraite, 


50€» 


Der Edle von Handſchuchsheim. 


Ein Ritter fromm, von edlem Muth, 
An Sitten hochgeehrt und gut, 
Bing täglich in die Kirch zur Zeit, 
Bon feiner Burg nicht fonder weit. 
Und einmal trug es ſich da zu, 
Daß er fich nieberfegt in Ruh, 
Und einfchläft betend vor'm Altar, 
Der Sanct Kathrina heilig war. 
Ein’ Jungfrau fah er vor fi ſtehn, 
Mit einer Krone blinkend fchön, 
Wie Spinngeweb’ vol Himmelsthau, 
Wenn Morgenlicht auf Rofen fchaut, 
Bon Diemant fehien es eine Laube, 
Bol Strahlen fchien hindurch der Glaube. 
An ihrer Seite fonnt er ſchauen 
Zwei jchöne fchwebende Jungfrauen, 
Doch wie viel ſchöner die Gefrönte! 
Aus taufend bunten Vögeln tönte. 


Der Jüngling fürcht' fih vor dem Wunder, 
Er neigt ſich, ſchlägt Die Augen unter; 
Sie ſprach: „Da du doch edel biſt, 
Wie zeigft du Dich unadelich, 
Wir fommen barum, wie wir _folfen, 
29* 








452 


Pfälzer-Bergſtraße. 


Daß wir dich jetzt anſehen wollen, 
So deckſt du deine Augen zu, 

In dieſer deiner müden Ruh; 

Willſt du dir ein Gemahl gern freien 
Hier unter uns erwähl von dreien!“ 


Da er nun dieſe Wort' gehört, 
Aus ſeinem Schlaf geſchwind auffaͤhrt, 
Erwacht mit himmliſcher Lieb durchgoſſen, 
Seine Augen rannen von ihm erſchloſſen. 
Ein' Jungfrau ſprach zu ihm da gnädig: 
„Nimm Die, ſo jetzt mit dir geredet, 
Denn, wie ſie ſchöner iſt als wir, 
Kann ich jetzund verſprechen dir, 
Alſo iſt ſie vor Gott auch höher, 
Und deiner Bitt Gewährung näher; 
Ihr Namen iſt dir wohlbekannt, 
Sanct Katharina iſt fie genannt.“ 


Darauf der Füngling fie thät grüßen 
Und fiel der Jungfrau fill zu Füßen, 
Hub an zu weinen inniglich, 

Und bat die Heilige demüthiglich, 

Sie wolle feiner fi, des Armen, 

Allzeiten über ihn erbarmen. 

Sie fest? ihm auf einen Rofenfranz, 

Der gab von fi ein’n Sonnenglanz, 

Und ſprach: „Nimm diefen Kranz der Liebe 
Bon mir, die ſollſt du ftetig üben!” 
Verſchwand alfo vor feinen Augen, 


Mit ihren zweien Beljungfrauen. 


Da nun der Ritter jetzt erwacht, 
Hat er des Roſenkranz gebacht ; 
Auf feinem Haupt thät er den finden, 
Thät ihn mit Wohlgeruch umminden. 


Nachdem es aber fich begab, 
Daß man dem Nitter fehr oblag, 











Pfälzer-Bergfaße. 


Und wider Willen muß er freien, 
Das ihm Doch übel thät gereuen! — 
Ihm ward in feinem jungen Leben 
Ein’ fchöne, edle Jungfrau geben; 
Ließ doch von ber Gewohnheit nit, 
AU Tag er Katharinen bit’, 

Daß fie darum ihn nicht wol? Hafen, 
In feinen Nöthen nicht verlaffen. 


Da nun fein? Hausfrau ſchwanger ging, 
Sie einen Argwohn auch empfing, 
Wenn er ging nad Kath’rinen Kirche, 
Thät fie in ihrem Herzen fürditen, 
Er möchr vielleicht in dieſen Tagen 
Ein’ Andre lieber, dann fie, haben. 


Einsmals beftellt fie eine Mag, 
Zu der fie dieſe Worte ſagt: 
„Wo geht mein Herr allmorgen Hin?" — 
Die Magd Tagt ihr aus böſem Sinn: 
„Ich weiß wohl, wo er hingegangen; 
Hat nah des Pfaffen Schwefter Verlangen.” 


Die Frau ward ob dem Wort betrübt, 
Weil fie der Ritter allein nicht Tiebt. 
- Da nun ber Herr zurüde kam, 
Der Frauen Traurigkeit vernahm, 
Fragt er, warum fie traurig wär ? 
Sie fagt, fie hörte Höfe Mähr, 
Wie er ging täglich umher buhlen, 
Zu des Pfarr's Schwefter in die Schulen, 
Er fagt: „Du haft nicht recht gehört, 
Dover bift fonft worden bethört, 
Die ich lieb Hab in meiner Pflicht, 
Die ift des Pfarres Schwefter nliht, 
Es ift ein? Andere zur Frift, 
Die tauſendmal viel fhöner iſt.“ — 
Stand alfo auf von feiner Belt, 


#53 


ASA 


Ppfaͤlzer⸗Bergſtraße. 


Als wenn er noch zu buhlen hätt, 
Ging doch nur wieder von ihr bin, 
Wie vor auch zu Sanct Katharin. 


Ob diefer Antwort das Gemüth 
Der eblen Frau war tief beteübt, 
Sie fprang im Zorn vom Bett herab, 
Und ſtach fich felbft die Kehle ab. 


Der Ritter vom Gebet heim Fam, 
Die Trauerbotfchaft nun vernahm, 
Sah fein Gemahl des Tods verfchieben, 
Und dort im Blut umwälgzet liegen, 
Erfchrad er fehr, fein Herz warb kühl, 
Daß er in ein Ohnmacht hinftel. 


Da er nun wieder zu fih kam, 
Hub bitterlich zu weinen an, 
Klopft an fein Herz, rauft aus fein Haar, 
Und ſprach zu fi) in der Gefahr: 
„O beilge, heilge Katharin, 
Sieh an, in welcher Noth ich bin! 
Ad, ich hab’ meine Treu verloren, 
Und bin meineidig an dir worden!” 


Mit diefen Worten Tief er hin 
Zur Kirche der Sanct Katharin, 
Mit Seufzen er fein’ Bitt vorbracht, 
Dis um ihn her war dunkle Nacht, 
Und traurig prächtig Stern bei Stern 
Durch's Kirchenfenfter ſah von fern. 


Mit ihren Jungfrau’n da erfchien 
Die heilge Jungfrau Ratharin, 


Dem Ritter, der vor dem Altar 


Da lag und halb entichlafen war; 
Ging zu ihm hin, wifcht feine Augen, 
Mit ihren beiden Beifungfrauen. 


Pfalzer⸗Bergſtraße. 455 


Sie ſprach zu ihm: „Haſt Unrecht than, 
Daß du mich ſo verlaſſen, Mann! 
Auf dich genommen andre Laſt, 
Dein' Treu an mir gebrochen haſt; 
Doch haſt du mich zierlichermaßen 
Geliebt und doch nicht ganz verlaſſen. 
Steh’ auf und geh mit Freuden heim, 
Dir fol diesmal geholfen feyn. 
Dein’ Hausfrau ift ledendig worden, 
Hat eine Tochter dir geboren. 
Die wird dir lange Zeit nachleben, 
Der folft du meinen Namen geben, 
Sn ihrem Gebet wird fie fih üben, 
Daß Gott der Herr fie fehr wird Lieben: 
Alfo, daß fie in einem Jahr 
Den Großvater aus großer Gefahr 
Des Fegfeuers erlöfen wird, 
Der immer noch im Feuer irrt.” — 


Sie neigt fi ihm, wifcht feine Augen, 
Die Thränen ihre Händ’ einfaugen. 
- Doc wie der Birken weiße Rinde, 
Sp wächſt ein Hand ſchuh davon geſchwinde 
Auf ihren Händen weiß wie Schnee, 
Den ftreift fie ab und ſchwebt zur Hoͤh; 
Der fällt und wedt ihn am Altar, 
Da er vor Kummer fehlafen war. 
Da findet er den Handfhuh weiß, 
Wie Niemand ihn zu weben weiß. 


Ein Bote kam: „Herr, kommt herüber, 
Denn Euer Gemahl, die Iebet wieder, 
Und hat in diefe Welt geboren, 

Ein’ ſchöne Tochter auserforen.” 

Ob diefer fröhlichen Botfchaft 

Erhielt er ſchnell zurüd die Kraft, 
Stand auf und dankte Katharin, 
Den Handſchuh ſteckt zum Helme kühn, 





456 Pfälzer⸗Bergſtraße. 


Zog wiederum zu ſeiner Frauen, 

Die er mit Freuden an thut ſchauen, 
Und küßt das Kind, umfängt das Weib, 
Drüdt fie zu fih an feinen Leib, 

Ting an zu weinen gleich dem Kind, 
Dat um Berzeihung feiner Sünd. 


Drauf ſprach die Frau: „Wir follen loben 
Sanct Katharin im Himmel vroben, 
Denn da ich mich vor Leid getödtet, 
Und lag in allen meinen Nöthen 
Zu mir ſchon kamen höll'ſche Knaben, 
Mein’ Seel fie wollten genommen haben, 
Da hat die heilge Katharin 
Für mid) gebeten; Gott verziehn, 
Daß er den Leib der Seel noch Tieße, 
Daß fie in ihm noch konnte büßen.“ 


Die Frau ließ drum ein Klofler bauen, 
Die Heilge im Gebet zu ſchauen; 1) 
Der Ritter zog in's heilge Land, 
Vom Handſchuh große Kraft empfand ; 
Den Rofenfranz,, ven Handſchuh weiß, 
In's Klofler gab nach feiner Reif’; 
Ein Dorf thät fih um's Klofter banen, 
Dort ift der Handfhuh noch zu fhauen, 2) 
Und manch ein Lied und manch ein Reim 
Preißt noch die Heren von Handfhuchsheim. 3) 


1) An der Weftfeite der Kirche im »Nonnengarten“ trifft man Fun⸗ 
damente und Gewölbe des Frauenkloſters, welches einft hier beftand 
und unter dem Ramen ber „Jungfrauen inder Klaufe,- fo 
wie der „Mutter und Shweftern inder Klaufe” in alten 
Weißthümern des fechszehnten Jahrhunderts und im Lorſcher Judi⸗ 
cialbuche vorfommt. 

(Leonhards „Fremdenbuch für'Heidelberg x.” S. 189). 


3) In der Kirche zu Handſchuchsheim befinden ſich viele Grabfleine, 
Monumente, Wappen ꝛc. welche fih auf die Edlen von Handſchuchsheim 
beziehen und durch dag Familienwappen, einen filbernen Ha nd. ⸗ 
ſſchuh im blauen Felde, kenntlich find. 





Pfälzer⸗Bergſtraße. 457 


3) Ueber 500 Jahre hindurch fand das uralte Geſchlecht der Hand⸗ 
ſchuchsheimer in Blüthe und großem Unfehen, big der Lehte des Stam⸗ 
mes, Johann von Handfhuchsheim, im Jahr 1600 von Friederich 
von Hirfhhorn in einem Zmweilampfe auf dem Marktplatze zu 
Heidefberg erfiochen wurde. Ein Denkmal in der Handſchuchsheimer 
Kirche, den Ießten Heren von Handſchuchsheim in voller Kriegsrüftung 
barfieflend, mit einem Löwen zu Füßen, bat folgende, auf jene 
That bezügliche Inſchrift: 


„Als man zahlt 1593 Jahr, 
Sn der Nacht den 25. Juni zwar, 
Ward geboren Hanns von Hantfchuchsheim. 
Auf Einen flunde der Adeliche ſtamm allein.’ 
Bon Kurfürft Friedrichen Pfalzgraven bei Rhein 
Ward befchrieben gen hoffe zu reiten ein. 
Zu dienen flellt ex ſich gehorſamlich dar, 
Sein’s Alters fünfzehn und ein halbes Jahr. 
Zu Heidelberg auf dem Markt bei Nacht 
Friedrich von Hirfhhorn in hardt flach 
Den 14. Decembris im fechgehnhundertfien Jahr. 
Ueber fiebenzehn Tag hernach fein Leben endet gapr. 
Alles ift gegeben in des Herrn handt. 
Er lößt keine Nebelthat ohnbelandt. 
Ob ich ſchon zeitlich werde gerücket hin, 
Sterben iſt meines lebens gewinn.“ 

Obige alte Legende nebſt ven Anmerkungen iſt mitgetheilt in J. Baader's „Sagen 


Ihrn der Bergſtraße und des Odenwalds.“ (Mannheim, Verlag von Baſſermann, 
.u. f.) 


Gertraut von Gemmingen zu Hand⸗ 


ſchuchsheim. 


Bon dieſer Frau, der Gattin Diethers von Hands 
ſchuchsheim, erzählt Piſtorius in feiner „Gemmingen’- 
ſchen Geſchichte:“ Die aufrührifhe Bauern zogen für das Schloß 
zu Handſchuchs heim, foldhes einzunehmen, da faflet die 
Frau Gertraut ein Herz, zoge die Brüden auf, und, nadh- 
dem fie Niemand in dem Schloß hatte, als den Thorwart und 
ihre Magd, lude fie mit Hülfe derfelden die Stücklein in dem 
Schloß, ſchoſſe unter Die Bauern, und trieb fie hinweg. Das 
Gefchrey kam bald nad Heidelberg, da eilte Einer von 





458 Dfälzer-Bergfiraße. 


Adel, welcher nur Gefchwiftert Kind mit diefer Gertraut von 
Gemmingen war (ed kann ein Dahlburger, Münchinger ober 
Erlacher gewefen feyn), vor Handſchuchsheim, wollte ihr fammt 
feinen ©efellen helfen und fie entſchütten (entfegen), aber weil 
fie ihn nicht Tannte unter dem Tumult, und vielmehr vor ihren 
Feind hielte, warb er bald erfchoffen, und fol fie, zum Unglüd, 
ſolches Geſchoß mit eigener Hand geladen und Iosgebrannt ha- 
ben; da fie ed erfuhr, ward fie hochbekümmert, aber gefchehen 


war gefchehen.« 
(Obiger Auszug findet fi) abgebrudt in Julius Lampadius (Leihtlin) „Bei- 
träge zur Vaterlandsgeſchichte“ S. 78.) 


Die Todten wollen begraben ſeyn. 


Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gefchah es in einem 
alten Haufe zu Weinheim, daß, wenn in der Schlaflammer bes 
unteren Stodes das Licht ausgelöfcht war, jedesmal eine weiße 
Taube an der nämlichen Wand hin und her flatterte. Die Leute 
fuchten Hülfe bei den Karmelitern, allein venfelben gelang es 
nicht, den Spud zu vertreiben. Endlich wurde die Wand genau 
unterfucht und in einem verborgenen Raume das Gerippe eines 
neugeborenen Kindes gefunden. Man begrub folches auf dem 
Kirchhofe, und feitdem hat Die Taube ſich niemals wieder fehen 
laſſen. 


(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde ver teutſchen Vorzeit.“ Jahrg. 1839.) 


Mein aus den Brunnen. 


Bu Weinheim flritten einmal zwei Bürger darüber, ob in 
der Ehrifinacht aus den Brunnen Wein Taufe. Um zu erfahren, 
wer Recht habe, ftellte der Eine in der Chrifinacht feinen Knecht 
an einen Röhrbrunnen, feinem Haufe gegenüber; er aber und 
der andere Bürger paßten mit einander am Fenſter auf. Schon. 
einige Mal hatte ber Knecht am Brunnen verkoftet, aber es war 
nur Waſſer, als es aber zwölf fhlug, tranf er wieder, und 
rief: 


Pfälzer⸗Bergſtraße. 459 


„Ach, jest Yauft Wein!’ — 
„„Und Du bift mein!“ 
fprach eine ſchwarze Geftalt, die plöglich hinter ihm fland und 
ihn ergriff, und auf immer mit ihm verfchwand. 
(Siege Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.“ Jahrgang 1839.) 


Sage vom Schloß Windeck.“) 


Der Graf Walther, Bogt von Weinheim, war ein 
reicher, hochgeehrter Mann. Am Marftplage, ver Kirche gerade 
gegenüber, lag fein flattliches Wohnhaus, freundlich von Außen, 
doch im Innern zehnmal freundlicher, denn fein fröhlicher Muth 
ſchien alle Wände zu befeelen. Ernft, pünktlich und unverbroffen 
trug der Graf die Sorge für die Stadt, feine Mühe war ihm 
zn viel, Feine Arbeit zu fchwer, wenn er nur Abende ein Stünb- 
chen erübrigte, Das er ganz fein nennen und mit einem verfläns 
digen Manne verplaudern fonnte, wobei denn das Kelchglas 
mit füßem Behagen öfters geleert zu werden pflegte. Aber 
außer der guten Laune bes alten Herrn, außer dem perlenden 
Nebenfafte, gab ed im Haufe noch eine weit Föftlichere Würze: 


*) Der Name der Stadt Weinheim, urfprünglid Winenheim, wie 
auch der der Burg Windel (Win⸗deck, eine Dede des Weine), fol das 
her rühren, bag im Innern des Berges eine große Menge von Wein 
verfchloffen if. In den Rhein. Provinzialblättern, Jahrg. 1838, März 
und Aprilheft, wird dieſe von Ehamiflo fo ſchön bearbeitete Sage 
etwas verändert und ziemlich breitgetreten erzählt; dem ungenannten 
Berfaffer ſchwebte gewiß Al. Schreiders Sage von Neu-Winded „bie 
todte Braut“ (f. den Sagenchklus von Bühl und Umgegend) vor, wäh. 
rend Chamifſo's Gage eine Bariante der. Sage von Aug. Stoͤbers 
„Kellermeiſter auf Arnsburg” if. (S. Stöbers „Elfälfifhes Sagen- 
bud, ©. 384). 

Dem Bolfsglauben nach geht auch auf Windel ein Koch oder Keller⸗ 
meifter herum, vorzüglich am Gründonnerstage. „Da wird man ges 
worfen oder fonft genedt.” Zum Belege diefer Sage wirb erzäplt, ein 
Pfälziſcher Kammerherr fei auf diefen Tag einmal mit großen Schmerzen 
an den Füßen von da zurüdgelommen. (Grimm, Borzeit und Gegen- 
wart an ber Bergfiraße 2c. ©. 168.) 

ci: hie) aaders Sagen der Pfalz, ver Bergſtraße und des Odenwaldes ıc, 


A60 _ _ Pfälger-Bergfiraße. 


bes. Grafen Tochter, Adelheid, ſchön und lieblich wie Die 
erfie Rofe des Frühlings. Sie pflegte an ihres Vaters Seite 
zu figen, pflegte mitzureden im verfländigen Gefpräche, und der 
Saft, dem fie den Becher kredenzte, batte wohl Mühe, das hofde 
Fräulein wieder zu vergeffen, denn ihre Liebenswürdigkeit fand 
ihres Gleichen in der weiten Runde nimmer. 

Zu jener Zeit war bie zerflörte Burg Winded gegen Ver⸗ 
taufhung wieder an das Kfofter Lorſch zurüdgefallen. Der 
Abt Heinrih, um fich hier einen Träftigen Sthirmoogt nieder- 
zufegen, ließ fie wieder aufbauen, fchöner und fefter als zuvor. 
Die Oberaufficht dieſes Werkes Teitete der Dombaumeifter 
Pilgram von Worms, ein fehr erfahrener Meifter, der dem⸗ 
nach) in Diefer Angelegenheit häufig nach Weinheim kam, wo er 
feine Abendftunden gewöhnlich bei dem Grafen Walther zü- 
brachte. Pilgram war ein feltener Mann, ſchlicht und einfach 
in feinem Benehmen, aber geiftreich und voll gründfichen Wiſſens. 
Durch eine lange Reihe von Sahren hatten viefe widrige Schick⸗ 
fale feinen Naden gebeugt; unter feinen grauen, bufchigen Au⸗ 
genbrauen wohnte ein tiefer, ernfter, wehmüthiger Blick, der bie 
Schattenfeite des Lebens gefehen hatte, jedoch fich alsbald freund- 
lich verflärte, wenn er fih Jemanden näherte und die mifbe 
Nede leicht von feinen Tippen floß. Er hatte in Ungarn ſich 
ein Weib genommen, glüdliche Jahre verlebt, den Wechfel des 
Schickſals mit ihr geduldig ertragen und fie viel zu früh ver- 
Ioren. An dem Ufer der Themfe war es, wo er unter einer 
fhattigen Eiche ihren Grabeshügel wölbte Sie hatte ihm 
einen Sohn geboren, der jest, zum Sünglinge berangereift, des 
Vaters Troft und Freude war. Er widmete fich ebenfallg ber 
Baukunſt und arbeitete oben an der Wiederherftellung der Burg 
Windel mit. 

Der Graf Walther hielt in einem Schrein einen filbernen 
Becher verfchloffen, auf dem die Sonne, zwei Säulen und aller- 
lei Maurergeräthe abgebildet waren. Wenn Meifter Pilgram 
feinen Abend bei dem Grafen zubrachte, tranfen Beide aus dem⸗ 
felben Becher, nannten ſich Brüder und führten viel geheimniß- 
volle Reden. Zumweilen war auch Albrecht, Pilgrams Sohn, 
in der Gefellfchaft, da Fam jener Becher aber nicht auf den Tiſch 
und das Gefpräcd auf feine geheimen Gegenftände. 


Pfälger-Bergfiraße. A61 


Albrecht war ein ſchoͤner Juͤngling von ſtattlichem Wuchs 
und.blühendem Antlig, Um feinen Nacken fpielten dunkle Roden, 
die braunen Augen blisten belle Funfen und um die milden 
Züge. feines Mundes begann ein weicher Bart hervorzufproffen. 
Gebildet Durch den Umgang feines Vaters, war er gewandt im 
Reden, ſcherzte gern und fühlte fich im Junerften beglädt, wenn 
er bei Tifche, dem Grafen und dem Vater gegenüber, an ber 
Seite des Tieblichen Fräuleind fa. So war ihm manch won⸗ 
niger Abend dahingeflogen; Fein Wunder, wenn in dem Buſen 
bes Zünglings Ahnungen dämmerten und Träume von der höch- 
ſten Erbenfeligfeit. 

Einft ſaß das Fräulein Adelheid im Garten in einer blühen- 
ben Hollunderlaube, wo die Bergſtraße vorüberzog und bag 
Auge frei Hinüberfchaute nach Der Burg, Die bereits hochgethürmt 
auf der Spite des Berges fand. Der Tag neigte ſich zu Ende, 
fern über dem Rheine fanf die Sonne hinter das blaue Gebirge 
und im fanften Rofenfchimmer des Himmels weideten taufend 
Iuftige Lämmer. 

Ein Geräuſch werte das Fräulein aus den fehnenden Träu- 
men, in die fie der Tiebliche Abend gewiegt hatte; fie blickte um 
fih und Albrecht trat in die Laube mit ehrfurchtsvollem Gruße. 
„Fräulein,“ — fprad er — „mich führt ein Geſuch zu Euch, 
das Ihr mir nicht abfchlagen dürft, weil Euch die Gewährung 
wenig foftet und mich unendlich glüdlich machen wird. Morgen 
halte ich den Bauſpruch droben auf der Burg. Ein bunter 
Kranz fol mir das Feft verfchönen, und an dem Kranze foll ein 
Band, von Euch gefchenft, als höchftes Kleinod prangen; nicht 
wahr, Ihr ſchenkt mir ein ſolches Band ? 

Des Fünglinge Wangen ftrahlten hohe Röthe, als er dieß 
ſprach, das Fräulein aber nahın ohne Ziererei ein blaues Band 
aus ihren Lodenflechten und gab es ihm holdlaͤchelnd mit den 
Worten: „Iſt das gut genug?“ Bol Entzücen erhafchte 
Albrecht gleich mit dem Geſchenk auch die Hand Adelheids und 
preßite fie voll Inbrunft an die Lippen, worauf er ohne Worte 
Davon eilte. 

Rod lange ſaß das Fräulein in der Laube tief beffommen 
und ohne zu wiffen, was ihr den Bufen fo bewegte; taufend 
Gedanken durchkreuzten ihre Stirne, taufend Bilder umgaufelten 


462 Bfälzger-Bergfiraße. 


ihre Seele, doch im Hintergrunde fand immer Das Bild Albrechts 
mit feinem wonneverflärten Blicke. Das Fräulein freute fi 
auf den kommenden Fefttag , fie fonnte faft die ganze Nacht nicht 
ruben vor Erwartung, fi aber auch unerflärlicher Weife einer 
bangen Ahnung nicht erwehren, die wie eine finftere Wolfe durch 
den Himmel ihrer Seele glitt. 


Der Morgen fam, es wurde Nachmittag, doch die Sonne 
wollte fich nicht blicken laſſen und blieb in einem trüben Schleier 
verhüllt, während ein rauber Wind durch das Thal ſtrich. Deffen- 
ungeachtet ſammelten fi) eine Menge Säfte und Zufchauer zu 
bem fefllichen Schaufpiel; auch der Graf Walther fand ſich ein, 
und an feiner Seite fchritt in ftattlichem Puge die fchöne Adel⸗ 
heid. Heller Jubel erfüllte die Mauern der Burg. heller Jubel 
wieberhaftte Draußen unter dem verfammelten Bolfe. Da fehien 
felöft der Himmel freundlicher zu werben, die Wolfen theilten 
fih und ein heiterer Sonnenblid überftrahlte die ganze lachende 
Landſchaft. Jetzt trat Albrecht, ſchön geziert mit feſtlichem Gewande, 
auf die hohe Zinne der neuverjüngten Burg. Neben ihm, an einem 
bort aufgepflanzten grünen Lerchenflamme, hing der Kranz, mit 
Adelheids daran flatterndem Bande. Kühn und frei um ſich blickend 
ftand Albrecht auf dem erhabenen Mauergipfel, der Lärm bes 
Volkes verftummte, Alles Taufchte nur dem Bauſpruche und der 
Süngling begann : 


„Bir haben feſt auf Gott vertraut 
Und diefe Mauern aufgebaut; 

Gott ſchützte Alle die da waren, 
Kein Unglüd iſt und wiberfahren. 


„Drum blidt mit dankerfülltem Sinn 
Zum treuen Himmelsvater hin, 

Das Herz zu ihm emporgehoben, 
Laßt uns fein göttlich Walten Toben!” 


Hier ward ihm ein Becher vol Wein gereicht; hoch ſchwang 
er ihn empor und ſprach fort: 


Dfälger-Bergfiraße 463 


„Jetzund auch auf des Burghern Wohl 
Schenkt' mir der Knab’ den Becher voll: 

Nie fol die Burg vor'm Feinde beben; 
Der edle Herr fol friedlich leben!“ 


Er Teerte den Becher und fchleuderte ihn weit hinaus unter 
das Volk, das ihn mit donnerndem Jubelrufen auffing. Ein 
zweiter Pokal ward ihm nun, bargereicht, worauf er fortfuhr; 


„Dem Meifter, fo den Plan entwarf, 
Den Riß gezogen fein und ſcharf, 

Die Bogen wölbte und die Hallen, 
Ihm fol das zweite Hoch erfchallen !“ 


Er leerte den Becher; der Volksjubel wiederholte fih, er 
aber redete weiter: 


„Zum Dritten iſt der Becher voll; 

Den leer ich auf der Herrin Wohl, 
Um die ih ringen will und werben, 

Für die ich leben will und ſterben. 


„And wenn fie mich nicht minnen will, 
Sp duld' und leid' ich ewig ſtill; 

Hoch ftehen auch des Himmels Sterne, 
Do labt ihr Blick in weiter Ferne.“ 


Ploͤtzlich riß der Wind das blaue Band, Adelheids Gefchent, 
vom Kranze; der Jüngling will es noch erhafchen, aber zu weit 
fich vorbeugend, ftürzt er herab von der fehwindelnden Höhe. 
Entfegen betäubt die Zufchauer, zerfchmettert Tiegt der Jüngling 
unten auf den Felfenplatten, Adelheid, gleich einer ftarren Leiche, 
in den Armen ihres Vaters. Unbefchreiblich jammervoll war 
der Zuftand des alten Baumeifters Pilgram, der nun das leute 
Glück feines Lebens vernichtet ſah; fein namenlofer Schmerz Tieß 
ihm Teine lindernde Thräne. Unter den allgemeinen Wehklagen 
der Menge verflang das Felt. 

Albrecht ward an der Stelle begraben, wo er den Tod ges 
funden. Ueber feiner Gruft baute fih Pilgram eine Hütte, 


464 Pfalzer-Bergſtraße. 


worin er den Reſt ſeiner Tage in frommer Betrachtung und 
ſtiller Trauer verbrachte. Von Zeit zu Zeit beſuchte ihn dort 
die nun allen Lebensfreuden erſtorbene Adelheid, netzte ſeine 
weißen Locken mit ihren Thränen und ſchmückte das Grabmal 
des geliebten Jünglings mit vielen Blumen, deren ſorgſame 
Pflege jetzt noch ihr einziger Troſt war. — 

Die Zeit iſt alt geworden, Epheu rankt ſich längſt um die 
Reſte der Burg, auf jener Stelle ruht aber noch immer eine 
heilige Weihe und der Freund der Natur findet dort ſchöne ſeltene 
Pflanzen, wie deren gleichen der ganze Umkreis des Gebirges 


ihm keine mehr bietet. 


(Ohne Namen des Verfaſſers mitgetheilt im Mannheimer Stadt⸗ und Landboten 
Jahrg. 1831, S. Nr. 78 und 79. 


Der Spruch auf der Burg Windeck. 


Das Mauerwerk fehon fertig fand; 
Es rührt der Zimmermann die Hand, 
Und aufgefchlagen fleht der Bau; 
Das Thurmdach ragt ins Himmelsblau, 
Und wo die Sparren ſich verbinden, 
Da ftedt der Strauß, ein Spiel den Winden. 


Die Bänder wehn von Tannenftrauß 
Ss Yuftig Iodend weit hinaus; 
Den Burgmweg firdömt das Volk hinan, 
Es hörte gern den Spruch mit an. 
Der Bauherr fommt von Lorfch geritten, 
Abt Diemo in der Brüder Mitten. 


Es ift ein Feft für Jung und Alt, 
Und Alles nah Burg Windeck wall; 
Die Ritter nah’n und Edelfrau'n, 

Des Feſtes Luft mit anzuſchau'n; 
Und was der Hof vermag zu fallen, 
Wird freundlich auch hereingelaffen. 


Dfälger Bergfiraße. 465 


Der Knabe fleigt zum Thurm hinaus; 
Jetzt flebt er bei dem Tannenſtrauß, 
Und als das Volk erwartend ſchweigt, 
Er dreimal fich befcheiden neigt, 
Beginnet laut und ohne Zagen 
Den frommen Zimmerfpruch zu fagen. 


Und drauf er mit dem Becher winkt, 
Den er aufs Wohl des Bauherrn trinft. 
Man fchhenft den Becher wieder voll: 
„Dem Ritter, der hier wohnen fol, 
„ven Klofter fei er Schug, und Wehre, 
„Dem Ritterfiande Ruhm und, Ehre!" 


Die Bänder flattern um den Strauß; 
Der Wind reißt manches mit hinaus, 
Der Knabe ſieht's und bei ſich ſpricht: 
„Nimm alle, nur das eine nicht, 

„Das blaue Band, das Sie gegeben, 
„Ich laſſ' es nur mit meinem Leben.“ 


„Zum dritten Male ſchenkt mir ein! 
„Der Becher gilt der Liebſten mein! 
„Und wenn ſie mich nicht minnen will, 
„Bleib' ich doch treu, und minne ſtill. 
„Stehn auch zu hoch des Himmels Sterne, 
„Labt doch ihr Blick in tiefer Ferne.“ 


Der Knabe ſpricht bewegt das Wort; 
Da reißt der Sturm das Band ihm fort, 
Es fliegt vorbei, — er haſcht darnach, — 
Er beugt fih vor, — er flürzt ihm nad), 
Im Sturze will er’s noch erfaffen — 

Er fann es nur im Tode Yaffen. 
(Aus Grimm’s Werke: „Die Bergftraße ꝛc).“ 


II. 30 


465 Pfälzer Bergftraße, 


Der Hexenthurm in Weinheim. 


Diefer Thurm, den der Grundelbach von dem Schloßberge 
trennt, fleht ganz nahe bei dem Mülheimer Thorthurme. In 
jener ummölften Zeit, wo fo mancher Unfchuldige, als der Zau⸗ 
berei verdächtigt, gefoltert und dem Scheiterhaufen übergeben 
- wurde, bat man auch diejenigen Perfonen Weinheims und der 
Umgegend, welche der Hererei befehuldigt wurden, in dieſen 
Thurm gefperrt. Da jedoch damals der Glaube herrfchte, bag 
foihe Teufelögenoffen ihre Zaubermacht augenblicklich wieder 
befämen, fobald fie mit bloßer Haut die Erbe berührten, fo hat 
man fie auf Yuftigen Bahren und Stiegen in das obere Berhör- 
zimmer des Müllheimer Thorthurmes gebracht. 


(Nah mündlicher Neberlieferung mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.) 


Der Geift des Burgkochs auf Windeck. 


Saum lebt noch in weniger Leute Munde die Sage von dem 
geifterhaften Burgfoh von Winded. Wo folcherlei alte Kun- 
den noch den Stoff zur Unterhaltung Tiefern, da wirb gewöhn⸗ 
Yich auch die Urfache der Strafe des betreffenden Geiſtes mit 
Nachdruck und als Eingang der Erzählung beigefügt; aber gerade 
hier tritt der Fall nicht ein. 

Worin nun das Verbrechen des Windeder Küchenmeifters 
beftanden, — ob er durch Giftmifcherei, Mord, oder durch Ent- 
wendung großer Geldſummen fich feine Buße zugezogen? — dar» 
über erzählt man fich nichts Gewiſſes. Daß er aber eine 
frevelhafte That an einem grünen Donnerstage verübte, 
das findet die Erzählung fhon in diem Umftand als wahr be⸗ 
gründet, weil der Geift blos am genannten Tage fein Wefen in 
der Burg treibt. Kurzum, es fpudte, — denn gegenwärtig 
fpudt e8 nicht mehr — jedesmal am grünen Donnerdtage auf 
der Burg. Mancher Waghals erbreiftete fih, an biefem Tage 
die Burg zu betreten. Mit Steinwürfen aber empfangen, warb 
er auch mit Steinwürfen wieder entlaffen, und doch war feine 
menfchliche Seele allda zu fehen, noch zu hören. 

Einft befuchte auch ein verwegener Kammerherr am grünen 
Donnerstage diefe Burg. Da fausten ihm plöglich vechts und 





Pfälzer Bergftraße. 467 


links Steine hart am Ohre vorbei, ohne daß trog feines freunds 
lichen Zurufs darin Einhalt geſchah. AlsLer nun aber zu 
ſchimpfen und zu fluchen begann, fehmetterte ein ganzer Hagel 
von Steinen auf ihn los. Noch obendrein dur unſichtbare 
Prügelfauft von Kopf bis Fuß Durchgewalft, gelang es ihm nur 
mühfam , von der Burg fih zu fihleppen und bluttriefend bie 
Stadt zu erreihen, wo er mehrere Wochen zu feiner Heilung 
verwenden mußte. Die Sage fügt noch bei, der Geift des Burg⸗ 
kochs habe auch folches Alles verübt. 


(Rad) mündl. Ueberlief. mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.) 


Die zwei legten Burgherren. 


Die lebten Sproffen der Familie von Winde waren zwei 
Brüder, die fi) aus Geiz nie verheiratheten, und überhaupt 
auf Alles, woran ein gewöhnliches Menfchentind Luft und Freude 
findet, verzichtet hatten. Eine einzige Gefellfchafterin war im 
Schloſſe, welche ihnen deſſen leere Hallen etwas beleben Half, 
nämlich eine Meife, die fie täglich, troß ihres Geizes, mit einer 
ganzen Nuß regalirten. Eines Tages jedoch erwogen fie, wels 
cher entfeglichen Anzahl von Nüffen fie das Jahr hindurch zum 
Unterhalte des Heinen Lieblings ‚bedürften, und ber Schreden 
über diefe arge Verſchwendung wirkte fo ſtark auf ihr Gemüth, 
daß fie nicht allein das hafbverhungerte Thierlein fofort zum ' 
Senfter hinaus fliegen Tießen, fondern am folgenden Tage, zur 
Freude der Stadt Weinheim, aus Gram über die verfchwenbeten 
Nüffe, des Todes verblichen. 

‚(Siehe I. Baader's „Sagen der Bergftraße, des Odenwalds ꝛc).“ 





Das Burgfräulein von Windeck. 


Halt an den fchnaubenden Rappen, 
Berblenbeter Ritteramann ! 
Gen Winde fleucht, Dich verlodend, 
Der Yuftige Hirfch hinan. 

30* 











468 


Pfälger-Bergfiraße. 


Und vor den mächtigen Thürmen, 
Vom äußern verfallenen Thor, 
Durchſchweifte fein Auge die Trümmer, 
Worunter das Wild fich verlor, 


Da war e3 fo einfam und ftille, 
Es brannte die Sonne fo heiß, 
Er trodnete tiefaufathmend 
Bon feiner Stirne den Schweiß. 


„Ah, würde des köſtlichen Weines 
Mir nur ein Trinthorn vol, 
Den bier der verfchüttete Keller 
Berborgen noch hegen ſoll!“ 


Kaum waren bie Worte beflügelt 
Bon feinen Lippen geflohn, 
Sp bog um die Epheumauer 
Die forgende Schaffnerin ſchon. 


Die zarte, die herrliche Jungfrau, 
In biendend weißen Gewand, 
Den Schlüffelbund im Gürtel, 

Das Trinthorn hoch in der Hand. 


Er fohlürfte mit gierigem Munde 
Den würzig Eöfllihen Wein, 
Er fchlürfte verzehrende Flammen 
In feinen Bufen hinein. 


Des Auges Tlare Tiefe! 
Der Locken flüffiges Gold! — 
Es falteten feine Hände 
Sid, flehend um Minnefold. 


Sie fah ihn an mitleidig 
Und ernft und wunderbar, 


Pfälzer-Bergſtraße. 469 


Und war ſo ſchnell verſchwunden, 
Wie ſchnell ſie erſchienen war. 


Er hat ſeit dieſer Stunde, 
An Windecks Trümmern gebannt, 
Nicht Ruh noch Raſt gefunden, 
Und feine Hoffnung gefannt. 


Er fhlih im wachen Traume, - 
Geſpenſtig, ſiech und bleich, 
Zu ſterben nicht vermögend 
Und keinem Lebendigen gleich. 


Sie ſagen: ſie ſey ihm noch einmal 
Erſchienen nach langer Zeit, 
Und hab' ihn geküßt auf die Lippen, 
Und ſo ihn vom Leben befreit. 
Adalbert von Chamiffo, 


Die Stiftung von Heiligkreuz. 


Drei Stunden von Heidelberg, und eine Stunde von Wein- 
heim, an der herlichen Bergftraße, liegt das Dorf Groß- 
ſach ſen, weldesfich bis in das liebliche Thälchen „Heilig- 
kreuzerthal“ guannt, erftredet. Ein fehr angenehmer Weg, 
links dichtes Gebüfch, in welchem ſich hunderte von Nadtigallen 
.bören laffen, rechts dr „Apfelbach“ mit mehreren ſchönen Müh⸗ 
len und grünenden Wefen, führet in das, eine halbe Stunde 
entfernte, von Bergen engefchloffene Dörflein „Heiligfrenz.“ 
Am Eingange ded Dörleins, rechts, vom Bache befpült und 
vom Friedhofe umgeben, ftehet die Kirche, wovon das Chor 
und der Thurm aus alter Zeiten herſtammen. 

Bon der Entftehung deſer Kirche, geht folgende Sage: 

Zur Zeit, ald Deutſchlads Grenze duch Ludwig XIV. 
noch nicht geſchmälert worda und das flarfe Straßburg noch 
von Deutfhen befegt wa, lebte in dem oben befchries 


470 Pfälzer-Bergſtraße. 


benen Thale, wo jetzt die Kirche ſteht, lein Bauer, welcher 
einen einzigen Sohn hatte. Wie es heute dort noch gebräuch⸗ 
lich iſt, ſo hatte auch dieſer ſchon, in einem Nebenbau, ſeine 
Taglöhnerfamilie wohnen. Trotz dem Unterſchiede des Reichen 
und Armen, des Herrn und Taglöhners, lebten ſie miteinander in 
gutmüthiger, altdeutſcher Redlichkeit Des Bauern Sohn „Hars⸗ 
förg” entzweite fh mit feinem Vater, lief fort, und wurde 
Reichsſoldat. Nach zwei Jahren erfuhr der Bater, daß fein 
verlorener Sohn in Straßburg diene und freute ſich, daß fein 
Einziger noch bei Leben fey. 

Auch die Familie des Taglöhners nahm herzlichen Antheil- 
an der Nachricht; befonders aber des Taglühners einziger 
„Jörgnickel,“ der treue Jugendgefährte des „Hansjörgs.“ 

Um dieſe Zeit träumte nun dem „Jörgnickel,“ daf er zu 
Straßburg auf der Brüde einen großen Schag gefunder hätte, 
Morgens erzählte er diefen Traum feinem Vater, welger aber, 
da er den großen Schat nicht fah, nichts aus dem Traume 
madte. Allein der Bater wurde aufınerffamer, ab ihm ber 
Sohn denfelben Traum, am andern Morgen, abemals mit, 
theilte, Bedenklicher wurde dem Vater die Sade, ald er am 
dritten Morgen hörte, daß fein „Sörgnidel« zum drittenmale 
daſſelbe geträumt hatte. 

Endlich befprach er fich mit feinem Sohne und agte: „Hörel 
unſers Bauern Sohn, dein Ramerad „Hansjdrg‘ ift in Straß- 
burg; wenn du dem Bauern fagteft, du wolltft feinen Sohn 
befuchen, fo wird er dir gerne Geld und Flaſch, Brod und 
Käfe mit auf den Weg geben. Findeft du den Schatz, fo werben 
wir glücklich, und findeft du ihn nicht, fo hat du doc Straß⸗ 
burg gefehen !« 

Der Bauer horchte Hoch auf und war ver die Sreundfchaft 
zu feinem Sohn voller Freude, — Es wude ſogleich ein gan⸗ 
zer Zwergſack voll Dürrfleifh, Handfäfe, Brod und auch Geld 
zufammengepadt. „Sörgnidel” machte fid, von vielen Segens⸗ 
wünfchen begleitet, auf den Weg und fam am britten Tage 
bei Straßburg an. Anftatt des oft fürhterlichen: „Wer da?“ 
erſcholl eine befannte Stimme von dan Waͤchtpoſten: „Zörg- 
nickel! grüß dich Gott!” — Der Sflaunte fah richtig feinen 
Freund „Hansjörg“ mit der Hellebate vor ſich ſtehen. 


Pfalzer⸗Bergſtraße. 4711 


Zuerft wurden bie vielen Grüße, unter Hinweifung auf ben 
Zwergfad, ausgerichtet und dann bemerft, daß Die Wache balb 
abgelöft würde. Als der Poften abgelöft war und die beiden 
Freunde fi in der großen Stadt, in einem Wirthshaufe, uns 
ter Zuzug des väterlichen. Mundvorraths, gütlich thaten, ſpräch 
Hansjörg: „Sage Jörgnidel, wie kamſt du auf ben Eins 
fall, hierher zu gehen?” Diefer fagte nun offen und ehrlich, daß 
fein dreifacher Traum die Veranlaffung geweſen wäre, jedoch, 
daß er auf der Brüde feinen Schag, troß aller Aufmerkſam⸗ 
feit, gefunden habe. Unfer Reichsfoldat war ſchon aufgeflärt und 
lachte über den Traum und ſprach: „Gerade fo habe ich drei⸗ 
mal nah einander geträumt, in dem Garten meines Vaters, 
unter dem großen Holderftod, hätte ich einen herrlichen Schag ger 
funden,, und darum gehe ich Doch nicht heim. Doch es iſt recht, 
bag du bier bift. Wir wollen recht luſtig ſeyn und dann geheft 
du wieder in den Odenwald, grüßeft Vater, Mutter und bie 
Deinen herzlich und fagft, daß ich nach einem Sabre komme!“ 
Nach zwei Tagen ging „Jorgnickel“ wieber fort, kam zur Freude 
der Seinigen gefund an und richtete Alles pünflich aus. — Als 
er mit dem Bater allein war, erzählte er, daß er feinen Schag 
gefunden, aber auch von „Hansjörg einen ähnlichen Traum 
erzählt befommen habe. — Dem Bater war die Sache nicht 
gleichgültig. In der Nacht nahm er fein Grabfcheit, ging zu 
dem befannten Holderbufche und fand einen großen, eifernen 
Hafen voll Geld. Diefes Geld hielt er verborgen, faufte ſich 
nur langfam nah und nad) eigened Gut und wurbe ein vers 
mögender Mann. Da aber fein ehemaliger Bauer und beffen 
Sohn geftorben waren, Faufte er auch noch deſſen Gut und 
übergab es feinem Sohne. 


Als er aber auf das Todesbett kam, Tieß ihm fein Gewiffen 
feine Ruhe und er entdeckte feinem Beichtvater, daß er ches 
mals in feines Bauern Garten einen großen Scha& gefunden 
und behalten babe. Der Beichtvater gab ihm den Troft, weil 
man doch nicht beflimmt wüßte, wem das Gelb gehört hätte, 
er folle für die Ruhe feiner Seele, zu Ehren des heiligen 
Kreuzes, eine Kirche ſtiften. 


Diefes geſchah und fomit flarb der Mann beruhigt. Heuti⸗ 


472 Pfälzer-Bergſtraße. 


gen Tages aber ſteht noch die Kirche und von ihr erhielt das 
dabei entſtandene Dörflein „Heiligfreug‘ feinen Namen. 


Mit diefer Sage fteht aber eng in Verbindung die Sage 
pop den „Teufelstrappen.” 

Es ift befannt, Daß dem Teufel nichts widermwärtiger ifl, 
als das Kreuz Da er aber vernahm, wie ein Bauer eine 
Kiche zu Ehren des heiligen Kreuzes geftiftet habe, entwarf 
er Pläne, wie er diefes Vorhaben hintertreiben könnte. 

Was kann ein Teufel niht? — Er merfte bald, daß her 
Schulze des Thälchens über das Vermächtniß des ehemaligen 
Zaglöhners erbost war, weil er fah, wie dieſe Familie täg⸗ 
lich reicher , er aber fogar ärmer wurde. Der Teufel fpornte 
bie Gläubiger des Schulzen mächtig an und als der bald ganz 
verarmte Schulze in die Enge getrieben war, erfchien ihm Sa⸗ 
tan, als Jäger gekleidet, und brachte ihn bald dahin, einen 
DBertrag mit ihm einzugehen. 

Der Bertrag wurde folgendermaßen abgefhloffen: Der Teu⸗ 
fel mußte auf jedes Verlangen dem Schulen eine jede beliebige 
Summe Geldes bringen, dagegen mußte der Schulze die Er- 
bauung einer Kirche zum heiligen Kreuz verhindern. Würde aber 
Die Kirche gebaut, ehe der Schulz flürbe, fo verfiele derfelbe dem 
Teufel lebendig. Lange Zeit verhinderte der reich und über— 
müthig gewordene Schulze den Bau der neuen Kirche, aber 
endlich beftund der Bifchof auf den Bau, und gegen alle Ein: 
wendungen des Schulgen wurde derfelbe nun angefangen. 


Kaum war ber erfle Stein gemauert, ald Herr Satan er» 
fhien und den Schulgen abholen wollte, Doc durd vernünftige 
Borftellungen, daß doch nicht ausgemacht wäre, der Bau bürfte 
nicht. beginnen, und daß er jedenfalls, ehe die Einrichtung ber 
Kirche flatt finde, deren Abbruch wieder bewirfen würde, ließ 
der Teufel fich beruhigen. 

Alle aufgewandte Mühe des Schulzen mar vergebens. Der 
Tag der Einweihung erfihien. Das Volk aus dem Odenwalde 
und der Bergftraße firömte herbei, nur der Schulze hoffte noch 
voll Angft jeden Augenbli auf einen hochbezahlten Einhalts- 
befehl. Jedoch, fobald die Einweihung begonnen hatte, entſtund 
ein fürchterliches Gebrüll und Geheul in der Luft, die From⸗— 


Pfälger-Bergfiraße. 473 


men erfchraden ſehr und drangen aus der Kirche. O Schreden | 
der Teufel Fam in höllifcher Freude, beladen mit dem verzwei⸗ 
felten Schulgen im Galopp daher. 

Bis vor zehn Fahren fonnte der aufmerffame Wanderer, 
nur einige hundert Schritte von der Kirche, in einem Granit: 
felfen die Seifentrappen unter dem Namen Teufels⸗ 
trappen” fehen, über welchen der Teufel mit feinem Schulzen 
davon fprengte. 

est ift der fchaurige Felſen herausgebrochen. 


(Nah mündlicher NHeberlieferung mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.) 





0 





Deidelberg? 


und nächte Umgebung. 


S0 


An Heidelberg. 


Lange lieb' ich dich ſchon, möchte dich, mir zur Luſt, 
Mutter nennen und dir ſchenken ein kunſtlos Lied, 
Du, der Vaterlandsſtädie, 

Ländlich fchönfte, fo vie ich ſah! 


Wie der Vogel des Walde über die Gipfel fliegt, 
Schwingt ſich überden Strom, wo er vorbei dir glänzt, 
Leicht und Fräftig die Brüde, 

Die von Wagen und Menfchen tönt. 


Wie von Göttern gefandt, feſſelt' ein Zauber einft 
Auf die Brüde mich an, da ich vorüberging 
Und herein in die Berge 
Mir die reizende Ferne ſchien; 


Und der Jüngling, ber Strom, fort in Die Ebne 308, 
Traurig frob, wie das Herz, wenn es, ſich felbft zu ſchön, 
Liebend unterzugehen, 

In die Fluthen der Zeit ſich wirft. 


*) Siehe die Note nach dem Gedichte. 


Heidelberg. 475 


\ 

Duellen hatteft du ihm, batteft dem Klüchtigen 
Kühle Schatten geſchenkt; und die Geftade fah’n 
Ar ihm nach, und es bebte 
Aus den Wellen ihr Yieblich Bild. 


Aber ſchwer in das Thal hing bie gigantifche 
Schickſalskundige Burg, nieder bis auf den Grund 
Bon den Wettern geriffen; - 

Doch die ewige Sonne goß 


Ihr verfüngendes Licht über das alternde 
Riefenbild, und umher grünte lebendiger 
Epheu ; freundliche Wälder 
Rauſchten über die Burg herab; 


Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Thal, 
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold, 
Deine fröhlichen Gaſſen 
Unter duftenden Gärten ruh’n. 

3. Eh. Hölderlin, 


9 Heidelbergs Urſprung. 


Ueber den Urſprung der Stadt und ihres Namens find die Mei⸗ 
nungen ſehr getheilt. Einige wollen ihre Benennung von dem fenfeits 
des Nedars ſich erhebenden Heiligenberg herleiten, ber, wie fie 
behaupten, entweder in Bezug auf die einft dort angefledelten Römer, 
oder auf altgermanifche Wohnpläge,, nach Einführung des Chriſtenthums 
Heidenberg genannt worden und fobann den jeßigen Namen er- 
hielt. Andere dachten an eitel Berge,, weil der Ort mit fo viel 
- Höhen umgeben ifl, und noch Andere an Edelberg. Die gründlichften 
Gelehrten aber nehmen an, daß die Stadt ihren Namen von der Menge 
der in den Walbungen des Gaisbergs und hinter dem Schloße wachſen⸗ 
den Heidelbeeren erhielt. Sie begründen ihre Meinung, die unftreitig 
viel Wahrfcheinliches Hat, durch den Umfland , daß ſich auf einem alten 
‚ Bappenftein eine Abbildung des Berges mit Heidelbeerſtauden und zu⸗ 
gleich eine Jungfrau befindet, welche einen Strauß von biefer Frucht 
in der Hand trägt, und daß ferner der Löwe auf dem älteflen Gtabt: 
fiegel mit einem Heidelbeerkranze gefhmüdt if. — Was die Geſchichte 
bes Ortes betrifft, fo weiß man darüber nichts Genaues aus der alt« 
germanifchen Zeit. Ohne Zweifel faß damals hier ein teutfcher Volks⸗ 


4716 Heidelberg. 


ftamm, der zu bem großen Sueviſchen Bunde gehörte. Die Römer, 
® welche unter Kaiſer Au guftus das Land in Beſitz nahmen, legten 
wahrſcheinlich Caftele auf den Bergen umher, fo wie eine Zuhrt am 
Nedar, bei dem feßigen Heidelberg, an. Mehrere auf dem Heiligen» 
berg und andern Punkten der Gegend gefundene Alterthümer zeugen 
binlänglich von römifcher Niederlaffung. So mögen denn am Eingange 
des Thales mehr und mehr Wohnungen, und endlich ein, wenn auch 
noch unbeträchtlicher Ort entflanten feyn. Erſt im zwölften Jahrhun⸗ 
dert warb berfelbe bedeutender, ald Konrad von Sohenftaufen 
im Jahr 1156 den bisher in Bacharach gewefenen Sib der Pfalzgrafen 
nah Heidelberg verlegte. 

(Bergl, Kari Geib's „Maleriſch Hiftorifhe Schilderung der Nedargegenden” Franl⸗ 
furt 1843 ©, 12 und ff.) 

Mit Pfalzgraf Konrad von Hohbenftaufen, des Kaifers 
Friedrich Barbarofia’s Halbbruder, (farb 1195), welcher Heidelberg zur 
Refidenz der Pfalzgrafen erhob und in der obern Burg des Gais—⸗ 
berges refipirte, gewinnt die Geſchichte diefer Stadt mehr Licht. Pfalz- 
graf Otto der Erlauchte fuchte feine Herrfchaft durch eine Heirath 
mit des vertriebenen Pfalzgrafen Heinrich Tochter, Agnefe, zu 
befeftigen; worauf jene Berfe im alten Speifefaale deuten: 

„Otto der Erſt, Pfalzgraf bei Rhein 
Hätt Pfalzgrafs Heinrichs ZTöchterlein, 
Mit Mannheit er’s alfo erfecht, 

Das die Chur blieb feinem Geſchlecht.“ 

Sein Sohn Ludwig ſah die Thalftadt durch ſchreckliche Ueber⸗ 
ſchwemmung verwüſtet; fpäter, 1278, feine ganze Refivenz in Flammen 
aufgeben, felbft die alte Burg aufdem Jettenbühl ward eine Beute 
derfelben ; die abgelegene Kapelle „zur heiligen Yungfrau« in der Ein- 
öde, blieb allein verfchont. 

L. H. B. 

Ludwig V. ſah Luther hier, der zu Fuße von Wittenberg 
herkam, und bier den ſchönen Bund mit dem ſanften Jüngling Philipp 
Melanchton ſchloß. 


Die Heidelberger Ruine. 


Freundlich grünen dieſe Hügel, 
Heimlich weht es durch den Hain, 
Spielen Laub und Mondenfchein, 
Rauſcht der Wehmuth Teifer Flügel. 


Wo nun Gras und Staude Ieben, 
Hat in froher Kraft geblüht 





Heidelberg. 477 


Iſt zur Afche bald verglüht 
Manches reiche Menfchenleben. 


Mag der Hügel noch fo grünen; 
Was dort die Ruine fpricht 
Mit verflörtem Angeficht, 

Kann er nimmer doch verfühnen. 


Mit gleihgültiger Gebärbe 
Spielt die Blum’ mit Farb’ und Duft, 
Wo an einer Menfchengruft 
Ihren Jubel treibt die Erde. 


Kann ein Grollen nicht verhüten; 
Ob fie holde Düfte wehn 
Und mit flillem Zauber fehn, 
Kalt und roh find diefe Blüthen. 


Ueber ihrer Schweftern Leichen, 
Die der rauhe Nord erfchlug, 
Nehmen fie den frohen Zug, 


. ®ibt der Lenz fein Siegeszeichen. 


Der Natur bewegte Kräfte 
Eilen fort im Rampfgewüht, 
Fremd ift weiches Mitgefühl ; 


Ihrem rüftigen Gefchäfte. — 


Unten braußt der Fluß im Thale, 
Und der Häufer bunte Reih'n, 
Buntes Leben fchließend ein, 
Schimmern hell im Mondenftrahle. 


Auf den Frohen, der genießet, 
Seft Die Freude hält im Arm, 
Auf den Trüben, der in Harm 
Weldt, und Thränen viel vergießet; 


Auf der Thaten kühnen Fechter 
Winft hinab voll Bitterfeit 


478 


Heidelberg. 


Die Ruine dort, der Zeit 
Steinern ſtilles Hohngelächter. — 


Doch hier wacht noch eine Seele: 
Sey gegrüßt in deinem Straud), 
Sende mir den bangen Haud, 
Wunderbare Philomele! 


Wohl verftehft du die Ruine, 
Und du Flagft es tief und Taut, 
Daß durch al’ die Blüthen ſchaut 
Eine firenge Todesmiene. 


Tolgft dem Lenz auf feinen Zügen, 
Treu zu warnen unfer Herz 
Bor der Täufchung bittrem Schmerz, 
Straft ihn deine Stimme Lügen. 


Doch nun fehmweigft du, wie zu laufchen, 
Ob in dieſer Maiennacht 
Heimlich nicht noch Andres wacht, 
Als der Lüfte leiſes Rauſchen. 


Die der Tod dahin genommen, 
Die hier einſt ſo glücklich war, 
Der geſchiednen Seelen Schaar — 
Nachtigall, du hörſt ſie kommen. 


Von den öden Schattenheiden 
Rief des Frühlings mächtig Wort 
Sie zurüf zum fchönen Ort 
Ihrer hingeſchwundnen Freuden. 


An den blüthenvollen Zweigen 
Sammelt ſich der Geiſterſchwall, 
Wo du lauſcheſt, Nachtigall, 
Halten ſie den ſtummen Reigen. 


Und ſie ſtreifen und ſie draͤngen, 
Sänger, dir allein bewußt, 


Heidelberg. 479 


Deine weiche, warme Bruft 
Rühren fie zu füßen Klängen. 


* Selber fünnen fie nicht Fünden, 
Seit der Leib im Leichentuch, 
Shren nächtlichen Beſuch 

Diefen treugeliebten Gründen. 


Nun fie wieder müffen eilen 
In das öde Schattenreich, 
Rufeft du fo dringend weich 
Ihnen nach, fie möchten weilen. — 


Blüthen feh ich nieberfchauern ; 
Die mein Kummer roh und kalt 
Gegen ihre Schweftern fchalt, 
Jetzo muß ich fie bedauern ; 


Denn mich bünft, ihr ſchwellend Drängen 
Iſt der Sehnſucht Weiterziehn, 
Mit den Blüthen, Die dahin, 
Um fo bälder ſich zu mengen. 


Hat die Veichten Blüthenfloden 
Hingeweht der Abendwind ? 
Iſt des Frühlings zartes Kind 
Ob dem Geifterzug erfchroden ? 


Nikolaus Lenau. 


Neckarſage. 
(Heidelberger Mundart.) 

Wann d'je in der Ghannsnacht ) fiſche faͤhrſcht 
Uf de Neckar, in der dunkle Nacht, — 
Bann Dim Schtrom um Hülf was rufe hörſcht, 
Junger, merk der's un nemm dich in Acht! 
Un wann's laut, wie wann Eener vertrinke will, — 
Bleib ſchtill, um Goddes Wille! bleib ſchtill, 





Johannisnacht. 


480 Heidelberg. 


Der Nedar is helwer, er hot die Macht, 
Er verlangt e lewendigi Seel die Nadıt. 


Wann in der Ghannsdagsnacdıt Eener bad’t 
Im Nedarfchtrom, in der warme Nacht, 
Befehl er fi Goddes allmächdiger Gnad, 

Er is hin, wann en bie nib bewacht. 

Wann's Wafler reißt, do hebt fih e Hand, 
Die zieht ’n in Schtrom , — er meent an's Land! 
Der Nedar-Geifcht is es, er hot die Macht, 
Er verlangt e lewendigi Seel die Nadıt. 


"Drei Dag lang findt mar de Dodte nit, 
Drei Dag lang un drei Nacht; 
Am virde erfcht bringt’ n's Gewäffer mit 
Aus 'm Grund ruf, un raufht mit Macht; — 
Do feht ’r jo, — "8 is keenn nadürliches Ding, — 
Er hot um de Hals rum en blove Ring! 
Der Nedar-Geifcht, war 's, — er hot Die Macht, 
Er Holt ſich e Seel in der Ghannsdagsnacht. 


K. G. Radler. 
(Driginalausgabe.) u 


Der Pfalzgraf am Nhein. *) 


Es wohnt ein Pfalzgraf an dem Rhein, 
Der ließ verjagen fein Schwefterlein, 
Da fam der Küchenjung zu ihm: 
„Wilkommen, wilfommen, Pfalzgraf am Rhein! 


*) Diefe Ballade , offenbar eine der tragiſchſten, welche im Munde 
des Volkes erhalten iſt, läßt fih den fchönften altenglifchen, ſchotti⸗ 
fen und dänifhen Balladen an die Seite fielen. Sie ift weit ver. 
breitet und in mehreren Berfionen auf ung gefommen. Die im Wunder» 
horn, II. Band Seite 272 abgedruckte, ift wohl von Brentano felbft 
gebichtet. Am neueften ift offenbar die Bearbeitung beffelben Stoffes 
in Baader’s und. Mori’ Sagen der bayrifchen Pfalz. (Stutt- 
gart bei Göpel. Seite 851.) Ihr gar zu romantifhes Gewand dere 
räth ihre Unächtheit. 

(Siehe J. Baader's „Sagen ber Pfalz und bed Redarthalé 20.@ 


* 


Heidelberg. 


Wo iſt dein fchönes Schwefterlein ?“ — 
Mein Schwefterlein, die Frigft du nicht, 
Sie ift dir viel zu abelich, 

Und du gehörft zur Küch' hinein.” 


Warum folt ich fie krigen nit? 
Sie hat von mir ein Kindelein!“ — 
„Hat fie von dir ein Kindelein, 
Soll fie nicht mehr mein Schwefter feyn I‘ 


Er Tieß fie geißeln drei ganze Tag, 
Bis man ihr Lung’ uno Leber fah: 
„Hör auf, hör' auf, es ift genung, 
Es gehört dem König aus Engelland 1 


„Gehoͤrt e8 dem König von Engelland, 
So koſtet's mich mein ganzes Land, 
Mein ganzes Land tft nicht genug, 
Mein Leben muß auch noch dazu.” 


Es ftund nicht Länger als drei Tag an, 
Da kam der König aus Engelland: 


„Willkommen, willfommen Pfalzgraf am Rhein, 


Wo ift, wo ift dein Schwefterlein ?“ 


mMein Schwefterlein, die ift ſchon tobt, 
Sie Tiegt begraben röslinroth!““ 

„Liegt fie begraben röslinroth, 

Sp mußt du leiden den bittern Tod!“ 


Selbft zog er fein ſchweres goldnes Schwert 
Und flach es dem Pfalzgrafen durch fein Herz; 


„Hat fie müßen leiden den bittern Tod, 
So mußt du leiden den Schmerz.“ 


Altes Volkstieb. 


II. 31 


481 


482 


” Heidelberg. 


Eberhard der Heilige. 


1147, 


Bimbeln ertönen und Paufen erfchallen, 
Jubel durchrauſchet Die gaftlihen Hallen, 
Freundlich bewirthet auf Heidelbergs Veſte 
Drängen fi wader die flattlichen Gäfte; 
Konrad der Pfälzer gibt jeglichen Tag 
Köſtliche Mahlzeit und fürftlich Gelag. 


Edele Ritter und züchtige Frauen, 
Zierlihe Mädchen, gar minnig zu fchauen, 
Lieben und fcherzen im Pfälzifchen Haufe, 
Lachen und jauchzen bei reichlihem Schmaufe, 
Spotten der Zeiten ermahnenden Drang 
Jubelnd son Dannen mit Spiel und Gefang. 


Eberhard einzig, er fehleichet fich Teile 
sort aus der Freuden beraufchendem Kreife; 
Hin, wo die waldigen Berge ſich fenken, 
Sudet der Jüngling, die Schritte zu lenken; 
Dort, wo ihn Einſamkeit friedlich umweht, 
Liegt er oft Stunden im frommen Gebet. 


Konrad, der Gründer der Pfälzifchen Staaten, 
Ehrte des Chriſtenthums heilige Saaten; 
Tapfer in Schlachten und bieder im Leben, 
Wupte dem Glauben er Früchte zu geben ; 
Darum erwählt er zum Lehrer fortan 
Klüglich den Söhnen den heiligen Mann. 


Aber des Lebens urfräftiges Walten 
Sollte fein heuchlerifch Wefen erfalten ; 
Darum verbot er mit ernfllihen Worten, 
Frömmelndes Treiben an jeglichen Orten: 
„Saget ihr taufend Gebete aud) her, 
Recht thun,“— ſo riefer— „gilt dorten noch mehr!" 


Heidelberg. 483 


Aber nicht gleich find des Lebens Geflalten, 
Wie fih Die Herzen verfchieden entfalten: 
So auch dem Ritter war Fräftiges Streben — 
Diefem nur heilige Sehnfucht gegeben ; 
Göttliche Liebe, fo innig und heiß, 
War ihm des Lebens entzüdender Preis. 


Darum erbauet in einfamer Stille, 
Daß er dad Sehnen des Herzens erfülle, 
Einen Altar fi der Jüngling behende, 
Zieret mit Laub ihm die fteinernen Wände, 
Zündet der Kerzen hellflammendes Licht, 
Knieet dann nieder und betet und fpricht: 


„Ewige Liebe, du Lieb’ fonder Gleichen, 
Habe Erbarmen und gib mir ein Zeichen, 
Ob ich den Machtſpruch des Herrſchers ſoll ehren, 
Oder fol brünftig hieher wiederfehren ? 
Liegt Doch mein Herz nunim Kampf mit der Pflicht.” 
Und er erhebt ſich und löſchet das Licht, 


Siehe, der Gott, zu dem fromm er fich wendet, 
Dat ihm auch ſchnell feine Botfchaft gefendet: 
Denn fo oft er zum Altare noch fchreitet, 
Findet er immer die Kerzen bereitet 
leuchtend in wunderbar ftrahlender Pracht, 
Hell durch des Waldes grün Dämmernde Nacht.“) 


Heribert Rau. 


3% Palzgraf Konrad übertrug, der Sage nah, die Erziehung 
feiner Söhne Konrad und Friedrich dem heiligen Eberhard 
von Stalede, der fih eine Kapelle in der Nähe des Königsſtuhls 
erbaut haben fol und ſo fromm war, daß die Engel ihn mehrmals 
von Heidelberg nach Stalede, (der früheren Nefidenz der Pfalzarafen) 
und von Stalede nad Heidelberg zurüdtrugen. Ein zweites Wunder 
erzählt obige Legende von 9. Rau. 


(Eiche 3. Baaders „Sagen der Pfalz und des Obenwaldes.”) 


31* 


484 Heidelberg. 


Herzog Otto der Erlauchte und die ſchöne 
Welfentochter. 


(Bier Romanzen von Eduard Duller.) 


| 1. 
Des Welfischen Pfalsgrafen Heinrich Abendruhe. 


Auf hohem luftigem Söller — fein Thron im Nedarthal, — 
Da faß der Welfen Pfalzgraf, Herr Heinrich, 1) froh beim Mahl 
Und hob den goldnen Becher und fah hinab mit Luft, 

Wie fich der Pfalz mit Inbrunſt der Rhein ſchmiegt an die Bruft. 2) 


Und fah dann gegen Himmel und wieder auf das Land, 
Das Alles. ift fein eigen, was rings fein Auge fand! 
Doc plöglich denkt er trüber des Welfenruhms zurüd, 
Er denkt des alten Löwen und bangt für’s alte Glüd. 


est ſchaut er auf die Tochter, die ihm zur Seite ſteht, 
Bon Holder Scham geröthet,, von füßem Reiz ummeht, 
Das blaue Kleid umringet des Gürtels goldner Glanz, 
Ihr blondes Haar durchſchlinget ein blauer Cyanenfran;. 


Ihr Auge fo Har und freundlich, fo mild und ernft zugleich, 
Sp anſpruchslos beſcheiden — und doch wie überreich! 
Sie ſchenkt dem alten Manne vom beften teutfchen Wein 
Aus feingetriebner Kanne zum filbernen Schoppen ein. 


Und mit Behagen blidt fie der Vater lächelnd an: 
„Hätt' ich auch Feine Grafſchaft, — ich wär ein reicher Dann ! 
's ift Doch die Lieb’ auf Erden ein unfhäsbares Wort; — 
Mein Bruder, Kaifer Otto, hat feinen beffern Hort !” 


„Wie lächelt ung rings im Frieden das Land fo Tieblih an, 
Wie zieht der Strom danieden fo Har die blaue Bahn, 
Wo golpne Aehren wogen und mit den Häuptern niden, 
Als dankten fie der Sonne für Vollkraft und Erquiden !“ 


„Die Sonne fcheint ja wärmer und leuchtet Doppelt ſchön, 
Auf friedliches Gelände herab von ihren Höh'n, 
Die Sterne funfeln reiner und frömmer im Azur, 
Als wenn fie Haß befcheinen auf blutgedüngter Flur!“ 


Heidelberg. i85 


„ie heil zu meinen Füßen, im golbnen Abendfchein, 
Die Städte friedlich grüßen bis fernhinab am Rhein ! 
’8 ift großer Feierabend! — Das Leben geht zur Raft, 
Der Schlaf ſucht fill die Herberg, ein füß gebetner Gaſt!“ 


„Ihr Burgen und ihr Städte! Ihr Felder und ihr Au’n, 
So weit euch kann der Herrfcher mit Vaterblick erſchau'n, 
Mög’ Friede nie euch laſſen, mögt ihr ihn immer hegen, 
Dann will ich gern erblaffen! — Das ift mein Abendſegen! — 


Kaum hat's der Fürft geſprochen, wird's unten lauti im Schloß, 
Es ſchallt wie Hufgeklapper von manchem tüchtigen Roß. — 
Wer kommt ſoſpat?“— ruft Heinrich. —Sieh zu mein Töchterlein, 
Und iſt's ein Gaſt, nach teutſchem Brauch ſoll er willkommen ſeyn!“ 


Die Tochter eilt geſchäftig hinab die Wendelſtieg'; 
Da hört fie plötzlich rufen von hundert Stimmen: „Krieg!“ — 
Ein Herold hält zu Roſſe, mit Reichsfarb' angethan, 
Stolz, königlich zu ſchauen, der fchönfte teutfhe Mann | 


Vom Haupt in reichfter Fülle die braune Tode wallt, 
Sein Blick, fiegreich erobernd, bezwingt mit Allgewalt ; 
Hochfürſtlich, wie ein Gebieter, fleht er im Schloffe da 
‘ Und ſpricht, wie er am Söller den Welfengrafen fah: 


„Aus iſt's mit Eurem Herrſchen, Pfalzgraf, in diefem Land! 
Das fpricht zu Euch der Kaiſer! Ihr feyd vom Reich verbannt!" — 
„Wie? fendet dies der Kaifer ? Ihr feyd bei frobem Muth! — 
Der Kaifer ift mein Bruder, und meint es fletd mir gut!“) 


„Ihr ſprecht, fo wie's geweſen;“ — verjett der Herold drauf, — 
„Ders Dtto Fiegt im Banne; — mich ſchickt ein Hohenftauf! 
Es iſt der zweite Friedrich, der Euch entbeut dies Wort, 
Die Pfalz ift Ludwig von Wittelsbach perlieh'n auf 

immerfort! —“ 


„„Wein ift die Pfalz nach Rechten!“ — grollt nun der alte 
Graf — 
„„Laßt ung im Krieg drum würfeln, #) und fehn, wer minder traf; 


486 Heidelberg. 


Zwar lieb’ ich Frieden wahrhaft, doch führ ich auch das Schwert; 
Pfalz! Pfalz! beim ewigen Himmel! Du biſt des Kampfes 


werth!“ — 
„So rüſtet!“ — donnert der Herold — „Wir zwingen das 
Geſchick! 
Kampf ſey's auf Tod und Leben! —“ Da trifft ihn der Jungfrau 
Blick, 


Da ſinkt, im Zorne gehoben, der Arm ihm wie gebannt — 
Fort traͤgt ihn der ſcääumende Rappe. —Sie ſinnt ganz unverwandt. 


2. 
Der Peſuch. 


Es brauſt herauf vom Thale, es ſauſt durch den Eichenwald, 
Ein dumpfes Waffenklirren herauf zum Schloſſe ſchallt; 
Bang ſorgend um den Vater, dort in des Treffens Reih'n, 
Sitzt Agnes, die ſchöne Welfin, im Garten bleich allein. 


Sie ſtützt das Haupt aufs Händchen; das Herz iſt ihr ſo ſchwer, 
Sie ſieht im Geiſt nur Einen, ſonſt iſt die Welt ihr leer; 
Sein Aug', ſein Gang, ſeine Rede, ſein edler Fürſtenglanz, 
Das nahm die armen Sinne der Maid gefangen ganz. 


Und wie ſie ſieht und denket, ſteht's ploͤtzlich jetzt vor ihr, 
So ſonnenhell und leuchtend! — kein Sinn betrügt ſie hier — 
Ein Mann in voller Rüſtung, dem jungen Kriegsgott gleich 
An Schönheit, Kraft, Blick, Haltung — an aller Hoheit reich. 


Sie hält die Hand vor's Auge und blickt ihn bangend an, 
Das Herz, es will nicht ſchweigen, wenn's auch die Lippe kann; 
Sie ſieht, kann's doch nicht glauben, und ſieht's doch wieder klar: 
Was ihre Träume ſprachen, der Morgen macht es wahr. 


Der Ritter aber neiget ſich ihr mit Beſcheidenheit: 
„Ob Ihr, o füße Herrin! dem Kühnen wohl verzeiht? — 
Als ich zuerſt Euch ſchaute, da fprach es laut in mir: 
Die Eine vor allen Andern ift teutfcher Frauen Zier!“ 





Heidelberg. 487 


„Da ward’s mir klar im Herzen, wozu bem Mann die Kraft; 
Euch zu verdienen ſchwor ich den Eid der Nitterfchaft. 
Was gilt Gefahr und Streben, darf ich Dich wieberfchauen, 
Um beine Huld zu werben, Du Schönfte aller Frauen !« 


Die Jungfrau, flumm erröthend, den Blid zur Erbe kehrt. — 
„Sen nit die edle Stirne, bu, aller Kronen werth! 
‚Sungfräulich holde Rofe, wie deine Wangen glühn ! 

Als Königin der Blumen erheb’ dein Antlie kühn!« 


Die Jungfrau lächelt milde, fie reicht ihm ſtill die Hand, 
Als ihrer Gegenliebe geweihtes Unterpfand. — 
„Run, fo vernimm, du Holde, was nod mein Mund nicht fprach : 
Ih, jener Waffenherold, bin Sohn des Wittelsbach!“ — 


„Ein Wittelsbacher bift du ? — Weh mir, ein fchlimmes Wort | 
Sp find wir fireng gefchieden, fo mußt du ſchleunig fort! 
Gott, wenn fie hier dich finden, fie ſchonen deiner nicht, 
Ob aud) darob mir Armen das Herz vor Sorgen bricht!“ — 


»D weine nicht, Geliebte! Und ob mir auch zum Krieg 
Die Welt entgegenzöge — Dein Lieben gibt mir Sieg! 
Noch immer Thränen, Agnes? O welch ein koſtbar Gut! 
Wer möchte nicht vergießen um fie das Herzensblut? 


„Zwar gegen Deinen Vater iſt nun gelähmt mein Arm — 
Horch! die Drommete fehmettert! Auf, in der Feinde Schwarm! 
Dein Nam’ ift meine Lofung ! Er feiet meinen Stahl; 

Leb’ wohl du füße Herrin! — Leb' wohl viel taufendmal !” 


3. 
Der Abfdied. 


Hm Brunnen dort im Schloßhof, vol Fühler Labefluth, 
Ein Pilger jung von Jahren, wie wandermübe ruht; 
Zu manchem Fenfter fchaut er mit Sehnfuchtsblid empor, 
Nah mander Pforte lauſcht er mit aufmerffamem Ohr. 


A88 Heidelberg. 


Da wandelt bleich, beffommen, vom flolgen Grafenhaus, 
Die ſchöne Welfentochter zur Gottesluft heraus, 
Sept fih aufs Marmorbänflein, nah bei dem fühlen Duell’ 
Und fingt ein altes Webchen, drein flimmen bie Wellen hell. 


Aus ihrem Bufen ringe fih dann mander Seufzer ſchwer, 
Ihr Auge ſchweift, wie fuchend, mit feuchtem Blick umber, 
Aus ihren Locken nimmt fie das Kränzlein frifch gepflüdt, 
Und aus dem Kranz die Blüthen, bis daß er war zerſtückt. 


Dann fenft fie ſtill das Köpfchen und legt Die Händ' in Schoog, 
Das Herz ift ihr beklommen, das Leid iſt ihr zu groß, 
Sie denkt der Schlacht und Otto's — von Schmerzen überfchwillt 
hr liebend Herz, ihr Auge von Thränen überquillt. | 


Da tritt der Pilger näher und rührt fie leis am Arm, 
Und wie nach ihm fie wendet das Angeficht voll Harm, 
Bebt fie zurüd erfchroden — doch gleich, mit banger Luft 
Erfennt fie den Geliebten und finkt ihm an die Bruft: 


„So müſſen wir und alfo, mein Dtto, wiederjehn, 
Wenn unfrer Hoffnung Sterne in Sturmesnadt vergehn !’ — 
„Nur einen Kuß begehr? ich — raſch muß ich wieder fort, 
Berrath und Mord umzingelt mich hier an jedem Ort! 


„Wohl ift die Schlacht gefchlagen, doch unfer Sieg dahin, 
Das find der Bayern Schaaren, die dort im Thale fliehn, 
Mein Bater Rudwig felber, gefangen in der Schlacht, 

Wird von dem Deinen, Agnes, in ftrenger Hut bewacht. —“ 


„Und mußt du eilig flüchten, fo den? an mich manchmal, 
Gedenk' an meine Liebe und namenlofe Dual — 
DenP, daß ih Dir nur lebe — kann's ja nicht ohne Dich! 
Und wenn mein Herz gebrochen — dent’ manchmal noch an mid 1» — 


„O Agnes, füße Herrin! Laß noch der Hoffnung Raum, 
Auch dieſes Leid wird fehwinden, gleich einem bangen Traum! 
Wir fcheiden nicht auf ewig, ein Wiederfehn giebts noch,, 
Das Leben ift nicht das Höchfte, die Lieb’ ift drüber Hoch ! 











Heidelberg. 489 


„Doch, hilft mir Gott, fo ſchwör' ich, fo wahr die Sterne ſich 
dDrehn, 
Daß ih Dich will noch einmal und herrlich wieberfehn ; 
Was no im Bayernlande von fühnen Männern lebt, 
Die bier’ ih auf zum Kampfe — was noch die Klinge hebt! 


„And beim dreieinigen Gotte und meiner Ritterfchaft! 
Den Bater will ich löſen aus feiner büftern Haft, 
Und an demfelben Tage, der feine Freiheit fchaut, 
Führ' ich Dich heim nad) Bayern als berzogliche Braut!“ — 


Doch faum hat er’s gefchworen,, faßt ihn der Pfalzgraf an, 
Der leis herbeigefhlihen: „Halt ein, du ſtolzer Hahn ! 
Nimm Deinen Eid zurüde, denn der wird nie vollbracht ; 
Solg mir, Du Feder Freier! — Du bift in meiner Macht!“ 


4. 
Der Gefangene. 


In hoher, enger Kammer, von Welfen ſtreng bewacht, 
Steht Ludwig, Bayerns Herzog, gefangen in der Schlacht, 
Er ſieht durchs Gitterfenſter hinaus ins freie Land, 

Wie fühlt er ſich gezogen von ſeiner Sehnſucht Band!: 


„Wie frei die Lüfte ſich regen, dort außen vor meiner Haft, 
Wie frei die Aeſte ſchwanken in reifend rüſtiger Kraft! 

Das Bögelein schlägt an's Fenſter, als neck' es mid) ob dem Bann, 
Drinn ich hier muß verkümmern als ein geſchlagener Mann! 


„O Freiheit, ſüße Freiheit! Des Lebens beſter Theil! 
Du aller Weſen Sonne, Du aller Kräfte Heil! 
Den Schwachen ſchaffſt du zum Rieſen, den Sterbenden geſund, 
Und ich darf dein nicht genießen auf eignem Land und Grund!“ 


Inmitten ſeiner Klagen tritt ſtolz der Pfalzgraf ein 
Und ruft: „Verwegner Streiter! wer nennt die Pfalz jetzt ſein? 
Du wollteſt Alles mir rauben, was Gott mir zugetheilt; 
O Ludwig, Bayernherzog, das war doch übereilt! 


490 Heidelberg. 


„Der Fürſten Loos auf Erden, es liegt in Gottes Hand, 
Drum wollt ich nicht verzagen, drum firitt ich um mein Land; 
Doc als dein Spiel verloren, warft du felbft noch fo blind, 
Mein Liebſtes mir zu verloden durch deinen Sohn : — mein Kind! 


„Ich hab’ auf Erden wahrlich fein Föftlicheres Gut, 
Als meine Tochter Agnes, die Teste vom Welfenblut, 
Sie, die mir mehr als Alles, ald Ruhm und Leben gilt, 
Die war mir auch zu rauben Dein fühner Sohn gewillt; 


„And als ich Died vernommen und ala ich dies erfannt, 
Gelobt' ich zu vereiteln, wornach er heiß entbrannt; 
Er fhwor, dich zu befreien und mir mein Kind zu nehmen, 
Da müßt ich alter Weigbart mich fa zu Tode grämen! 


„Drum, was er auch gefchworen — fürwahr, er thut es nie! 
Er wollte Agnes rauben; nun benn, ich geb’ ihm fie! 
Er ſchwor, Dich zu befreien — ich felber geb’ Dich frei! 
Und wilft Du Freund mir werben — fchlag ein, ich bin dabei! 


„Denn fieh! im Treffen mitten, da fann ich dies bei mir: 
Ich flerb’ des Stammes Lepter, und laß’ als Erbin bier 
Die einz’ge Tochter Agnes! Warum fließt teutfches Blut ? 
Eint füch Die Pfalz mit Bayern, — dann hat ſie's, denk' ich, gut! —“ 


Da finft der Witrelsbacher dem Welfen in den Arm; 
Er drüdt ihn an den Bufen recht männertreu und warm, 
Da tritt die Jungfrau fchüchtern und kühn ihr Freier ein, — 
„Macht Hochzeit" — ruft der Pfalzgraf— „zu Straubing fol fie 
ſeyn!“ °) 


Und als fie Hochzeit hielten bei Sattenfpiel und Tanz, | 
Bei goldnen Weines Perlen in goldner Kannen Glanz, 
Der Herzog hob den Becher: „Hoch Pfalz und Bayerland, 


Kein Feind mehr fey der Brecher von foldhem edlen Band!“ 
Eduard Duller. 


Heidelberg. 491 


1) Diefer Welfifhe Pfalzgraf vom Rhein war ber erfigeborene 
Sohn des ehemals ſogewaltigen Welfen, Heinrichs des Löwen, Bruder 
des im Jahr 1197, neben Philipp von Schwaben erwählten teut- 
fhen Könige Otto IV. 

2) Zu diefen Pfalzlanden beim Rhein gehörten ein großer Theil 
bes fruchtbaren Kraichgau's, Heidelberg mit ihren beiden Beften, bie 
Refivenz des Pfalzgrafen, ein Landſtrich der alten Grafſchaft Zwei« 
brüden, dazu die Hersfhaft Bahararch amNheine, mit der Burg 
Stapled und vielen Rein» und Getraidebauenden Dorffhaften. — 
Kein Pfalzgraf Hand in andern Ländern fo hoch, mächtig und hochan⸗ 
gefehen, als der Pfalzgraf bei Rhein; denn er war dafelbſt eigen- 
herrlicher Gebieter, von feinen Landſtaͤnden beſchränkt; er vertrat 
den König, wenn der Thron des Reiches ledig, und 
verwahrte deffen Kleinodien für den fünftigen Herrſcher, den ex ſelbſt 
trönen half. ıc. 

(Siehe Z3ſchokke's Bayrifhe Geſchichte U. Band, IH. Buch, V. Abfchnitt.) 


3) Kaifer war damals Otto VL, des Pfalzgrafen bei Rhein 
Bruter, Heinrich des Löwen zweiter Sohn. — Was hier zum leich- 
texen Ueberblick und durch dichterifche Zorm bedingt auf Einen Moment 
zufammengedrängt erfcheint, ergab fih, der Geſchichte nah, im 
Berlauf mehrerer Jahre. Im November des Jahres 1311 nämlich, 
hatte bereits Pal Innocenz IV. König Otto IV., nachdem cr 
ihn vor zwei Jahren zum Kaiſer gefrönt, in den Bann gethan. Erſt 
im Jahr 1218 am 6. Dezember ward Friedrich IL. von Hohen- 
ftaufen,, auf den fohon früher das Auge der Wähler gefallen war | zu 
Mainz geſalbt. 1214 geſchah die Schlacht bei Bowines in Flandern, 
die Otto's letzte Hoffnung ſtürzte; 1215 wurde König Friedrich zu 
Aachen durch den Mainzer Erzbifhof Stegfried zum Kaifer gekrönt, 
ter Welfifche Pfalzgraf Heinrich in die Acht erklärt, und beflen 
herrliche Rheinpfalz dem Herzog Ludwig von Bayern , dem Sohne 
Otto's J. gegeben. 

4) Der Krieg deßhalben, zwiſchen dem Bapernperzog und dem 
Pfalggrafen, begann bald darauf, und währte länger, als in obigen 
Romanzen angedeutet if. Herzog Ludwig verlor im Jahr 1315 die 
Sreiheit und mußte gefangen von Schloß auf Schloß In der Rheinpfalz 
wandern, bis die Ehe zwifchen feinem Sohne und des Pfalzgrafen 
Tochter, Agnes, die beiden Gegner verföhnte.! 

5) Zu Straubing ward das Beilager mit ungemeiner Pracht 
vollzogen. Das dritte Wandgemälde in den Arkaden des Münchner Hof- 
gartens flellt die Verlobung des Liebenden Paares und die Berföhnung- 
der feindlichen Gefchlechter dar. 

(Dbige trei Tegte Notizen find aus Dullers „Wittelsbacher“ gezogen.) 


492 . Heidelberg. 


Ludwig der Strenge. 


Von den Hohenftaufen ging die Rheinpfalz , unter Kaifer 
Friedrich IT., auf das ihm Durch Heirath verwandte Gefchlecht 
der Wittelsbacher, und zwar auf Ludwig I. über, dem 
für feine treuen Dienfte bei der Kaiferwahl Rudolf von 
Habsburg nicht allein die Hand einer feiner Töchter gab, 
fondern die duch den Tod Konradin's erlebigten Hohen⸗ 
ftaufifchen Güter in diefer Gegend überließ. Dies ift Ludwig, 
der Strenge genannt, und zwar wegen ber graufamen Strafe, 
die er feiner erflen Gemahlin, Maria, des Herzogs von 
Brabant Tochter, widerfahren Yieß. Diefe wohnte nämlich feit 
ihrer VBermählung in Donauwörth und hatte von hier aus 
dem Pfalzgrafen gefchrieben ; diefer Brief aber wurde aus Ver⸗ 
fehen mit einem andern verwechjelt, den fie an einen Raus 
grafen gerichtet, und in welchem einige Ausdrüde vorfamen, 
welche die Eiferfucht Ludwigs entflammten. Er eilte fogleich nad) 
Donauwörth, erdolchte mit eigener Hand Maria’d Ge⸗ 
fpielin, ein Fräulein von Bremberg, flürzte die Hofmar- 
fhallin von den Zinnen des Schloffes, und ließ feine Gemahlin 
durch Henfers Hand flerben. Zu fpät erfannte der Marfgraf 
den Irrwahn feiner Leidenfohaftz er wandte ſich reuig an die 
Kirche, und der Papft legte ihm zur Sühne die Gründung ber 
‚ Eifterzienfer-Abtei Fürftenfeld auf, in welcher er auch be- 


graben liegt. Er farb 1294 zu Heidelberg, welche Stadt er mit 


der Burg von dem Bifchof von Worms zu Lehen trug. 


(Siehe Mar von Rings „Malerifhe Anſichten der NRitterburgen Teutſchlands“ 
11. AötHeilung, Seite 65.) 


Sriedrichs I. Nettung aus Weiber - und 
Pfaffenliſt. 


Ludwig dem III., dem Pfalzgrafen, folgten ſeine beiden Söhne, 
Ludwig W. und Friedrich J., einander ſehr ungleich an 
geiſtiger Kraft, in der Regierung; die eigene Schwäche füh- 
lend, theilte der Aeltere diejelbe gern mir dem Bruder. Die 





Heidelberg. 493 


Beſitzungen des Pfalzgrafen dehnten ſich in dieſer Zeit ſchon 
bis an die Vogheſen; unter andern hatten ſie einen Antheil an 
den Veſten der Grafen von Lützelburg (la petite Pierre), 
bie jeboch dieſe Rechte fireitig machten. Die Feindfrhaft ver- 
mehrte wohl die von Friedrich I. verlaffene Schwefter des 
Grafen, Eleonore, feittem Klara Dettin von Augg- 
burg, das fchöne Hoffräulein,-ihn an den Münchner Hof ges 
feffelt. Die Tügelfteiner fuchten zulegt den Pfalzgrafen Ludwig 
gegen feinen Bruder mit Mißtrauen zu erfüllen und zum Werk⸗ 
zeug ihrer Race zu machen. Kemnat, Friedrichs Erzieher 
und Biograph, hat uns die Gefchichte der ſchwarzen Hinters 
fift erzählt, welche das Verderben feines Zöglings herbeiführen 
follte. 

Schon hatten die feilen weftphäliichen Gerichte, durch den 
Einfluß der Grafen von Lügelflein gewonnen, dad Todesurtheil 
über den ber Keterei angeflagten Friedrich gefprochen, und zur 
Vollziehung deflelben waren zwei fremde Ritter an bes Pfalz 
grafen Hof nach Heidelberg gefommen, die binnen kurzer Zeit 
fich des Zutrauens Ludwigs bemächtigten, ohne jedoch ihn zur 
Mitwirkung an ihrem Vorhaben beftimmen zu können. Da nah⸗ 
men fie zu nächtlichen Trug und Blendwerk ihre Zuflucht; mit 
ihnen traten Eleonore und der Beichtvater des Pfalzgrafen in 
den Bund. In der Mitternachtftunde erfchien die heilige Jung⸗ 
frau in dem Schlafgemache Ludwigs , und rief ihn zur Beſtra⸗ 
fung feines Bruders: Friedrich, der die alleinig wahre Kirche 
verfhmähe und, durch Ehrgeiz verleitet, im Begriff fey, an 
ihm felbft zum Verbrecher zu werben; fie felbft (die heil. Jungs 
frau) habe den Fürften der Höfe in der Burg angetroffen, mit 
bem ber ruchlofe Berräther in enger Verbindung ſtehe. Durch 
ihre himmliſche Macht bezwungen, läge nun aber der böfe Feind 
gefeffelt draußen in dem Vorſaale. Noch zweifelte Ludwig, als 
plöglicd; das Ungeheuer brüllend in das Schlafgemach Drang, 
und, fih vor bie Heilige hinwälzend, fih von ihr demüthig 
ihren Fuß auf den Naden fegen ließ. Der Schrecken brachte den 
Pfalzgrafen um die Befinnung, und ald er wieder zu fich Fam, 
fand er fi in den Armen jener beiden Ritter, welche in büfter 
glänzender Rüftung an feinem Lager flanden. Ihrem Zureden 
folgte er endlich in des Bruders Schlafgemach. Hier war in- 


404 Heidelberg. 


deffen der Betrug ſchon zur Hälfte gelöfl. Kemnat hatte die 
Entwürfe der Lügelfteiner ausgekundſchaftet, die nächtlichen Zu⸗ 
fammenfünfte Eleonorens mit dem Mönch und ben fremden 
Rittern in dem Auguftinerflofter hatten feinen Verdacht aufgeregt 
und ihn bewogen, feinen Zögling zu bitten, Vorfihtömaßregen 
zu treffen. Zwei feiner Hofjunfer, ein Gemmingen und ein 
Geispigheim, hielten abwechfelnd bei ihm die Nachtwache. 
Als die Unthat verübt werben jollte, war die Reihe der Wache 
an dem Erſtern. Der muthige Ritter blieb unerſchrocken, als 
der Mönſch, nachdem er feine Rolle als Satan ausgefpielt 
hatte, noch in der ganzen Hülle deffelben in Friedrichs Zimmer 
trat, vermutblih um die Ausführung des Unternommenen zu 
fihern. Gemmingen, verwundert über biefe Zeufelserfcheinung, 
zieht das Schwert, dringt auf dad Ungeheuer ein, erfennt fo- 
gleich an dem gezüdten Dolce den gedungenen Mörder und 
ftößt ihn nieder. In diefem Augenblick erfcheinen auch die beiden 
Ritter, den bebenden Ludwig mit ſich führend. Kaum aber fehen 
fie, was indeſſen vorgefallen, und daß ihr Plan gefcheitert ift, 
fo ergreifen fie die Flucht. Am Morgen nad) diefer Nacht war 
aud Eleonore verfehwunden. 

Sp war Friedrich I. gerettet; Ludwig IV. aber, auf 
ben diefe Begebenheit geifteögerrüttend gewirkt hatte, farb bald 
darauf, nachdem er feinem Bruder die Vormundſchaft über fei- 
nen noch unmündigen Sohn übertragen. Friedrich, fpäter der 
teutfhe Achilles, oder der Siegreiche genannt, herrichte 
nun allein über die Pfalz, und die Zeit feiner Regierung (1450 — 


1476) bildet die glänzendſte Periode jenes Landes. 


(Siehe Mar v. Ring’s „Malerifhe Anfidten der Ritterburgen Teutſchlands.“ 
II. Abteilung, Seite 67). 


Derbe Warnung. 


Als Kurfürft Friedrich J. von der Pfalz, der Siegreide 
genannt, einft auf der Jagd eine fteile Bergklippe hinaneilte, 
fing ein altes Weiblein, fo nicht weit davon Holz las, heftig 
an zu fchelten, und rief ihm zu: „Haft bu nun feinen andern 
Weg finden Fönnen? Hat Dich der Teufel da hinaufgeführt, fo 





Heidelberg. A495 


führe dich Gott wieder herab!» — Der Kurfürft, nicht wenig 
erftaunt über biefen Verweis, ritt auf die Frau zu und fragte 
fie, ob fie auch wiffe, mit wem fie fo gröblich rede ? — „Wohl 
weiß ich ed” -- erwiederte die Alte — „Bift du nicht der Kurs 
fürft, und fängft du nicht mit Jedermann Händel und Krieg 
an? Wenn du dich nun durch deine gottfträfliche Verwegenheit 
ſelbſt in folche Gefahr begibft, mit dem Pferb von der Kippe 
herabftürzeft und das Genick brächſt, wer geriethbe dann wohl 
in größere Noth, ald wir, deine armen Unterthbanen? Wenn 
du Deiner nicht fohonen willft, fo follteft du doch wenigſtens 
auf diefe Rüdficht nehmen!” — Der Kurfürft lachte herzlich 
über dieſe Worte, reichte der Frau ein Geldſtück und fagte: 
„Mütterchen, du haft recht, ich fol das hinfort mir nicht ‚mehr 
zu Schulden fommen Tafien !«- 
(S. Weidner’s „Apophthegmata” II. Theil, Seite 18.) 


Das Lied der Markgrafen. 


Wollt Ihr hören ein neues Gefchicht ? 
Zu dem Pfalzgrafen Hat fich verpflicht, 
Ru merfet, wie ich fag’: 

Ein Niederlag geſchehen ift 
Uff Mittewoch für unfer Frauen Tag. 


Der da ging vornen an der Ehen, 
Bierhundert ung das bewehrn; 
Da drei Fürften famen in das Land, 
Marfgrafe Karle und Marfgrafe Jörge, 
Der Grafe von Würtemberg find euch benannt. 


Marfgrafe Karle hätt? auch ein böfes Fürnehmen, 
Wein und Frucht wollt’ er umb Heidelberg fchlemmen, 
Das Uebel mocht ihnen Gott nit überfehen; 
Gegen Heidelberg er inne gführt warb, 

Ueber fein Baden Tiefen ihm abe feine Threhen. 








= 


496 Heidelberg. 


Das Nedarthale wollten fie gar han verbrannt 
Mit den Namen fie Euch vor hin benannt. 
Der Pfalzgrafe wollt das nit von ihne leiden, 
Er folget ihne nach mit feinem Gezüge 
Dei Nedargemünd in dem Feld mußt er fie beftreiten. 


Herr Dietrih von Iſenburg was babet, 
Daß (ale) die Herrn gefangen wurben alle drei. 
Lob follen wir unferm Herrn allezeit fagen. 

Zween Grafen und ein Bannerberr in dem Feld blieben. 
Zu Hauf vierzig wurden ber Feind’ erfchlagen. 


Herr Dietrich von Ifenburg Bifhof zu Mainz. 
In der dreien Herren Land ift ein groß Geweins 
Bon Kindern, Frauen und auch Mannen. 

Das Necht fie Euch dick abgefchlagen haben, 
Das fummt ihne jegund zu großen Schanden. 


Der Pfalzgrafe hat das dick mit Euch begehrt, 
Zum Rechten zu fommen wurd er nie gewährt. 
Sie unterftunden Euch ganz zu vertreiben. 

Daß ihr allmegen das Recht geboten habt, 
Darumb fo will der Pfalggraf bei Euch bleiben. 


Dem Pfalzgrafen haben fie Did Schmachheit erbotten, 
Mit dem Leuen fie fin Ahne wollten fpotten; 
Sie ſprachen: er fchlief und Eunnte nimme fragen, 
Und wo die Buben bei dem Wein faßen, 
Sie funnten nit anders dann von dem Leuen ſchwatzen. 


Sie ſprachen, der Leue wäre entfchlafen, 
Darumb der Maler fehre ift zu ftrafen, | 
Der Klaen (Klauen) hat er an ihme vergefjen, 
Als er ihne zu Durlach gemalet hat, 

Nach Liedmaß hat Ihne nit ußgemeffen. 


Der Säger hat den Leuen auch uffgeweckt, 
Der Leue hat den Markgrafen und fein Bruder erfchredit, 





Heidelberg. 497 


Er bat auch fo grimmiglichen geſchrüwen, 
Daß fie alle in den. Krieg je fommen find, - 
Das hat fie und ihre Ritterfehaft fehr berümwen. 


Der Leue bat fein Hals ußgeftredt, 
Und bat fein guten Fründe uffgewedt; 
Der Ritterſchaft hat er fein Noth geklagt, 
Bei dem Leuen der Pfalzgrafe bedütet ift, 
In dem Feld fahe man Ihne nie verzagt. 


Dem Leuen traten fie uff feinen Schwanz, 
Mit den Feinden hatt’ er einen wilden Tanz, 
Ihr Springen währet nit gar langen, 

Nach dem als ich verfianden han, 
Ueber vierhundert find Ihr worden gefangen. 


Dem Leuen fein Klaen wohl gefchliffen, 
Durch Küraß und Harnifch hat er gegriffen, 
Daß fie worden find von Blut roth. 

Welcher da bei dem Leben blieben ift, 
Sprit wohle: er kumme nie in größer Noth. 


Mit dreihundert Pferden find etlich abgeftiegen, 
Bon ihren Herren find fie in den Nöthen gewichen ; 
Etlich Ritterbüblein fie auch haben erfchlagen, 

Da fie die Flucht alfo genommen haben; 
Nu merfend was Ehre mochten fie da bejagen. 


Uff beiden Seiten ftritten die Herren ritterlich, 
Das mag ih Euch fürwahre fagen ficherlich, 
Als Ritter und Knecht das wohle erfennen. 
Welche aber alfo von ihnen geflohen find, 

Der kann ih Euch nit mit Blamen genennen. 


Etlich waren auch alfo fehr erfchroden, 
Die Schwerbt bie klingen ihnen als die Glocken; 
Die da alfo von ihnen abe waren gewichen, 
Wo man fie auch in den Wälden fand, 
Ihr Antlige waren an Farben gar erblichen. : 
II. | 32 


498 Heidelberg. 


Der Teue gewann uff denfelben Tag den Preiß, 
Ale fein Ritterſchaft thet mit ihme auch ganzen Fleiß, 
Das Feld haben fie auch mit Ehre behalten, 

Der heilig Sanft Peter ihr Geleitömann war, 
Der Ritter Sanft Jörg des Stritts ſollt walten. 


Ich han von den Gefangen auch etlich vernommen, 
Da fie mit ihren Herren in das Feld find kommen, 
Was über fieben Jahr wär, follten fie erftechen. 
Der Pfalzgrafe fih daran nit hat gefehret, 
. Er wollt’ auch Args mit Argem nit rächen. 


O Leue! du thatft wohle alle die Gelangen, 
Den Jäger haft du für (vor) deiner Thüre gefangen. 
Bon Stud (ttg) arten ift er herabe geritten, 
Zwen Markgrafen hat er mit ihme bracht, 

In eime weiten Feld haft du ihr gebitten. 


Markgrafe Karle, Fürft und Herr zu Baden! 
Den Bifchof von Mes haft du in das Feld igeladen, 
Mit dem von Wirtenberg wollt er beiffen, 

Dem Leuen in feinem Land reiten, 
Zu Zorn und Grimmigfeit wollt’ er ihn reiffen. 


Markgrafe Jörg, Herr und Bischof zu Metze! 
Zu Heidelberg hat ihr gern gehöret die Tepe, 
Der Meifter ift Euch zu rechten Zeit fommen, 
Märet ihr daheim in eurem Bisthum blieben, 
Eines geiftlichen Herren hätt das wohl angezommen. 


Des Pfalzgrafen Diener kunnen das wohl bewehren, 
Wie man einem Bifchof die Platt folle feheren; 
Das Handwerf haben fie Tang getrieben, 
Und hätt die Ritterfchaft nit fo gewehrt, 
Für den Buwern (Bauern) wär’ er nit lebendig blieben. 


O Leue, laß jedermann fagen was er will, 
Die Pfalz gewann bei ihren Tagen nie beſſer Federſpiel. 


Heidelberg. 499 


Mir reinem Waidwerk haft du fie betrogen. 
Ritter und Knecht der haft du viel, 
Mit den haft du fie Iuftiglichen umbzogen. 


Dein Garn haft du fo weit uffgefpreit, 
Mit noßbaumen Laub wärft du wohl gefleit. 
Die Buwern funnten das eben gemerfen, 
Eilfhundert Pferde du in dem Felde hätt; 
Mit fechstaufend Buwern moͤchteſt du dich wohlftärfen. 


Der Leue bat ſich ange Zeit fehr gewehrt, 
Bis ihme Gott nu drei Falken hat beichert? 
Die lange Federn folle er ihne usrupfen, 
Daß fie ihme in fein Schloß kunnen gefliegen, 
Neben feind Lande laß er fie hinhupfen. 


Redelich Schellen , die hafte ihnen an! 
Nimm Guts genug und heiß fie werden Mann, - 
Daß fie Dich mit der Abfolution nit betriegen. 
Burgen, Siegel und Brief die heiß dir geben, 
Ehe du die Falken wieder Läffeft fliegen : 


D ihr Hauptftäbte alle uff dem Rhein ! 
Den Leuen laſſet Euch mit Fleiß befohlen feyn, 
Denfelben follt Ihr allwegen weiben, 
Wann ihr gen Frankfurt in die Meffe wollt: 
So fann er Euch geben das recht Geleide. 


Der dies Gedicht hat gemacht, 
Zwar er hat es wohle betradıt. 
Nachdem es auch ift gefchehen, 
Gott gebe ihm hie auch lange Frift, 
Der Wahrheit mußt’ er fi verjehen. *) 


*) Der von dem Pfalzgrafen Friedrich gegen ben Markgrafen 
Karivon Baden, feinen Bruder, den Bilhof von Me, und 
den Grafen Ulrich von Würtemberg, welche in das Amt Hei⸗ 
delberg eingefallen waren, erfochtene Steg fand flatt im Jahr 

32* 





500 Heidelberg. 


146%. Die genannten drei Zürflen wurden gefangen und mit ihnen 
ein Graf von Werdenberg und einer von Leiningen, fo wie 
mehrere andere Ritter und Knechte. Ein Herr von Brandis, ein 
Graf von HSelfenftein und fonft nor ettliche von der Ritterfchaft 
blieben auf der Wahlſtatt. Bon Seiten des Pfalzgrafen Hat Niemand, 
denn ein Ritter, Herr Wiprecht von Helmftadt, fein Leben 
Dabei verloren. 

Dus Lied ift aus einer alten Handfchrift auf der Heidelberger Bi- 
bliothek. Siehe auch die Volkslieder der Deutſchen, herausgegeben von 
örhr. v. Erlach. Band H. Seite 254 und fg. Siehe ferner Wolff’s 
hiftor. Volkslieder, Seite 240. 


Man vergleiche mit dieſem Liede G. Schwab's Romanze: „Das 
Mahl zu Heidelberg.“ Siehe diefelben weiter unten, Seite 509. 


Kurfürft Zriedrich der Sieghafte von der 
Pfalz Ä 


Balladen von Eduard Duller. 


1. 
Widmung. 


Sin diefen neuen Zeiten blüht manch ein alter Stamm, 
Geſchmückt ftatt goldner Früchte mit Ehren wunderfam, 
Und jedes frifche Zweiglein grünt wie ein.neuer Ruhm, 
Und aus der Krone fchallet gar lauter Preis ringsum. 


Sanft rubt es fih im Schatten vor'm ſchwülen Sonnenbrand, 
Dabei wird nicht ermatten Das Volk und aud das Land. 
Drum fleigt man zu den Wurzeln tief in die Erd’ entlang, 
Und gräbt and dunkeln Schacdhten die Kraft und den Geſang. 


Einft wuchs im Bayerlande ein Baum von feltner Art, 
In zwei gewalt’gen Aeften durch Dopyelfraft gepaart; 
Zwei Ströme raufchten drunter, die Donau und der Rhein, 
Zwei Bölfer faßen drunter in traulichem Verein. 


Heidelberg. 5091 


Die Rheinpfalz hieß das Eine, dad trug ein edles Reis, 
Herr Friedrich war fein Name; ihn ſchmückte mancher Preis, 
Es mochten Feinde drohen, fo weit man Teutfche nennt, 
Die Sonne riß doch Keiner herab vom Firmament. 


So viel auch Männer ftritten mit Waffen aller Art, 
Nie hat er Schmach gelitten; die Pfalz war treu bewahrt; 
Sieghaft muß man ifn nennen bis an die fernfie Zeit, 
Der Sieg war ja fein Banner, die Ehre fein Geleit. 


Auch zeugt’ er ein Gefchlecdhte, ſtark bis zum jüngften Glied, 
Davon fol manche Kunde end bringen dieſes Lied’; 
Wer nit vom Beften finget, verliert die Kraft zum Gang, 
In diefen neuen Zeiten thut noth ein alter Klang. 


2. 
| Pie Seinde in der Pfalz. 
1462, 


O Maugraf Karl von Baden! O Graf von Würtemberg! 

Was ſchließ ihr fefte Binde zu einem kühnen Werk! ?) 

Biel Räthe tehn beifammen und fprechen manchen Rath, — 

Was nügt de Rede Warmıng, wenn men nit feheut bie 
Thaı? 


Bon Würtembeg Herr Ulrich, von Baden auch der Graf, 
Die fpraden: „Hu' dich, Pfälziein, eb dich der Hieſch nach 
traf, 
Der Hirſch hat ſcharf eweihe, ) und wie nach frifchem Queil, 
©» dürſtet er, zu bat im Pfälzer Blute heil. 


„Du auf dem grünen xügel, du Heihelberger Schlaf! 
Bald fol dein Weingeländ zerſtampfen unfer Roß, °) 
In deine Friedenshallen zieh; ein der rauhe Krieg, 
Dann grüßeft du wohl Andre, als Friedrich, mit dem Sieg!“ 








502 Heidelberg. 


Herr Ulrich fpradı hinwieder: „Das ift befondrer Brauch, 
Daß Friedrich fieghaft heige und Würtemberg nicht auch; 
Der Pfälzer mag es büßen, wer geizt fo mit dem Ruhm? 
Dies Schwert in Schwabenfäuften bringt wohl den Pfälzer 

drum. 


„Ich mag nicht gern es hören, dag man alleine fpricht 
Bom Pfälzer nur in Ehren und von dem Schwaben nicht; 
Mag fich’s fein fühner Vetter in Landshut wohl verfehn, 
Biel Flüger iſt's, alleine den Waghals zu beſtehn!“ 


Das hört ein Würtemberger, Hans Rechberg war fein 
Nam’, 
Der fprach zum Grafen Utrich: „Eu’r Hoffen, Herr, ift lahn! 
Mich deucht, es geht auf Krücken, ſobald's die Pfalz betritt, 
Indeß das Glück und Friedrich fletd halten gleichen Schrit. 


„Ich fag’ Dies unmaßgeblich; 's ift eines Mann's Geranke, 
Der niemals daran dachte, daß er im Kampfe wanfe; 
Ich mein’, auf jene Hügel trat noch fein Schwahbenrof, _ 
Es hat gar feſte Mauern das Heidelberger Schloß!” — 


Da fprad Graf Ulrich wieder: „Hans NRechbers, laß das 
feyn! 
Wir ziehn in diefem Monde zu Heidelberg noch eit; 
Wir wollen dich dran mahnen, wenn wir beim Siegesmahl 
Dort in dem Schloffe figen im ſtolzen Ritterſaa!“ — 


Und es gefhah im Sommer, da ritt mit Gaus und Braus, 
Bon Stuttgart hochgemuthet der Graf, Hrr Ulrich, aus; 
Bei Pforzheim aber harrte, geborgen im Sebirg 
Mit Speyr’s und Badens Knechten von eg der Biſchof Jürg. 


So ging verftärft nun weiter die ſetne Pılgerfahrt, 
Bis man vom hohen Marfftein die ziche Pfalz gewahrt. 
Das ift der Zaubergarten, worin it ſtolzer Pracht 
Der Himmel feinen Segen aufſchütet und bewacht. 


Heidelberg. 503 


Don Rebengolb und Aehren trägt die Natur den Kranz, 
Goldfrüchte rings verflären die Flur mit buntem Glanz, 
Der Rhein zeigt hell im Spiegel des Landes Wonnebild, 
Mit jungfräulihem Koſen umfpielt die Luft es mild. 


Graf Ulrich und der Bifchof erfehn die reiche Zier, 
Da wird ihr Herz ergriffen von Neid und von Begier; 
Zu größrer Eile fpornet die Habfucht noch ihre Roß, 
Und Staubgewölfe wirbeln ſich dicht um ihren Troß. 


Sp gehts im Sturmesfluge voran von Ort zu Drt, 
Wer ſchirmt vor Roffeshufen der Saaten goldnen Hort? 
Zur höchſten Frechheit fteigert ihr Uebermuth fich bald, 
Und haufenweife brechen fie Acfte aus dem Wald; 


Und binden fie ben Schweifen von ihren Roffen an, 
Sp ward zerflampft, zermalmet die Saat auf ihrer Bahn; °) 
Wie Hagelwolken fohmettern fie Alles vor ſich hin 
Es fleht das Volk nah Rettern vom völligen Ruin. 


Der Bıfchof und die Grafen find taub für jeden Fluch, 
„O mög’ der Himmel firafen fo hoͤlliſchen Befuch !” 
So ziehn die wilden Horden von Dorf zu Dorf durchs Land 
Mit Sengen und mit Morden bis an bes Rheines Strand, ©) 


1) Anno praenotato dominicae incarnationis MCCCCLXII Carolus 
Marchio de Baden, Georgius Episcopus Metensis frater ejus, Johannes 
Nix Episcopus Spirensis et Udalricus Comes Wirtembergensis simul coadu- 
nati congregaverunt exercitum et contra Fridericum Comitem Palatinum 
procedentes, (quem putabant procul absentem) omnem terram ejus una 
cum oppido mansionis ejus Heidelberg in praedam sibi promiserunt. 
(Trithem. Chron. Sponh. ad a. 1462. pag. 375). 

3) Der Hirfh im Würtemberger Wappen. 


3) „Und hatten fih vermeffen, Sy woulben die Wyngarben our Heydel- 
berg, dan des Pfalzraven Wonunge 18, affhauen und ym ander vill ſma⸗ 
heit (Schmach) andoin. Canthun.) 

(Chronika van der billigen ſtadt Cölln. Fol. 314.) 

4) Als in Stuttgart über biefen Feldzug berathen wurde, geriet 
der verfländige Hans von Rech berg zulebt fo in Eifer, daß er feinem 
Herrn, dem Grafen Ulrich, in's Geficht fagte: „Gnädiger Herr, Ir 
wöllent dem allermännlichfien und mächtigften Fürſten, der in Zeutichland 


504 Heidelberg. 


wohnt, im fein Land ziefen: Und Zürwar, fo verden Sr Ja vor fehen, 
und mit Im ferhten mäflen,, als wahr ich die Wand vor mir fehe, over 
Ir mueſſet Im flüchtig entrinnen.“ 

5) Graf Ulrich vom Wärtemberg ſchrieb dieſes aus dem Feldlager 
vor Heidelsheim (dat. d. 27. Juni) an Markgraf Albrecht von Branvden- 
burg, und: „Daß er den 26. am Herabziehen vor Bretheim (Bretten) das 
Korn gewäftet, welches fle auch uf Dato 27. Juni) vor Heidelsheim in 
fteter Uebung und vorhabens ſeyen, ven 78. ſortzuziehen, und bie Feind 
zu ſchedigen.“ 

(S. Steinhofer's „Würtembergifihe Chronik“ Tam. II. p. 59, unn Keemer'a 
„Geſchichte Friedrichs“ d. S. Tom. I. pag. 292.) 

6) Darnach umb fant Johans Baptiften Tag des obgenannten jars 
(1462) da Yauft ſich Markgrave Carle von Baden, grav Ulrich vom Wir⸗ 
temberg , der Biſchof von Mebs, der Biſchof von Speyer und ander jre 
guten Freund und Herren; madten ein wagenkurg und hatten Darin zu 
roß und Fuß bei 8000 mannen guts volfs wol bereit mit aller zugehü- 
rung, und zogen naher Heidelberg zu, Und da fie kamen bei Sanct keon, 
da lieſſen fle die wagenburg mit dem’ volk im Felt, und trabten bie Her⸗ 
ren, der marfgrave von Baden, der von Wirtemberg und mit jnen ver 
Bifchof von Mes; heiten bei Die 700 Pferden, als man fagt, rikten 
zwufchen Heydelberg und Mannheim bei eine Dorf, heißt Seden- 
heim, und lieflen bie wagenhburg und alles volk hinter ine me dan zwo 
meilen wegs; ritten alfo da mutwillen in hochmut. 

„Diß wart der pfalggrave aswar und hei nach dem alten bifchof von 
Maintz geſchickt, daß er fürderlichen zu im Fam, Der kam mit 500 pfer- 
den und uf2000 oder me zu fuße. Das wißten vie herren alles nit, ver⸗ 
meinten, der pfalzgrav heit nit Aber 500 pfert, alfo Hett ine ihr botſchaft 





geſagt.“ 
(S. Fikhart's Arztes Geſchichte fr. Zeit, mitgetheilt in Mone's Archiv. Bd. V. 
pag. 262 u. ff.) 
3. 
Bie Schlacht bei Aechenheim. 


(Den 29. Juni 1462.) 


Bei Sedendeim im Felde liegt ein gewaltiger Leu, 
Biel Rittersleut' in Waffen bewacht er ſcharf und treu; 
Er hat von Gold die Mähnen, und Krallen gut zum Fang, 
Es ift der Pfälzer Löwe! Noch wird ber Pfalz nicht bang! 


Ein andrer Loͤwe fehreitet umher bei Jung und Akt, 
As echter Landeshüter in fürftlicher Geftatt ; 


Heidelberg. 505 


Reich unterm golbnen Helme drängt fi das goldne Haar, 
Die Kraft hat er vom Leuen, das Auge von dem Aar. 


Es war im hohen Sommer, ein heißer Schnittertag, 
ALS, zwifchen Rhein und Nedar bes Pfälzers Heerbann lag; 
Da fehritt in frober Ahnung zu einem alten Mann 
Der junge Pfälzer Kurfürft und ſprach den Ritter an: 


„O stelverfuchter Ritter, Ihr tragt ein herrlich Schwert, 
Das mandhem ſtolzen Degen der Scharten viel befcheert; 
Hört eines Manns Begehren, der gern umarmt den Ruhm, 
Weiht Uns zu hohen Ehren, zum edlen Ritterthum |" 


Da fpricht der alte Degen, Herr Wipprecht zubenannt; 
Kein Herz ſchlägt allerwegen fo ſtolz im teutfchen Land, 
Als wie das meine, da ich von Euch dies Wort vernahm, 
Nie flog aus meiner Scheide dies Schwert fo wonnefam !"' 


Bor ihm kniet Kurfürſt Friedrich; der alte Degen ſpricht: 
„Heil mir, daß ich's noch fchaute, bevor mein Auge bricht! 
Sp fchlag’ ih Euch zum Ritter und fe’ mein Leben ein: 
Wird man. Sieghafte nennen, man nennt nur Euch allein! 


„Jetzt will ich freudig fterben, und bet’ aus voller SeeP: 
Du Gott im Himmel, löſe mich rein von allem Fehl! 
Nach diefer letzten Ehre taugt nur mein Schwert allein 
Zum Testen frohen Siege, fall’ ich, fenfr’s mit mir ein!“ — !) 


Set aber, wie ein Sturmwind ſich durch zwei Wetter drängt, 
Zerbricht der Kampf die Feffeln, in die er war gezwängt. 
Nun Baden, bad’ im Bfute, und Mes, web’ dein Gefchoß! 
Ihr Hirſchgeweihe zittert! — Der Leu fcheut nicht den Stoß! 


Das nennt man doch ein Treffen, meil viel getroffen wird: 
Der Hirſch und mit der Heerde der rauhe Seelenhirt. 
Um Gott! wer flürzt den Leuen dort in den dichtſten Kampf? 
Er ſinkt. — Richt mehr zu Fennen ift er in Qualm und Dampf. 


506 Heidelberg. 


Herr Wipprecht fieht’s von ferne, und blutig ſpornt er’s 
Roß: 
„Mein Seel! des Friedrichs Rappen traf eben das Geſchoß! 2) 
Da flürzt fein edler Nenner! ſchon find die Feinde nah! 
O Friedrich! wadrer Pfälzer! vertrau nur, ich bin dal" 


So ruft der alte Degen und eilt zu feinem Herrn, 
Herr Wipprecht ſinkt getroffen, und ſpricht: „Das leid’ ich 
gern!“ 9) 
Der Kurfürft aber ſchwingt ſich raſch auf ein andres Pferd, 
GSetrennt zwar von den Seinen, Doch fiegreich bligt fein Schwert. 


Er firedt mit eignen Händen wohl Manchen in den Sand, 
Da ſchallt's von allen Enden: „Sieg! Sieg! du Pfälzerland!" 
Nun bad’ im Blute Baden! Es ift dein eigens Blut! 

Der Hirich wirft fein Geweihel Der Leu traf ihn zu gut! 


Man fing viel edle Herren und Grafen auch dabei, 
Bon Würtemberg und Baden ſind's ihrer wackre zwei, *) 
Der junge. Pfälzer Kurfürft erblickt den edlen Fang, 
„Ein feltnes Jagen!" — ruft er — „Euch Füchfe fuhr’ ich lang!“ 


Da regt ſich's ihm zur Seite — e8 war ein flerbender Mann, 
Der ſchaut mit freudigen Bliden den jungen Sieger an; 
Herr Wipprecht war's von Helmftätt: „Bott ſchütze mei- 
nen Herrn! 
„Denn fieghaft wird er beißen! jest flerb’ ich, wahrlich, 
gern! 


„Denn ich fchlug ihn zum Nitter, ich alter Degen, ja! 
Man wird von Friedrich fprechen mit Ruhme fern und nah, 
Mit mir fol man begraben dies Schwert, das ſtets ich trug, 
Das war es ja, mit dem ih ihn heut zum Ritter ſchlug!“ *) 

1) In Kremer’s Gefhichte des Karfürſten Friebrih I. von der 
Pfalz, T.I. pag. 299 finden fi in der Rote 2 die Namen aller Der- 
jenigen, welche bei diefer Gelegenheit zu Rittern gefchlagen wurden. 

2) „Der Streit wurde hartnädig und allgemein. Die Berzweiflung 
that bei dem Feind ihre natürliche Wirkung fo ſtark, daß ein gewiffer Ge⸗ 
ſchichtſchreiber verfichert, daß unfre Reiterei ſich beinahe nach der Flucht 


Heidelberg. 507 


umgefehen hätte, und daß dem Kurfürſten bas Pferd unterm Leib erſtoch en 
worden, fo daß er eine Zeitlang zu Fuß fechten müſſen.“ (Kremer, Cap. I. 
p. 301). 

3) ..... und Her Wiprecht von Helmflat Ritter, der den Pfalzgraffen 
Ritter hatte geflagen, wart off des Pfalzgraffen fitten erfchlagen. (Altes 
Manufeript.) 

4) Und alfo gewan der pfalsgrave den krieg und fieng die obge- 
nanten brei furften mit 350 pferben ober me ald man fagt; der marf- 
grave von Baden wart gefangen mit 41 graven, herren, ritter und 
knechten, on arme knecht'; der von Wirtemberg wart gefangen mit 40 
graven, herren, rittern und knechten, on arme knecht'; ber bifchof ven 
Metzs wart gefangen mii 31 graven, herren, rittern und Pnechten, on 
arme knecht; und wurden uf 40 manne erſtochen, unter denen waren 
drei graven, einer von Helfenflein in Schwaben, -item ein herr von 
Prandis und rawgrave, Das andere waren edel nnd arme knechte.“ 

(Fit, Art zt's Geſch. f. Zeit. Erſtes Kap.) 

5) Zum Gedächtniß dieſes Sieges ließ Friedrich auf der Wahl⸗ 
ftatt ein Reinernes Erucifir errichten mit der Inſchrift: 

„Als man zalte nach Gottes Geburte MCCCCLXU jar vff fant Pau» 
Ius Gedechtnuß Tag fint uff diefer Wallſtatt durch Herzog Friederich 
Pfalzgrave by Ryne ꝛc. und Kurfürften nyder geworffen worden Her 
Zörg Biſchoff zu Metz, Markgrave Karle, von Baden und Graue Bl⸗ 
ri von Wirtemberg mit eyner merglichen Zale Ir Diener, Grafen, 
Ritter und Knecht; und derfelben die in folichem Gefcheffte tod bliben 
find wolle Gott barmperzig fin und vff denfelben Tag fint viel zu Rit- 
ter gefchlagen.” 

(Obige Noten find aus $. Baaders „Sagen ber Pfalz ꝛc.“ gezogen.) 


A. 
Das Mahl auf dem Heidelberger Schlofe. 


Zu Heidelberg im Echloffe figt froh im fehönften Saal 
Der Pfälzer Kurfürft Sriedrich beim ſtolzen Siegesmahl; 
Auch die gefangnen Grafen fie figen mit am Tifch, 

Da fest man, köftlich duftend, vor Beide Braten und Fiſch. 


Es fhäumt in goldnen Kannen der goldne Rebentranf: 
„Den Becher — rief der Kurfürft — „bring’ ich dem Sieg zum 
Danf! 
Sieg, fey mir treu vor allen, wie meine Pfalz fo treu! 
Wie meint ihr, gute Grafen, ob ich verlaffen ſey?“ 


508 , Heidelberg. 


Stumm blieten beide Grafen auf's goldene Geſchirr; 
Gar üppig ſchmeckt der Braten. — Bas benft ihr Herrn 
von mir ?« — 
Sp ruft der Kurfürft freundlich — „Bin ich ein fchlechter 
Wirth ? 
Ich hab’ euch eingeladen und ſicher hergeführt." — 


„Mit Nichten!“ — fpricht Herr Ulrich — „Ihr haltet guten 
Tiſch; 
Gar würzig ſchmeckt der Braten, gar köſtlich lockt der Fiſch; 
Nur Brod allein vermiſſ ich; das Brod würzt Speif und 
Trank... 
Da ſpricht im Zorn der Kurfürf: „Das nenn’ ich ſchlechten 
Dankl“⸗ 


Und von dem Mahle geht er an's offne Fenſter hin, 
Die Gäſte folgen ſtaunend; er ſpricht: „Seht den Gewinn! 
„Schaut hin auf alle Felder, die ihr zu früh gemäht; 
Jetzt faßt euch ſelbſt die Sichel, die ihren Herrn verräth! 


„Speiſt doch vom lockern Brode der Saat, die ihr zerſtört! 
Er, werdet ſatt vom Segen, den euer Schwert verheert! — 
Euch duften zwar andre Spyeifen, das Brot fehlt euch allein; 
Doch Mancher feufzt und betet: wär’ nur ein Krümden fein! 


„Ihr folgen Herrn und Grafen! Was gilt Euch Volk und 
Ä Land? — 
Wär Gott nicht da, zu ſtrafen, ihr legtet wohl die Hand 
Nicht blos an Brot und Saaten, nein, an des Bolfes Mark! 
Doch Gott im Himmel richtet und meine Fauft if ſtark. 


Ihr Gäſt' an meiner Tafel, laßt euch nicht ſtören mehr! 
Füllt an die goldnen Becher; der meine, feht! ift Teer. 
Und vollgeſchenkt aufs Neue, bring’ ich's dem Volke aus; 
Das Volk hat Lieb’ und Treue, der Leu bewacht fein Haus! 

Eduard Duller. 

Die gefangenen Zürften blieben an die °/, Jahr in firengem Ge⸗ 
wahrfam und wurden nur gegen ein bedeutendes Löfegeld frei gegeben. 
Fik. Art zt (Geſch. fr. 3. Cap. I fagt hierüber: 


Heidelberg. 509 


„Nachvolgends umb unfer fraven tag lichtmeß A. D. 1463 da wart 
der bifhof von Meb ausgeleidingt mit feiner ritterfchaft wol umb 70,000 
Gulden, als man ſagt; und Teidingt da furter finen Bruder den mark⸗ 
graven aus der gefengniß,, besglidhen den von Wirtemberg mit aller 
irer ritterſchaft, alfo: der marfgrave von Baden folt geben 100,000 
Gulden, und dafur folt ex dem pfalggraven ingeben die gravſchaft von 
Spanheim zu Cruzenach mit feiner zugehörde, darzu Beildheim vor 
25,000 und Beinheim vor 10,000 Gulden, auch fonft eine große Summa 
in barem gelt oder uf ziel. Ind follen alle obgenannten Herren mit 
iren bienern dem pfalggraven ewiglich verbunden feyn. Doc fo wart 
dem markgraven ufgefeßt ein gelt 30,000 Gulden, wer’ es, das er den 
pfalzgraven aufferm Banne fhufe, dieweil er gar wol mit dem papft 
daran wer’. Doch wollt’ es der papfl nit tun. Diefe leiding als der 
markgrav aus kam, beſchach nechſt mitwoch vor Georgis (80. April) 
A. D. 1463. Darnach uf mitwoch nach fant Gorgentag (27. April) des 
itztgenannten jars kam der von Wirtemberg auch aus umb 100,000 
Gulden und gab dem widdem (Wittpum) , den fin hausfrav hette von 
der Pfalz, wider, wan fie bes jungen pfalzggraven Mutter was, darzu 
alle die cleinoter, die ir der pfalagrave vormals geben hette, als man 
dazumal fagte.“ 

(Außer diefer und Guſt. Schwab’s Bearbeitung *) der Ge⸗ 
ſchichte der Sedenheimer Schlacht hat fie auch Simrock in feinen Rhein⸗ 
fagen poetifch gefeiert.) 


Das Mahl zu Seidelberg. 


Von Würtemberg und Baden 
Die Herren zogen aus; 
Bon Mey des Biſchofs Gnaden 
Vergaß das Gotteshaus: 
Sie zogen aus zu kriegen 
Wohl in die Pfalz; am Rhein; ?) 
Sie fahen da fie liegen 
Im Sommerfonnenfdein. 


Umfonft die Rebenblüthe 
Sie tränft mit mildem Duft, 
Umfonft des Himmels Güte 
Aus Aechrenfeldern ruft: 





*) Wir würden es und als Vergehen anrechnen, w ir di 
nicht ———— geh chnen, wenn wir dieſe treffliche Romanze hier 





510 


Heidelberg. 


Sie brannten Hof und Scheuer, 
Daß beulte Groß und Klein; 
Da Teuchtete vom Feuer 

Der Nedar und der Rhein. 


Mit Sram von feinem Schloffe 
Sieht ed der Pfälzer Frig, 
Heißt fpringen auf die Roffe, 
Zwei Mann auf einen Sie. 
Mit enggedrängtem Bolfe 
Sprengt er dur Feld und Wald, 
Doch ward bie Feine Wolfe 
Zum Wetterhimmel bald. 2) 


Sie wollen feiner fpotten : 
Da find fie ſchon umringt, 
Und über ihren Rotten 
Sein Schwert ber Sieger fohwingt. 
Bom Hügel fieht man prangen 
Das Heidelberger Schloß: 
Dahin führt er gefangen 
Die Fürften fammt dem Troß. 


Zu binterfi an der Mauer, 
Da ragt ein Thurm fo feft: 
Das iſt ein Sit der Trauer, 
Der Schlang’ und Eule Neft. 
Dort follen fie ihm büßen 
Im Kerfer trüb und kalt; 

Es gähnt zu ihren Füßen 
Ein Schlund und finftrer Wald. 


Hier lernt vom Grimme raften 
Der Würtemberger 19; 
Der Biſchof hält ein Faften, 
Der Markgraf läßt vom Trutz. 


Heidelberg. 511 


Sie mochten fehon in Sorgen 
Um Leib und Leben feyn: 
Da trat am andern Morgen 
Der ftolze Pfälzer ein. 


„Herauf, ihr Herrn, gefliegen 
In meinen hellen Saal! 
Ihr ſollt nicht fürber Tiegen 
In Finfterniß und Dual. 
Ein Mahl ift euch gerüftet, 
Die Tafel ift gebedt: 
Drum, wenn ed euch gefüftet, 
Verſucht, ob es euch ſchmeckt!“ 


Sie lauſchen mit Gefallen, 
Wie er ſo lächelnd ſpricht; 
Sie wandeln durch die Hallen 
An's goldne Tageslicht. 
Und in dem Saale winket 
Ein herrliches Gelag: 

Es dampfet und es blinket, 
Was nur das Land vermag. 


Es ſatzten ſich die Fürſten. 

Da mocht' es ſeltſam ſeyn: 

Sie hungern und ſie dürſten 
Beim Braten und beim Wein. 
„Nun, will's euch nicht behagen? 
Es fehlt doch, deucht mir, nichts; 
Worüber iſt zu klagen? 

An was, ihr Herrn, gebrichts? 


„Es ſchickt zu meinem Tiſche 
Der Odenwald das Schwein, 
Der Neckar ſeine Fiſche, 

Den edlen Trank der Rhein. 


512 


Heidelberg. 


Ihr habt ja fonft erfahren, 
Mas meine Pfalz befcheert: 
Was wollt ihr heute fparen, 
Wo Keiner es euch wehrt 2« 


Die Fürften fahn verlegen 
Den andern Jeder an; 
Am Ende Doch verwegen 
Der Ulrich da begann: - 
„Herr, , fürftlich ift dein Biffen; 
Doch Eines thut ihm Noth, 
Das mag fein Knecht vermiſſen: 
Wo ließeſt du dag Brot?" 


„Wo ich das Brot gelaſſen?“ 
Sprach da der Pfälzer Fritz; 
Er traf, die bei ihm ſaßen, 
Mit ſeiner Augen Blitz; 
Er that die Fenſterpforten 
Weit auf im hohen Saal: 
Da ſah man aller Orten 
In's offne Nedarthal. 


Sie fprangen von den Stühlen 
Und blidten in das Land: 
Da rauchten alle Mühlen 
Rings von des Krieges Brand; 
Kein Hof ift da zu ſchauen, 
Wo nicht die Scheune dampft; 
Bon Roſſes Huf und Klauen 
Iſt alles Feld zerftampft. 


Run fprecdht, von weſſen Schulden 


Iſt fo mein Mahl beftelt ? 


Ihr müßt euch wohl gebulden, 
Dis ihr beſät mein Feld, 





Heidelberg. 543° 


Bis in des Sommerd Schwäle 
Mir reifet eure Sadt, 

Und bis mir in der Mühle 

Sich wieder dreht ein Rab. 


„She feht, der Weltwind fächelt 
Sn -Stoppeln und Gefträud ; 
Ihr feht, Die Sonne lächelt: 
Sie wartet nur auf eud. 
Drum fendet flugs die Schlüffel 
Und öffnet euren Schaß: °) 
Sp findet bei der Schüffel 
Das Brot den rechten Play !" 

Guftav Schwab. 
N „Vohl in die Pfalz am Rhein” ıc. 

Graf Ulrich von Würtemberg, Karl J., Markgraf von 
Baden, Schwager des Kaiſers Friedrich III., und fein Bruder 
Georg, Bilhof von Me, zogen ald Bundesgenoſſen Ad oLf’s von 
Naſſau aus, um Diefem das dem Grafen Diether von Ifen- 
burg durch den Papſt abgefprodene Kurfürftentfum Mainz zu er- 
obern. Diether fand aber an Friedrich dem Sieghaften, Kur- 
fürften und Pfalzgrafen am Rhein, eine fräftige Hülfe, 

2) Zum Wetterhimmel bald" ıc. 
Friedrich hatte 800 Mann zu Pferd und 200 zu Fuß. Bor dem 


Schwezinger Wald ſtieß noch Diether und ber Graf von Kapen- 


ellenbogen mit 300 Reitern zu ihm. 


3) „And Öffnet euren Schatz.“ 

Georg mußte fich mit 50,000, UlIrich und Karl, nach breizehne 
monatlicher Sefangenfihaft, Jeder mit 100,000 Gulden löſen; bis zur 
völligen Abzahlung wurden ihre Ländereien verpfändet. Die Walftatt 
Seckenheim bezeichnet ein fteinernes Crucifix mit einer Infchrift. 
Diether biieb Kurfürft, und verpfändete (1463) die Bergfirtaße an 
Friedrich für 100,000 fl. Der unternehmende Friedrich mag ſo⸗ 
mit der Pfalzgraf feyn, ber, nach der Sage, vergeblihe Anftalten 
machte, die Riefenfäule vom Felsberg wegzuſchaffen. 


II. 33 








514 | Heidelberg. 


5. 
Trutzkaiſer. 
(1474.) 


„In dieſen ſchlimmen Zeiten wer baut mir einen Thurm, 
Darin mein Haupt kann ruhen bei Hagel und bei Sturm? 
Der Hagel ſchlägt die Saaten; die meinen ſind der Ruhm, 
Die ſchlägt ſo leicht kein Hagel, kein Sturmwind wirft ſie um! 


„Wo iſt der kundige Meiſter, der ſolchen Thurm mir bau'? 
Der ſtarr und unbezwinglich aufs Land herniederſchau'? 
So wie im Sonnenlichte aufs Volk der Herrſcher blickt, 

So ſey der Thurm ein König, der ſich vor Niemand bückt!“ 


Sp ſprach der Pfälzer Kurfürſt, da trat ein Both’ herein, 
Der brachte Plän’ und Riffe, ihm folgte hinterbrein 
Ein andrer Both’ in Eile, der irug ein Pergamen, 

Blaß waren feine Wangen vom fhnellen Ritt zu fehn. 


Der Kurfürft nahm die Rollen und las mit raſchem Blick, 
Und rief: „Hier mag man fchauen, wie launig das Gefhid! 
Ich prüfe Plän und Riffe zum Thurm und zum Verließ, 
Mein Feind, der Kaifer aber macht mir im Plan 'nen Riß. 


„Das nenn’ ich viel gewogen auf ein geringes Blatt, 

Kurfürſt fol mich nun nimmer benennen Land und Stadt, 

Ein Brief befiegt den Degen, den nie bezwang die Schlacht; 

Dies Blättchen, fehwarzbefchrieben, Yegt mich in Reiches— 
" Acht!“ 


Er wiegt das leichte Blättchen, der Degen unverzagt, 
„Ei!“ — ruft er dann mit Lächeln, — „Das hab’ ich ſtets ges 
fagt:: 
Es find gar fchlimme Zeiten, wenn fol ein Wetter droht, 
Da ſucht ein armer Kriegsmann ein Häuslein in der Noth. 


Heidelberg. 515 


Mag mich der Kaiſer fchelten! Er fchilt im fihern Haug, 
Bei Sanct Georg! Gemächlich fpricht er Die Acht hier aus. 
Drum, wenn’ behagt dem Kaifer, in Wien fo zu geruh'n, 
Bringt's auch der Pfalz nicht Schande, nad gleichem Sinn zu 

thun | 


„Schafft mir funftfert'ge Meifter von allen Enden ber! 
Manch Werk hab’ ich vollendet, das flürzt fo Leicht nicht mehr! 
Die Luft am Bauen hab id von meinem Stamm geerbt, 
Doch fehn’ ih mid nach Ruhe, von Narben tief geferbt. 


„Langweil'ger alter Kaifer ! nicht acht? ich deiner Acht! 
Mir hat mehr Lorbeerreißer, als dir, die Zeit gebracht! 
Drum will ich Ted e8 wagen und bau mir einen Thurm, 
Dran fih umfonft zerfehlagen die Flügel mag dein Sturm!" — 


So fam’s zu langem Kampfe und Mancher nad) der Schlacht 
Schlief nah dem Tangen Tage die Tängite düſtre Nacht. 
Weit ſcholl im teutfchen Lande des flarfen Friedrichs Lob; 
Der Kaifer, gleiches Namens, Fein Wort davon erhob. 


Die Acht ward weit verkündet feit jenem Tag im Mai, 
Sp oft man fprad) das Wörtlein, der Pfälzer Yacht dabei; 
Wie ſollt' er auch fie fcheuen? Kein Mann im ganzen Land 
Hätt' zu der Acht Vollſtreckung geliehen feine Hand. 


Nach wenig Wochen aber fland auch der Thurm erbaut, 
Der von dem hohen Berge ind Land herniederfchaut. 
„Wie tauf ich doch ‚mein Thürmlein ?” — Der Kurfürft fragt 
| und lacht, — 
„Nichts bleibe ohne Namen was meine Kraft vollbracht! 


„Run denn, zu Schus und Trutze brauch’ ich Gevattern 
auch, 
Es kommt mir nur zu Nutze der alte gute Brauch; 
Mein Schutz iſt Schwerteseiſen, mein Trutz ſey dieſer Thurm! 


Trutzkaiſer ſoll er heißen und trotzen jedem Sturm! *) 
Eduard Duller. 


33* 


916 Heidelberg. 


*) „Es hat felbigen (ren Thurm Trutz Kaiſer) der Kurfürſt Frie⸗ 
derich I. im Jahr 1461 oder 1462 erbaut, als er fih des Erzbiſchofs 
und Kurfürften Diether von Mayntz annahm, ihn wider feine Feinde 
befhügen Half und deßwegen von tem Papft in den Bann, vom Kapſer 
aber in die Acht erklärt, und von verfehiebenen Armeen zugleich an⸗ 
gegriffen wurde. Um aber zu zeigen, daß er weder nach dem päpfl- 
lichen Banne, noch der Kayferlichen Achts⸗Erklärung etwas fragte, ließ 
er diefe Veſte gegen pas Ende der Speyerer Borfladt in der Mitte des 
Geißbergs aufwerfen und felbige Trutz-Kaiſer nennen. Weit aber 

+ diefes Schloß oder Echang in dem dreißigfährigen Krieg fehr verfallen 
und verdorben worden, ließ Kurfürſt Karl Ludwig foldhes wiederum 
ausbeflern und auf's Neue befeftigen; fchaffte den verhaßten und dem 
Anfepen Kayferliher Maieftät zumiderlaufenden Namen ab, und ließ 
e8 nach der Figur, die fie hatte, den Stern oder Sternſchantz nen: 
nen; zu dem Ende gab er im 3. 1666 im September einen fcharfen 
Befehl Heraus, des Inhalts, daß künftighin bei Hofer Straf fih Nies 
mand mehr follte gelüften laſſen, die neue Sternfhang Trug-Kaifer 
zu heißen, und follten diejenigen, fo fie einmapl alfo nennten, um 
einen Ducat, zum zweitenmahl um 3100, zum Drittenmapl um drey Du⸗ 
caten, zum viertenmahl aber gar am Leib geftraft werden Im letzten 

Sranzöftfchen Krieg if fie völlig zerfiört und zu einem Steinhaufen ge- 
mat worden, fo daB man anjeßo nichts ale die bloßen Rudera da⸗ 
von fiehet.” 
(5, Kayfers „Hiſtor. Schauplag.” Seite 168 — 69.) 


Britfchen : Peter. 


Diefer Mann Iebte als luſtiger Rath bei Friedrich IV., 
Kurfürften von der Pfalz, und war ein wißiger Kopf. 

Der Kurfürft war einft unwillig auf ihn und befahl ihm, 
den Hof zu räumen. „Sch bins zufrieden,” — antwortete ber 
Narr — „aber laßt mich mit der Silberfammer den An- 
fang machen!“ 

Sn einem Wirthshaufe zu Heidelbers ſtand der Vers 
angeſchrieben: 

„Wer vor zwanzig Jahren nicht ſchön, 
Vor dreißig Jahren nicht ſtark, 

Vor vierzig Jahren nicht witzig, 

Bor fünfzig Jahren nicht reich, 

An dem ift alle Hoffnung verloren.” 


Heidelberg. 517 


Dies las einft Jemand Petern vor, welcher darauf ants 
wortete: „Nun, fo ift Alles an mir verloren! Schön bin ich 
nit, das feht ihr wohl; flarf bin ich nicht, das weiß ich 
wohl, Klug bin ih nicht, fonft wär’ ich nit Pritſchen— 
Peter. Reich bin ich auch nicht, fonft borgte mir jeder Wirth 
gleich eine Kanne Weind, was aber nie der Kal if. Drum 
möge mir Gott und mein gnädiger Herr helfen!“ 

Einmal hieß ihn Jemand einen Narrenfreffer, dem gab 
er zur Antwort: „Da iſt's ein Wunder, daß du noch am Te- 
ben bift; oder du mußt noch nicht lange zu Hofe oder bier in 
der Stadt feyn!« . 

Ein Anderer fagte zu ihm: „Ich wollte, du wärft entwes 
der ein ganzer, oder gar fein Narr, fo Fönnte man beffer 
mit dir zu recht fommen!“ — worauf er verfeßte: „Gib mir 
deinen Sparren zu dem meinigen, fo bin ich ein ganzer 
Narr!“ 

Als ihn Einer fragte, warum die meiſten Narren keine Wei⸗ 
ber hätten, oder warum, wenn fie auch welche hätten, fie 
doc feine Kinder befämen? entgegnete Peter: „Mein! weißt 
du den Spruch nidt: „Die Welt ift fo vol Narren, daß 
feine mehr nöthig find 1’ 

(S. Weidners „Apophthegmata.” S. 326.) 


Konrad Pocher. 


Konrad Pocher oder Bocher hütete als armer Junge in 
einem Dorfe der Pfalz die Kühe um den Taglohn. Einft gab 
man ihm zur Beihülfe einen andern Knaben mit; da biefer 
aber mit der Kräße behaftet wurbe, fonnte er ihm feine Dienfte 
Ieiften. Pocher, der erft kürzlich gefehen Hatte, wie ein Jäger 
einen räubigen Hund aufhing, henfte, in der Meinung, Dies 
jey ein probates Mittel gegen diefe Krankheit, feinen Genoſſen 
bei den Füßen an einem Baum auf. Abends darauf trieb er 
feine Kühe allein nah Haufe und erzählte den Leuten ganz 
arglos das Geſchehene. Man warf ihn alsbald ins Gefängniß 
und ftellte ihn auf allerlei Weife auf die Probe, um ſich zu 
überzeugen, ob er wirftich blödfinnig fey; in der That war 


520 Heidelberg. 


Am Enude der alten Pfalz ragt eine Warte herver, das 
‚weite Land zu überfchauen. Hiex lag eine unermeßlide Menge 
Pulvers verwahrt. Lin Donnerſchlag, — das Gebirg rings 
umber zittert zufammen,, bie Mauern bes Thurms fpalten ſich, 
der zündende Strahl fällt in die Tonnen — die Erbe bebt, 
der Hügel wanket — das Schloß liegt am Boden, Ballen 
und Steine fliegen in die Stadt herab, Thüren und Fenſter 
fpringen aus ihren Angeln, Häufer ſtürzen ein und begraben 
ihre Bewohner ; beizübt flieht, wer fich noch flüchten kann, doch 
weiß er nit wohin. Einige bergen fih in Kellern, Andere 
rennen ins Freie, flumm vor Entjegen fchmiegen ſich die Kin⸗ 
ber in den Schoos ihrer Mütter; ganze Familien flüchten aus 
ihren Behaufungen und geben ihr Eigenthbum preis; Diele 
ſtehen wie an den Boben geheftes, ſtarr und befinnungsios. 

Aber auch Biele fanden ihren Tod in der Zerflörung und 
exit das wieberfehrende Licht machte die Verwüſtung recht 
fihtbar.” 


Heinrich von Valois, Herzog von Anjou. 


1573, 


„Staubwolfen fliegen auf — Ha, Reiter ohne Zahl! 
Sie fprengen Tuflig Her Durchs grüne Nedarthal. — 
Das bligt und funfelt ja, daB mir bie Augen brennen! — 
Jetzt rollt ihr Banner guf — fett kann ich fie erkennen!“ — 
„Es find Franzoſen, Here! — doch ſicher nicht zum Streit 
Erſchienen fie vor Euch; fie führen Feſtgeleit!“ 


Alfo vom Thurme hoch der Wächter eifrig foricht 
Zum frommen Friederichz der fagt: „Sch bin bereit 
Sie freundlih zu empfah'n; dem Gaſt reich ich Die Hand. 
Heinrih von Valois iſt's, der jetzt nach Polenland 
Mit feinen Mannen zieht, die Krone zu empfangen. 
Ihn treibt zu und, glaubt mir, nicht eigenes Berlangen; 
Er trauet ſicherlich uns Hugenotten nicht; 
Doch macht's fein Bruder ihm, der König, wohl. zur Pflicht, 





Heidelberg. 


Damit Tein Unbill er im fremden Tand erfahre, 

Und fih der Teutfchen Gunft im Voraus fchon bewahre. 
Er fomme nur getroft und ziehe friedlich ein! 

Zwar werden wir ihm bier ein firenger Mahner feyn, 
Doc dinget man bei uns nicht blutbegier’ge Horden, 
Den Andersdenfen im Schlafe hinzumorden.“ 

Der Kurfürft fprichts mit Ernſt, ertheilet die Befehle, 
Und zieht fih dann zurüd in feines Schloffes Säle. 


Indeſſen war die Schaar ber Franken angelommen 
Und hat auf flinfem Roß den Burgmeg bald erffommen. 
Welch zierlich präcdt’ger Trupp! Wie bligen die Gewande 
Bon Gold und Edelftein! Was felbft die fernften Lande 
An auserlenem Schmud, an einzig fhönen Gaben, 

An Farbenpracht und Werth nur darzubieten haben, 
Dies Alles fieht man hier in feltenem Verein. 

Der Perle reinen Glanz, des Demants Wunderfchein, 
Des Tigers ſcheckig Fell, des Hermelines Pelz, 

Die Perlenmutter auch in Lichtem Farbenfchmelz, 

Vom Reiher und vom Strauß die reiche Federnpracht, 
Bon Helm und Harnifch dir mit Luft entgegenladt. 
Doch prangt vor Allen wohl im ganzen Reitertroß 
Heinrich von Valois auf.feinem Berberroß; 
Hoch ſieht man ihn empor aus ihrer Mitte ragen, 


521 


Stolz wieget ſich ſein Haupt, beſtimmt die Kron' zu tragen. 


Jetzt iſt das Thor erreicht; weit öffnet es die Flügel; 


Der Herzog ſprengt herein, ſchwingt raſch ſich aus dem Bügel, 
Wirft Peitſch' und Zügel ab — Doch wie? Was ſoll das ſeyn? — 


Er findet ſich erſtaunt im weiten Hof allein! 

Kein Diener iſt zu ſehn von Nahe noch von Fern; 
Welch' ſchmählicher Willkomm ſo königlichem Herrn! 
Mit unterdrücktem Zorn, mit wuthgebleichten Wangen, 
Wird endlich an der Thür' der ſtolze Gaſt empfangen. 
Zwei teutſche Edelleut', gepanzert ganz in Stahl, 

Die führen ſchweigend ihn bis zu dem Kaiſerſaal. 

Da plöglih öffnet fih die zwiegefpaltne Pforte — 
Der Herzog fieht erblaßt — ihm fehlen alle Worte; 


522 Heidelberg. 


Er blickt entfegt umher — weld eine Schredengftunde ? 

Denn dicht gedrängt um fi) gewahrt er in der Runde 

Nur Hugenotten, die, der Mordnacht jüngft entflohn, 
Hier Schug und Schirm gefucht an Kurfürſt Friedrichs Thron; 
Und ihm entgegenblidt, hoch an des Saaled Wand 
Eoligny, wie er flirbt, gemalt von Meifterhand ; 

Wie von Begeifterung das Antlig übergoffen, 

Der greife Held erblaßt durch Valois's Mordgenoſſen. — 


Noch farrt der Herzog ſtumm hin nad) dem graufen Bild, 
Da grüßt der Kurfürft ihn mit Worten fanft und mild, 
Und wünfht ihm alles Glück zu feiner neuen Krone, 
. Und frieblid) Regiment auf Polens fchönem Throne. 
Drauf muß der Franfenfürft au ſtrenge Worte hören 
Bon jenem ſchändlichen biutdürftigen Verſchwören 
Der unglüdfeligen Bartholomäusnacht, 
Die blinder wilder Haß undriftlich angefacht 5 
Bon Franfreihs Hinterlift und oft gebrochner Treue, 
Und daß der Hof fich nicht der frechften Laſter ſcheue. — 


So fpricht der teutfche Fürft mit würbenoller Ruh, 

Dem ftolzen fränffchen Gaſt an feinem Hofe zu. 

Dann läßt er föniglich und reich bewirthen ihn, 

Doch mundet's Valois nicht, er fehnt ſich, fortzuziehn. 

Bon Heidelberg herab, dem fchönen Felfenihloß, 

Eilt ſchweigend und beſchämt alsbald der fremde Troß. 

Es biigen Gold und Stein von Harnifchen, den blanfen, 

Es weht der Federnfhmud im Wind mit flolgem Schwanfen, 

Doch hört der Pförtner noch den Herzog Anfjou ſchwören: 

Bon nun an fol Fein Gott ihn jemals mehr bethören, 

Selbft in der größten Noth, bei ſolchen beutihen Bären, 

— Noch gar auf Heidelberg — je wieder einzufehren. 
SBeribert Rau. 


As zu Ende des Jahres 1573 und zu Anfang des folgenden, 
Heinrich, Bruder des Franzöfifchen Könige Karl IX. und deffen 
Nachfolger, als erwählter König von Polen, dahin durch Deutſchland 
teifte, wurde ihm Ludwig, Graf von Löwenſtein und Herr von 


Heitelberg. 5233 


Sharfened als Kaiferlicher oberfier Begleitungscommiffär beige- 
geben. Ein ungenannter Sekretär beffelben hielt hierüber ein umftänd- 
liches Tagebuch , welches auf fieben Bogen in Quart gedbrudt erfchienen 
if. Hierin fommt unter andern intereffanten Zügen, auch folgende 
Anikdote vor: 


„Auf wiederholte Einladung Kurfürftens Friedrich II. zu Pfalz, 
durch feinen zum Empfang und Geleit entgegengefandten Prinzen 
Chriſtoph, daß, weil er Reibesichwachheit halber nah Dppenheim 
nicht kommen könne, ter König ihn zu Heidelberg befuhen mönte, 
begab fich diefer am 11. Dezember dahin. Der Kurfürft lag unwohl zu 
Bette und konnte deßwegen feiner Freude mit dem König pflegen oder 
fih viel mit ihm befprechen. Auf deflen Anregung aber lad ihm, ale 
er ein wenig erwarmt war, Sraf Ludwig von Naffau, bes 
Prinzen von Oranten Bruder, im Kurfürfliden Gemache bei ge⸗ 
nommener Gelegenheit eine ernfllihe Collerte (Tert), wegen des vor 
einem Jahre in Paris und andern Orten Frankreichs, wider alle 
Treue und Slauben an dem Admiral von Eoligny und feinen Blau: 
bensgenoffen unmenſchlicher Weiſe verübten Morde, (Parifer Blut- 
hochzeit) , welches Gott nicht ungefraft Taffen würde. Der König fuchte 
denfelben damit zu entfchuldigen, der Apmiral habe auf der Hochzeit 
eine heimliche Meuterei anrichten , und den König, feinen Bruder, über- 
fallen wollen. Der Kurfürft aber fragte ipn flugs: „Lieber! Wie flarf 
ift der Admiral mit allen feinen Hugenotten auf tie Hochzeit kommen ?, 
Und da der König (Balois) geantwortet: „Auf taufend Pferde ſtark;“ 
fragte der Kurfürft weiter: „IA gut, Lieber! Wie Fark iſt aber der 
König wohl da geweſt?“ -- Auf Valois Antwort: „Auf Dreituufend,”' — 
fagte der KAurfürft : „Da liegt's. Wie hätten Taufend wider Dreitau- 
fend etwas anfangen dürfen, in einer folhen großen Stadt, wo maͤn⸗ 
niglich gern die Hände in der Hugenotten Blut gewaſchen hätte? Sehet 
felbft, wie es fo gar nicht Plappte, und Eure Reden wider Euch felbft 
zeugen !« — Diefe verdrüßliche Vorhaltung fol in die fünf Stunden 
lang gewährt haben, worüber fih auch des Königs Kanzler in Oppen- 
heim hernach fehr befchwert hat.“ 

(Aus Freifr. von Hormayr's Tafhenbud von 1833. Seite 43—AA.) 


Andere Chroniften erzählen diefe Scen: mit verfchiedenen Bari» 
anten, teren eine H. Rau zu feinem Gedichte benüßt hat. Man ver- 
gleiche hierüber die Worte des Hiftorifers de Thou, des P. Daniel 
und Kayfer’s Schauplag, Seite 305. Ferner 4. Schreibers 
„Vaterl. Blätter“ 181%. Nr. 183. ıc. 


524 Heidelberg. 


Mäſtigkeitsvereine. 


Schon Anno 1524 wurde zu Heidelberg bei einem fröh- 
lichen Armbruftfchießen eine ſolche Berbrüderung von 15 Fürften 
und Bifchdfen, fammt einer großen Zahl Grafen und Edel- 
Teuten gefchloffen, wobei fie erklärten, fie ſelbſt wollten ſich des 
vollen und halben Zutrinfeng enthalten und ihre Diener verab- 
ſchieden, die fich deffen nicht enthalten wollten, alfo, daß dieſe 
bei allen verbrüberten Herrn feinen Dienft mehr finden follten. 

Einige Jahre darauf findet ſich ebenfalls ein Orden gegen das 
Saufen zu Heidelberg, vielleicht aus dem erften entflanden. Die 
Mitglieder waren theild Nitter, theils nicht ritterbürtig, und 
trugen zum Wahrzeichen einen goldenen Ring. Wer gegen das 
Berbot Andern zutranf, mußte den Armen einen Gsldgulden 
geben , und den Ring zurüdliefern. Ein Mitglied, Leodius, 
wurde von feinem Herrn, dem Kurfürften Sriedrid IL, 

in einer Angelegenheit zu dem englifhen König, Hein- 
rich VIII., gefendet, Der reblihe Mann gefiel dem wunber- 
lihen König fo fehr, daß er ihn einer befondern Bertraulich- 
feit würdigte. Einſtmals rief Heinrich nach einem langen Spa- 
ziergang: Mic, dürfte, man bringe mir zwei der Riejenbecher, 
einen vol Wein, den andern voll Bier. Hierauf Tieß er dem 
Leodius die Wahl: Einen aber, feste er hinzu, mußt bu mir 
zubringen, damit bu fiehft, daß die Engländer und der König 
felbft auf gut teutfch trinken, und Deinem Fürſten melden 
fannft, ed werde ihm, wenn er nad England fommen wolle, 
an Zechbrüdern nicht fehlen. Leodius ſträubte fich gegen die 
Anmuthung, und berief fih auf fein Ordensgelübde. Heinrich 
aber fette ihm fo heftig zu, daß Leodius endlich in Verzweiflung 
ben ungeheuren Pokal ergriff und in vier fchweren Zügen leerte, 
indefjen der König fein Bier in einem Schlud hinabgefagt hatte, 
Bei feiner Abreife verehrte ihm Heinrich unter andern Geſchenken 
60 goldene Ringe, welche wider den Krampf gut feyn follten, 
und gab ihm für feinen Pfalzgrafen einen goldenen Becher. 
Sobald Teodius heimgefommen war, erzählte er den Vorfall 
feinem Herrn, als Ordensmeiſter, im Bertrauen. Diefer ver- 
fammelte auf den Abend die Brüderfchaft, und trug die Sache 


Heidelberg. 525 


vor. Die Mitglieder erklärten ihn einftimmig für ſchuldlos und 
Yeerten, der Ordnung nach, den mitgebrachten Becher. Leodius 
war für ſolche Nachſicht dankbar, und ſchenkte jedem Anwefens 
den einen Krampfring. | 

Im Jahr 1600 wurde ebenfalls zu Heidelberg der Heffifche 
Drden der Mäßigfeit gefliftet, jedoch, wohl aus Nüdficht auf 
die teutfohe Trinfnatur, nur auf zwei Jahre. Kein Mitglied 
durfte täglich mehr als 14 Ordensbecher voll Wein trinfen. 
Der kleinere Sünder gegen dieſes Gebot wurde ein Jahr von 
allem Ritterſpiel, der ſchwerere Verbrecher auf zwei Jahr von 
allem Wein ausgefchloffen, und der Haupffrevler zahlte zur 
Strafe 300 Thaler, oder gab zwei feiner beften Roffe. Diejen 
Strafen unterwarf fih auch Kurfürft Friedrich V. 

Alle diefe Gegenanftalten halfen wenig und diefe Gegenfauf- 
orden waren von furzer Dauer. Ed wurden fernerhin Trinfge- 
fechte geliefert, und mit lauter Gefundheitstrinfen brachte 


. it. 
man fih um die Gefundhei 2.9.8. 


Des Palzgrafen bölzerner Dom. 
(1591.) 
Pfälzer Mundart.) 


Zu Köln, in der heilig Schtadt Köllen am Nheinn, 
Do wahfe die Kerchephörn‘) wild; 
Do fohteht en großmächbiger fchteenerner Dum , **) 
Un Prozeffione gehn rings drum erum; 
Biel ſchöne Aldär un mand) gnadereich Bild 
Is dort zu Köllen am Rheinn. 


Am Rheinn, vun de Felfeberg hoch üwwerm Rheinn, 
Do gude die Burge ins Dhal, 
Biel Burge mit runde un edige Dhörn 
Die fage zum Schtrom als gebiedende Herrn: 
Rheinn, nemm dich hübſch zfamme un ſchnür dich feinn ſchmal, 
„Mir wolle's, gehorch ung, o Rheinn!“ 


*) Kirchenthürme. 
+) Dom, 





526 Heidelberg. 


Der Palzgraf bei Rheinn is e fröhlider Mann, 
Der baut an de Berg hinn fein Weinn, 
Der baut fih e Burg, un die Burg is feinn Schtolz, 
Der baut fih en Dum, un der Dum id vun Holz, 
Un ſächt ald e gnädiger Herr zu feim Rheinn : 
„Mach Er fi fo breet als Er kann!“ 


Zu Haydelberg in der Palzgrafeburg 
Do fiht mar den holzerne Dum ;*) 
Un is er nit edig, fo is er doch rund, 
Un Wallfahrer fumme noch heut uf die Schtund 
Aus aller Herrn Länder noch Haydelberg frumm 
Zum Palzgraf feim Dum uf der Burg. 


Gott grüß dich, du runder dickbauchiger Dum, 
Gebaut vum Palzgrafe bei Nheinn ! 
Dem Herrn zu Lieb wähl ich de geifchtliche Sqhtand 
Un meld mich als holzerner Dumdechant, 
Un bet for de Palzgraf, un trink'm ſein Weinn, 
Un ſing vor ſeim holzerne Dum. 


O weh! der fröhliche Herr is lang dodt 
Un feinn holzerner Dum e Ruin! 
Dod fließt durch feinn Rand noch der goldene Rheinn, 
Doch wachſt uf de Berg noch der feurige Weinn; — 
E Hoch uf fein Weinn, uf der Rheinn un uf Ihn, 
»M Palzgraf e Hoc noch im Dodt! 
K. ©. Nadler. 
(Driginalmittheilung.) 


*) Das Heidelberger Faß. 

Nachdem zur Zeit des 30jährigen Krieges das alte, ſchon 1591 
auf Befehl des Pfalzgrafen Johann Cafimir verfertigte große Faß 
morſch und dem Verfalle nahe war, ließ an deffen Statt der Kurfürft 
Karl Ludwig i. 3.1664 ein neues und weit größeres erbauen. Dies 
fes fonnte man mittelfi einer Treppe von 50 Staffeln erfteigen. Oben 
auf dem Kaffe befand fih ein 20 Schuh langer Altan mit einem Sei- 
tengang, worauf ehedem 6 Perfonen ganz bequem tanzen konnten. Born 
an dem Fafle prangte das Kurfürfllihe Wappen; oben darauf faß ein 
Bacchus mit einem großen Kelch in der Hand; links und rechts neben 
ihm waren viele Satyrs und Bilder von „verfoffenen Brüdern“ ange- 


Heidelberg. 527 


bracht; ferner war das, wie das ältere, mit 24 eifernen Reifen um- 
ſchloſſene Faß, welches 204 Zuber, 3 Ohm und 4 Biertel Wein in fi 
faßte, aud fo hoch, daB ein Dann mit einem Spieße aufrecht darin 
ftehn konnte. Da nun in der Folge, und zwar gelegentlich bes fran- 
zöſiſchen Einfals in die Pfalz, durch bie Zerflörung der Stadt und 
des Sclofles Heidelberg, auch dieſes Faß verborben und ganz un⸗ 
brauchbar geworden und dann vierzig Jahre hindurch leer gelegen war, 
fo ließ der nachherige Kurfürſt Karl Philipp folches wieder aug- 
beffern und herſtellen, und, nachdem dies i. 3. 1728 völlig zu Stande 
selommen, am 1. Maf felbigen Jahres, gerade auf feinen Namens⸗ 
tag, mit Nurpfälzifhem Landweine vollfüllen. Zuvor war es mit einer 
doppelten Treppe verfehen, mit des Kurfürſten vergoldetem Wappen, 
fowie mit allerhand Sinnbildern und neuen Verſen gefhmüdt worden. 
Ein Strophe lautete: 

„Kart Philipps Jahr und Leben 

Nach der Zahl Toll neeflen wohl, 

So viel Tropfen ung thut geben, 

Wann das Faß gefüllet voll.” 

Unten daran ſteht noch ein Iateinifcher Vers, der die Jahrzahl der 
Renovation diefes Faffes folgendermaßen für die Nachwelt aufbehielt: 
3„‚Stat BaCChi renoVata DoMVs VInogVe sVperblt.““ 


Bier und zwanzig eiferne Reife pielten es zufammen, und es faßte 
dasſelbe 204 Fuder, 3 Ohm und 4 Biertel Wein in fih. An demſelben 
las man auch viele Reime, 3. 2. u 

Bir können vieler Ding’ entbehren, 
Und dieß und jenes nicht begehren ; 
Doch werben wenig Männer feyn, 
Die Weiber haflen und den Wein. 
Ferner auch: 
Man braut Bier im Lande Meißen, 
In Sacfen, Pommern, Holland, Preußen, 
Gottlob! die Liebe Pfalz am Rhein, 
Gibt uns und ihnen guten Wein. 

Als diefes Faß auch wieder zu alt wurde, ließ der Kurfürft Kart 
Theodor ein neues, größeres Faß machen, welches 14 Fuder Wein 
mehr als das alte enthält. 


528 Heidelberg. 


Dans von Dandichuchöheim Tod *). 
1. 
Herausforderung. 


Zu Heidelberg am Schloffe, das jugendlich noch ftand, 
Berfehrt nicht von der Menfchen und nicht von Gottes Hand, 
Da lachten alle Zinnen mit abendlihem Roth, 

Als könnt’ es nimmer trauern, als ob fein Sturm ihm droht”. 


Und drinnen in den Hallen ging eine Yaute Luft, 
Die Becher firömten über, die Herzen aus der Bruſt; 
ed’ Auge fah zum Himmel und fand ein golden Schloß, 
Drin bei der ſchönſten Jungfrau ein ewger Frühling flo. 


Der Pfälzer Kurfürft Friedrich mit feiner Liebſten Hold 
Saß oben an der Tafel bei Bechern voller Gold; 
Bon Lüneburg der Herzog, Johann von Brandenburg, 
Bon Heffen Landgraf Moriz und Philipp von der Murg. 


Die fagen zwifchen Frauen, wie zwischen Blumenlicht 
Sich's Dunfelgrün der Blätter mit goldnem Thau verflicht; 
Bei einem füßen Fräulein, die fehönfte Blum’ im Kranz, 

Sag mild Friedrih von Hirfhhorn und ſtolz der Junfer 
Hang 


Bon Handfhuhsheim; der Junker faſt noch ein Knabe 
war, 
Drum trug er auch fo trugig um's Kinn das frauje Haar; 
Er drohte ferne Thaten, die er einmal noch thät’, 
Ging aus geträumten Schlachten, wie man ald Sieger gebt. 


*) Der Zweikampf — welder unferm Dichter den Stoff zu vorfle- 
hender Romanze gab, fiel zu Heidelberg vor, am Poflager des Kur- 
fürften Friedrich IV., den 11. December 1600. Johann von 
Handſchuchsheim farb an feiner Wunde den 31. December 1600, 
als der LTebte feines Sefchledhts. Seine Mutter war Ammel Beufs 
ferin von und zu Ingelheim. 


Heidelberg. 599 


Drum fordert er auch Ehre von jedem Frauenbild, 
Ars hätt' fchon taufend Wunden fein träumerifcher Schild; 
Drum flammt auch eiferfüchtig fein Blick aus finſtern Brau'n, 
Das feiner fünftigen Thaten nicht achteten die Frau'n. 


Der Erbtruhfeg")von Hirfhhorn, der frommen Mutter 
Sohn, 
Dflegt’ im befcheidnen Herzen getreu der Religion; 
Doch wie des Thales Fruchthain zum dunklen Forſte wild, 
Sp flieg zum wilden Muthe des Jünglings mildes Bild. 


Denn auf der Heimath Bergen bezähmt’ er manches Roß, 
Sn Forften fanf manch Wildfchwein von feinem Jagdgeſchoß; 
Er flug mit Nedars Stürmen, mit Bligen mande Schlacht; 
Ihn mochte nur bezwingen der Schöpfung ſtille Pracht. 


Sp wuchs er wie die Eiche in Tachender Natur, 
Das weihe Haar umwallte fein Fräftig Antlig nur; 
Drum liebte mande Jungfrau ihn ſehnſuchtsvollen Traums, 
Möcht' ihre Locken ſchmücken mit Blättern dieſes Baums. 


Drum wandte Hil degarde zu ihm ihr Angeſicht; 
Drum aus des Junkers Seele der Zorngedanke bricht: 
„Mein gnädig Fräulein, dreht Euch doch ganz zum Hirſch⸗ 
horn um, 
Das Hälslein, fürcht' ih, wächſt Euch fonft häßlich gar und 
frumm !” 


Blaß bebet Hildegarbe, wie an der Gluth die Roſ', 
Und ehrt die fhönen Augen herniever in den Schooß; 


*) Das Erbtruchſeßamt (Truchſeß, dapifer), von Trug (Effen) 
und fegen (auftragen), das des Seneſchals, der die Oberaufficht über 
Küche und Oekonomie der Kaiſerl. Hofpaltung führte und bei dem feier» 
lichen Gaſtmahle, welches der Krönung des teutfchen Kaiſers folgte, 
viel filberne Schüffeln mit Rindfleifh auf die Tafel zu ſetz en hatte, 
war am teutfchen Kaiferhofe eine der höchften erblichen Würden des 
Reichs, gehörte feit frühefter Zeit zu Bayern; von 1356 — 1623 den 
Kurfürften von ber Pfalz und von da, bis zur Auflöfung des teutfrhen 
Reichs, noch zu Bayerns Privilegien. 

II. 34 ’ 





530 Heidelberg. 


Doc Friederich der Truchſeß, ein flammenb Augenpaar, 
Wie wenn der Blitz in Söller herabgefahren war : 


„Herr Sunfer! ... feiger Knabe, was fchimpfeft du fo fühn? 
Die Jungfrau madht die Galle dir im Geſicht erglühn? 
Bei Gott! Hör’ ich, und räche nicht Unglimpf teutfcher Traun, 
So werd’ aus deinem Schlunde die Zunge nit gehau'n!“ 


„Sieh da, der fanfte Kofer, wie wird er rittertich ! 
Sp füße bei den Frauen, den Männern bitterlich ! 
Mie feinen Rindern will er die Zunge aus mir hau’n, 
Derfteht wohl umzugehen mit Rind, doch nicht mit Frau'n.“ — 


„Herr Kurfürft! weifet gnädig den frechen Hohn zu Recht, 
Erfaubet meinem Degen, jebt trifft er mir nicht ſchlecht!“ 
Noch wehte fanft die Freude in der VBerfammlung Kreis, 

Wie fanfte Lüfte wehen im Blüthenwald des Mars: 


Da aus ber Zwietracht Wolfe fuhr Tichter Blige Loh', 
Daß aus dem Kreis die Freude mit allem Wise floh; 
Da ward e8 plöglich ftille, wie vor Gewittern fill, 
Und horchte man zum Donner, was feine Stimme will. 


Doch Jene fürmen eilig felbander aus dem Saal, 
Die Mitternacht erwarten im fehönen Nedarthal; 
Denn ernft verwies ber Kurfürft des Zornes frevien Streit, 
Und dieſes Streites Schlichtung zur eignen Tapferkeit. 


Wie glänzt im tiefen Dunfel der weite Markt fo Licht, 
Das find der Schwerter Funfen, wie flieben die fo Dicht; 
Weh dir, o Handſchuchsheimer, dein Gegner flicht dich aus, 
Weh dir, bald ift erlofchen mit dir bein altes Haus! 





Heidelberg. 531 


2. 
Der Sutter Fluch. 


Um Mittnacht auf dem Markte liegt Hans von Hands 
ſchuchsheim, 
Er liegt in feinem Blute; die Mutter ſchläft daheim; 
Er Tiegt jo ftill, fo frieblich, es ift fein letzter Schlaf — 
Der Trucfeß mit dem Degen tief in das Herz ihn. traf. 


. gest ift aus feinem Bufen der laute Haß geflohn; 

Die Mutter fhläft zu Haufe; im Blut der einz’ge Sohn, 
Er lächelt wie ein Kindlein, als hätt’ er nie gegrolt, 
Als hätte nichts als Liebe fein Blut von je gerollt. 


Sie tragen über'n Nedar ihn ftumm nad Handſchuchsheim, 
Den einz’gen Sohn der Wittwe; die Mutter fchläft daheim; 
Sie tragen ihn zum Schloffe, fie pochen an der Thür, 

Da tritt mit einer Lampe die Mutter bang herfür. _ 


Da zudet um die Leiche der Fackeln rother Schein, 
Ihr Angefiht, das bleiche, wird ſelbſt wie todter Stein, 
Auf blutbefledter Bahre fieht fie den-theuren Sohn, 
Ergraut find ihre Haare — ihr Athem ift entflohn. 


Und wie fie wieder aufwacht und wieder kennt den Sohn, 
Sie hell zum Himmel aufladht wie aller Welt zum Hohn. 
„So hüllt man dich in Roſen, mein guted armes Kind! 

O fagt, durch wen fie ſproßen? O fagt’s mir an geſchwind.“ 


„Durch Sriederih von Hirfhhorn,” — töntd aus der Träs 
| ger Mund. 
„Ha, Friederih von Hirfhhorn! fo möge mir zur Stund, 
Der Herr des Himmels leihen ſolch einen Racheſtrahl, 
Daß ich den Mörder zeichne für Ein und alle Mar! 


„Mein Fluch fol diefer Blitz feyn, fein Name foll verflucht, 
Berflucht fein Stamm und Sig feyn, und wenn er Ruhe ſucht, 
34” 





532 Heidelberg, 


Soll immerfort ihn hegen der Hölle wildes Heer, 
Und felbft im Grabe Teen foll keine Raft ihn mehr! 


„Gott mög’ ihm nie verzeihen, ihm nie barmherzig feyn! 
Mein Sohn, um Rache fehreien fol felbft dein Leichenftein, 
‚Und wie mit dir, mein Leben, des Vaters Stamm erlifcht, 
Sey auch der Name Hirfhhorn im Lebensbuch verwiſcht!“ — 


Sie hören Al’ erbleihend der Mutter graufen Fluch, 
Als müßte felbft Die Leiche auffchreden aus dem Tuch; 
Doc lächelt fie voll Frieden, aus ihren Zügen fpricht: 
Dom Haß bin ich geſchieden, dort oben zürnt man nicht.” 
©. Schuler. 





Die Ahnung. 


(1655.) 


Barum fo trüb, geftrenger Herr ? 
Warum denn fo allein? 
Ihr fhaut ja in dad Abendroth, 
Und nicht in's Grab hinein! — 
„Ich fchaue in das Abendroth, 
Mir deucht's ein See von Blut; 
Mir deucht's ein weites Slammenmeer 
In feiner dunklen Gluth. 


„And feht nur, wie ed gierig fich 
An meine Burgen legt, 
Und aus den Fenftern, aus den Höh’n 
Mit Purpurzungen ſchlägt!“ — 
Herr Pfalzgraf, eil was fehlt Euch denn ? 
Sp ſah ih Euch noch nie; 
Welch tolle Bilder malet Doch 
Erhigte Fantaſie! — 


„Nicht Fantafie, mein Burgvogt, nein!’ 
Ich fühl's im Herzen tief, 


Heidelberg. 533 


Zur Wahrheit wird das Unglückswort 
Das jene Stimme rief" — 

Mein edler Herr, Gott Tchüge Euch ! 
Ich kann Euch nicht verftehn; 
Sprecht Ihr von böfer Ahnung denn, 
Habt Geifter Ihr gefehn? 


„Ich fa in meinem Speiſeſaal 
Und aß, wie ſtets, allein, 
Da tönt der mitternächt'ge Schlag 
Durchs Fenſter bumpf herein. 
Und wie der legte Schall erftirbt, 
Da wird fo bang es mir, 
Und eine Stimme, hohl und tief, 
Ruft: „Wehe Pfalz! Web’ dir") 


„Ich hab in mander heißen Schlacht 
Den Tod ſchon angefchaut, 
Es hat mir nie vor feiner Macht, 
Bor feinem Ruf gegraut. 
Doch diefer Stimme Grabeston 
Die dreimal ich gehört, 
Hat meinen Muth, hat meine Kraft, 
Mein ganzes Marf verzehrt. 


*) „Dann wird's mit der Pfalz bei Rhein verloren feyn! Was 
vor eine Menge von Truppen, was vor Lärmen und Gedränge I" — 
Mit diefen Worten fuhr der kranke Kurfürft Karl eines Tages ploͤtz⸗ 
lich aus dem Schlafe auf! Der bei ihm wachende Arzt erſchrak darüber, 
aber nicht wegen des Inhalts der Worte — wie konnte erahnen, wel 
traurige Weiffagung fie enthielten? — Sichtbar fihwanden von nun 
mit jedem Tage die Kräfte des Kurfürften, und nach fünf Wochen um 
die Mittagszeit des 16. Mai 1685 erlofh fein abgezehrtes Leben." 

(S. 3. Baader!s „Badenia,“ I. Jahrg. ©. 277. 
Karls Tod — mit ihm endigte die Simmern’fche Linie des Pfäl- 


ziſchen Haufes — führte den Orleans'ſchen Krieg megen der Pfaälziſchen 
Erbfolge herbei, der fo verderblich für die Pfalz ward. 





534 


Heidelberg. 


„Es drang der Ruf aus jener Welt 
Mir tief in’d Herz hinein — 
Bald wird bie fhöne ſtolze Burg 
Ein Scheiterhaufen feyn !« 
Der Pfalzgraf ſprachs und fchleicht davon, 
Das Herz ward ihm zu ſchwer; 
Das Leben war ihm öb’ und falt, 
Er lächelte nie mehr! 


Heribert Rau, 


Der Malzgraf. *) 


Es reitet die Gräfin weit über das Feld, 
Mit ihrem gelbhaarigen Töchterlein fein, 
Sie reiten wohl in des Pfalzgrafen fein Zelt, 
Und wollen fein fröhlich und luſtig feyn. 


Frau Gräfin, was jagt ihr fo früh ſchon hinaus? 
D reitet mit Eurem fein Liebchen nach Hang, 
Der Pfalzgraf kommt felber gleich zu euch hinab, 
Sie tragen ihn morgen hinunter ins Grab: 


Es hat ihn eine Kugel fo tödlich verwundt, 
Da ftarb er fogleich in der nämlichen Stund, 
Da ſchickt er dem Fräulein ein Ningelein fein, 
Soll feiner beim Scheiden nod) eingedent ſeyn. 


„Dat dich o Pfalzgraf, die Kugel getroffen, 
Wär’ ich viel lieber im Nedar erfoffen; 
Zrägt man den Tiebften zum Kirchhof herein, 
Steig ich wohl mit ihm in's Brautbett hinein. 


„Wil reichen ihm meinen jungfräulichen Kranz, 
Wil flerben und fcheiden von Güter und Glanz; 


*) Wahrſcheinlich des Kurfürfien Philipp Wilhelms Sopn, 
Pfalzaraf Friedrich Wilhelm, erfhoflen vor Mainz, 1689 den 
30. Juli. 


Heidetberg. 535 


Lieb Mutter, fe Du mir den Kranz in das Haar 
Auf daß ich fchön ruben kann auf der Bahr. 


„Ste mir an den Finger das Ringlein fein, 
Er mit mir foll liegen ing Grab hinein, 
Ein ſchneeweißes Hembelein zieh du mir an, 
Auf dag ich kann fchlafen bei meinem Mann. 


„Auf Töchterleinsg Grab ſollſt legen ein Stein, 
Drauf follen die Worte gefchrieben ſeyn: 
Hier ruhet der Pfalzgraf und feine Braut; 
Da bat man den beiden das Brautbett gebaut.” 
(Siehe „Des Knaben Wunderhorn ⁊c.“ IE. Band). 


Der Big. 


(1764.) 


Geendet ift der Streit; 
Des Krieges Furie fehweiget, 
Aus Schutt und Afche fteiget 
In junger Herrlichkeit, 
Degrüßt durch Jubellieder, 
Der Phönix Friede nieder. 


Was mit Barbarenwuth, 
Der Schande unbefümmert, 
Auch Frankreichs Haß zertrüämmert, 
Strebt nun mit neuem Muth, 
In Teutſchlands ſchönſten Gauen 
Der Teutſche aufzubauen. 


So aus dem Schutt empor 
Iſt in den Pfälzer Landen 
Auch Heidelberg erſtanden. 
Es will Karl Theodor 
Dort allen Glanz entfalten, 
Noch heut den Einzug halten. 


536 


Hetdbelberg. 


Der Tag iſt drüdend Tchwäl; 
Kein Lüftchen will ſich regen, 
Kein Blaͤttchen fi bewegen. 
Ein ängftliches Gefühl, 


Ein wunderbares Bangen 
. Hält Menfch und Thier umfangen. 


Da kommt in finftrer Pracht 
Am fernen Himmelsbogen 
Allmählig hergezogen 
Die dichte Wolkennacht, 


Auf ihren ſchwarzen Schwingen 


Derderben herzubringen. 


Wie düſter liegt das Schloß — 
Gleich einem rieſ'gen Drachen, 
Den Thalgrund zu bewachen — 
Der Finſterniß im Schooß. 

Wie ragen ſeine hohen 
Thürme mit ſtolzem Drohen! — 


Jetzt bricht das Wetter aus, 
Und wie aus Höllenrachen 
Ertönt des Donners Krachen, 
Der Stürme wild Gebraus! 


Doch wehe! welch ein Schlag! 
Welch Feuermeer! — Es ziſchet 
Raſch Blitz auf Blitz und miſchet 
Die Nacht mit lichtem Tag. 


Hört ihr! es wimmert Sturm! 
Es ſteht das Schloß in Flammen! 
Schon ſtürzt es dort zuſammen 
Nah bei dem Glockenthurm. 


Wie wild der Sturmwind ſchnaubt, 


Und aller Half zum Hohne 


Heidelberg. 537 


Drüdt er die Flammenkrone 
Der ſtolzen Burg aufs Haupt. *) 


Es ift um fie geſchehen — 
Die Zinnen find gefallen, 
Veroͤdet ſtehn die Hallen, 
‚Gepeitfcht von Windesweh’n. 


Du trogteft kühn der Zeit 
Gefräß’gem Ungehener, 
Nun hat des Himmels Feuer, 
Zerflört die Herrlichkeit. 


Träum’ fanft! — In Todesnacht, 
Bift felbft du noch erhaben, 
Wirft noch die Nachwelt laben 
Mit deiner alten Pracht! 


Seribert Nas. 


*) Die Feigheit des Stadtcommandanten, General Heidersdorf 
hatte im Orleans'ſchen Exrbfolgefriege Stadt und Schloß Heibelberg _ 
den Sranzofen in die Hände. gefpielt. Feſtungswerke, Thürme und 
die Nedarbrüde wurden gefprengt und Stadt und Schloß in Brand 
geſteckt. Das Glück wur für Heidelberg dahin. Zwar ließen bie Kur⸗ 
fürflen Zopann Wilhelm und Karl Philipp, Stadt, Schloß 
und Brüde wieder herfiellen, da jeboch Lebterer wegen der Kirche zum 
heiligen Geift mit den Bürgern in Streit gerieth, verlegte er fofort 
feine Refivenz von Heidelberg nah Mannheim, wo er bad neue 
Schloß und die Sefuitenfirche bauen ließ. Sein Nachfolger Karl 
Theodor befuchte an einem heitern Früplingstage die veröbeten Hal- 
len des Sitzes feiner Vorgänger. Das Geläute ber Gloden , eine über 
den Schloßberg wallende Proceffion, die Erinnerung an bie vergan- 
gene Herrlichkeit und der Zauber der malerifhen Umgebungen machten 
einen ſolchen Eindrud auf ihn, daß er fi entfchloß, den Kurfürftlichen 
Sitz Hier wieder aufzufchlagen. Schon war Alles zu feinem Empfange 
feftlic$ bereit, als am 24. Juni 1764 der Bli alle vom Kriege no 
verfchont gebliebenen wohnlichen Reſte zertrümmerte und verbrannte. 
Karl Theodor, der fehr abergläubifh war, hielt dies für einen war⸗ 
nenden Fingerzeig Gottes, und wagte nicht, das Schloß wieder aus 
feinem Schutte zu erheben. 

(Siehe Baader's „Sagen der Pfalz 10.” Seite 102). 





538 Heidelberg. 
Auf Dem Schiofie zu Heidelberg. 


(Im Julius 1814.) 


Es zieht ein leiſes Klagen 
Um dieſes Hügeld Rand; 
Das klingt wie alte Sagen 
Vom lieben teutfchen Land. 
Es ſpricht in ſolchen Tönen 
Sich Geiſterſehnſucht aus: 
Die theuern Väter ſehnen 
Sich nach dem alten Haus. 


Wo der wilde Sturm nun ſauſet, 
Hat in ſeiner Majeſtät 
König Ruprecht einſt gehauſet, 
Den der Fürſten Kraft erhöht; 
Sänger kamen hergegangen 
Zu dem freien Königsmahl, 
Und die goldnen Becher klangen 
In dem weiten Ritterſaal. 


Wo die granitnen Säulen 
Noch ſtehn aus Karl's Palaſt, 
Sah man die Herrſcher weilen 
Bei kühler Brunnen Raſt. 

Und wo zwei Engel koſen, ) 
Der Bundespforte Wacht, 
Zeigt uns von ſieben Roſen 
Ein Kranz, was ſie gedacht. 


Ach! es iſt in Staub geſunken 
All der Stolz, die Herrlichkeit! 
Brüder, daß ihr letzter Funken 
Nicht erſterb' in dieſer Zeit, 

Laßt uns hier ein Bündniß ſtiften, 
Unſre Vorzeit zu erneu'n 

Aus den Grüften, aus den Schriften 
Ihre Geiſter zu befrei’n, 


Heidelberg. 


Vor Allen, die geſeſſen 
Auf Ruprechts hohem Thron, 
War Einem zugemeffen ?) 
Der Erde höchſter Lohn. 
Wie jauchzten rings die Lande 
Am Nedar jener Zeit, 
Als er vom Engellande 
Das Königskind befreit. 


Biel der keckſten Ritter kamen, 
Ihrem Dienfte fi zu weih’n. 
Dort wo noch mit ihrem Namen 
Prangt ein Thor von rothem Stein, 
Ließ fie fern die Blide fchweifen 
Sn das weite grüne Thal; 
Nach dem Fernen foll fie greifen 
In des Herrfchens falſchet Wahr. 


Da kam wie Meereöwogen, 
Wie rother Feuersbrand, 
Ein bittres Weh gezogen 
Zum lieben Vaterland. 
Die alten Beften bebten, 
Es ſchwand des Glaubend Schein, 
Und finftre Mächte ftrebten, 
Die Fremden zogen ein. 


Weit erfhallt wie Rirchengloden, 
Teutfchland, deine Herrlichkeit, 
Und es wedt fo füßes Locken 
Immerdar des Wälfchen Neid. 
Wunden mag er gerne fhlagen 
Dir mit frevelvoller Hand, 

Wie er in der Väter Tagen 
Die gepriefne Pfalz verbrannt. 


Zu lang nur hat gegolten 
Die fchmähliche Geduld; 


539 





940 


OHeidelb erg. 


Doch was wir büßen follten, 
Wie groß auch unfre Schuld, — 
Rein ift fie abgewafchen 

In warmem Friedesblut, 

Und herrlich aus der Afchen 
Steigt unfer altes Gut. 


Lange hielten drum die Wache 
Jene Ritter an dem Thurm, °) 
Ob nicht kaͤm' der Tag der Race, 
Ob nicht brauße Gottes Sturm. 
est erwarmen fie am Scheine 
Bon dem hohen Freiheitslicht, 

Daß die Bruft von hartem Steine 
Schier vor Wonn’ und Liebe bricht. 


So flieg nach dreißig Jahren 
Elifabeth, dein Sohn, *) 
Der manches Land durchfahren, 
Auf feines Vaters Thron. 
Er that wie Ritter pflegen, 
War feined Landes Schug, 
Und bot mit fühnem Degen 
Dem Wälfhen Schimpf und Trug. 


Nimm denn fett auf Deinem Throne, 
Theurer höchſter Heldenfchag, 
Angethan mit goldner Krone, 
Teutſchland, wieder deinen Pas ! 
Alles will für dich erglühen 
Alte Tugend ziehet ein, 

Und Die teutfchen Würden blühen 
An dem Nedar wie am Rhein! 
Mar von Schentenborf. 


1) Ruprecht IL, Römifher König, erbaute 1400 den Theil 


des Schlofles, der jetzt noch feinen Namen trägt, und beflen vordere 
Band fi noch bis heut erhalten hat; mehrere hiſtoriſche Merkwürdig⸗ 
leiten befinden ſich an derſelben, als: der einfache NReichsabler , das 


Heidelberg. 541 


alte pfälziſche Wappen, und vor allem bie Berzierung über dem Haupt- 
eingang diefed Bau’s: Zwei Engel halten einen Kranz von fieben 
Roſen, in deffen Mitte fih ein aufrecht ſtehender Zirkel befindet. 


8) Friedrich V., der Gemahl der Prinzeffin Eliſabeth von 
England, einer der fchönften, aber auch ehrgeizigften und unglüdlich- 
ſten Fürftinnen. Die ebelften Ritter bewarben fih um ihren Dienft; 
Chriſt ian von Braunfhweig trug ihren Handſchuh am Hut und 
ließ in feine Fahnen feßen: Kür Gott und Ste.“ Friedrich V. 
erbaute ihr zu Liebe den fogenannten englifchen Bau, von dem nur noch 
wenige Trümmer erhalten find. 


3) Im fogenannten Stüdgarten flieht ein vierediger Eingangs» 
thurm, in deffen Zrümmern fih die Bilder biefer zwei Ritter befinden; 
es find eigentlich etwas unförmlide Schildwappen, bie troß ihres ko⸗ 
loſſalen Gliederbaues ſich ihre diden Spieße mit fammt dem filbernen 
Pfälziſchen Wappen, welches fie zu bewachen hatten, von ben Franzo⸗ 
fen entwenden ließen. 


4) Karl Ludwig, der Sohn Friedrichs und Eliſabeths, war 

33 Jahre alt, als ex nad dreißigjähriger Verbannung in fein Bater- 
fand zurüdfehrte. Die Pfalz war unterdeß eine Wüfte und dag Heidel, 
berger Schloß unbewohnbar worden. Diefer edle Fürft that Alles, was 
in feinen Kräften fland, um den äußern Wohlſtand, die bürgerliche 
Ordnung und bie Sicherheit feiner Länder wieder berzuftellen. Bor. 
feinem Ende mußte er aber noch die von Frankreich einbrechende neue 
Verwüſtung derfelben erleben. Da zeigte fh feine Gefinnung auf eine 
echt fürſtliche und ritterliche Weife. Als Ludwig XIV. die Republik 
Holland anfiel, hielt der Kurfürft zur rechten, entgegengefeßten Partei. 
Mehrere feindliche Heerhaufen verwüſteten die Pfalz und die gefammten 
Rheiniſchen Lande. Der Kurfürf, der fi von Heidelberg nad ber 
von ihm wieder erbauten Friepridhsburg begeben hatte, fah den 
Brand längs der Bergfiraße und wankte nicht. „So lange ih nur 
diefes habe» — ſprach er, ein Stück Schwarzbrod eſſend, — "fol 
mich feine Gewalt ſchrecken!“ — Es ift hier der Ort, zu erwähnen, 
bag der fogar von den Teutfchen hochgefeierte Türenne damals ein 
eben To arger Mordbrenner und Räuber war, ale Rochefort und 
Baubrün, als fpäterhfin Melac und Düras, als in unfern Ta- 
gen Davouft und Vandamme. Der gutmütbige Teutfhe hat aber 
von jeher diejenigen feiner Feinde, welche bie ärgfien find, weil fie 
durch einen Schein von Großherzigkeit gleifen, hochgeprießen und das _ 
gegen feiner eigenen Helden vergeſſen. Als der Kurfürft das Elend ber Pfalz 
nicht länger mit anfehen konnte, forderte er den franzöfifhen General 
zum Zweifampf. „Was Sie an meinem Rande verüben,” — fihrieb ex 
ihm — „kann unmöglich auf Befehl |des allerchriftlichfien ‚Königs ge⸗ 
ſchehn; ich muß es als Wirkung eines perfönlichen Grolls gegen mid 
betrachten, Es iſt aber unbillig, daB meine armen Unterthanen büßen, 


542 Heidelberg. 


was Sie vielleicht gegen mich auf dem Bergen haben, darum mögen 
Sie Zeit, Ort und Waffen beftinmen , unfern Zwift abzuthun.“ — 
Der große Türenne ftellte ſich aber nicht. 

Das Leben Karl Ludwigs böte einen ſchönen Stoff zu einer 
teutfchen Odyſſee. Seine Geburt von fo herrfihen Eltern, der Fall 
feines Haufes, feine Flucht als Kind, feine Wanderfhaft zum Groß⸗ 
vater nach England, die Wievereinfegung in feine Ränder, bie neue 
Berwüftung berfelben, und gleich nach feinem Tode der Ausbruch des 
Krieges wegen der Orleans'ſchen Erbfolge, der durch die unglüdliche 
Bermählung feiner Tochter veranlaßt war, verflochten mit den Ge: 
fhichten der Neformationen und des breißigjährigen Krieges; fein 
frommer Traum von der Bereinigung aller chrifilichen Eonfeffionen, 
welchen er einen Tempel der Eintracht in Frieprichsburg er⸗ 
baute, worin er neben feiner geliebten Raugräfin, Luiſe von De» 
genfeld, beflattet wurde, u. f. w., ein fo vielfältig beiwegtes Leben 
gäbe eine Fülle von Stoff für ein großes Gedicht. 


(Obige Roten von Mar von Schenkendorf ſelbſt, befinden fid in der Samm⸗ 
lung feiner fämmtlihen Gedichte. Berlin 1837. Seite 390 und ff.) 


Der SHerenbif. 


Am Heidelberger Schloß, am großen Thor, 
Da hängt ein dider Ring von Eifen vor. 


Wer ihn durchbeißt, erhält das Schloß zu eigen? 
Hat Niemand Luft, der Zähne Kraft zu zeigen. 


Ihr, die fo viele Haar’ ihr trägt darauf, 
Ihr Herrn Studenten, beißt doch an, wohlauf! 


An jenem Ringe fieht man noch den Riß, 
Den eine Her’ einft in fein Eifen biß; 


Beißt nach in's Loch, das fie vorausgefchafft! 
Und zeigt, daß Eure Kraft noch unerfchlafft! 


(Berge, Mone!s „Anzeiger 2,” 1835. ©. 306.) 
A. Schir. 


Heidelberg. 


Der Wiefenftein. 


Wo lockend das evele Heidelberg Liegt, 
Sich gaſtlich am grünlichen Nedar hinfchmiegt ; 


Da lagern viel ftattliche Berge gethürmt, 
Bon braufenden Winden und Wettern umflürmt. 


Noch prangete nicht auf dem Berge das Schloß, 
Nur's Städtlein fih thalwärts zum Nedar ergoß. 


Die milderen Lüfte, das üppige Grün, 
Das Raufchen der Waffer, im Thale das Blühn, 


Das hatte den Riefen gelodt und verführt, 
Der einen der Berge zur Wohnung erführt. 


Und als er zum erflenmal hält feine Raſt, 
Sieht's Städtlein mit Graun den unheimlichen Gaft; 


Er ſteht auf ber Kuppe ded Berges bort, 
Den Sohn auf dem Rüden an fiherem Ort. 


Gewanderrt feyn mußt’ er aus fremdem Land, 
Gar feltfame Pflanzen trug feine Hand; 


Mit Nägeln gar ſcharf gräbt er ihnen ein Grab, 
Und fenfet die Wurzeln der Neben hinab. 


Es wandert der Alte oft einfam aus, 
Und läßt den blühenden Knaben zu Haug; 


Der thut dann zum luſtigen Zeitvertreib 
Den Schiffern im Nedar viel arges Leid. 


Sp oft fih ein Segel den Bergen naht, 
Da finnt Schon der Erzfchelm auf böfen Verrath; 


Reißt Fichernd den, mächtigften Felsblock los, 
Und fchleudert ihn Teicht in der Waffer Schooß. 


844 | Heidelberg. 


Wenn hoch fi die Woge dann Fräufelt und fhäumt, 
Empor gleich dem Roffe der Kahn fi baͤumt; 


Dann fühlet der Knabe die fröhlichfte Luſt, 
Er wird ſich der eigenen Kraft bewußt; 


Vrergnüuget fih fo manch einfamen Tag, 
Treibt's Spielwerf den Schiffern zur Noth und Plag. 


Er ftauet mit Steinen den Nedar fo voll, 
Daß öfters aus feinen Ufern er quoll; 


Er fchleudert die Selfen fo Eunftreih und klug, 
Als ob eine Brück' er den Städtern ſchlug. — 


Einft fehrt von der Wandrung der Alte nah Haus, 
Er hatte beftanden den rühmlichften Strauß. 


Es jauchzt ihm das Herze, ale hoch auf den Höhn, 
Er fieht feinen Jungen fo ftattlih und fchön: 


„Ihr ziehet die Stirne ſtets finfter und kraus, 
Herr Vater, fo oft Ihr nur wandert hinaus; 


„Doch kehret Ihr mieder zur Heimath zurüd, 
Dann ftrahlet fo freudenverflärt Euer Blid. 


„Mich dürſtet's nach Thaten, es treibt mich zum Kampf, 
Aufwirbeln nur feh’ ih vom Stäbtlein den Dampf. 


„Herr Vater verfucht ed und nehmet mich mit, 
Zufrieden feyn follt Ihr mit meinem Ritt!” — 


mn Was fommt dir zu Sinnen, du winziger Daus? 
Du willſt in die Welt mir vor Zeiten hinaus 


„Herr Vater, fo prüfet nur einmal die Kraft, 
Die weichlih durch Müßiggang endlich erfchlafft 1" — 


„Und willſt du denn opfern ben Frieden zu Haus 
Dem Kampf mit dem Zwergen, dem nächtlichen Graus: 


‚Heidelberg. 545 


„So will ich zur Probe dir fegen ein Ziel, 
Das felbft deinem Bater nicht dünfet ein Spiel; 


„Und Löfeft vieleicht du's in Jahresfrift, 
Dann mögeft du wandern nad) eignem Gelüſt!“ 


Los reißt nun der Alte. den riefigften Stein 
Und wieget ihn erſt in den Händen fein; 


Er fchleudert ihn hoch und es braufet die Luft, 
Wild brauſt e8 das Echo durch Thäler und Kluft; 


Erft jenfeits des Nedar’s der Urgranit 
Mit Donnergepolter hernieberglitt. 


Als das der Junge vollendet fieht, 
Bor Freude fein ganzes Wefen erglüht; 


Er reißt einen Felsblock fi) Tachend los, 
Noch einmal fo ſchwer, noch einmal fo groß, 


Und ſchleudert ihn hoch — daß die Gegend erbebt — 
Auf den erften, den er im Falle begräbt. 


Als nun dieſes Wunder ber Vater erfchaut, i 
Vor'm eignen Sohne dem Alten es graut. 


Nachdem er noch einmal gemeſſen ben Sohn, 
Dreht flumm er den Rüden und fchreitet davon. 


Und fröhlichen Sinnes, ein mächtiger Held, 
Zieht jubelnd der Sohn in bie weite Welt, 


Wohin die beiden Riefen gewallt, 
Die Kunde davon wohl nirgends erfchallt. 


Nur beide Felfen im fühlen Grund 


Nennt Riefenftein noch des Volkes Mund. 
Heinrich Künzel. 
Aus be Pedichtſammlung: „Fliegende Blätter” von H. Künzel. Frankfurt 





Il. 39 


546 Heidelberg. 


Der Wolfsbrunnen. 


Als der bei. Heidelberg liegende, nun Settenbühl genannte 
Hügel noch dichter Wald war, wohnte in feinen Schatten eine 
Seherin, Namens Jetta. Doch und würdevoll warihre Geftalt und 
in Schönheit und Anmuth der einer Unfterblichen glei. Ein ebler 
Jüngling aus dem Franfenvolfe, zu dem der Ruf von dieſer 
Seherin gedrungen war, faßte den Entſchluß, fie aufzuſuchen 
und fie über fein Fünftiges Schidfal zu befragen. Sein Herz 
fannte feine Furcht; ald er aber nun in ihrem Haine vor ihr 
fand und eine Jungfrau aus Walhalla zu erbliden wähnte, ge- 
rieth er in Verwirrung und konnte vor einer Weile feine Ans 
rede nicht vorbringen. Endlich fprach er in fhüchternem Tone: 
„Hohe Jungfrau! Dir ift, wie mir der Ruf verfündet, bie gött- 
lihe Gabe verliehen, Kar in die Zufunft zu ſehen; wollteft du 
mir nicht auch weiffagen, welch ein Loos meiner wartet?“ — 
Setta warf einen forfihenden Blick, der aber bald in ein wohl- 
gefälliges Lächeln überging, auf den jungen Helden und er- 
wieberte: 

„Morgen Abend, fobald fi) die Sonne zum Untergange 
neigt, ftelle Dich wieder hier bei mir ein; ich will indeflen bie 
Runen über deine Zukunft befragen !« 

Der Ssüngling verfehlte nicht, des andern Tages pünktlich 
um die beflimmte Zeit im geweihten Haine zu erfheinen. Er 
traf die Seherin in trübe Gedanken verfunfen. „Was haben die 
Runen geantwortet ?” frug er leife. Jetta fehüttelte wehmüthig 
das Indigte Haupt und erwieberte mit einem Seufjer: „Die 
Deutung ift mir nicht ganz klar geworden; allein ich fürchte, 
unfre Lebenöfterne berühren ſich.“ 

„Dann wär’ ich ja überglücklich!“ — rief der Jüngling, ihr 
zu Füßen flürzend und ihre Hand ergreifend, bie er mit glü- 
henden Küffen bebedte. — „Wilft Du denn bein Loos an das 
meinige fnüpfen 2” — fragte die Jungfrau. "Der Jüngling ſchwur 
ihr bei allen Göttern, fortan nur ihr allein anzugehören. 

„Dann muß unfer Glück vor ben Augen ber Menfchen vers 
borgen bleiben!“ — flüfterte mit bebenden Tippen bie Seherin 
und bezeichnete ihm die Duelle, die nahe bei jenem Haine fprus 


Heidelberg. 547 


delte, zum Ort ihrer ferneren Zufammenfünfte, wozu jedoch 
nur die Nacht gewählt werben dürfe. Aber ſchon in der erften 
Nacht, als der Liebeglühende Jüngling zur Duelle fam, bot 
fih ihm ein entfegliches Schaufpiel dar: Jetta Tag, bereits leb⸗ 
los, unter den Klauen eines mächtigen Wolfes, der ihre zarten 
Glieder zerfleifchte,, zu Boden. Der Mond beleuchtete die gräß- 
liche Scene. Der Jüngling flürzte augenblidlic mit gezücktem 
Schwert auf das Unthier los, welches ihm nach kurzer Gegen- 
wehr, von feiner Klinge durch den dampfenden Schlund ge- 
bohrt, erlag. 

Dann begrub er feine geliebte Jetta unter heißen Thränen 
an der Duelle und fih felbft in die Waldeseinfamfeit einer 
Klaufe nahe dabei, "wo er wenige Monde darauf aus Schmerz 
auch fein Leben verhauchte. 

Seit jener Zeit führt die Quelle den Namen Wolfs⸗ 
brunnen. 

(S. Al. Schreiber's „Sagen 2c.”) 

(Ferner: „Die Sage vom Volfsbrunnen.‘ Bon Amalie von Hel⸗ 

wig, geb. v. Imhof. Holbg. Engelmann. In verfchiedenen Ausgaben.) 


Die Sage vom Wolfsbrunnen. 


- (Metrifhe Berfion.) 


Schon fpiegelt auf des Nedars Fluth 
Der Mond fein wachfend Horn ; 
Wer wallt noch flinf und wohlgemuth 
Waldein zum grünen Born? 


Ein Mägdlein iſt's, vom Settenbühl 
Die fhöne Seherin; 
Setreuer Minne Machtgefühl 
Ermuthigt ihren Sinn. 


Allabendlih zum Waldborn fam 
Ein fremder Jägersmann, 
35 


548 


Heidelberg. 


Ein Rede fühn und minnefam, 
Den Jetta liebgewann. 


Dft bei Des Mondes Dämmerſtrahl 
Hat fie der Duell belaufcht, 
Da ward gefoft fo manches Mal - 
Und Kuß um Kuß getauft. 


Auch heute wagt fie ihm zur Huld 
Den fpäten Pilgergang, 
Bor heißer Herzensungeduld 
Deucht ihr der Pfad fo lang. 


Sie hat nicht Ruh, le Hat nicht Raft, 
Es drängt fie mehr und mehr, 
Waldvöglein fang vom Tannenaft: 

„O eile nicht fo ſehr!“ 


Bald naht dem Ziel ihr flinfer Fuß, 
Sie fieht, von Buſch umzweigt, 
Den Buhlen fhon: „Mein Schag, biſt du's 9* 
Er vegt ſich nicht und ſchweigt. 


Da flog das Mägdlein fehnfuchtsfchnell 
Ihm zu — mit Ungeftüm 
Umfängt fie, weh! nicht ihr Gefell, — 
Ein lechzend Ungethüm. 


Ein Wolf, der dort den Durft geftillt, 
Hält gierig fie umflaut, 
Vom Blut, das ihrem Leib entquillt, 
Wird Bufh und Moos bethaut. 


Hört in der Runde denn fein Ohr 
Ihr herzzerreißend Schrei’n ? 


„DO Baidmann! Waldmann, fomm hervor, 


Dein Liebchen zu befrei'n!“ 


Heidelberg. 549 


Horch auf! er if’, er eilt herbei, 
Gewaltig trifft fein Streid, 
Das Unthier flürzt, bie Maid ift frei, 
Doc leichenkalt und bleich. 


Sie blickt zum letzten Mal ihn an, 
Der Glück und Tod ihr gab, 
„Bahr wohl, berzlieber Jaͤgersmann! 
Mein Brautkranz fällt in’d Grab.” 


Ihr Auge brach am Jettenbühl, 
Wo lebend ſie gehauſt; 
Da ruht die Jungfrau tief und kühl, 
Von Neckarfluth umbrauſt. 


Bei Heidelberg im Pfälzerland 
Begab fich dieſes Leid; 
Wolfsbrunnen ward der Duell genannt 
Sofort von jener Zeit. 


Dies Lied findet fi, ohne Angabe des Verfaflers, in 3. Baader’s 
„Sagen des Nedarthals, der Bergſtraße und des Odenwalds sc. (Mann 
heim. Baffermann. ©. 137 und ff.) nebft folgenden Noten : 

Die ältefte Kunde berichtet: Einf habe die Zauberin Jetta, bie 
auf dem Schloßhügel bei Heidelberg haufle, an einem fonnigen 
Tage ihre Wohnung, eine alte Kapelle, verlaffen, um ihren müben 
Geift durch einen Spaziergang auf den Bergen zu erquiden. Das Schick⸗ 
fal Habe ihre Schritte über die Hügel in ein Thälchen geleitet, wo bie 
bichtefte Waldung den moofigen Boden bededte. Entzüdt von dem rau» 
ſchenden Gewäfler und dem fühlen Schattengrunde, fey fie an der Duelle 
daſelbſt niedergefnieet, um die glühenden Lippen in den klaren Wellen 
‚zu erfrifchen. Da habe eine hungernde Wölftn fle erblickt, und plötzlich 
mit ihren Jungen aus dem Gebüfche hervorſtürzend, die Weiffagerin, 
bie flehend ihre Hände um Rettung zum Himmel erhob, auf der Stelle 
in Stüde zerriſſen ıc. 

Nach mehreren Schriftftellern fol diefe Jetta Niemand anders 
als die Belleda der Bructerer gewefen ſeyn, was jedoch gewiß 
eine grundloſe Behauptung iſt. Aus römifchen Hiftorilern erfehen wir 
blos, daß Velleda gefingen nad Rom geführt wurbe; daß fie aber 
jemas zurückgekehrt, darüber mangeln uns alle Nachrichten. Sehr an⸗ 
muthig erzäpft Hat Amalie von Helmwig, geb. v. Imhofkt, die 
„Sage vom Wolfsbrunnen.“ 


550 Heidelberg. 


Der Rolfsprunnen bei Heidelberg. 


(Andere Berfion.) 


Sinnend unter Buchenbäumen 
Setta faß, die Seherin, 
Saß vertieft in ihren Träumen, 
Blickte traurig vor fich hin. 
Und zu ihren Füßen fpielte 
Kiefelflar ein frifher Duell; 
Jetta, warum bu fo düſter, 
Und die Duelle doc fo heil? 


Fraget nicht, fie hat gelefen 
In den Runen ihr Geſchick. 
Heiter war ſie einſt geweſen; 
Ach, zerſtört nun iſt ihr Glück! 
Fluch dem Blick in künft'ge Tage! 
Unglückſel'ge Seherin! 
Haft dein Todesloos erſpaͤhet! 
Deine Ruhe iſt dahin! 


Sp, in Träume hingeſunken, 
Hörte ſie den Jüngling nicht, 
Der, die Aeſte vor ſich theilend, 
Aus dem Buchendunkel bricht; 
Sah nicht, wie er, tief erſchüttert, 
Stille ſteht vor ihrem Bild, 

Wie vom Götterſtrahl getroffen, 
Wie von Himmelsluſt erfüllt! 


Und ſo ſtand der Juͤngling lange, 
Bis ſie, aus dem tiefen Traum 
Aufgewacht, nach Oben ſchaute 
Zu dem blauen Himmelsraum. 

Da, geheimnißvoll durchſchauert, 
Fiel auf ihn ihr Seherblid, 

Und von höh’rer Luft ergriffen 
Fuhr er gluthentbrannt zurück: 


Seidelberg. 551 


„Seherin, ich bin gelommen 
Aus dem fernen Franfenland, 
Mein Geſchick von dir zu hören, 
Wie fih’3 in den Runen fand.” 
Und er wollte weiter reden, 
Doch im Herzen blieb das Wort, 
Nur die Röthe feiner Wangen 
Sprad es Teife für fih fort. 


Und, wie von ber Abendröthe 
Nofenfcheine überftrahlt, 
Glühend roth die Wolfen glänzen, 
Keurig fih der Himmel malt, 
Alfo faß, von Gluth umfloflen, 
Setta bier am Quellenrand: 
„Morgen folft du Alles hören, 
Wie ich's in den Runen fand !" 


Als der Morgen war gefonmen, 
Stand der Jüngling wieder ba, 
Und die Seherin verfündet, 

Was fie in den Runen fah:' 
„Fremdling, deines Lebens Loofe 
Knüpfen fih an meine an; 
Denn mit Jetta follft Du geben 
Zu Walhalla's Burg hinan !« 


Da, im Uebermaß der Wonne, 
Daß nicht Wahnfinn fey fein Traum, 
Wirft er fich zu ihren Füßen 
Freudetrunken, glaubt es kaum; 

Und wie einem Heil’genbilbe 
Küßt er zagend ihre Band; 
Und die Herzen find vereinet, 
Und gefchlungen ift das Band. 


Bon der Heimath weit getrennet, 
Ferne von des Baterd Haus, 


Heidelberg. 


Hat er Setta ſich verſchworen, 

Bis ihm loͤſch' Das Auge aus. 

Hier, beim Schein der flillen Sterne, 
Sol er ruhn an ihrer Bruft, 

Sn dem heil'gen Buchenhaine 
Trinken füge Liebesluſt. 


Sp von Sehnſucht heiß erglühet, 
Bis Die Sonne wieder finkt, 
Und zum fel’gen Wiederfehen 
Abendſtern ihm freundlich winkt, 
Irrt er auf den grünen Hügeln, 
Auf den Schlöffern rings umher; 
Denfet nur der Sternenflunden, 
Denft nicht feiner Heimath mehr! 


Aber, ah! als er fo glühend 
Dei dem nächſten Sternenfchein 
Zu der Duelle wieder eilet, 

Hin zu Jeita's heil’gem Hainz 
Ach! die Seele muß vergehen 
Bor dem fohredlichen Geficht, 
Das fich gräßlich ihm enthüllet, 
Als er durch die Zweige bricht. 


Die er wähnte zu begrüßen, 
Zu umfaffen liebentbrannt, — 
Setta liegt im Todesblute 


An der fühlen Felfenwand ! 


Wo ihr himmelblaues Auge 
Lächelte ihn freundlich an, 
Grinft ein Wolf und firedt die Zunge 


‚Blutgefärbt zu ihm heran! 


Bon Berzweifelung ergriffen 
Stredt er ſchnell das Unthier hin, 
Mirft ſich auf die ſchöne Leihe — 
Eine Sonne im Berglühn! — 


Heidelberg. 553 


Und, von wilden Zahn zerfleifchet, 
Liegen Glieder rings herum! 

Eine free Mördergrube 

Iſt das file Heiligthum! 


Biele Jahre find verfloffen, 
Doch die Duelle riefelt fort 5 
Und die Buchenbäume flüftern 
immer noch von Jetta's Mord; 
Selbſt die Goldforellen unten 
Sn des Brunnens tiefem Grund, 
Laufchend auf der Blätter Säufeln, 


Tragen ihn von Mund zu Mund! 
Fliegendes Blatt. 


Am Wolfsbrunnen bei Deidelberg. 


Du edler Brunnen du, mit Ruh und Luft umgeben, 
Mit Bergen hier und dort ald einer Burg umringt, 
Du herrlichſter der Quell'n, aus welchem Waffer dringt, 
Anmuthiger denn Milch und Föftlicher denn Reben. _ 


Du unfers Landes Kron’ und Haupt, in feinem Leben 
Die werthe Nymph' oft felbft die lange Zeit verbringt, 
Du, dep’ Geflügel ihr zu Ehren Lieblich fingt, 

Wo nur Ergöglichkeit und keuſche Wolluſt ſchweben. 


Vergeblich bift Du nicht in dieſes grüne Thal 
Beichloffen von Gebirg und Klippen überall; 
Die fünftfiche Natur hat darum dich umfangen 


Mit Klippen und Gebüfh, auf dag man wiſſen foll, 
Daß alle Fröhlichfeit fey müh- und arbeitsvoll, 


Und daß auch nichts fo ſchön, es fey ſchwer zu erlangen. 
Martin Opig. 


954 


Deidelberg. 


Der Settabühl. 


Als noch im Reiche der Germanen 
Der Adler Roms fein Neft gebaut, 
Als in den Wäldern unfrer Ahnen 
Des Ehriftenthumes Morgen graut’, 


Und unter taufendfähr’gen Eichen 


Der Barde feine Lieder fang, 
Da war ed, als aus diefen Zweigen 
Prophetifch manches Wort erflang. 


Noch prangten hier nicht kühn Paläfte, 
Bon wilden Leben laut durchbrauſt, 
Noch wehte Frieden Durch die Aefte, 

In deren Schatten Jetta hauft. 

Bon Gottes Geift hHinweggeriffen 

Aus einer Welt vol Wahn und Schein, 
Sog aus des Waldes Finfterniffen 

Sie hier nur Troft und Frieden ein. 


Don der Begeiftrung Schwung getragen, 
Umrauſchet von der Dichtung Weh’n, 
War ihr die Zukunft aufgefchlagen, 
Das Fernfte fah fie vor fih flehn. 
Bon nah und weit, von jedem Orte 
Zog man zum Settahügel hin, 
Zu laufchen dort dem Seherworte 
Der jungfräulichen Zauberin. ?) 


So ftand fle einſt im Abendftrahfe, 
Weit flatterte ihr weiß Gewand, 
Die Blicke ruhten auf dem Thale 
Und auf dem Bufen ihre Hand. 
Wie glänzen ihre blauen Augen 
In wunderbarem, büftern Licht! 
Ein höh’red Sein ſcheint aufzutauchen, 


Entzücken ftrahlet ihr Geficht. 


Heidelberg. 555 


„Ihr alten Eichen, ihr müßt fallen!” — 
Sp ruft fie hochbegeiftert aus — 
„An eurer Stätte tragen Hallen 
Und fohlanfe Säulen bald ein Haus, 
Das, wechfelnd in der Zeiten Drange, 
Erglänzen wird in ſtolzer Pracht, 
Und deſſen Ruhm Jahrhundert lange 
Durchleuchten wird des Reiches Nacht. 


„Doch Frühlingsluft weicht Sommersgluthen, 
Dem Winter wird der Herbſt zum Raub, 
Allmächtig iſt der Zeiten Fluthen, 

Es reift die Frucht, es ſinkt das Laub. 
So wird auch dieſes Schloß zertrümmern, 
Zerſtäuben ſeine Herrlichkeit; 

Doch feine Söhne werden ſchimmern 
Im Glanze der Unfterblichfeit ! 


„Und wenn die rohe Kraft erlegen, 
Dann wird die Weisheit auferflehn, 
Und fröhlich wird ihr reicher Segen 
Durch diefes Thales Gründe wehn. 
Erwachen wird ein edles Streben 
In jedes guten Menfchen Bruft, 

In Harmonie löſt fih das Leben, 
Und felbft das Sterben wird zur Luft.” — 


So rief fie Taut, und Ahnungeſchauer 
Durchrieſelten die Scherin. 
Wehmüthig raufcht, in tiefer Trauer, 
Der Wind durch ihre Eichen Hin. 
Sie ging, gebeugt von heilgen Sorgen, 
Wohl tiefer in den düftern Wald, 
Doch fand fie fhon der nächſte Morgen 
Am Fuß des Hügeld tobt und Falt. 

Heribert Nam. 


1) Nach den alten Epronifen und der allgemeinen Volksſage wohnte 
zur Zeit der Brufterifchen Seherin Velleda eine Jungfrau, Namens 
Jetta, auf dem Hügel, worauf jeßt das Heidelberger Schloß fteht 


556 Heidelberg. 


und welcher noch der Jettabühl genannt wird. Sie hielt fih in 
einer uralten Kapelle auf, deren Trümmer noch zur Zeit, als der Pfalz 
oraf Frie der ich (um's Jahr 1544) einen ſchönen Palaft baute, wel⸗ 
then man den „neuen Hof” nennt, zu fehen waren. Diefes Weib war 
wegen ihrer Wahrſagekunſt weit und breit berühmt, verließ aber nur 
felten ihre Kapelle, wahrſcheinlich um fih ein geheimnißvolleres An- 
fehen zu geben. Ward fie um Rath gefragt, fo gab fie Antwort durd 
ein kleines Fenſter, ohne fich felbft fehen zu laffen. Unter Anderm ver» 
fündigte fie in Reimfprüdhen: ⸗Es wäre über ihren Hügel befchloffen, 
daß er in künftigen Zeiten von hochfürſtlichen Männern, welche fie mit 
Namen nannte, follte bewohnt, bewehrt und geziert, und das Thal 
unter demſelben mit vielem Volk befeßt werden.“ 
(3. Baader’s „Sagen ver Pfalz, des Redarthals 20.) 


Der Königsſtuhl. *) 


Gar treuherzig erzählen Joh. Sabellicus und Johann 
Agrikola, auf der Spise dieſes Berges habe ein alter teut- 
fher König, Eftermann mitNamen, fid) um 2250 vor der 
riftlichen Zeitrechnung einen Stuhl oder Sit gebaut, und 
diefer fey von Caroceus im Jahr 442 nah Chr. G. zerftärt 
worden, ‘ 

Noch in fpäter Zeit fland auf der Spike des Berges eine 
mächtige Eiche mit Sigen, welche man den Königsſtuhl nannte, 
Es ift Darum nicht unwahrfcheinlich, daß einer der fränfifchen 
oder teutfchen Könige diefen Berg beftiegen, ſich unter der Eiche 
ausgerubt, und die Stelle Davon den Namen erhalten. Oder 
follte der gepflafterte Hinweg auf ein höheres Alter deuten und 
auf diefer Höhe ein Kaftell geftanden haben ? 

(S. „Heidelberg und feine Umgebungen,” von A, Schreiber, Heidbg. 1811.) 
*) Seit Kaifer Franz t. 3. 1815 diefen Ort befuchte, wurde ber 
Name zum Kaiſerſtuhl erhoben. Auf der Spibe des Berges warb 


1832 , aus freiwilligen Beiträgen, um der herrlichen Ausficht willen, 
ein Thurm erbaut. 


— — — — — 


Heidelberg. 557 


Der Heiligenberg. 


Vom fhöngglegenen Dorfe Neuenheim *) aus führt der 
"am wenigftien mühfame Weg auf diefen Berg, ber fi 1320 
Pariſer Fuß über den Spiegel ded Mittelmeers erheben fol. 
Ein Pfad windet ſich durch reiche Pflanzungen von Reben, Obft- 
und Kaftanienbäumen zu feinem Gipfel empor, den anmuthige 
Laubwaldung umfränzt. Wahrfcheinlich ift Diefer Berg der Mons 
Pyrus, welchen Ammianus Marcellinus erwähnt. Die Römer 
meihten ihn dem Merkur. Zwei bier befindliche Höhlen, Die 
Heidenlöher genannt, und mancherlei daſelbſt gefundene 
Alterthümer erinnern fowohl an römische Nicderlaffungen, als 
an bie urteutfche Zeit; auch hat man noch Refte eines römifchen 
Kaſtells entdedt, das ohne Zweifel von den Franken ober 
Alemannen zerflört wurde. In der hriftlichen Zeit erhielt 
diefe Höhe den Namen Abrabamsberg, und die Abtei 
Lorfch ließ hier ein Benedictinerffofter bauen, von dem man 
nur noch einige Trümmer fieht. Die Benennung Heiligen 
berg fol im eilften Jahrhundert entftanden feyn, weil Damals 
ber von feinen Mönchen vertriebene Abt des Kloſters Hirfhau 
bei diefen Benedictinern eine Zufluchtsftätte gefunden, und fpäter 
unter die Heiligen verfegt wurde. Nach der Volksſage war 
au in der Vorzeit eind der Heidenlöcher durch einen un- 
terirdifchen Gang, der einen Tunnel unter dem Nedar bildete, 
mit den Gewölben des Heidelberger Schloffes verbunden. **) 
Auf dem Gipfel des Berges entzüdt ung eine herrliche Ausficht. 


(Bergleihe K. Geib'!8 „Malerifh Hiftorifhe Schilterung der Nedargegenden 20. 
Seite 37). 


*) Im Ichten Haufe diefes Dorfes fol Luther auf feiner Reife 
zum Wormfer Reichstag übernachtet haben. 

xx) Vom Schloſſe geht ein unterirdifcher Bang, unter dem Nedar 
binweg, auf den Heiligenberg, in beflen Tiefe reiche Schäße, 
und auch die zwölf Apoflel von gediegenem Silber, verborgen Liegen. 

(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg, 1838.) 








508 Heidelberg. 


Puncker von Rohrbach. 


(Seitenftüd zur Wilhelm Tell’ 8-Sage.) 


Der Pfalzgraf zu Nhein, Ludwig der Bärtige ge 
nannt, weil er feinen Bart mit bejonderer Sorgfalt pflegte, 
hielt im Jahr 1426, nachdem feinem Gebiete Kaiferliche Län⸗ 
bereien zugefallen waren, das feſte Schloß Lindendbrunnen 
um deßhalb belagert, weil die Burgbewohner mehrmals räu- 
berifche Streifzüge in die Umgegend unternommen hatten. In 
feinem Gefolge befand ſich ein Scharffehüge, Namens Punder 
von Rohrbach, *) welcher im Gerude der Zauberei fland 
und ein folcher Künftler auf der Armbruft war, daß er auf) 
das Hleinfte und fernfte Ziel niemals verfehlte. In kurzer Zeit 
war bie ganze Befagung des belagerten Schloffes, auf ihren 
jeweiligen Ausfällen, den Bolzen des furchtbaren Scharfihügen 
erlegen. 

Ein folder Dann konnte nicht anders als dem Pfalzgrafen 
gefährlich erfcheinen und mußte ihn für fich ſelbſt fürchten laſſen, 
fo treffliche Dienfte im Feld und auf der Jagd er ihm Teiitete, 
Um ihm nun eine Falle zu ftellen und ihn zum eigenen Ge⸗ 
fländniß feiner Zaubereien zu bringen, befahl er ihm eines Ta= 
ges, feinen Knaben fih zum Ziele zu nehmen, demfelben einen 
Pfennig aufs Barett zu legen und dieſen, ohne das Barett zu 
verlegen, mit einem Pfeile vom Kopfe feines Söhnchens her- 
unterzufchießen. Erfül? er dieſe Bedingung nicht, fo fey er des 
Todes. Lange weigerte fih Punder, mit der Entfehuldigung, 
der Teufel könne ihm möglicherweife die fonft fo fichere Hand 
fehllenfen, und dann fey er ihm und dem ewigen Untergang 
verfallen. Doch alle Bitten und Befchwörungen fiheiterten an 
bem harten Herzen des Pfalzgrafen: Der Knabe, mit dem 
Barett und dem Pfennig auf dem Kopfe, mußte fih in einer 
gewiffen Entfernung als Ziel ftelen. Da zog der unglüdliche 
Bater, nachdem er einen Bolzen der Armbruft aufgelegt hatte, 
einen zweiten Pfeil hervor und ftedte ihn in feinen Koller, 
worauf er losdrückte und den Pfennig, ohne das Barett nur 
zu fireifen, glüdlih vom Haupte des Knaben herunterfchoß. 


*) Dorf, 1 Stunde fühweitlih von Heidelberg. 


Heidelberg. 559 


Auf die Frage des Pfalzgrafen, zu welchem Zwed er einen 
zweiten Pfeil in fein Koller geftedt habe, gab ibm Punder 
zur Antwort: „Wenn id, von dem Teufel, ob folder Ver⸗ 
fuchung mißlenft, meinen Knaben erfchoffen hätte, dann Herr, 
würde ih augenblidiih, da ich Doch in dieſem Falle dem 
Tod wäre geweiht gewefen, Euch felbft mit diefem andern 
Pfeile durchbohrt, und fo meineg Sohn gerochen haben!” 


Ueber das Weitere fchweigt die Sage, welche Tateinifch im berüch- 
tigten Buche: ‚‚Malleus Maleficarum ‚‘“ („Heren-danmer-), lib. I. 
cap. XVI. und als Auszug auch im II. Bande der „Schriften des Ba- 
diſchen Altertfumsvereing ‚« Seite 250, zu finden ifl. Im Teßterem 
fügt Mone folgende Anmerkung bei: 

„Die Heimath dieſes Mannes iſt in dieſer Sage auch genannt, 
nämlih Rohrbach (bei Heidelberg) Wormatiensis dioecesis. (Im 
Wormfer Kirchenfprengel). Die Mebereinftimmung mit der Sage vom 
Tell if augenfällig, nur if der Schuß noch Fünftlicher, nämlich nad 
einem Pfennig (denarium) flatt nach einem Apfel; deshalb erklärt 
aber auch bie Sage den Punder für einen Herenmeifter (Maleficus). 
Der Malleus maleficarum wurde um 1396 gefchrieben, und da der 
Berfafler in biefer Sage um 60 Jahre zurüdweift, fo würde der Scharf- 
fhüße Punder in das Jahr 1426 fallen und ver bärtige (bort unge 
nannte) Fürſt war demnach Tein anderer, als der Pfalggraf Ludwig 


Der Bärtige, welcher 1436 flarb.- 
AH. Schzlr. 








+29 Ge 








Neckarthal und Odenwald. 


S0 


Der Ritter von Angeloch. *) 


Als der heil. Bernhard im Dome zu Speyer das Kreuz 
predigte, ließen fich viele Edle am Rhein damit bezeichnen und 
unter ihnen auch der Ritter von Angeloch, deffen Burg einige 
Stunden von Heidelberg lag. Er hatte eine junge ſchöne Gat- 
- tin und zwei hoffnungsvolle Knaben; aber fo fehr auch fein 
Herz an Weib und Kindern hing, fo fiegte Doch die fromme 
Schwärmerei jener Zeit über feine zärtlichen Gefühle, und er 
ſchloß fich den Zügen der Kreusfahrer an, nachdem er feine Lie⸗ 
ben dem Schuße des Ritters Konrad von Asbach empfohlen, 
der am Nedar wohnte und zwar ein tapferer, aber auch) äußerft 
habfüchtiger, überdies fchnöden Lüften ergebener Mann war, 
welche Fehler der Ritter von Angeloch freilich nicht in ihm ver⸗ 
muthete. 

Ein Jahr war ſeit des Letzteren Abreiſe verfloſſen, als ein 
Knecht deſſelben mit der Trauerbotſchaft aus Paläſtina heim⸗ 
kehrte, ſein Herr ſey in einem Gefechte mit den Ungläubigen an 
feiner Seite gefallen. Als Wahrzeichen übergab er der Frau 
Irma den Ring, welchen er ihrem fterbenden Gatten vom 
Singer gezogen. 

Die unglüklihe Wittwe verfanf in troftlofen Schmerz. Ste 
hüllte fih in Trauerkleider und ließ viele Meſſen Iefen für bie 
Ruhe des Hingefhhiedenen. 

Sp gingen ſechs Monate vorüber, während welder Zeit 


*) Schloß und Pfarrdorf, von Nedargemünd anderthalb Stunden ſüdöſtlich entfernt. 


Redartpalund Odenwald, 564 


Frau Irma eingezogener als eine Wittwe Iebte und fi außer 
ihren gottesdienftlichen Uebungen blos noch der Erziehung ihrer 
beiden Knaben widmete. Da befuchte fie eines Tages der Ritter 
von Asbad auf ihrer Burg und warb um ihre Hand, was fie 
aber auf glimpfliche Weiſe ablehnte. Dies hielt ihn jedoch nicht 
ab, feine Bewerbungen, und zwar immer zubringlicher, zu 
wiederholen, bis Frau Jrma rund und beftiimmt erklärte, fie 
werbe niemals zu einer zweiten Ehe fchreiten. Nun warf ber 
ungeflüme Dränger bie heuchlerifche Maske ab, die er ald Schußs 
best der Wittwe angenommen und Yieß diefelbe willen, fie habe 
nun feine andere Wahl mehr, als feine Hand oder feine Feind⸗ 
fhaft, die auch ihre Söhne nicht verfchonen werbe. 

Frau Irma wurde von Todesangft ergriffen. Gerne hätte 
fie das Leben für ihre Kinder hingegeben, allein das Opfer, 
welches fie bringen follte, war größer. Nichte aber iſt zu fchwer 
für ein Mutterherz. Sie entfchloß fich endlich, die Gattin bes 
yon ihr verabfcheuten Mannes zu werden, nur bat fie, das 
Trauerjahr als Wittwe ganz vollenden zu dürfen, welche Be⸗ 
willigung fie nur mit Mühe vom Ritter von Asbach erhielt. 

Wieder gingen ſechs Monate vorüber und der Tag rüdte 
heran, an welchem Irma ihren Wittwenfchleier mit dem Braute 
gewande vertaufihen follte. Je näher aber der gefürchtete Zeit- 
punkt fam, defto unfäglicher warb ihre Dual. Sie zerfloß in 
Gebet und Thränen und verließ am leuten Tage vor der Ver⸗ 
mählung faum für Augenblide die Schloßfayelle. Ihr Beicht- 
vater fprac ihr Troft zu und ermahnte fie zum Vertrauen auf 
Gott, der ja dem Menfchen nicht mehr aufzulegen pflege, als 
er zu tragen im Stande. Da ihr Leiden ein unverfchuldetes fey, 
bleibe ihr ja der Troftg eines reinen Gewiſſens. — Die Worte bes 
frommen SPriefters übten eine wunderbare Wirkung auf die ges 
beugte Frau, fie fühlte fih im Innerſten erleichtert und ver⸗ 
ließ die Kapelle weit gefaßter, als fie diefelbe betreten hatte, 

Noch am Abend des nämlichen Tages kam ein Pilger in 
das Dorf, welches in geringer Entfernung von Burg Anges 
loch lag. Der Mann war in einen langen, dunklen Mantel 
gehüllt; aus ber zurüdgefchlagenen Kaputze blisten ein paar 
fühne Augen; das Haar fehlen frühzeitig ergraut; die Züge 
bes Antliges waren fein, die Wangen yon -Wind und Wetter 

II 36 





562 Redartbalund Odenwald. 


gebräunt; um bie ſchön geformten Lippen lag aber ein Aus; 
druck von Bitterfeit, der nur zuweilen einem freundlichen, vers 
traueneinflößenden Lächeln wid). 

Auf feinem Gange durch das Dorf fehien der Fremde noch 
unentfchloffen, wo er einfehren follte, bis er endlich den Weg 
zu ber Schenfe einfhlug, die das äußerſte Haus des Dorfes 
war. Hier zog er feine Kaputze über den Kopf und trat in bie 
Stube. 

„Volt Ihr einem Pilger eine Nachtherberge geben ?” — 
frug er den Wirth, 

„Recht gerne, warum denn nicht?” — erwieberte biefer 
freundlich und wies dem neuen Gafte einen Platz an dem Tifche 
an, woran bereits der Schmied, der Wagner und der Fleifcher 
des Dorfes bei einigen Kannen Bier faßen. Der Pilgrim zog 
es jedoch vor, fih an einem Nebentifche niederzulaffen und 
ſchien wenig Luft zu haben, an der Unterhaltung der Anderen 
Theil zu nehmen. Bald aber lenkte ihr Geſpräch, welches fi 
über die morgen flattfindende Bermählung der Edelfrau von 
Angeloch verbreitete, feine volle Aufmerffamfeit auf fih. Wer 
ihn in diefem Augenblide beobachtet hätte, müßte bemerft has 
ben, daß eine Leichenbläffe fein Antlig überzog und er am 
ganzen Körper zitterte, wie vom Fieberfrofte gerüttelt. — „Die 
arme gnädige Frau!” — rief der Wirth — „man raunt fich 
fchredfiche Dinge ind Ohr über das Verhältniß des Ritters 
yon Asbach zu ihr.’ — „Nein, man fagt’s fa laut und öffent⸗ 
lich“ — fiel der Schmied ein; „der ſchlimme Ritter hat ihr 
gedroht, ihre Kinder umbringen zu laſſen, wenn fie nicht mor⸗ 
gen freiwillig ihm ihre Hand vor dem Altare reiche.“ 

„Weiß man denn fo gewiß, daß ihr Gemahl in Paläftina 
den Tod gefunden?” fragte jet der Pilger mit bebender 
Stimme. 

Der Wirth erzählte den Bericht des Knechtes, welcher ben 
Ring des Ritters von Angelo ald Wahrzeichen heimgehracht 
hatte. “ 

„Der Knecht hat nicht gelogen ;” — verfehte der Pilger — 
„deffenungeachtet befindet fi aber ber Ritter von Angelo 
noch unter den Lebenden.” 





Nedartpalund Odenwald. 563 


„Waͤr's möglich!” — riefen Wirth und Gäfte wie aus einem 
Munde. 

„Sp iſt es;“ — erwiederte der Pilger, — „denn ich habe 
bie Nüdreife aus Paläftina nach Teutfchland an feiner Seite 
gemadt.« 

„Seine Wunde war alfo nicht tödtlich 9" fragte der Wirth. 

„Er lag ſchwer getroffen von einem Kolbenfchlage wie ein 
Todter unter dem Haufen der Gefallenen; aber glüdlicher Weife 
blieben die Chriften zulegt Herren des Schlachtfeldes, und als 
man den Ritter von Angeloch mit den übrigen Erfchlagenen be⸗ 
graben wollte, ward man noch einige Zeichen des Lebens an 
ibm gewahr und brachte ihn in ein benachbartes Hospital, wo 
er, obwohl äußerfi langſam, doc endlich ganz von feinen 
Wunden genaß. Ohne Zweifel wird er noch zeitig genug bier 
eintreffen, um dem Hochzeitfeft auf feiner Burg zuvorzufommen.» 

„Wollte Gott, dem gefchähe fo!” riefen bie Anwefenden 
einhällig. 

„Kann er wohl noch auf feine Unterthanen rechnen ?’ — 
fragte der Pilger. 

„Das will ich meinen ’—fchrieen der Schmied und ber Flei⸗ 
fer, ihre flämmigen Fäufte auf den Tiſch fchlagend, daß die 
Flaſchen Hirten — „Wir Alle geben Gut und Blut für unfern 
gnäbigen Herrn !“ 

est ſchlug der Pilger feine Kappe zurüd: „Seht ihn hier 
vor Euch ſtehn!“ rief er und bot ihnen bie Hand, die fie mit 
Küffen überdedten. 

Nah dem erften Erguß ihrer Freude über Diefe unerwartete 
Heimkehr wurde verabredet, der Schmied, der Wagner und 
der Fleiſcher follten alsbald in Angeloch und in der ganzen Um⸗ 
gegend foviel waffenfähige Mannfchaft zufammenbieten als 
möglich, und fie noch im Laufe derfelben Nacht heimlich auf die 
Burg führen; der Wirth aber übernahm es, ‚die Edelfrau auf 
. die Erſcheinung ihres Gatten vorzubereiten, bamit ihr die 
Ueberrafchung nicht Tebensgefährlich werben möge. 

Sp gefhah es auch. Am andern Morgen um die neunte 
Stunde nahte fih ein großer Zug von Neitern der Burg An⸗ 
geloch; ihnen voran fprengte der Ritter von Asbach in präch⸗ 
tigem Schmude, von drei anderen Edelleuten begleitet, die er 

36” 


564 Rekartpalund Odenwald. 


als Zeugen zu der Trauung eingeladen hatte. In einiger Ent- 
fernung folgte ein großer Kaufe anderer Bewaffneter. Kaum 
war aber der rohe Bräutigam mit feinen drei Genoffen über 
die Zugbrüde in den Schloßhof geritten, ald jene plöglih auf- 
gezogen und er fomit von feinem übrigen Gefolge abgeſchnit—⸗ 
ten wurde. Wüthend. fhwang er fih vom Pferde und befahl, 
die Brücke fogleich wieder aufzuziehen, da trat unverfeheng ein 
ganz in Stahl gewappneter Ritter mit gefchloffenem Viſier aus 
der Burgpforte auf ihn zu, grüßte defien Begleiter auf fittige 
Weife und fprach dann mit ernfiem Tone: 

„Edle Männer, was verdient wohl Derjenige, welcher das 
Bertrauen eines Biedermannes, ber feinem Schuße fein theuer- 
fies Gut empfohlen, auf das Schändlichfte mißbrauchte 2" 

„Daß man ihin fein Wappenfchild und Schwert zerbredhe 
und vor die Füße werfe!“ — antwortete der Aelteſte der Edel⸗ 
leute. 

„Wohlan, ſo fol dir auch gefchehen, ehrlofer Ritter von 
Asbach! !— donnerte jetzt der Gewappnete und offnete ſein 
Viſier. 

„Ha! der Ritter von Angeloch!“ — ſcholl es aus Aller 
Kehlen, indefien Ritter Konrad zufammenbebte wie ein Ver⸗ 
bredher, dem fein Schuldbrief vorgelefen wird, und außer 
Stande war, ein Wort zu feiner Bertheidigung hervorzubringen, 

Der Ritter von Angeloch gab alsbald Befehl, die Zug- 
brüde für den Elenden nieberzulaffen, der fih auch eiligft, von 
den Spotitufen der Burgleute verfolgt, unter vielen Flüchen 
entfernte. Die Edelleute, welche venfelben hieher begleitet hat⸗ 
ten, nahmen gern bie Einladung Des Herrn von Angelo an, 
ftatt einer Hochzeit das Feſt feiner glüdlichen Heimfehr mit 
ihm zu feiern, das auch unter überfirömendem Jubel feiner 
Gattin und Kinder begangen wurde. 

Der entehrte Ritter von Asbach befehdete zwar Furze Zeit 
darauf den von Angeloch und fügte ihm großen Schaden bei, 
aber der Pfalzgraf, als deſſen Lehnsherr, zwang jenen nicht 
nur zum völligen Schabenerfage, fondern ließ auch fpäter die 
Burg Asbach zerſtören, weil deren unverbefferlicher Eigenthüs 


mer es wiederholt wagte, den Landfrieden zu brechen. 
(S. Al. Schreiber's „Sagen auß den Rheingegenden und dem Schwarzwalde.“ 4829.) 


—— 


Neckarthalund Odenwald. 565 


Dilsberg. 


Von dieſer oberhalb Nedargemünd liegenden ehemaligen 
Bergveſte geht ohngefähr dieſelbe Sage, wie die von Muggen⸗ 
fturm. Auch von dieſer Burg aus ſoll nämlich einſt ein feindlicher 
Sturm bloß durch herabgefehleuderte Bienenflöde, deren Be⸗ 
wohner über die Belagerer berfielen, zurüdgefchlagen wor⸗ 
ben feyn. — Im Jahr 1799 fuchten die Franzofen die Veſte zu 
nehmen, wurben aber von den bort garnifonivenden Invaliden 
und einem Haufen Odenwälder Bauern mit einem Verluft von 
mehr als 70 Todten zurüdgeworfen. Noch zeigt man den |. g. 
Tranzofenhügel, wo diefe Leichen ruhen. 


Die Hochzeitfeier. 


Am Grafenſchloß beim Kerzenfchein 
Steht eine ſchwarze Bahre, 
Drin ruht ein blaßes Mägdelein 
Mit langem blondem Haare; 
Im Antlig zucdt ihr noch der Schmerz, 
Der ihr den Tod gegeben, 
Doc flille flieht dag arme Herz 
Und ruhet aus vom Leben. 


Ein mächt'ger Herzog, ſchön und fein, 

Hatt? ihr die Treu verſprochen 
Und doch dem armen Mägbdelein 
Nachher fein Wort gebrochen; 
Hat ihr geraubt der Unſchuld Glück, 
Sie treulos Dann gemieden, 
Da brad der Tod den trüben Blid, 

. Und gab ihr feinen Frieden. 


. Am Sarge fieht der alte Graf, 
Kein Wörtlein läßt er hören, 

Als fürchtet er, aus füßem Schlaf 
Die Tochter aufzuftören ; 


566 Redartpalund Odenwald. 


Doc wie er hinblidt auf den Sarg, 
Denkt an ihr frühes Ende, 

Da wird fein Schmerz zu tief und arg, 
Als dag er Thränen fände. 


Und endlich rafft der Greis fih auf, 
Und rufet feine Knechte: 

„Wer ift, der wohl im ſchnellſten Lauf 
Dem Herzog Kunde bräcdte? 

Der möge, daß in ftiller Nacht 

Don heut nach dreien Tagen 

Mein blaßes Mädchen Hochzeit macht, 
Dem ſtolzen Herzog ſagen. 


„Der lad' ihn auch fein höflich ein, 
Er mög' es nicht verſchmähen, 
Mit mir und meinem Töchterlein 
Die Hochzeit zu begehen. 
Der fag’ ihm auch, man warte fein 
In Liebe und in Freude, 
Gefhmüdt fey fchon das Bräutchen fein 
Mit ihrem Hochzeitkleide.“ 


So fpricht der Greis und ſchnell enteilt 
Ein Knecht mit flüchrrgen Schritten 
Den Herzog, der zu Hofe weilt, 
Zur Hochzeit herzubitten. 
Er tritt hinein zum flolgen Mann, 
Und bringt mit keckem Munde, 
Sieht gleich der Fürft ihn ſinſter an, 
Die aufgetragne Kunde. 


Der Herzog flaunt den Bothen an, 
Und ſpricht: „Ich werde kommen! 
Daß fie des Leids ſich abgethan, 
Mag Eurer Herrin frommen !’ — 


Nedartpalund Odenwald, 


Der Diener fieht den Herzog an, 
Und ſpricht: „So iſt's geicheben, 
Daß fie des Leids ſich abgethan, 
Ihr werbet felbft es ſehen!“ — 


Nach dreien Tagen in der Nadıt 
Glänzt hell vom Fadelfcheine 
Des Grafen Schloß in büftrer Pracht 
Aus danfelm Eichenhaine; 
Doc fill if’ drinnen in dem Schloß 
Mit Werfen und mit Worten; 
Da fommt der Herzog bach zu Roß, 
Und donnert an bie Pforten. 


Der alte Graf läßt ſchnell ihn ein, 
Und beißt ihn ernft willlommen, 
Daß er zu feinem Töchterlein 
Zur Hochzeit hergefammen ; 

Drauf führt er ihn Durch einen Gang 
In feierlichem Schritte 

Die Trepp’ hinauf die Hal entlang 
Dis in des Hofes Mitte. 


Doch ſtill und ftumm iſt's überall, 
Erftorben fcheint Die Runde, 
Der hohen Mauern Wiederhall 
Giebt Feines Feftes Kunde; 
Da tönt fein Jubel, tönt fein Klang 
Der an die Hochzeit mahne, . 
Der Wind nur fauft die Burg entlang, 
Am Thurme knarrt die Fahne. 


Scheu bleibt der Herzog flehn und fpricht : 
„Wie fol ich Diefes deuten ? 
So ſtumm und traurig pflegt man nicht 
Die Hochzeit zu bereiten! —“ 


867 


568 


— Rekartpalund Odenwald. 


Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut es ſeyn, 
Es darf Euch nicht erſchrecken; 

Noch ſchläft mein ſüßes Töchterlein 

Und Niemand will es wecken!“ 


Und weiter gehn fie Beide ſtumm 
Und treten in die Halle, | 
Da flehn der Männer viel’ ringsum 
Sn fchwarzer Kleidung alle; 

Sie ftehen da und fprechen nicht, 
Und ſchauen vor fich nieder, 
Bleich iſt und flarr ihr Angeficht, 
Und regungslog die Glieder. 


Scheu bleibt der Herzog ftehn und fpricht 
„Wie ſoll ich Diefes deuten? 
So feiert man die Hochzeit nicht 
Mit ftillen fchwarzen Leuten !’ 
Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut es feyn, 
Es find die Hochzeitgäfte, 
So wünfchte fie mein Töchterlein 
Bei ihrem Hochzeitfefte !-' . 


Und wieder fill wird’s in der Hal, 


Stumm fteht die bleiche Runde, 


Da tönt herab mit dumpfem Schall 
Der Schlag der Mittinachtftunde ; 
Und plöglich Hingt ein Grabgefang 
Bon fügen Frauenſtimmen; 

Sn Thränen muß bei diefem Klang 
Wohl jedes Auge ſchwimmen. 


Da wird’s dem Herzog weh und bang, 
Er frägt: „Was foll das heißen? 
Das ift Fein Hochzeitlicher Klang, 
Das find ja Grabesweiſen!“ 


Redarthbalund Odenwald. 


Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut ed feyn! 
Gleich wird die Braut erfeheinen, 

Gar gerne fieht’8 mein Töchterlein, 

Wenn ihre Säfte weinen.‘ 


Und plöglich öffnet fi die Thür’, 
Und fhweigend, Paar an Paare, 
Tritt eine Schaar von Frau'n herfür, 
Mit einer ſchwarzen Bahre; 
Drauf Tiegt ein ſchneebleich Mägdelein, 
Mit langem blonden Haare, 
Und Frau'n und Männer wechfelnd ſtreuſn 
Ihr Blumen auf die Bahre. 


Der Herzog bebt, ſein Haar es ſträubt 
Sich auf, die Wangen bleichen; 
Wie auch die Angſt ihn drängt und treibt, 
Er ſteht und kann nicht weichen; 
Sein Auge rollt er wirr und wild. 
Umher im düſtern Kreife, 
Und vor dem blaßen Engelsbild 
Erftarrt fein Blut zu Eife. 


Da padt der Graf ihn bei der Hand: 
„Run Herzog, auf zum Tanze! 
Siehft du die Braut im Feflgewand, 
In ihrem Hochzeitfrange ? 
Spielt auf, ihr Leute, nun beginnt 
Der frobfte Hochzeitreigen : 
Der Bräut’gam wird mit meinem Kind 
In's fühle Brautbett fteigen !" 


Schon packt des Wahnfinnd wilder Arm 


Dem Herzog die Gedanten ; 
Wild tanzt um ihn der Lichter Schwarm 
Und alfe Wände wanfen; 


569 


570 Nedartpalund Ddenwald. 


Er flieht hinweg mit wirrem Lauf, 
Er hört nur „Weh dir!“ heulen; 
Rings flattern bang gefchredet auf 
Die Käuzlein und die Eulen. 


Und endlich fleht er auf dem Thurm 
Am jähen Abgrunds⸗Rande, 
In feinen Loden wählt der Sfurm, 
In feiner Bruft die Schande. 
Und wie er brunten hört beim Grab 
Die legten Sterbelieber, 
Da flürzt er in die Tief hinab 
Und finft zerfehmettert nieder. *) 

B Wenzel. 


*) Veber die Zeit, in welcher dieſe tragifche Geſchichte vorgefallen, 
weichen die Sugen bedeutend von einander ab. Einige verlegen fie in die 
Zeiten Dagoberts, der längere Zeit in Mosbach am Nedar 
“wohnte, Andere in viel fpätere Jahrhunderte. Nach einer mündlichen 
Erzählung fol es ein Graf Bruno von Laufen gewefen feyn, 
der ibm Jahr 1100 dem Kraich⸗, Enz- und Elfenzgaue vorfland nnd 
feinen Wohnſitz auf dem Schloffe Dil sberg bei Nedargemünd hatte. 
Er war der Sohn des Grafen Arnold von Laufen. Aus Schmerz 
über den Berfuft feiner einzigen Tochter trat er in den geiſtlichen Stand, 
übergab die Grafſchaft feinem Bruter Popp o und fliftete zum ewi⸗ 
sen Gedächtniß, und zum Seelenpeil feines Kindes, im Jahr 1122 
Bas Klofter Odenheim bei Brudfat. 

(Siehe J. Baader's „Sagen der Pfalz und des Nedarthals,” S. 139.) 


Nitter Landſchaden. 


Zwei Stunden oberhalb Heidelberg, wo das Neckar⸗ 
thal einen offenen Halbkreis bildet, ſpiegelt ſich das Städtchen 
Neckarſteinach am Fuße mächtiger grauer Felſen im Strome, 
und auf bedeutenden Höhen liegen vier zerfallene Ritterburgen, 
die Sige ber Landfhaden von Steinad, in geringer 
Entfernung von einander. Die ältefte, mit ihrem Taufnamen 
Schadeck genannt, heißt im Munde des Volkes dag Schwal- 
benneft. 


LU 


Neckarthal und Dvdenwalb. 571 


Die Kirche von Neckarſteinach bewahrt viele Grabſteine ber 
Nitter von Landfchaden. Der ältefte und ſchönſte trägt die ein- 
fache Umfchrift : 1369 in die Sancti Michael’ ob. Ulricus Land- 
schad. Miles. Es ift eine alte Rittergeftalt mit vor fich gejenf- 
tem Schwert. Zwei Engel halten ihm ein Siffen unter das 
Haupt; zu feinen Füßen fchmiegt fih ein Hund; zur Rechten 
hat er eine Harfe, zur Linfen einen gefrönten Heidenkopf. An 
Diefen U {rich knüpft fich Die Volksſage von der Entftehung der 
Landfhaden. Sein Vater, Bliggervon Steinad, war 
wild wie Die Gegend, die er bewohnte, fein Herz fo hart, wie 
das Felsgeftein, auf dem er horftete. Kaifer Rudolf von 
Habsburg hatte verordnet, „bag Niemand eine Burg haben 
folle, e8 gefchehe denn ohne des Landes Schaden.” Blig- 
ger aber, von Raub und Morde Iebend, war der Schreden 
der ganzen Gegend, ein wirklicher Landfchaden. Vom Kaifer 
vor Gericht berufen, blieb er auf feiner unzugänglichen Burg, 
bis Acht und Aberacht über ihn ausgeſprochen warb und er 
feinen Weg mehr ficher betreten Tonnte. Die Ruhe war dem 
wilden Raubritter unerträglich, und eines Morgens warb er 
entfeelt im Burghofe liegend gefunden. — Sein Sohn Ulrich 
Landfhade von Steinacd hatte den fohlimmen Namen 
feines Vaters, aber nicht fein böfes Gemüth geerbt. Deffen 
Miffethaten zu büßen und fih mit Kaifer und Reich zu ver- 
fühnen, nahm er das Kreuz und zog gegen die Sarazenen. Er 
half Smyrna belagern und erobern, vernichtete mit feinem 
Häuflein eine breimal flärfere Schaar von Feinden, hieb end- 
lidy dem Sultan, in deſſen Hoflager er fich als Harfner ver- 
leidet, eingefchlihen und in deffen Gunft er fih durch fein 
Saitenfpiel eingefehmeichelt hatte, den Kopf ab, und brachte die 
reiche Beute zu feinem jubelnden Heere. Jetzt beftätigte ihm 
der Kaifer feierlich feine Ritterwürde, verlieh ihm den bisheri⸗ 
gen Schimpfnamen, „Landſchaden“ als ritterlichen und ehr- 
lichen Geſchlechtsnamen, und geftattete ihm, den Kopf ded er- 


legten Feindes als Helmzierde im Wappen zu führen. 
Guftau Schwab. 


(S. deffen „Wanderungen durch Schwaben.” 2, Section des „‚malerifhen und roman⸗ 
tifhen Teutſchlands.“ Leipzig Wigand. ©, 64 und 65). 


572 Nedartpalund Odenwald. 


Die heilige Sildegunde zu Schönau. *) 


In der Nähe der Stadt Köln Tebten zwei fromme Ehe- 
feute in Wohlftand und Anfehen. Eines fehlte aber zu ihrem 
volffommenen Glücke: ihre Ehe war nämlich feither kinderlos 
geblieben. Alle Gebete und Gelübde, die fie gen Himmel fchid- 
ten, fihienen lange nicht Erhörung zu finden. Als eine befon- 
dere Gunft deffelben fahen fie daher die endlich erfolgte glüd- 
liche Geburt zweier Zwillingsfchweflern an. Eine berfelben war 
Hildegunde. Kaum waren die beiden Schweftern den Jahren 
der bülfsbedürftigen Kindheit entwachfen, fo brachten fie die 
Eltern, um ihr Danfgelöbnig zu erfüllen, in ein Srauenflo- 
fier zu Neuß, damit fie dort erzogen würden und begaben ſich 
auf die weite Pilgerreife nad dem gelobten Lande. 

Kein Unfall flörte die Neife des frommen Paares und e8 
fehrte glüdlich in die Heimath zurüd. Allein bald darauf flarh 
die Mutter. Da entfchloß fich der Vater, vom Drange feined 
gatterfüllten Herzend getrieben, noch einmal die heiligen Stel- 
len zu befuhen, wo der Heiland gelebt und gelitten. Als er 
Hildegunden fein Borhaben mittheilte, Tag fie ihm mit Bitten 
und Thränen fo lange an, bi er ihr erlaubte, ihn zu be⸗ 
gleiten. Schnell waren ihre Zurüflungen gemacht, und um 
jedem Anftoße vorzubeugen, den ihr Gefchlecht auf ber weiten 
Reife hervorrufen möchte, zog fie, als junger Pilgerdmann 
verffeibet, mit ihrem Vater aus der Heimath auf die Wall- 
fahrt, indem fie fi den Namen Joſeph beilegte. Ein ein- 
ziger Knecht folgte ihnen. 

Allein auf der langen Seereife überfiel ihren Vater eine 
Krankheit, welche rafch feinem Leben ein Ende machte. Den: 
noch feste fie unerfchroden ihre Reife fort, gelangte glücklich 
nad Paläftina und befuchte ſchon die heiligen Stellen, wo 
ber Herr einft gewandelt, gelehrt und gewirkt hatte. 

Noch war fie aber nicht bis Jerufalem gekommen, al3 
eines Tages ihr treulofer Knecht mit al’ ihrer- Habe fih aus 
dem Staube machte und fie hülflos und arm in dem fremden 
Lande zurückließ. J 

Ein frommer Mann ſah ihre Noth und mitleidig nahm er 


*) Städtchen, von Heidelberg 2 Stunden nordöſtlich, liegt in einem von der Steinach 
gebildeten Seitenthale. 


Neckarthal und Odenwald. 573 


den jungen Pilgerknaben mit ſich nach Jeruſalem, wo er ihn 
bei den Tempelherren unterbrachte. Dieſe behielten ihn ein 
ganzes Jahr bei ſich, bis ſie endlich in einem Landsmann einen 
Begleiter für ihn fanden, der ihn nach Köln zurückbrachte. 
Obwohl nun der Heimath fo nahe, war Hildegunde doch in 
Köln ganz fremd. Sie behielt ihre Kleidung und den Namen 
Sofeph bei, und trat, hülflos wie fie war, bei einem Kanonikus 
in Dienfte. Gefchäfte riefen Diefen bald darauf nah Nom. Er 
machte die Reife zu Pferde, und Hildegunde-Joſeph, als fein 
Diener, mußte ihın zu Fuße folgen. Da gefellte ſich auf freiem 
Felde einft ein Mann zu ihm, der einen Sad auf feinem Rü- 
en trug. Sie waren ſchon eine gute Strede miteinander ger 
sangen, als ihnen einige Männer eilig nachfolgten: „Wii 
du nicht fo gut ſeyn,“ — ſprach da fein Gefährte zu ihm — 
„meinen Sad eine Strede zu tragen? Dort im Walde will 
ich mir nur einen Reifelterfen ſchneiden. Geh indeffen nur Tang- 
fam voran, ich hole dich bald wieder ein. 

Nichts Arges ahnend, nahm ihm der gutmüthige Joſeph 
den Sad ab, hängte ihn auf feinen Rüden und ſchritt damit 
langfam weiter, während fein Gefährte fchnell nad dem nahen 
Walde feitwärts eilte und in dem Didicht deſſelben verſchwand. 

Die nacheilenden Männer waren inzwifchen näher und nä- 
ber gefommen und Sofeph hörte fie num deutlich rufen: „Hal⸗ 
tet den Dieb!" — Bei diefem Rufe fah er fih um, den Dieb 
mit den Augen ſuchend, der Da gehalten werden ſollte. Da er 
aber Niemanden erblickte, hielt er das Ganze für einen Scherz 
und ſchritt unbeforgt weiter, est hatten ihn aber die Männer 
eingeholt und fielen mit Ungeftüm über ihn her, entriffen ihm 
den Sad und führten den Armen unter Schlägen und wilden 
Drohreden in das nächfte Städtchen. 

„Warum mißhandelt ihr mich alſo?“ — fragte Joſeph. — 
„Wie? du fragft noch?“ — verfegten die Männer — „Haſt 
bu doch deinen Anfläger, den Sack mit dem geftohlenen Gute, 
felbft auf dem Rüden getragen! Du mußt hängen!" — Unter 
biefen und ähnlichen Vorwürfen warb der Knabe vor den Orts⸗ 
sichter gebracht. Hier ſprach er: „Sch bin unfchuldig ! Ich erfenne 
nun aber, dag man mich für ſchuldig halten muß. Denn ber 
Schuldige bat ſich indeffen gerettet und dafür mich mit dieſem 


n 


574 Redartihalund Ddenwald. 


Sade in den Berbacht gebracht. Ich bin bereit, meine Unſchuld 
durch ein Gottesurtheil zu bemeifen.“ 

„Es ſey,“ — fprach der Richter. Darauf brachte man eine 
glühende Pflugfehar und unverfehrt wandelte der Beflagte lang⸗ 
famen Schrittes mit bloßen Füßen darüber hin. Richter und 
Kläger ſahens mit Staunen und riefen: „Unfchuldig!« And 
nun erzählte Joſeph den Hergang, wie er zu dem Sade ge- 
fommen. Dabei befchrieb er den Dieb fo genau, daß man in 
ihm einen Einwohner derfelben Stadt erfannte. Der Richter 
laͤßt ihn fogleich berbeiholen. Er war inzwifchen auf Neben- 
wegen nach Haufe gefommen. Man ergreift ihn; bei Joſephs 
Anblick gefteht er fogleich im Verhör feine Schuld und muß fie 
noch am felbigen Tage mit dem Leben büßen. 

Als Joſeph aber darauf wieder von dannen zog, umring- 
“ ten ihn auf einer einfamen Stelle in dem Walde, durch wel- 
hen fein Weg führte, die Verwandten und Diebsgenofien des 
Gehängten: „Du bift der Urheber feines Todes! du haft un: 
fern Meifter verratben! dein Tod foll ihn rächen!“ Mit die- 
fem Geſchrei ftürzten fie auf ihn los, hingen ihn am nächften 
Baume auf, und eilten bavon. 

Da famen einige Hirten zufällig in die Nähe. Den hän⸗ 
genden Körper fehen und vom Stride Iosfchneiden, war. das 
Werk eines Augenblids. Da jedoch der Jüngling fein Lebenszei⸗ 
hen mehr von ſich gab, ſchickten fie fih an, ihn zu begraben. 
Indem fie aber noch beichäftigt waren, fein Grab aufzuwerfen 
— fiehe, da fprengt vom nahen Hügel daher ein Ritter in 
weißem Gewande auf fohneeweißem Roſſe, von ftrahlendem 
Lichtglanz umfloffen. Die Hirten werfen fih demüthig zur Erbe 
nieder und beten: „Herr, Herr! erbarme dich unſer!“ Der 
Yichtglängende Reiter ſchwingt fih vom Pferde, faßt die Leiche 
in feine Arme, befleigt mit ihr feinen Schimmel wieber und iſt 
im Fluge den Bliden der flaunenden Hirten eutfchwunden. 

Es war ein Engel des Herren gewefen. In feinen Armen 
belebte fich die Leiche wiener und als Joſeph zu ſich ſelbſt kam, 
fand er fih bei dem Amphitheater in Verona Tiegen und fah 
feinen Herrn, der ihm voraus gereift war, gerade auf fi) zu⸗ 
fommen. Nachdem er ihm fein wunbervolles Abenteuer erzählt, 
gleitete ihn der Knabe nach Rom und Fehrte fpäter mit ihm 
nad Teutſchland zurück. 


Nedartdpalund Odeuwald. 575 


In Speyer hörte Joſeph von dem frommen Wanbel ber 
Mönche im Kloſter Schönau und fogleich entfchloß er fich, zu 
ihnen zu gehen, um fih durch fromme Uebungen bes ewigen 
Heiles würdig zu machen. 

Die Brüder nahmen den neuen Zögling bereitwillig auf 
und unterrichteten ihn in ben Regeln ihres Ordens; er aber 
fam als Novize feinen Pflichten aufs Pünktlihfte und Ge- 
treuefte nad). 

Noch war aber das Probefahr nicht ganz vorüber, als os 
feph erfrankte. Die Anftvengungen feiner weiten Reife, bie 
ausgeftandenen Gefahren und Kaftelungen hatten Die Kräfte 
feines Körpers aufgerieben. 

Am 20. April 1188 entfihlief er felig in dem Herrn. 

Sein Gefchleht war bis zu feinem Tode unerkannt geblies 
ben; erſt jeßt entvedte man, bei Einfleivung des Leichnams, 
Daß der vermeinte Knabe Joſeph die Jungfrau Hildegunde 
war. Sie ward im Kloſter Schönau begraben, ift aber fpäter 
als Verklaͤrte vielen Frommen erfchienen und hat manche Wuns 
der gewirkt. Wo aber jetzt ihre Reliquien aufbewahrt werden, 


tft unbefannt. 
4. 8 Grimm. 


(Aus deſſen: „Die malerifhen und romantifhen Stellen des Odenwaldes in 
ihrer Vorzeit und Gegenwart.“ Darmftabt 1843, Lese.) 


Der faliche Eid. 


Zu Schönau fleht der Bauer vor Gericht: 
„Iſt deinen Mündeln diefer Ader nicht 2" 
Sein Schwur ift falfch ! 
„saß ab Die Hand von fremdem Gut, 


Denn fremdes Gut gedeiht nicht gut!« 
Sein Schwur ift falſch! 


„Sich rührt nicht Das Wimmern der Kindlein Hein ? 
Der Ader ift ihnen, er ift nicht dein |“ 
Sein Schwur ift falſch! 
„> beb’ nicht zum Schwur empor die Hand, 
O ſchwöre nicht falfch um ein Fein Stück Land!” 
Sein Schwur ift falſch! 


576 Nedartpalund Odenwald. 


Ihn rührt nicht das Wimmern der Kindlein Hein, 
Er fihwöret zu Gott: „Der Ader ift mein!” 
Sein Schwur ift falfch ! 


„gu Füßen öffnet ſich dir der Grund, 
Und bu verfinfft in ben klaffenden Schlund !“ 
Sein Schwur ift falſch! 


Ihn rührt nicht das Wimmern der Kindlein Hein, 
Er fhwöret zu Gott: „Der Ader ift mein!” 
Sein Schwur ift falſch! 


Da Hafft die Erde und fchlingt ihn hinab, 

Nur oben bleiben die Schub und der Stab. — 

Sein Schwur war falfch ! 

*) Obige Ballade ift ohne Quellenangabe in 3. Baader’s „Sa⸗ 
gen der Pfalz und des Odenwalds 2c. mitgeteilt. 

Grimm fagt: „Sm Odenwald beim Klofter Schönau Tiegt ein Ort, 
genannt „zum falfhen Eid.“ Da hat auf eine Zeit ein Bauer ge⸗ 
geſchworen, der Ader gehöre fein; alsbald öffnete fih der Erdboden 
unter feinen Füßen und er verfanf, fo daß nichts übrig blieb, als fein 
Stab und feine Schuhe. Davon hat die Stelle den Namen erhalten. 


Sonft weiß man auch von Meineidigen, Daß ihnen die aufgerich- 
teten Finger erftarren und nicht mehr gebogen werden mögen, ober 
daß fie kohlſchwarz werden; au daß fie nad dem Tode folchen Leuten 
zum Grabe herausmwachfen.“ 

(Bergl, Grimm's „teutfhe Sagen." 1. Bd. S. 160.) 


Neiter ohne Kopf. 


Am Anfang des Mückenlocher Waldes führt der Weg 
über eine Brüde, Hat man fie überfehritten, fo fieht man zu⸗ 
weilen auf einem Schimmel einen Mann reiten, welcher feinen 
Kopf wie einen Hut unter dem Arme trägt. Er verfolgt Die 
Leute und führt fie gern irre, Tann aber nicht über den Ora- 
ben, der in ber Nähe Tiegt; Daher fie jenfeits beffelben vor 
ihm fiher find. Auch aus dem Wald heraus vermag er nur 
eine kurze Strede zu reiten, und verſchwindet a an bem großen 
Marfftein, wo fie endet. 





Redarthal und Odenwald. 377 


‚Bei feinen Rebzeiten war er ein Feldmeſſer, der in 
biefer Gegend folche Betrügereien verübte, daß er mun zur 
‚Strafe dafelbft umgehen muß. 

(Aus Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.) 


Die weiße Frau. 


Zwiſchen Waldwimmer sbach und der Mühle Läuft über 
die Wiefen ein ſchmaler Fußpfad, welcher zu einer Duelle 
führt. Auf diefem Wege zeigt fich täglih um Mittag und Mit- 
ternadht eine weiße Frau mit einem Bund Sclüffel in der 
Hand. Zu ihren Lebzeiten war fie Rammerfrau bei einer Herr- 
fhaft geweſen, von der ihr, als jene fih im Krieg flüchtete, 
deren Vermögen zur Aufbewahrung anvertraut wurde. Diefes 
vergrub fie, flarb aber bald darauf eines plöglichen Todes. 
Da Niemand den Ort des Schates mußte, fo kam die Herr, 
Thaft darum und mußte nach ihrer Rückkehr von Allmofen 
leben. Sie verfluchte deßhalb die Kammerfrau, welche ſeitdem 
in ber Gegend, wo fie den Reichtum vergraben, umgehen 
muß. Ihre Erlöfung iſt nur ale fieben Jahre möglich; fie 
pflegt alsdann dreimal zu nießen und auf jedes. Niegen foll man 
ihr „Helf Gott!“ zurufen. Thut man diefes, fo zeigt ſie Einem, 
wo ber Schatz verborgen liegt und wie er gehoben werben 
kann. Da man aber bald darauf flerben muß, fo hat es noch 
Niemand gewagt, zum Drittenmal „Gott helfs“ zu rufen und 
die weiße Frau if dann flets mit einem tiefen Seufzer ver» 


ſchwunden. 
(Nach mündl. Ueberlieferung mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone!s „Ans 
zeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.) 


Geſpenſtiger Hund. 


Wo am Wege von Waldwimmersbach nah Dils- 
berg im Walde der erfle Markſtein fteht, kömmt öfters ein 
fhwarzer Pudel zu den Vorübergehenden und läuft Dann ſchwei⸗ 
gend neben ihnen her. Er wird allmälig heller und ſchon beim 
zweiten Grenzſtein ift er vollkommen weiß. Von bier an ver 

I. 37 


5 


578 Neckarthal und Odenwald. 


dunkelt ſich aber ſeine Farbe wieder und immer mehr, bis er am 
Saume des Waldes beim dritten Markſtein wieder ganz ſchwarz 
ausſieht. Laͤßt man ihn ruhig, ſo thut er Einem kein Leid; 
frägt man ihn aber, was er wolle, fo verwandelt er ſich in 
einen fürchterlichen Rieſen, gibt dem Neugierigen eine gewal⸗ 
tige Ohrfeige und verſchwindet. Wie diefer Geift zu erlöfen, 
ift eben fo unbefannt, wie die Urfadhe, warum er umges 
hen muß. 


(Nach mündl. Neberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „An⸗ 
zeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrg. 1838.) 


Burg Stolzeneck. 


Unterhalb Zwingenberg, bei dem Dörfhen Lindach, 
rüden die Berge, welde das Ufer des Nedars begrenzen, en- 
ger zufammen und bilden ein ſchmales, büfteres Thor, durch 
welches der Strom wie träumenb bahingleitet. Links ragen aus 
den Gebüfchen die halbzerbrödelten Mauern von Stolzgened 
bersor, an welche ſich manche geichichtäichen Erinnerungen knü⸗ 
pfen. Noch zu Anfang des 15. Sahrhunderts war diefe Burg 
ein weitgefürdhtetes NRaubnelt, in welchem Hans Horned 
yon Hornberg fein Unwefen trieb. 

Früher Iebte bier ein junger Ritter, Namens Ott mar, 
mit feiner Schwefter Williswinde. Der Jüngling mußte 
feinem Lehnsheren in den Krieg folgen und nur bie fehöne 
Williswinde blieb mit einigen treuen Knechten und Dienerinnen 
auf der Burg zurüd. Sie liebte die Einfamkeit, in der fie auf- 
gewachſen war und dachte in der Unfchuld ihres Herzens nicht 
daran, daß irgend eine Gefahr fie bier bedrohen Eönne. hr 
Liebling war ein Rabe, den fie aufgezogen hatte, Er begleitete 
fie auf al ihren Spaziergängen durh Garten und Wald, 
hüpfte flugs auf ihren Ruf herbei und zupfte fie am Gewand, 
wenn er Tutter haben wollte. 

Zwei Monate waren bereits verfloffen feit ber Abreife ihres 
. Bruders, und da ber Pfalzgraf mit dem Heereshaufen, bei 

- welchem fih Ottmar befand, nach Sülich ziehen mußte, ſo 
durfte man nicht fo leicht an eine baldige Rüdkehr denken. 
Wohl hegte Williswinde Beforgniffe um ihren geliehter Bru⸗ 


Nedartpalund Odenwald. 579 


der, aber in ihrer Seele wohnte Doch ein feſtes Vertrauen, daß 
ihn der’gute Gott ihr erhalten werde. Eines Abends meldete 
fih ein Pilger auf Stolzeneck und bat um Herberge. Willis⸗ 
winde nahm ihn freundlich auf und da er vorgab, aus Pa⸗ 
Täftina zu kommen, feste fie ihm felbft den Abendimbiß vor 
und ließ ſich mit ihm in ein Gefpräd ein. Sein langer Bart 
und der kecke Blid gaben dem Pilger etwas Unheimliches, aber 
das Fräulein ſuchte dieſen Eindrud zu bemeiftern, wußte ja 
Doch der fremde Dann fo viel zu erzählen von den Drang- 
falen, fo ihm widerfahren auf der langen Reife, daß ihr in» 
niges Mitleid rege wurde. Sie ließ ihm des andern Tages noch 
ein beträchtlihes Geſchenk zum Abfchied reichen und fah ihm 
lange finnend nach, ale ex über den Schloßhof und die Zugbrüde 
dahin ſchritt. Als fie wieber aufblicte, ftand ber alte Eberhard, 
der Kaftellan ihres Vaters, ein getreuer, wohlerprobter Diener, 
neben ihr. „Fraͤulein,“ — ſprach er zu ihr, nach dem ſchon 
fernen Pilger deutend, — „in jener Kutte fledt ein arger Schalk!“ 
— ‚Barum gleich fo Tieblos über einen Fremdling abfprechen, 
weil fein Weußeres etwas Unangenehmes hat?!" entgegnete 
Williswinde. 

„Was die Augen ſehen, glaubt das Herz.” — verſetzte 
der Kaftelan. — „Ihr kennt ja die hübfhe Mähr vom Mei- 
fier Reinede, der im Pilgerrode nah Rom wallfahren wollte 
und den Efel und Wibder beredete, ihm Geſellſchaft zu Leiften 2“ 

Was bringt Euch auf ſolche Gedanken 2” 

‚Daß es mir nicht entgangen iſt, wie der Fuchs, der im. 
jener Kutte ſteckte, mit fammt Kürbißflafche und Diufchelhut, 
alle Mauern und Thürme, Thore und Gänge unferer Burg 
ausipähte. Wir müffen und wahrlich auf einen demnächfligen 
Veberfall gefaßt machen.” 

Williswinde konnte nicht an folche tüdifche Hinterlift glau⸗ 
ben. „Wo hätten wir den Feinde ?'" — fagte fie — „rings in 
ber ganzen Gegend lebt ja Jedermann ruhig und friedlich auf 
feinem Beſitzthume.“ 

Eberhard fchüttelte ven Kopf, befchloß aber feft bei ſich, 
jedenfalls auf der Hut zu feyn und mehr Wachen auszuftellen. 

Einige Tage nad) diefem Vorfall Fam ein Ritter nad Stol- 
zened und verlangte Williswinde zu fprechen. Beim erſten Blick 

37° 


580 Nedarthbalund Odenwald. 


erfannte der Kaftellan in ihm jenen verbächtigen Pilger und 
befhwor feine Gebieterin, alle mögliche Vorſicht aufzubieten. 
„Gut,“ — erwieberte fie — „ſo will ich ihn nur in Eurer 
Gegenwart anhören.” 

Der Ritter trat mit ſittigem Gruß ein und erklärte ohne 
weitere Umſchweife, daß er gekommen ſey, um die Hand der 
reizenden Herrin von Stolzeneck zu werben. Williswinde ſchrack 
ob dieſem überraſchenden und ſeltſamen Antrage ſichtlich zu⸗ 
ſammen, faßte ſich aber ſchnell und erwiederte: „Ich ſtehe 
unter dem Willen meines Bruders, der aber ſchon ſeit langer 
Zeit abweſend iſt. Sobald er jedoch wiederkehrt, mögt Ihr 
Eure Werbung bei ihm anbringen!“ 

„Iſt das Euer erſtes und letztes Wort, Fräulein?" — fragte 
der Ritter mit verfinftertem Angefichte. 

Williswinde flüfterte ein bebendes Ja, denn die düſter rol- 
lenden Blicke des Unbefannten weißfagten ihr Unheil. 

„Ich weiß recht gut,“ — höhnte der abenteuerliche Freier — 
„daß Frauen feinen eigenen Willen haben dürfen, fondern einem 
fremden folgen müſſen.“ — Mit diefen Worten und einer Falten 
Berbeugung z0g er ſich zurüd, fchwang fi auf fein Roß, das 
fein Knappe im Schloßhofe bereit hielt und fprengte ‚Davon. 

Diefer Borfall hinterließ Die fchlimmften Ahnungen in Willis⸗ 
winde und ihren Leuten. Sie berieth fih mit dem Kaftellan 
und befchloß endlich auf fein Zureden, ihre Zuflucht in einem 
benachbarten Klofter zu nehmen. Tags darauf trat fie wirklich 
ben Weg dahin an, nur von einem Knecht und einer Dienerin 
begleitet, um fein Auffehen zu erregen. Der Pfad führte in einen 
einfamen walbigen Thalgrund. Ploͤtzlich flürzte der gefürchtete 
Ritter mit einigen feiner Buben aus einem Hinterhalte hervor, 
fhlug den Knecht, der feine Herrin vertheidigen wollte, zu Boden 
und ſchleppte fie gebunden in einen uralten Thurm dicht neben 
an, deſſen Eingang ein eifernes Gitter verſchloß. 

„Nach zwei Tagen will ich wieber Antwort holen, fprödes 
Fräulein I lachte der Wilde grimmig, den Inarrenden Schlüffel 
drehend ‚ und jagte mit feinem Troſſe und ber gefangenen Die- 
nerin, die Einer davon vor fih aufs Pferd genommen hatte, 
von bannen, 

Williswinde warf fih in dem bunfeln feuchten Raume auf 


Neckarthal und Odenwald. 581 


die Kniee und ſandte ein brünſtiges Gebet zum Himmel empor. 
Da erblickte ſie plötzlich ihren getreuen Raben, der ihr bis hie⸗ 
her nachgefolgt war und nun vergebens an dem roſtigen Thor⸗ 
gitter mit dem Schnabel herumhackte, um zu ihr hineinzuge⸗ 
langen. Da es all feine Mühe fruchtlos ſah, hüpfte das arme 
Thier in's nächfte Gebüſch und Tehrte bald mit einigen Sträuchen 
Erds und Brombeeren zurück, die er feiner Herrin. durch die 
Eifenftäbe hineinreichte, um ihr wenigften Erquidung zu ver⸗ 
ſchaffen. 

Das Erſcheinen ihres Raben hatte Williswinde wieder eini⸗ 
germaßen Ruhe eingeflößt; ſie ſah ihn als einen Troſtboten 
des Himmels an. 

Zwei lange lange Tage ſchlichen ihr vorüber; doch wich 
der treue Vogel nicht von dem Gitter, außer wenn er in den 
nahen Wald flog, um ihr nahrhafte Wurzeln und erfriſchende 
Beeren zu holen. Wie freudig ſchlug er jedesmal die blaulich⸗ 
ſchimmernden Flügel, wenn er ſah, wie ſeine Herrin die kleine 
Beute, die er ihr brachte, mit dankbaren Blicken auf ihren 
Freund in der Noth verzehrte! 

Am Morgen des dritten Tages erſchien unſer Ritter vor 
dem Thore des Thurmes. Er wiederholte ſeinen Antrag mit 
noch ſchneidenderem Hohne und ſchwur, da Williswinde ſtatt 
aller Antwort nur verächtlich ihr Geſicht abwandte, ſie nun 
dem Hungertode preis zu geben, worauf er wüthend davon⸗ 
jagte. 

Nach einem ruhigen Schlummer, die Frucht ihres innigen 
Abendgebetes, ſtand Williswinde in der Frühe des nächſten 
Tages an dem Gitter ihres Kerkers, Das im Morgenroth er⸗ 
glühte. Mit kindlich vertrauenden Augen fchaute fie zum reinen 
blauen Himmel hinauf, hoch, — da erklingen auf einmal bie 
Töne eines fröhlichen Liedchens, vom Walde her, Das ift nicht 
die rauhe Stimme ihrers Verfolgers, nein, fe darf fies wa⸗ 
gen: mit aller Kraft fihreit fie um Hülfe. 


Und nicht vergebens, Ein junger Ritter in glänzender Waffen- 
rüftung nähert fih dem Thurme. Er ift ed, er ift es, ihr heißs 
geliebter Bruder! Um feine Schwefter zu überrafchen, batte er, 
ahnungslos von dem Borgefallenen,, den fürzeren Fußpfad, ber 


582 Redartpalund Odenwald. ' 


bier vorbeiführte, nach Stolzened eingeichlagen, während feine 
Leute auf der Heerfiraße dahinzogen. 

Kaum hatte fie dem beftürzten Bruber berichtet, wie fie 
hierher gefommen, als ihr Räuber herbeifprengte und, da er 
den fremden Ritter vor dem Thurme gewahrte, mit gezüdtem 
Schwert auf ihn losſtürzte. Es fehlte nicht viel, fo wäre Ott⸗ 
mar dem wüthenden Angriffe des riefenträftigen Gegners er- 
legen, doch noch gerade zu rechter Zeit, ehe fein Arm ermats 
tete, flog Williswindens fehwarzer Freund, der Rabe, an der 
Spige eines unabfehbaren Schwarm feiner Genoſſen, mit be= 
täubendem Krächzen auf den Räuber los, mit grimmigem Schnas 
beihaden, Krallen und Flügelfchlagen über ihn herfallend, fo 
daß er fich ihrer nicht zu erwehren vermochte. Schnell macht 
fih Ottmar den günftigen Augenblid zu Nuge und zifchend fährt 
feine Klinge durch das tüdifche Herz des betäubten Feindeg, 
ber mit einem gräßfichen Schrei zufammenfinft. — Die Raben 
wichen nicht von feiner Leiche; gierig fehienen fie fein Blut zu 
trinten, badten ihm die Augen aus und riſſen feinen Leib in 
Stücke. 

Ottmar fand im Gürtel des Todten den Thurmſchlüſſel, 
öffnete das Gitter und kehrte im Triumph mit der theueren 
Schweſter nach Stolzeneck zurück Noch in unſern Tagen ſieht 
man das Bild des getreuen Raben an einem Schwibbogen der 
Burgruine ausgehauen. 

(Siehe Al. Schreiber“s Sagen aus den Rheingegenden 2c.) 


Jukunde von Stolzeneck. 


Traurig ſinnend ſaß Jukunde 
Auf dem hohen Felſenſchloß, 
Lehrend ihre beiden Söhne — 

Als es ſüß wie Lautentöne 
Sich durch's Maienthal ergoß: 


„Oeffne Deine ſtille Wohnung, 
Holde Herzenskönigin! 











Redartbalund Odenwalb. 583 


Einen Ritter fiehft Du nahen, 
Der, um Minne zu empfahen, 
Kommt mit ehrfurchtsvollem Sinn. 


„Laß die Todten friedlich ruhen ! 
Ah! ſchon mande Thräne quoll; — 
Bei des Aufgangs Purpurfranze, 
Bei der Sterne mildem Glanze, 
Bebt mein Herz fo heiß und vol!" 


Zürnend ſprach die treue Gattin: 
„Nahe diefer Wohnung nicht! 
Schlummert gleich im heiligen Rande 
Längſt mein Wilhelm, trennt die Bande 
Dennoch Zeit und Schidfal nicht! 


„Dem zuerft mein Herz gefchlagen, 
Schlägt es bis zur flillen Gruft, 
Treue hab ich ihm gefchworen, 

Deine Seufzer find verloren 
Und verwehn im Abendduft.““ 


„Treue haft Du ihm gelobet; — 
Doch der Tod bricht jeden Schwur. 
Sol der Wangen Roth verblühen ? 
Deiner Augen Gluth verglühen ? 
Lebſt Du für die Todten nur? —“ 


„Nein, ich Iebe frifh im Leben, 
Meinem holden Knabenpaar! 
Seh’ ich einft fie herrlich blühen, 
Dann mag dieſe Gluth verglühen, 
Die dem Gatten heilig war!“ 


Ernft und finnend ſchwieg Jukunde, 
Als der Ritter wieder ſprach: 
„Edle Frau, vom heil’gen Grabe 
Komm’ au ich, und füße Gabe 


Folget meinem leben nad ! 


584 Neckarthal und Odenwald. 


„Rudolf bin ich, der die Freundſchaft 
Deines Gatten hat erſtrebt; 
Das Gerücht bat Dich betrogen, 
Prüfend, hab’ ih Dir gelogen — 
Wilhelm, Dein beweinter, lebt!“ 


„Komm herein’! — ſprach die Entzüdte, — 
„Freudig nannte Wilhelm Dich, 
Dft den Freund aus frühfter Jugend 
Und das Urbild wahrer Tugend; 
Neues Leben ftrömt durch mih ! —"' 


Bald erflieg der wackre Ritter 
Der Getreuen Felfenfchloß ; 
Aber — wel ein Wonneleben! — 
Wilhelm war's, der voller Leben, 


Selbſt in feinen Arm fie ſchloß! 
8.8. u. Juſti. 


Die heilige Rotburge. 


Erfte Sage. 


König Dagobert hatte eine Tochter, Notburga mit 
Namen. Sie war ſchön, aber auch fromm wie Feine der Jung⸗ 
frauen des Landes, darum blieb auch ihr Sinn dem eitlen Glanze 
biefer Welt fremd und fie floh heimlich aus dem Schloß ihres 
Vaters, welcher Damals in Mosbach Hof hielt. Sie verbarg 
fih in einer Felfengrotte am Nedar, nicht weit von dem Dorfe 
Hoch hauſen. Hier lebte fieTag für Tag nur dem Gebete und 
firengen Bußübungen. Ein zahmer weißer Hirfch brachte ihr 
täglich ein Brod aus der Küche ihres Vaters. Dadurch ward 
aber ihr Zufluchtsort dem trauernden Könige verratben, der 
alsbald dahin eilte und fie zuerft mit flehenden Bitten, dann 
unter grimmigen‘Drohungen aufforberte, mit ihm nad) Hofe zurüd- 
zukehren. Notburga weigerte fi) deſſen, weil fie ein Gelübde ge: 

than habe, dem Herrn in der Einfamfeit zu dienen. Da erreichte 


Nedartdbalunv Ddenwald 585 


der Zorn des Königs den Höcften Gipfel der Wuth und mit 
gewaltiger Kauft padt er Die Tochter an, um fie aus der Höhle 
zu.veißen. Aber, wehe! der Arm, woran er fie ergriffen, blieb: 
in feiner Hand und mit geflräubtem Haar taumelte der uns 
glückliche Vater zurück und floh voll Entfegen wieder nad 
Haufe. Die fromme Jungfrau warf ſich vor ihrem Zelfenaltare 
nieder und fiehe, da ringelte fi eine goldene Schlange hinter 
demfelben hervor und legte ihr heilende Kräuter, die fie mit im 
Munde herbeigebracht, in den Schoos. Mit dieſen verband fie 
den ausgeriffenen Arm dem Stummel wieder, der bald wieder 
feſt anwuchs und völlig geheilt war. 

Als Notburga, nach Iangen Jahren, von vielen Andächtigen 
aus der Gegend umgeben, ihre reine Seele auf ihrem. falten 
fieinernen Lager aushauchte, ſah man helle farbenftrahlende 
Flammen über der Höhle wallen. Ihr Leichnam wurbe nad) 
Hochhauſen gebracht und in der dortigen Kapelle beigeſetzt, wo 
noch ihr Grab zu fehen. Ihr Bild liegt in’ Stein ausgehauen 
auf deffen Platte, das Haupt geſchmückt mit der königlichen 
Krone. Neben ihr ruht die Schlange mit den Kräutern. Früher 
war das Grab durch ein mit Lilien verziertes Gitter gefchloffen. 
Auf dem Altarblatte und deffen beiden Flügeln ift ihre Gefchichte 
abgebildet. 

Im Jahr 1517, unter Papft Leo X, wurde das Grab 
geöffnet. Zugegen waren Bifhof Reinhard von Worms, 
Eberhard Horner von Hornberg mit feinen Söhnen, Hans 
von Stein und die Brüder Geyling von Altheim. Man 
fand den Leichnam noch unverfehrt: 


Andere Sage. 


Huf der alten Burg Hornberg am Nedar, wo Götz 
von Berlichingen farb, wohnte vor Zeiten ein mächtiger 
Fürft, deffen einzige Tochter, Notburga, an einen tapferen 
Nitter verlobt war, der aber einem Zuge nad dem heiligen 
Lande fih anfıhloß, von dem er nie wieder zurüdfehrte. Die 
holdſelige Jungfrau trauerte um ihn, wie eine Wittwe, und 
wollte von einer anderen Heirath nichts hören. Aber ihr Bater, 


586 Nedartpalund Odenwald. 


ein rauher und. gebieterifcher Mann, herrfchte ihr eined Tages 
zu, fie möchte fi zu ihrem Hochzeitsſchmuck anfchiden, denn 
in drei Tagen werde ber Bräutigam Tommen, ben er ihr auds 
gewählt. 

- Der Verzweiflung nahe, faßte Notburga den Entichluß, aus 
dem väterlichen Haufe zu fliehen. In der Stille der Nacht rief 
fie einen alten vertrauten Diener zu fih und fagte zu ihm: 
„Degleite mich hinüber an die Höhle am Nedar, wo die Ka— 
pelle des heiligen Michael ſteht; dort will ich mein Fünftiges 
Leben unter gottesbienftlichen Uebungen in der Einfamfeit zu- 
bringen.” 

Als fie an den Fluß Tamen, war aber fein Nachen vor- 
handen, um fie überzufegen; fiehe da trabte plöglich ein ſchnee⸗ 
weißer Hirfh aus dem Walde herbei, neigte fittiglich feinen 
Bug vor Notburga, und lud fie mit Tlugen Augen ein, fich 
feiner als eines Zelters zu bedienen. Sie ſchwang fich unbedenklich 
auf feinen Rüden, und er fhwamm mit ihr durch den Nedar 
bis zu der Uferftelle, wo die Felfenhöble fich befand. 

Nicht Tange, fo vermißte der Fürft feine Tochter, und fehidte 
viele Bothen und Kundfchafter aus, ihren Aufenthalt zu erfor- 
ſchen; doch vergebens, nicht die geringfte Spur leitete fie da⸗ 
hin. Zur Mittagszeit fam der weiße Hirfch zu Dem treuen Diener 
auf Schloß Hornberg; der wollte ihm ein Brod reichen, doch 
der. Hirfeh neigte feinen Kopf, damit er es ihm an’s Geweih’ 
ſtecken möge. Raum war dies geſchehn, fo flog das verfländige 
Thier nad der Höhle zurück und brachte Notburga das Brot. 
So kam er jeden Tag und Tief fie feinen Mangel leiden. 

Einft kam der Fürft gerade dazu, als der Diener dem Hirſche 
bad Brod aufs Geweih fledte, und zwang ben Alten dur 
fhredliche Drohungen, ihm das Geheimniß zu verrathen. Kaum 
hatte fih am andern Tage ber Hirfch wieder eingeftellt, jo 
fhwang fi der Fürft auf fein Roß und folgte dem Brodträger 
nah, dur den Fluß bis zur Höhle, die feine Tochter barg. 
Er trat ein und fand fie vor einem Kreuze Inieend in brünftigem 
Gebete. Der Hirfch Hatte ſich zu ihrer Seite gelagert, und 
blickte den hohen Eindringling mit großen verwunberten Augen 
an. Bergebens waren alle Bitten und Befehle des zürnenden 
Baters, Notburga folle mit ihm nad Hornberg zurüdfehren, 


Nedartpal und Odenwald. 587 


Sie weigerte ſich deß flandhaft, mit der Erklärung, ihr Leben 
fey fortan nur Gott geweiht, da fie diefer Welt auf immer 
entfagt babe. 

Schäumend vor Ingrimm, will fie der Vater vom Kreuze 
binwegreißen, das fie umflammert hielt. Siehe, da blieb ber 
Arm, an dem er fie gepadt hatte, in feiner Hand; ſchaudernd 
ließ er ihn zu Boden fallen und floh, wie von böfen Geiftern 
gehetzt, nach feiner Burg zurüd. 


Notburga Tebte von gun an ruhig in ihrer Höhle, bis ber 
Herbft Fam und die welfen Blätter nieberrafcpelten. Da ſchweb⸗ 
ten Engel herab und wiegten die fromme Jungfrau in ben 
ewigen Schlummer. Aber ihre Seele trugen fie, nachdem fie 
deren flarre Hülle mit weißen Roſen überftreut, hinauf in die 
Gefilde der göttlichen Freuden. Vieles Volk firömte herbei, denn 
man hatte ſchon von fern die ganze Nacht hindurch ein helles 
Leuchten über der Höhle gefehen. Zwei ſchneeweiße Stiere, die 
noch fein Joch getragen, wurden an einen neugezimmerten Wa- 
gen gefpannt und die Teiche darauf gelegt. Die Stiere ließ 
man den Weg felber wählen, den fie einfchlagen wollten, und 
fie führten den Wagen nad dem Dorfe Hochhauſen, auf bie 
Stelle, wo die jeßige Kirche flieht; dort wurde Notburga beis 
geſetzt. Der Hirfch war und blieb verfehwunden. 


Notburga wird vom Volke gewöhnlich die Kraichgauer 
Heilige genannt und die Leute in der Gegend zeigen noch auf 
dem Felde die Spuren bes Weges, welchen der Hirſch von 
Hornberg aus nach der Höhle zu nehmen pflegte. 


Diefelbe ift noch vorhanden. Sie wird von einem Kalffelfen 
gebildet, der am Iinfen Ufer des Nedars fich erhebt, wurde 
aber fchon größtentheild von dem Strome und feinen Eißgängen 
zerftört. Wenn man den Namen der Heiligen, der Höhle ges 
genüber, ausruft, fo wirb er, wie von einer leifen Geifter 
flimme , wiederholt. 


(Die Legende von ber heiligen Notburga, deren Gründung in bem 
Siege des Chriſtenthums über das Heidenthum befteht, findet fich mit 
Heinen Abänderungen vielfach verbreitet. Grimm, Jäger und 
Kaufmann erzäplen diefelbe, in ihren Führern durch das Nedarthal, 
mit unbedeutenden Abweichungen, den deutfchen Sagen der Brüder 


588 Nedartgalnnd Odenwald. 


Brimmnad. Langbein, Millinger, Julius Sturm unb 
ebenfo v. Keller (»NRotburga, eine Legende in ſechs Gefängen von 
v. Keller. Mannheim 1823) feierten fie in poetifchem Gewande. 


Sagen nom Minneberg. 
1. 


Auf der Burg Hornberg, wo einſt die fromme Not⸗ 
burga in ihrem ſtillen Kämmerlein Mn Entſchluß faßte, der 
Welt zu entfagen, wohnte bald nach ihr auch eine Zierbe ihres 
Geſchlechls: Minna von Horned. EinGraf von Schwars 
zenberg, reich und angefehen vor allen Rittern jener Ges 
gend, warb um des Fräuleins Hand und Minna’s Vater vers 
mochte nicht, einen fo weitgepriefenen Dann ald Eidam aus- 
zuſchlagen. 

Aber Minna's Herz und Liebe gehörten längſt dem Ritter 
Edelruth, der zwar arm an Gütern, aber deſto reicher an 
männlichen Tugenden war. Einft war er dem Rufe eines fröh- 
lichen Turniers auf die Burg gefolgt und die Jungfrau, welche 
ihm ben Siegespreig gereicht, hatte fein Herz gewonnen. Des Rit⸗ 
ters Schönheit und rühmliche Borzüge erwarben ihm bald Gegen⸗ 
liebe. Doch des Pärchens Minneglück war von kurzer Dauer. Denn 
auch in dieſes einfame Thal erfholl die Aufforderung zur Er- 
oberung bes heiligen Grabes, und Ritter Edelruth zügerte 
nicht, ihr zu folgen. Minna's Bater war dies erwünfdht; ba 
er bereits einem Andern die Hand feiner Tochter zugeſagt, fah 
er gerne deren Geliebten fein. Leben abenteuerlichen Gefahren 
in fernen Ländern ausfegen und beftärfte den Ritter Edelruth 
noch in feinem Vorſatze durch das gleißnerifhe Verſprechen, 
ihm, wenn er als Sieger zurückkehre, Minna zur Gattin zu 
geben. Ä 

Schmerzlih war die Trennung der beiden Liebenden; lange 
ſah Minna vom Sölfer der Burg traurend ihrem Verlobten 
nad, deſſen hohe Seftalt, die ganze Pilgerſchaar überragend, 
ben Nedar abwärtsichiffte. — Jahre vergingen; Edelruth voll 
brachte der rühmlichen Thaten viele; ſchon war er feines Gelübdes 
ledig, und nur die Ehre hielt ihn noch von der Rückkehr ab, 


RNedartpalund Odenwald. 589 


da des Kampfes noch Fein Ende war, als er in einer Schlacht, 
abgefchnitten von den Seinen, in die Hände des Feindes fiel. 
Diefer, grimmig über die ausgezeichneten Kriegsthaten des jun- 
gen Helden, welcher Schaaren von Ungläubigen den Tod ge⸗ 
bracht hatte, ſchloß ihn in eine Höhle ein, die einft der Aufent- 
halt wilder Thiere war. Zwei Tage verlebte hier Edelruth ohne 
die mindefte Nahrung, bis er endlich oben an der einzigen 
Oeffnung, welche fein Kerfer hatte, ein liebliches Geſicht er- 
blickte, worauf ihm eine fchöne Hand drei Pfirfiche herab warf, 
und ihm, während zugleih ein Seil von oben berunterglitt, 
eine. zarte Stimme zurief: „Zwei Diener harren meines Wins, 
kes; fteig’ herauf und folge mir in jene ſtille Thäler, wo wir 
uns ungeftört der Liebe freuen können.” 

Aber der Ritter antwortete: „Nur in meiner Heimath Tann 
ich Liebe finden; doch wenn Du edel gefinnt bift, fo rette mich!“ — 
„Rur Liebe zu mir kann Dich retten!" — entgegnete die Stim- 
me — „nur in meinen Armen Yächelt Div die Freiheit!" — 
„Nur wer Treue übt,“ — erwiederte der Gefangene, — „iſt 
wahrhaft frei; und fo wahr ich ein Ritter Bin, werde ich 
mein Gelübde nicht brechen!” — Da verfhwand die Erfchei- 
nung und tiefe Sehnfucht ergriff Edelruth von Neuem nach der 
fernen Geliebten. 

Auch diefe hatte unterdeffen ſchwere ‘Kämpfe zu beſtehen; 
Doch wankte ihre Treue gegen den Erforenen nicht einen Augen- 
blick. Als endlich die flehendften Bitten nichts mehr über ihren 
harten Vater vermochten, und er fie zur Vermählung mit dem 
Grafen von Zwingenberg zwingen wollte, entfloh Minna 
aus der väterlichen Burg, nur von einer getreuen Zofe be= 
gleitet. 

Sie beftiegen einen Nachen und fuhren im Dunkel der Nacht 


ben Strom hinab. Gegen Morgen kamen fie an den fchroffen 


Abhang eines Berges, deſſen Gipfel von uralten Fichten bedeckt 
war. Hier Iandeten fie, um einen Zufluchtsort zu fuchen unb 
gaben den Nachen den Wellen preis. Durch das Dichtefte Gebüfch 
fliegen die zarten Frauen, die felfigen Pfade hinan und feheuten 
feine Mühe, bis fie endlich eine Höhle fanden , worin Minna, 
bis zur Rückkehr ihres Nitters, zu wohnen beſchloß. Ihre Zofe 
forgte für Herbeifhaffung. von Nahrungsmitteln aus den be⸗ 


590 ° Nedartpalund Ddenwald. 


nachbarten Weilern. Aber fiebenmal kehrte der Frühling, nur 
der Geliebte nicht. Da brach der Jungfrau Herz in ungeftiliter 
Sehnfucht. Ihre treue Sefährtin war ber Verzweiflung nahe, 
und warf ſich auf Die Leiche der Herrin, fie mit einem Strome 
von Thränen überfluthend. Plöglich vernahm fie eine Stimme 
hinter ſich, und als fie umblidte, fand Ritter Edelruth im Tich- 
ten Waffenfchmude vor dem Eingang der Felfenhöhle. Er hatte 
feine Minna auf der Burg gefucht und als er dort Niemanden, 
als ihren tiefgebeugten, veueverzehrten Vater fand, geſchworen, 
feine Waffen nicht eher abzulegen, als bis er die Verlorene 
gefunden. Biele Tage ſchon war er durch Berg und Wälder 
geirrt, bis ihn fein Windfpiel auf die rechte Spur führte. Al⸗ 
Ienthalben verfündeten ihm feine Namenszüge, von Minna in ' 
die Rinden der Bäume gefchnitten, die Nähe der Gelichten. 
Sp fand er fich endlich bie zum Eingang der Höhle durch. 

Da lag entfeelt vor ihm, auf einem Bette von Moos, das 
Theuerfte, was er hienieden befeffen. Der ungeheure Schmerz 
drohte ihn felbft zur Leiche zu machen. Seine Klagen erfüllten bie 
Wälder und jeder Tag fand ihn an dem ſtillen Orte, wo er 
mit Hülfe der Zofe Die geliebte Minna begraben hatte, 

Ars fein Schmerz ruhiger geworben war, baute er an biefer 
Stätte eine Burg, und nannte fie zum ewigen Denfmale feiner 
Liebe: die Minneburg. Sn der Felfenhöhle aber, worin er 
Minna begraben, ließ er auf den Denfftein das Bild bes 
Hundes meißeln , der ihm den Weg dahin gezeigt hatte. 


2. 


Undere Berfion. 


Hugo von Habern hinterließ drei Söhne; frühe [hen 
wurden fie an ritterliche Uebungen und bie Befchwerlichfeiten 
der Jagd gewöhnt. In den weitausgedehnten Forften des Oden⸗ 
waldes ftreiften fie bis zu den freundlichen Thalmindungen des 
Neckars und verfolgten Tagelang das Gewild. Ihr Begleiter 
war ein Windfpiel von feltener Treue, und ein trefflicher Jagd⸗ 
hund, der fie ſtets auf die richtige Fährte Teitete. 

Eines Tages führte fie biefer kundige Wegweifer auf den 


Nedartpalund Dpenwalb. 591 


Gipfel eines fleilen Berges am Nedar, vor den Eingang einer 
düfteren Höhle. Die Jäger folgten auch diesmal dem Flugen 
Borläufer, der fie noch niemals irre geleitet hatte, und zwar 
in die Tiefe der Grotte hinein, in deren Hintergrunde fie zu 
ihrer großen Ueberrafchung drei weibliche Geſtalten erblidten, 
welche betend auf den Knieen lagen. Die Fünglinge wähnten brei 
Heilige im überirdifchen Glanze geifliger Verklärung vor ſich 
zu ſehen, doch bald überzeugten fie fih, daß diefe nur Bewoh⸗ 
nerinnen diefer Erde wären, die vom Schickſale verfolgt, bier 
einen Zufluchtsort gefunden hätten. Sie waren entfproffen aus 
dem berühmten Gefchlechte der Ritter von Handſchuch sheim, 
allein diefer alte Stamm war mit ihrem Vater ausgeflorben und 
ihre Befigungen dem Lehensherren wieder heimgefallen. Die 
Mutter rubte ſchon längſt im Grabe, und dad geringe Erbtheil, 
welches den drei Schweftern noch übrig geblieben, hatte ihnen 
die Habfucht eigennügiger Menfchen entriffen. Als verlaffene 
Waifen, ohne Schug und Hülfe, hatten fie fih nun vor den 
Nachſtellungen argliftiger Verführer in dieſe abgelegene Felſen⸗ 
klauſe flüchten müſſen, denn ſie waren ſchön, und mit welchen 
Gefahren iſt Schönheit nicht verbunden? Ein alter treuer Die⸗ 
ner war den Jungfrauen gefolgt und ſorgte, als Einſiedler ver⸗ 
kleidet, für ihren Unterhalt; doch waren, in der tiefen Einſam⸗ 
keit und gänzlichen Abgeſchiedenheit von den Menſchen, ihre 
ſanften weiblichen Gefühle nicht erſtorben, und bie edlen Süng- 
linge machten benfelben Eindrud auf fie, den die Jungfrauen 
auf jene gemacht hatten. Das unauflögliche Band reiner Liebe 
ſchloß fich in der Folge unter ihnen und Fnüpfte fi) mit jedem 
Tage fefter. Die drei Brüder erbauten auf jener Stelle eine 
finttlihe Burg, und nannten fie Minneburg. Lange lebten 
fie Dort mit ihren holdſeligen Frauen im glüdlichfien Vereine; 
erft viele Jahre nachher verfchwand auch ihr Name aus ben 
Regiſtern der edlen Gefchlechter des Nedarthals. Zum ewigen 
Gedächtniß Tießen die Ritter das Windfpiel, welches fie zu den 
Einfiedferinnen geleitet hatte, in Stein ausbauen. Noch vor 
wenig jahren behauptete dieſes Denkmal ber Erfenntlichkeit 
feine Stelle auf dem hoben Portale über der Einfahrt zum 
Minnebergz allein rohe Hände haben es entwürbigt und 
an der Ziegelhütte unten im Thale bei dem Dörfhen Gut⸗ 


592 NRedartpalund Odenwald. 


tenbad, über einer Stalithüre, in eine ärmliche Lehm- 
wand eingemauert. *) 
(S. „Badiſche Wochenſchrift.“ Jahrg. 1807. Nro, 5. Seite 73). 


Die beiden vorſtehenden Sagen haben einem jungen Dichter den 
Stoff zu einem größeren Gedichte geliehen, welches unter dem Titel: 
„Die Sage vom Minneberg des Nedartpals, ein Romanzenkranz von 
Sr. Ernft, mit Umriffen und einer Wufltbeilage von L. Hetſch,“ 
in Stuttgart bet Ebner und Seubert erfchienen if. 


Der Minneberg. 


em wirds nicht fehnlich zu Sinne, 
Hört er vom Minneberg? 
Wer denkt nicht, daß ſich darinne 
Berfchwiegene Minne berg’? 


Oder daß in feinem Grunde 
Der Ritter Tanhufer ruht, 
Mit Frau Venus Mund an Munde, 
Berfehmolzen in füßer Gluth? 


Komm, jet’ Di im Abendlichte 
Still an die Seite mir 
Und höre nun die Gefchichte, 
Die man erzählt von bier: 


Tief in dem Berge haufen 
Zwölf Schöne Jungfräulein; 





*) Denfwürbig ift, daß, vor nicht gar langer Zeit, ein Einfiebler 
von unbefannter Herkunft, aber ungemeiner Bildung, fih in den 
Ruinen der Minneburg eine freundliche Wohnftätte bereitetete und 
den Play mit Blumenbeeten und Gefträuchen fehr anmuthig ausſchmückte. 
Nachdem er vierzehn Jahre lang in firenger Weltabgefchiebenpeit in 
diefer romantifchen Wohnung gelebt hatte, verfchieb er, doc iſt es 
bisper flets unbelannt geblieben, wer ex geweien. Nach feinem Tode 
verwilberten die hübſchen Anlagen wieder und der Muthwille gerfiörte 
fie vollends. Sept gehört die Burg dem Fürftlen von Leiningen 

(5: „Univerfalterifon vom Großherzogthum Yaden 20.% Karlsruhe 1944, Mallot). 





Neckarthal und Ovenwalb. 593 


Sie kamen zuweilen heraußen, 
Doch ſtets nur Eine allein. 


Die ſetzte ſich an die Quelle 
Dort an dem ſchattigen Hang, 
Sich labend am Kühl der Welle 
Und luſtigem Vogelſang. — 


Vom nachbarlichen Schloße 
Kam einſtens ein Edelknab', 
Verirret vom Jagertroſſe, 
Hier an den Quell herab; 


An deſſen mooſigem Rande 
Das reizendſte Mägdlein ſitzt 
Im blüthenweißen Gewande, 
Vom Gürtel ein Demant blitzt. 


Ein himmliſches Lächeln ſpielet 
Um ihren Roſenmund, 
Aus deſſen Bogen zielet 
Der Gott, der Alles macht wund. 


- Sie grüßet, wie hold erſchrocken, 
Den jungen Jägersmann — 

Ihre Augen, ihre Loden 

Sie halten ihn bald im Bann, 


In heißer Liebesumfchlingung -- 
Doc ſprach das Jungfräulein: 
„Nur unter Einer Bedingung 
Darf ich Dein eigen feyn: 


„Selobe mir, nie zu ſpähen 
Wo ich zu Haufe bin, 
Mir niemals nachzugehen 
Zur verfhwiegenen Wohnung hin! 
II. 38 





594 


Neckarthal und Odenwald. 


„Denn ſollteſt Du je dich wagen 
In mein geheimes Haus, 
So kommſt Du in ewigen Tagen 
Nie wieder an's Licht heraus!“ 


Er ſchwört's; mit glühenden Küßen 
Beſiegelt wird ihr Bund, 
Geweiht zu Himmelsgenüſſen 
Der trauliche Schattengrund. — 


So floßen am kühlen Bronnen, 
Bei koſigem Minneſpiel, 
In weltverſchwiegenen Wonnen 
Der Frühlingsabende viel. 


Doch ließ die Neugier, die ſchlimme, 
Dem Jungling feine Ruh; 
Stets rief ihm eine Stimme 
Aus ſeinem Innern zu: 


,Geh ihr nach, geh’ ihr nach, wenn bie Loſe 
Deinem Arm fi wieder entzieht, 

Und in des Gebirges Schooſe 

Nach der heimlihen Wohnung flieht. 


„Gelöſt nun werde Dir endlich 
Das Räthſel fo wunderbar, 
Und drohte auch unabwenblich 
Dir ewigen Banns Gefahr!“ 


Er kann nicht widerftehen, 
Sein Herz iſt gar zu ſchwach; 
Vom Liebchen ungejehen, 
Schleicht er ihr Abends nach; 


Entlang des Berges Seiten 
Folgt er ihr ohne Halt, — 


" Neckarthal und Odenwald. 595 


Da ſieht er ſie plötzlich gleiten 
In einen Felſenſpalt. 


Er kann nicht widerſtehen, 
Es drängt ihn mächtig hinein — 
Kein Menſch hat ihn mehr geſehen, 
Verſchloſſen bleibt der Stein. 
A. Echzlr. 


(Vergl. Aloys Schreibers „Sagen aus ten Rheingegenden und dem Schwarz⸗ 
walde.“ Heidelberg 1839, ©. 104.) 


Der getreue Hirſch. 


Zu Hornberg am Neckar wohnte einſt ein tapferer Rit- 
ter, der im gelobten Lande große Thaten verrichtet hatte. Er 
hieß Bertram der Weder und hatte eine ſchöne fromme Ges 
mahlin, mit Namen Adelheid, und eine ebenfo brave Tochter, 
bie Mechtilde hieß. Als Letztere achtzehn Jahre alt war, und ſchon 
mander Edelmann um ihre Hand warb, da nahm der Tod ihre 
Mutter weg und der Vater ging eine zweite Ehe ein, weil 
er hoffte, noch einen Sohn und Stammeserben zu erhalten. 
Diefe zweite Frau hieß Clotilde und war fehr boshaft, aber 
rei, und brachte tem Ritter Bertram ein großes Heirathsgut, 
der auch feiner Frau Alles vermachte, und der Tochter nur 
die Sräulein-Ausfteuer beftimmte, die auch Damit zufrieden war. 
Ein ganzes Jahr Yang ertrug Mechtilde ſchweigend und gebuls 
dig die böfen Sitten ihrer Stiefmutter, die auch einen Sohn 
befam, fo dag zu Mechtilden nach und nach die Liebe ihres 
Baters geringer wurde. Einft Fam er von der Jagd und brachte 
ein junges lebendiges Hirfchfalb mit, dag er feiner Tochter 
fchenfte, die es forgfältig aufzog. Der junge Hirſch wurde 
ganz zahm und fie ließ ihm oft fein Futter in einem Hängforb 
zur Burg hinab. Da begab es fih, daß zu Wien ein großes 
Zurnier gehalten wurde, und Bertram zog dahin. Raum war 
er fort, fo fing die Stiefmutter mit Mechtilden Streit an und 
ließ ſie in's Burgverließ werfen. Aber der Burgvogt und alle 
Kappen festen fi fo herzhaft Dagegen, daß Clotilde ihre 

38* 





596 Nedartdalund Odenwald. 


Stieftochter nach drei Tagen wieder freiließ. Mechtilve blieb aber 
nun nicht mehr im Schloß, fondern ging in den Wald, wo 
fie nicht weit von der Burg eine Höhle fand, die ihr recht 
wohl gefiel. Sie holte fi) ihre Kleider, etwas Nahrung und 
Bettzeug, und begab fih an den einfamen Ort, den man vor 
Gebüſch und Strauchwerf noch nicht entdedt hatte. Der Hirfch 
allein ging mit ihr, und fam täglich dreimal in’d Schloß in den 
Türniß oder Atzungsſaal mit feinem Korbe und Jeder von dem 
Gefinde war gewohnt, ihm etwas Nahrung hinein zu legen, 
und wer ihn nichts gab, den ftieß er an, big er etwas erhielt. 
Das trug er dann alles getreu feiner Herrin zu und friftete fo 
fieben Jahre der Mechtilde tag Leben. Damit man aber bie 
Höhle nicht finden follte, fo nahm der Hirich jedesmal einen 
Umweg und madte einen Seitenfprung im Hin⸗ und Hermeg, 
fo dag man die Spur verlor. An der Höhle entfpringt auch 
die Mechtildenquelle, die Winters nicht zugefriert und im 
Sommer eisfalt ift und niemals an Waffer abnimmt. Als Kind 
hatte einmal Mechtilde einem Pilger, der in's heilige Land 
reifte, ein Gefhenf gegeben, und aus Dankbarkeit Tieß er ihr 
feine Kürbisflafche zurüd, die Mechtilde mit in die Höhle nahm 
und die ihr der Hirfh an der Duelle füllte, fo oft fie ihm 
winfte. 

Der Ritter Bertram gewann im Turnier den erſten Preis, 
aber groß war fein Jammer, ald er nad) Haufe Fam und feine 
Tochter nicht fand, und Niemand ihm fagen fonnte, wo fie 
hingefommen. Da gelobte er der Mutter Gottes eine fehöne 
Kapelle zu bauen, wenn er die Gnade haben könnte, feine Toch⸗ 
ter Mechtilde noch einmal zu fehen. Er Tieß fie überall fuchen, 
aber umfonft; man entdeckte feine Spur von ihr. Seine Frau 
Clotilde war aber feit feiner Abreife nach Wien fiech geworben, 
und Niemand fonnte ihr helfen. Sp litt fie ſchon fieben Jahre 
bie bitterfien Schmerzen, aber zuletzt geftand fie ein, daß fie die 
Mechtilde aus dem Schloß vertrieben habe. Darauf flarb fie, 
und Bertram Tieß fie in dem Dorf Woltenhaufen beflatten, wo 
ihr Familienbegräbniß war. 

Eines Sonntags frühe hörte man den Hirſch entſetzlich 
ſchreien und ſah ihn bei Wolfenhaufen ſich jämmerlich gebärden. 
Herr Bertram befahl einem Knappen, nachzuſehen, und der fand 


KRedartpalund Ddenwald. 597 


denn auf der Wiefe die Medtilde todt und den Hirfch neben 
ihr, der mit dem Geweih in die Erbe bohrte, als ob er anzei- 
gen wollte, dag man fie dort begraben folfte. Da fam auf diefe 
Nachricht der Ritter Bertram eilig von der Burg herab mit al- 
len feinen Dienern und erfannte mit Jammer und Noth den 
Leichnam feiner Tochter. Er ließ fie in einen fleinernen Sarg 
legen und an berfelben Stelle begraben. 

Unterdefjen hatte man den Heinen Sohn, der auch Bertram 
hieß, im Schloß zurüdgelaffen und Niemand hatte Acht auf 
ihn gegeben, weil Alles wegen Mechtildens Tod hinabgegan- 
gen war. Bei der Zurüdfunft fand aber Bertram feinen Sohn 
nicht, und fuchte ihn mit befümmertem Herzen in der ganzen 
Burg. Da entvedte zulest der Burgvogt den abgebrocdhenen 
AR eines Birnbaums und fo fanden fie den Knaben zerfchmet- 
tert am Fuße der Mauer, und ein Theil feines Kleides hing 
zerriffen an dem Gefträuche, über welches er von dem Birn- 
baum herabgefallen war. Der Bater ließ fih an die Stelle füh- 
ven und fiel in Ohnmacht, als er die Leiche feines Kindes 
fah. Seine Leute waren bemüht, ihm einen Ruheplag zu fu- 
hen, und fanden dadurch die Höhle Mechtilden’s, die vorher 
jedermann unbefannt geblieben war. AU ihr Feiner Hausrath 
war noch dariı, ihr Hängforb und ihre Kürbisflaiche und fo 
fahen fie nun Far, wo fie fo lange verborgen gelebt hatte. Der 
Hirſch, der mitgegangen war, ergriff die Flaſche und füllte 
fie an der Quelle, und fo wurde Alles fund, wie Mechtilde 
durch den dankbaren Hirfch ihr Leben erhalten hatte. 

Der Nitter Bertram ließ feinen Sohn neben die Mutter 
beftatten, und baute, wie er gelobt hatte, am Begräbnißplage 
Mechtildens eine Kapelle, die er reich begabte. *). 


*) Erwähnt wird biefe Sage im »Hiftorifch-politifch-geograppifchen 
Atlas der ganzen Welt.“ Th. V. S. 1849, und in den „Antiquitäten des 
Nedars.” Medicus hat fie 1765 mündlich gehört, wie fie oben fleht. 

(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg. 1834.) 


598 Neckarthal und Odenwald. 


Das Lied vom Hornberg. 


Hier wohnte Götz!*) Auf! ſingts im frohen Kreiſe! 
Der edle teutſche Mann, 
Der ſeiner Zeit des Heldenſinnes Preiſe 
Zu Haufen abgewann. 


Hier ſchlug ſein Herz für Recht und ſchlichte Sitte 
In freier Bruſt empor; 
Hier lieh der Held des Unterdrückten Bitte, 
Der Wahrheit auch ſein Ohr. 


Hier zog er ſiegreich aus mit ſeinem Herzen 
Und ſeiner Eiſenhand; 
Hier war ein Freund, — der ſtand in Luſt und Schmerzen, 
Gleich dieſer Felſenwand. 


Hier war's, wo ſeine kühnen Löwen ruhten 
Zu neuem Siegesgang! 
Hier wälzte ſich mit unſers Neckars gluthen 
Triumph und Hochgeſang. 


Hier war's, wo Götz in wildumſtürmten Tagen 
Sich und die Treuen wog, 
Dann aus der Nacht, drin ſchwache Seelen zogen, 
Auf, wie der Falke, flog. 


Hier trank der Knecht, der an des Führers Seite 
Das Schwert erklingen ließ; 
Hier hob den Feind die Großmuth und die Freude 
Tief aus dem Burgverließ. — 


So laßt denn hoch den goldnen Becher wandeln, 
Gefüllt mit Neckarwein! 
Es gilt, wie Götz als Biedermann zu handeln, 
Und treu und wahr zu ſeyn; 


Gleich ihm der Welt die große Schuld zu zahlen 
Der alten Redlichkeit; 
In Stürmen feſt zu ſtehn, wie in den Strahlen 
Der holden Frühlingszeit. 


*) von Berlichingen, 


Redartgalund Odenwald. 509 


Es gilt, ein unvergänglid Maal den Ahnen 
Sm Herzen zu erbau’n, 
Es gilt, es gilt, der Vorzeit ernfte Manen 
Sn Herrlichkeit zu fchau’n. 


Nichts fol den Glanz, in dem fie leuchten, mindern; 
Erlöſchen fol er nie, 
Und glühend ruf’ der Vater feinen Kindern: 
Schaut hin, und ſeyd wie fie!. 
r D. P. Reimold. 


Sm Zahr 1516 kaufte Götz von Berlichingen die Burg 
Hornberg von dem Ritter Conz Schott von Schottenftein. Dort ſchrieb 
er am Abend feines Lebens feine Selbfibiographie und legte dann fein 
müdes Haupt zur ewigen Ruhe nierer. Roc wird fein Harnifh auf 


der Burg aufbewahrt. 
(S. Gotifhalt’s „Mitterburgen 20.” ©. 74 u. 75.) 


Der Michaeläberg. 


Eine Stunde von Hafmersheim firomaufwärts, auf Dem 
Gipfel des nahen, mit Reben befränzten Berges, erfcheint ung bie 
einft von vielen Wallfahrern befuchte, dem heil. Michael geweihte 
Kapelle, von der auch Die Höhe den Namen Michaelsberg führt. 
Der Sußwanderer kann vom Hornberg aus auf einem angeneh- 
men, durch den Forft ziehenden Pfad hiehergelangen. Die Ka- 
velle ift uralt und man hat von diefem Orte folgende Sagen 
der Vorzeit bewahrt: 

Als die ganze Gegend noch eine fehauerlihe Wildnig war, 
Hatte fich in dieſen Gebirgen ein fühner und fräftiger Jüngling 
mit einer Tieblichen Jungfrau verlobt. Beide Tiebten einander 
aufs Zärtlichfte; aber fie war eine Chriftin, er dem Heiden, 
thume noch zugethan. Auch hing er feit an feinen Götzen, und 
nachdem die Jungfrau fich vergeblich bemüht, ihn ber reinen 
Lehre zuzuführen, trieb fie der tiefe Gram über feine Verblens 
dung weit weg von ber Wohnung ihrer Eltern in die tiefften 
Wälder, wo fie in einer Felfenfluft ihre Tage unter Geberen 
für das Seelenheif ihres für fie verlorenen Bräutigam hin- 
brachte. Selbft Die wilden Thiere hatten Mitleid mit der Traus 
ernden und trugen ihr Nahrung zu. Aber nach einigen Jahren 
ward fie von den Banden des irbifchen Lebens befreit und der 


= 


600 Neckarthal und Odenwald. 


Engel des Todes geleitete freundlich ihren Geiſt zu dem Reiche 
der Seligen. Oft durchſchweifte, nachdem ſie verſchwunden war, 
der Jüngling düſter und kummervoll die weite Gegend umher 
und ſuchte die Dahingeſchiedene vergebens. 

Da hielt er eines Tages Jagd mit ſeinen Hunden im bu⸗ 
ſchigen Thale. Ein Wild ſprang vor ihm auf, blieb aber ſo⸗— 
gleich ftehen und fah ihn unverwandt und mit fo traulichen 
Blicken an, daß er, gerührt, den ſchon gezüdten Jagdſpeer wie- 
ber zurüdhielt. Das Thier ſchien ihm zu winken: er folgte nach, 
und ed führte ihn zu einer Nafengruft, die er alsbald für die 
feiner Geliebten erfannte. Die Arme batte fich felbft die dabei 
in einen Felſen gefchnittene Grabjchrift gefent und einige Be⸗ 
wohner des einfamen Thales hatten ihre Leiche Darunter beftattet, 
Er warf fi auf den Hügel und näßte ihn mit heißen Thränen, 
während das Bild der Entfchlummerten wie ein Engel des 
Himmels vor feine Seele trat. 

Da kam plößlich der reine Geift des Chriftenthums über 
ihn, und fchnell war fein Entfchluß gefaßt. Ex pilgerte nach 
Worms und ließ fih von dem Bifchof taufen. Darnach wieder 
in feine Heimath zurüdgefehrt, baute er ſich eine Hütte auf 
diefem Berge, wo er als Einfiebler heiligen Betrachtungen und 
Bußübungen Iebte. Er ertheilte den Umwohnern fromme Leh⸗ 
ren, erguidte den müben Wanderer mit Speife und Tranf und 
geleitete den DBerirrten wieder auf den rechten Weg durch bie 
Wildniß. Weithin erfcholl der Ruf feines gottfeligen Wandels 
und zahlreiche Pilger Famen von allen Orten her zu feiner ein- 
famen Hütte und holten fich bei ihm Troſt und Stärfe in den 
Drangfalen des Lebens. Als endlich der Fromme Klausner ein 
hohes Alter erreicht und die Kräfte feinen Körper meift verlafs 
fen hatten, vernahm er einmal Nachts, wo Sturm und Res 
gen tobte, ein Pochen an feiner Thüre. Er öffnete fogleich und 
in bie kleine Zelle trat ein Wanderer von hoher fchöner Geftalt; 
er trug ein ſchneweißes Pilgergewand mit Lichtblauen Schleifen 
und aus feinen Augen Teuchtete himmlifcher Friede. Der Greis 
machte nun Feuer an, damit der Fremdling ſich erwärme, febte 
ihm Speife vor und verrichtete dann knieend und mit zitternder 
Stimme fein Nachtgebet. Aber flaunend ſah er jegt beim 
Aufbliden, wie fein Saft, noch herrlicher als zuvor, das 


Nedartpgalund Odenwald. 601 


Haupt von einer Strahlenfrone umfränzt, vor ihm fland. Mit 
erbabener Milde ſprach der Engel, — denn ein folder war ber 
Fremdling — „Gott hat dein Stehen erhört; geh’ ein zur Ruhe, 
zum ewigen Frieden " — Mit diefen Worten gab er ihm einen 
Kuß auf die Stirne; der Greis fanf zurüd und feine Seele 
ſchwang fi empor in die beffere Welt. Am Morgen fanden bie 
Waller den VBerblichenen, als läg’ er nur im ruhigen Schlum- 
mer, an feinem Fleinen Mltare von Rinden und Mood. Sie be= 
gruben ihn unter Gebet und Thränen und erbauten auf diefer 
Stelle ein Kirchlein, das fie dem Erzengel Michael weihten. 


(Aus Kari Geib's eier Säilberung der Nedargegenden.” Frank⸗ 
furt a. M. 1843. Seite 74 u. 75.) 


Kloſter Simmelreich, 


(Metriſche Verfion.) 


„Yeimm an den Ring, ihn trug mein Schwefterlein,, 
Eh’ zu dem See fie ging im Hertha-⸗Hain, 
Wo fie der Göttin Opfer wollte ſeyn!“ — 


Friedhil de fanf zurüd, wie lichter Schnee, 
Der Jungfrau Mutter aber ſprach: „O weh! 
Ihr feyd fein Chrift, Ihr opfert noh im See?“ 


„Vieledle Frau! — Herr Siegbert! — feyd mir mild: 
Bin ich Fein Chriſt, fo trag’ ich Speer und Schild 
Und herzlich Lieb’ ih Eure Friedehild!“ — 


Held Siegbert ſprach: „Geh, Grißo, werd’ ein Chriſt, 
Schwör' ab den Götzenfrohn, in dem du biſt: 
Dann wird Friedhilde dein in kurzer Friſt!“ 


Der Züngling geht und — kehret nimmermehr. 
Friedhilde weint, es flirbt ihr Vater hehr, 
Die Mutter auch, ba meint fie noch fo fehr: 


„Will Gott mich einfam, gut, fo will ich's feyn! 
Ade, Ade, du Burg auf hohem Stein, 
Im Walde bau’ ich nun die Wohnung mein!” — 





602 Nedartbalund Odenwalp. 


Nun überwölbten Eichen ihr Gemach, 
Die harten Felſen fangen all’ ihr nad, 
Wenn fie am Kreuz davor. laut betend forach. 


Gemildert warb ihr Schmerz in wenig Zeit, 
Bom Kreuz herab trof Himmelsfüßigfeit , 
Und Friede füllte fie und Seligfeit. 


Auch auf den Wald fam Frieden weit und breit, 
Da that fein Thier dem andern was zu leid, 
Und Ur und Bär fland vor ihr, wie gefeit. 


Die Singevöglein bauten Nefter hier, 
Und Hirſch und Reh und allerlei Gethier, 
Das fhüchtern ift, fand Ruh' in dem Revier. 


Und, brach fie einen grünen Zweig, fo fam 
Das al’ heran und Jedes aß und nahm, 
Sie heilete fie auch, war Eines lahm. 


Was fie gepflanzt, trug reichlich überall; | 
Grub fie im Gärtlein, flog die Nachtigall 
Ihr auf das Haupt und fang mit füßem Schall. 


Zrat fie im rothen Morgenlicht hervor, 
Sang jedes Böglein mit ihr Morgendor , 
Am höchſten flieg der Lerche Lied. empor! 


Bon taufend Blüthen duftete der Hain 
Und Bienenſchwärme flogen aus und ein 
Dur ihre Zell’ und bauten Waaben drein. 


So Tebte fie allda in Einfamteit : 
Da fam einft, um bie Abendglodenzeit, 
Ein Engel und fie war zum Tod bereit. 


Er betete mit ihr und als fie ſchwieg, 
Sanf hin der Leib und ihre Seele ftieg 
Empor zum Himmel aus der Erbe Krieg. 


Nedarthpalund Odenwald. 603 


Da fam rings jedes Bögelein heran 
Und hing die Flüglein, ald der Himmeldmann 
Ihr files Grab zu graben nun begann. 


Da kamen Hirſch dazu und Elenn’ aud 
Mit ihren Schaufeln aus dem grünen Straud, 
Und gruben allda mit, nah Menſchenbrauch. 


Und als fie in der Ruheſtätte war, 
Trug jeglich Thier ein grünes Zweiglein dar, 
Die Böglein aber Blumen in ihr Haar. 


Der Engel legte dann den Stein hinauf 
Und fohrieb fodann der Frommen Lebenslauf 
Mit wunderbarer Slammenfchrift darauf. — 


Einft jagte Grißo einen Hirfch zu Wald, 
Der machte bei Friedhildend Grabe Halt, 
Des Jünglings Speer verlor da die Gewalt! 


Denn als er mächtig ihn erhub und da 
Die wunderbare Schrift am Grabe fah ,. 
War ihm Friedhildens Friedenszauber nah, 


Und ſchuf ihn um, den Kühnen, daß er gleich 
Abfhwur die Götzen; fromm und mild und weich, 
Er baut ein Klofter da: das Himmelreid, 


That Buße drin und ſchor fein blondes Haar, 
Und lebt im Hiflelreiche manch ein Jahr, 
Bis dann fein Ende wie Friedhildens war. 

0 Auguſt Kopiſch. 

*) Die urſprüngliche Sage berichtet, daß Grißo, nachdem er ſich 
taufen ließ und den chriſtlichen Namen Lukas angenommen, eine 
Einfiedelei neben dem Grabe der Geliebten erbauen ließ, darin er 
Gott aufs Eifrigfte diente, verirrte Wanderer mit Speif’ und Trant 
erquicdte und fie wieder auf den rechten Weg wies. Zahlreiche Wallfah⸗ 
rer pilgerten zu der Zelle des Heiligen Mannes, und als ihn eines Ta⸗ 
ges ein Engel Gottes von diefer Welt genommen, warb an der Stelle, 
wo feine Siebelei fland, zum Andenken feiner wunderbaren Belehrung 
eine Kapelle erbaut und dem heiligen Michael gewidmet, wovon der 
Berg den Namen Michaelsberg erhielt. Augführlicher erzählt dies 
folgende Legende von F. W. Krummacher. 





606 — Redartpalund Ddenwaln. 


In's Reich der Lieb’ und füßen Himmeldruh’! 
Du haft getröftet und geliebt hienieden, 
Drum fey ind ew’ge Liebesland beſchieden!“ — 


Er ſprachs, und wunderſüße Harmonie'n 
Erſchollen himmliſch in den Buchenzweigen; 
Der Greis will ſich vor ihm zur Erde neigen, 
Doch freundlich richtet ihn 
Der Engel wiederum empor, 

Und küßt ihm die verklärten Blicke; 

Die ſtarre Hülle bleibt im ſtillen Thal zurücke, — 
Es öffnet ſich das goldne Sternenthor; 

Der Greis entſchwebt, dem ſchönen Jüngling gleich, 
Ins Paradies, ins lichte Himmelreich. 


Ein grüner Hügel birgt die morſche Hülle, 
Und aus des Haines heil'ger Stille 
Hallt noch manch brünſtig Flehn empor; 
Denn wo voreinſt das grüne Hüttchen ſtand, 
Glaͤnzt jetzt ein Kirchlein, Himmelreich genannt. 


Hörſt du der frommen Pilger Chor?: 
Sieh, Vater, gnädiglich auf und herab, 
Birg unfern Leib ins fühle Grab, 
Und unfern Geift heb’ in Dein Reich empor !” 

5. W. Krummacher. 
Beide vorigen Fegenden ergänzen fih; während Kopifch den Tod 
Sriedhildens zum Gegenftand feiner Dichtung madt, bepandelt Krum:- 
macher den nicht weniger fchönen Tod Grißo's, der den hriftlichen 
Namen Lukas angenommen hatte, und bringt damit die fromme Sage 
vom Michaelsberg in Berbintung. 
(Vergl. 3. Baader's „Sagen der Pfalz, des Neckarthals 2c.”) 


Die weiße Frau zu Guttenberg. 


Huf dem Schloß Guttenberg am Nedar ift vor etlichen 
und achtzig Jahren die weiße Frau vielen Leuten erfchienen, bes 
fonders dem Hausgefinde. - Sie fhlih umher wie ber Wind; 





Neckarthal und Odenwald. . 607 


wenn eine Magd baden wollte, fo fprang ihr die weiße Frau 
auf das Genick, doch war fie leicht, und man hielt fie oftmals 
für den Alp. Zuweilen fand fie auch am Wafchzuber und half 
den Mägden; fie war gewöhnlich weiß, auch grau, ihr Ge⸗ 
ficht voller Falten, ihre Geftalt lang, auch war fie, wie bie Leute 
fagten, die fie gefeben, wohl über hundert Jahre alt. Winters 
fchlich fie aus dem neuen Bau in das neue Schloß, das auf 
dem Plage des alten erbauet ift, und kehrte alle Sachen um, 
Ein berzhafter Diener des Burgheren fah ihr oft nah, wenn 
fie davon ſchlich, dafür nahm fie ihm feine Kleider und fein 


Dedbeit, wann er fihlief, und trug fie in eine andere Stube. 


Der Schloßherr hat fie niemals gefehen, hörte fie wohl aber 


in den Gängen, wenn fie eine flarfe Tracht Brennholz vor - 


den Defen niederwarf. Allein fobald er fie ertappen wollte, war 
fie verfchwunden und er fand fein Holz auf dem Gang. Mor: 
gens fchlich fie dann gewöhnlich in das Backhaus, wo fie fi 
yerficdte, wie das Geſinde oft gefehen hat. Ste that fat Nies 
mand etwas zu Leide; wo fie Einem aber bei der Arbeit half, 
da mußte er fleißig feyn, dann fah fie ihm zu, und verjchwand 
wieder, ohne ihn zu beleidigen. Als einmal zwei Kammermäb- 
hen im Wafchhaus ein Bad nahmen, öffnete die weiße Frau 
bie verfchloffene Thüre, fo daß die Mädchen erfehroden davon 
liefen. Da Tieß der Burgherr an der Ede des Wajchhaufes, wo 
bie weiße Frau zu verfhwinden pflegte, aufgraben, und man 
fand die Gerippe eines großen Menfchen und eines Kindes. Letz⸗ 
teres war von der weißen Frau, denn fie fol in ihrem Leben ein 
Kammermäbchen gewefen ſeyn, bie ihr Kind umgebracht und 
verſcharrt hat. Sie fonnte nicht flerben, bis fie die Mordthat 
geftanden hatte, und fie verlangte, daß der Burgvogt fie zu ihrem 
Kinde in die Ede des Wafchhaufes begraben follte. Das ge⸗ 
fhah, und fo entfland die weiße Frau. As man ihre Gebeine 
wieder gefunden hatte, ließ fie der Burgherr auf dem Kirchhof 


ehrlich beftatten und feitdem hat die weiße Frau Ruhe und geht 


nicht mehr zu Outtenberg. 
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg, 1834.) 


” 


* 


608 « NRedartbalund Odenwald. 


Die Kapelle bei Dallan. *) 


Als die Hunnen das teutfche Land überſchwemmten, Tebten 
in dem Klofter bei Dalau zwölf junge Nonnen mit ihrer betag- 
ten Vorfteherin. Sie gehörten fämmtlich den ebelften Gefchlech- 
tern der Gegend an und waren von unſträflichem Wandel. Als 
bie wilden Feinde fih dem Nedarthale nahten, ſah man auch 
im Klofter nur fchredenöbleiche Geſichter, denn allenthalben ver- 
übten die zuchtlofen Schaaren unerhörte Frevel. Einft verharr⸗ 
ten die Jungfrauen bis um Mitternacht im Gebet, zum Himmel 
um Schus und Rettung flebend, da vernahmen fie plötzlich ein 
dringendes Läuten an der Klofterpforte. Ein alter Dann mit 
fihneeweißem Barte und von ehrwürbigem Anfehen bat um 
Einlag und Nachtherberge. Freundlich nahmen die Frauen den 
Wanderer auf und labten ihn mit Speife und Tranf, Leber 
fein Antlig war eine Hoheit und Milde ausgegoffen, die jedes 
Herz mit Ehrfurcht und Bertrauen erfüllte. Sm Laufe des Ge- 
ſpräches theilten ihm Die frommen Schweftern auch ihre Beforg- 
niffe wegen der Barbaren mit und baten um feinen Rath. 

»Wie ihr an mir Erbarmen geübt habt,“ — fagte der 
Greis — "fo wird Gott auch eurer fich erbarmen, denn er hört 
fletö das Flehen der reinen Unfhuld. So hört nun den Rath, 
ben ich euch ertheilen will: Laßt alsbald dreizehn Todtenfärge 
machen und biefelben in die Kapelle ftellen. Nahen fich Die Feinde 
diefen heiligen Mauern, fo fhmüdt eure Häupter mit Blumen⸗ 
fränzen und legt euch in die Särge, ald ob ihr Verftorbene 
wäret. Ich werde wiederlommen zu derfelben Stunde, da bie 
wilden Hrereshaufen in Dies Gotteshaus dringen und werde 
euch einfegnen.” 

Die Zungfrauen waten, wie der Greis ſie geheißen. Sie 
ließen in Eile die dreizehn Särge zimmern und als fie das Ge⸗ 
fohrei und Gelärme der heranziehenden Hunnen vernahmen, 
flocht Eine der Andern einen Kranz um das Haupt und Jede 
legte fih im Todtengewand in ihren Sarg, die Hände über bie 
Druft gefaltet. Auf einmal fam der Greis im Tirchlichen Talare, 
begleitet von zwei wunderfchönen Chorfnaben, aus der Sakri⸗ 
ftei gefchritten und verrichtete Die Gebräuche, wie fie bei Beer- 


*) Dorf, ein und eine Biertelftunde von Mosbach. 


Redartbalund Odenwald. 609 


bigungen vorgefchrieben find; denn bie Jungfrauen waren wirk⸗ 
lich eingeſchlummert, aber nur um jenſeits, in den Gefilden 
des ewigen Friedens, wieder zu erwachen. Kaum waren die 
letzten Einſegnungsworte über die Lippen des Greiſes, als die 
Hunnen hereinſtürzten, aber bei dem Anblick der dreizehn 
Särge wie ſtarr vor Schrecken ſtehen blieben. Der Greis hatte 
ſich in eine Hohe zürnende Jünglingsgeſtalt verwandelt, bie mit 
drobendem Winfe die Hand nad den Feinden: firedte. Cine 
Strahlenglorie ummwob feine Loden und über bie weißen Ge- 
fichter der tobten Jungfrauen ergoß ſich ein güldener Schimmer. 
Bon namenlofer Angft ergriffen, flürzten die Kriegsknechte aus 
Kapelle und Klofter fort, Keiner mehr ed wagend, bem Gipfel 
des Berges wieder zu nahen. Als endlih das Tand von ben 
wilden Horden gefäubert war, fehrten die Umwohner bes Klo⸗ 
ſters nach und nach in ihre Hütten zuräd und wollten auch, 
nach alter Gewohnheit, dem Gottesbienft auf bem Berge wie 
der beimohnen, allein fie fanden zu ihrem Staunen alle Zellen 
verlaffen und in der Kirche dreizehn frifchgelegte Gruftplatten, 
alle mit Kreuzen bezeichnet, worauf die Namen ber dreizehn 


Jungfrauen und ihrer Priorin zu lefen waren. - 
Al. Schreiber. 
(Siehe deſſen „Sagen ⁊c.“) 


Die Nonne zu Dallau. 


„Zeb wohl, du Treugeliebte ! 
Ich ziehe fort von bier 
Nach dem gelobten Lande, 
Dort fleh' ih Sühnung mir. 
Wenn ich an des Erlöfers Grabe 
Für meine Seel’ gebetet habe, 
Dann Fehr’ ich treu zurüd zu dir.“ 


Und fort zog er mit Eile, 
In einem härnen Kleid, 
Sie fah ihm nach mit Weinen 
MU i 39 








610 


Nedartbalund Odenwald. 


Und feufzt’: „Ich arme Maid! 

Mas blinket ihr, o holde Sterne ? 
In feinem Aug’ fah ich euch gerne, 
Doch jest ift er fo fern, fo weit !“ 


An jedem Abend niet fie 
Bor dem Madonnabild : 
Maria, [hüg’ den Waller, 
Er ift fo fromm, fo mild! 
Er zieht dahin am Pilgerftabe, 
An deines Sohnes ftillem Grabe 
Will beten er von New erfüllt.“ 


Es fiheln fih die Monde, 
Zwei Jahre wohl vergehn; . 
Sie fchaute von dem Söller, 
Und konni' ihn nicht erfpähn. 
Sie fleigt fo bang und traurig nieber : 
„Wann Tehreft du, Geliebter, wieder ? 
Willſt Deine Maid du nimmer fehn? —“ 


Einft in des Traums Gefilden 
Maria ihr erfcheint: 
„Dein Ritter ift gefallen; 
Der Tod hat ihn vereint 
Mit Jefu, für das höh’re Leben 
Hat er fein Heldenblut gegeben; 
Der Arme hat jeßt ausgeweint.” 


Und old fie drauf erwachte, 
Nief fie: „Was weil’ ich hier 
Auf diefer Erd’ alleine? 
Nimm mid hinauf zu dir! 
Hier iſt's fo 80°, bin fo verlaffen, 
Will, ach! fo gern um dich erblaffen, 
Hier traur' ich einfam für und für, —“ 








Nedartdpalund Odenwald. 611 


Im Klofter fie fih ſchließet 
In eine Zelle ein, 
Und nad drei Monden naht ihr 
Ein Engel mild und rein: 
„Laß ab, Taf ab, dich fo zu graͤmen, 
Dich will der Herr jegt zu ſich nehmen, 
Zu enden deine lange Pein.” 


Und freudig rief die Fromme: 
„Ich fterb’, Geliebter mein!“ 
Sie farb und in den Himmel 
Draht’ fie das Engelein. 
Das Kiofter ift ſchon Tängft zerfallen, 
Aus deffen öden dunfeln Hallen 
Es uns erzählt’ der Leichenftein. 

(Zliegendes Blatt.) 


Neben dem friedlichen Dörfhen Dallau erhebt fi ein mäßiger 
Berg, auf welhem vor Zeiten ein Frauenkloſter fiand. Da diefes 
fhon Tängft zerfallen, würde man die Stelle, auf der es erbaut 
war, faum mehr erfennen, bezeichnete diefe nicht der Name Kapell, 
ven des Berges oberfle Spitze noch trägt. 

Mancherlei redet die Sage von dieſem Frauenflofler. Weiße Ge- 
falten follen in der Mitternahtfiunde dort ummundeln und melodiſche 
Sangesweifen von der Höhe niederklingen. 


Obige Sage mag dem DMeifter Uhland den Stoff zu feinem zar⸗ 
ten Gedichte geliehen haben, das wir hier anfdhließen: 


Die Nonne. 


‚Im ftillen Kloftergarten 
Eine bleihe Jungfrau ging; 
Der Mond befchien fie trübe, 
An ihrer Wimper hing 
Die Thräne zarter Liebe. 


„O wohl mir, daß geftorben 
Der treue Buhle mein! 
Ich darf ihn wieder Lieben; 
Er wird ein Engel feyn, 
Und Engel darf ich Tieben.” 
39? 


612 Medartdgalund Odenwald. 


Sie trat mit zagem Schritte 
Wohl zum Mariabild ; 
Es fland im Tichten Scheine, 
Es fah fo muttrmid 
Herunter auf die Reine. 


Sie ſank zu feinen Füßen, 
Sah’ auf mit Himmelsruß’, 
Dis ihre Augenlieder 
Im Tode fielen zu ; 

Ihr Schleier wallte nieder. 








39&o 





Ddentväldifches Bauland. 


2398o 


Sagen von Borberg und der Umgegend. 


Doktor Fauſt zu Boxberg. 


Als Doktor Kauft in Heilbronn verweilte und fich 
mit feinen leidigen Künften in der ganzen Gegend umbertrieh, 
fam er auch öfterd auf die Burg Borberg, wo er ſtets gaſt⸗ 
liche Aufnahme fand. Als er einft an einem Falten Wintertage 
mit den Herren und Frauen des Schloffes in den Oartengän- 
gen an der Oftfeite der Burg luſtwandelte und die Damen über 
Froſt Hagten, ließ er gleich die Sonne warm fiheinen, den 
ſchneebedeckten Boden grünen, eine Menge Beilchen und fchöne 
Blumen aller Art daraus hervorfproßen. Dann blühten auf 
fein Geheiß die Bäume und es reiften daran, je nachdem es 
die Geſellſchaft wünfchte, Aepfel, Pflaumen, Pfirfihe und 
anderes edles Obſt. Endlich ließ er auch Weinftöde wachfen 
und Trauben tragen, worauf er jeben feiner Begleiter einlud, 
fih eine Traube abzufchneiden, aber nicht eher, als bis er dazu 
das Zeichen gebe. Als fie bereit waren, zuzufchneiden, nahm er 
die Berblendung von ihren Augen und Jeder ſah nun, daß 
er das Meſſer an die Nafe feines Nächften gefett habe. Der 
Theil des Gartens, wo fich Dies zugetragen, wird feit jener 
Zeit „ber Veilchengarten« genannt. *) 


*) Die Sage von der Gartenbezauberung erzählt man fih aud von Albertug 
Magnus; die Nafenfcene Hat Göthe auch in feinem „Fauſt“ angebracht. 





614 Odenwäldifhes Bauland. 


Ein anderes Mal verließ Doktor Fauft Mittags um drei 
Biertel auf zwölf das Borberger Schloß, um auf den letzten 
Glockenſchlag zwölf Uhr bei einem Gelag in Heilbronn zu feyn. 
Er fegte fich in feinen mit vier Rappen befpannten Wagen und 
fuhr wie der Wind davon, fo daß er richtig Schlag Zwölf in 
Heilbronn eintraf. Ein Arbeiter auf dem Felde hatte gefehen, 
dag gehörnte Geifter vor dem Wagen den Weg eben pflafter- 
ten und andere hinter ihm die Steine wieder aufriffen und 
entfernten, um fo jede Spur dieſes Pflafters wieder zu ver- 
tilgen. 


(Nah mündlicher Ueberlieferung, mitgetheilt von Baader, in Mone's „An« 
zeiger für Kunde teutfher Vorzeit,‘ Jahrg. 1838.) 


Warum der Schillingftadter Schulze zu 
fpät vor Amt kommt. 


Zwei Ritter von Rofenberg waren in den Krieg gegen 
die Heiden gezogen. Kurze Zeit darauf fam der Jüngere wieder 
nach Haufe, gab feinen Bruder für todt aus, und ließ fih von 
den Gemeinden des Amts Boxberg, ald ihrem nunmehrigen 
©ebieter, Huldigen. Nachdem er ein Jahr Yang regiert hatte, 
fehrte der Todtgeglaubte zurück und vertrieb ihn aus dem un- 
rechtmäßigen Befisthum. Dierauf berief der Aeltere die Schulzen 
des Amtes miteinander nach Boxberg, erflärte die Verſammel⸗ 
ten, weil fie fo voreilig und willig feinem Bruder gehuldigt, für 
treubrüchig und Tieß fie füänmtlih durch den Möckmühler Scharf: 
richter bei der |. g. Wolfögrube enthaupten. Der Schulze von Schils 
lingsſtadt ſtellte fich erft ein, als die Hinrichtung der Andern 
bereits vorüber war und wurde nahe dem Richtplage, wo ihn ber 
Weg vorbeiführte, vom Scharfrichter ergriffen. Es gelang ihm - 
jedoch, diefen zu gewinnen, indem er ihm fünf Gulden vers 
ſprach, welche derfelbe für jeden Kopf vom Ritter zum Henker⸗ 
Iohn erhielt; worauf der Schulze mit Hinterlaffung von Haus 
und Hof und Weib und Kind in das Kur-Mainzifche Dorf 
Wittſtadt entfloh. 


Odenwäldiſches Bauland. 615 


Bon biefer Zeit an bis zum heutigen Tage kommt ber 
Schilingftabter Schulze allemal zu foät, wenn die Schulzen 
vor dem Amt in Borberg erfcheinen müffen *) 


(Nach mündlicher eberlieherung mitgetheilt von Bernh. Baader In Mone's „Ans 
zeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


Wölfingen. 


Das Dorf Wölchingen bei Boxberg hieß urſprünglich 
»Wölftingen« und hatte diefen Namen daher, weil einft 
eine Wölfin aus dem nahen Walde zwölf Kinder, die auf Schlit- 
ten die Kleine Anhöhe hinabfuhren, überfiel und zerriß. An dem 
Orte, wo dieg gefchehen, ift ein hölzernes Kreuz aufgerichtet 
und er beißt noch heute die Wolf sgrube, ſo wie der dor⸗ 
tige Wes: der Todtenweg. 


Von der Burg zu Vorberg. 


(Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.) 


1. Auf diefem Bergſchloß lebte vor Zeiten eine Freifrau 
yon Rofenberg, welde den Armen viel Guted that. Um 
bies vor ihrem Gemahle zu verbergen, unternahm fie manche 
heimliche Gänge, welche der Ritter doch zulegt merkte und 
daraus Verdacht frhöpfte, fie fey ihm untreu und ftehle ſich zu 
einem Buhlen. Er fchlich ihr daher, als fie wieder fo wegge- 
gangen war, mit einem Beile nad, um ihr, wenn er fie ſchul⸗ 
big erfände, auf frifcher That das Leben zu nehmen. Am Burg- 
graben aber fand er fie, befchäftigt, unter die Armen, welde 
dort fohanzen mußten, aus einem Korbe Brod und Wein zu 
vertheilen. Da fah er reuig feinen Irrthum ein, und lebte fortan 


*) Abweichend wird unter Anderm auch erzäplt, die Schulzen feyen 
nach Heidelberg gegangen, um fi bei dem Pfalggrafen über ihres 
Ritters Bedrückungen zu beffagen. Auf dem Hinwege hätten fie fich 
in der Herberge zu Adelsheim unvorfichtigerweife über ihr Vorhaben 
geäußert und heftig auf den Roſenberger Iosgefhimpft. Eine Magd, 
welche zugehört, habe fpäter, als fle auf der Burg Borberg im Dienfte 
geſtanden, die Sache dort ausgeplaudert und dadurch die Hinrichtung 
ber Schulzen veranlaßt. 





616 | Ddenwälpifhes Bauland. 


mit feiner Frau in ungeflörter Einigfeit und Liebe. Beide find 
auf dem Schloffe in Lebensgröße ausgehauen; er mit dem Beile, 
womit er feine Gattin töbten wollte, und fie mit dem Korbe, 
woraus fie Brod und Wein vertheilt. 





2. Als einft die Burg belagert wurde, bat ein Knecht der 
Befagung um die Erlaubniß, dem feindlichen Anführer, wel- 
cher jenfeits der Umpfer, auf dem Berge dem Schloffe gegen- 
über, fich zeigte, den Hut vom Kopfe herunterzufchießen, jedoch 
ohne den Mann felbft zu verlegen. Als ihm der Burgherr dieſe 
Bitte gewährte, ſchoß der Knecht mit feiner Armbruft zweimal 
über das Thal hinüber und zwar jedesmal dem Anführer, ohne 
ihn nur im Öeringften zu befchädigen, den Hut vom Köpfe. 
Da fandte der Berfchonte auf die Burg, ließ dafür, daß die 
beiden Schüffe nicht auf feinen Leib, fondern blos auf feinen 
Hut Ferichtet worden, freundlic, danken und zugleich Frieden 
anbieten, welcher auch alöbald gefchloffen wurde. 





3. Der Krappenthurm des Schloffes hatte eine folche Höhe, 
daß die Pfälzer, um ihrem Herren die Erflürmung der Burg 
fund zu thun, auf dieſen Thurm ihre Sahne pflanzten, welche 
denn auch zu Heidelberg, dad 18 Stunden davon entfernt Tiegt, 
mit Freude wahrgenommen wurde, 





A. Sn der Burg befanden fih vormals große Schäße, be- 
ſonders in den Gewölbe, das noch heute die Silberfammer 
heißt 5; dort fand man auch unter Anderm mehrere Thaler von 
altem Gepraͤge. 

Auf dem Berggipfel hinter dem Schloffe, welder „bie 
Zent“ heißt, erfcheinen von Zeit zu Zeit am Mittag zwei weiße 
Fräulein, und deuten mit ausgeftrediten Armen nad der Burg 
hin. In diefer felbft fpuften ein Hofmesger und ein Hofbäder 
und verrichteten heimlich ihre Handwerksgeſchäfte; auch wurde 
fhon auf dem Fruchtfpeicher ein Simri von unſichtbaren Hän- 
den hin und her gerollt. 


Odenwäldiſches Bauland. 617 


Die meineidige Hochzeit. - 


In einem Bergwäldchen bei Wölchingen verfprachen 
ein Burfche und ein Mädchen aus biefem Dorfe fich wechfelfeitig 
die Ehe mit dem Schwur: Dasfenige von Beiden, welches 
fein Wort breche und ein Anbered heurathe, folle am Hoch⸗ 
zeittage, und zwar bier auf diefer Stelle, vom Teufel zer- 
riffen werden. Troß dieſes Verſprechens nahm das Mädchen 
fpäter einen Andern und ihr Hochzeitfeft wurde in einer Scheune 
gefeiert. Bei demfelben fand fih auch ein flattlicher Jäger ein, 
den Niemand kannte und welcher, wie jeder Saft zu thun 
. pflegt, mit der Braut drei Ehrentänze machte, Am Ende des 
Dritten zog er fie aus der Scheuer und aus dem Dorfe hin- 
. aus mit fi) den Berg hinauf, und als bie übrigen Hochzeitleute, 
welche anfänglich die Sache für einen Scherz hielten, ihnen 


nachſetzten, waren Beide nicht mehr zu fehen. Bon Arbeitern 


auf dem Felde vernahmen fie fpäter, daß der Jäger mit ber 
Braut in das Bergwäldchen verfhwunden fey: fogleich eilten 
fie dahin und fanden dort, zu ihrem Entſetzen, die Kleider und 
den Kranz der Braut in Stüde zerriffen und theild auf dem 
Boden zerſtreut, theild auf ven Bäumen umherhängend. Der 
Ring, den das Mädchen von ihrem früheren Geliebten hatte, 
und worin beffen Namen eingegraben fland, war forgfältig in 
ein Halstuch gewidelt, von ihr felbft aber, die ohne Zweifel 
auch vom Teufel zerriffen worben, nichts mehr zu fehen, 

Bon diefer Gefchichte her heißt der Berg der Reißberg, 
das Wäldchen Reißhölzchen und der. Weg, weldhen ber 
Böfe mit der Braut dahin gefahren, „Höllifhes Weg- 
lein.“ 

(Aus Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


Noſenberg. *) 


Was ſteht die alte Vefte auf hohem Felfen dort? 
Die Mauern find zerfallen, und Stilfe herrfcht am Ort, 
Wo fonft der frohe Harfner viel Minnelieder fang, 

Da fauft durch leere Hallen der Wind fo Falt und bang. 


* Dorf und Schloß, zwei Stunden von der Amtsſtadt Adelsheim, an der Kirnau. 


618 Odenwäldiſches Bauland. 


Wohl ragt' in alten Zeiten das Schloß ſo ſtolz empor 
Und aus dem hohen Thore ſprengt' mancher Ritterchor, 
Geſang und Minnelieder erklangen in der Hall, 

Doch alles iſt verſchollen mit ſeines Herren Fall. 


Drum ſteig aus deinen Grüften, du Roſenberg, hervor 
Mit deinen treuen Knappen! — Schon wölbt ſich neu das Thor, 
Schon ſteht im hellen Saale dein Mahl in voller Pracht; 
Tritt Sänger aus dem Kreiſe und töne durch die Nacht! 


1. 
Der Weberfall, 


In Schönen Frühlingstagen, wann wieder grünt die Flur, 
Die Lüfte wärmer wehen, ſich jünget Die Natur, 
Da hörte man ein Saufen wohl durch den ftillen Wald, 
Wie ftarfen Baches Rauſchen, der fhäumend wiederhallt. 


N 


Es tönte immer lauter, das Braufen näher Drang, 
Wie ferner Wandrer Tritte, wie dumpfer Waffenflang, 
Und um bie Felswand bieget ſich her ein großer Troß: 
Kaufleute find’S , die ziehen heran wohl hoch zu Roß. 


Nah Frankfurt auf die Meffe die Waaren bringen fie, 
Es drängt die Zeit, drum brachen fie ‚heute auf fo früh, 
Und langſam ziehn die Schaaren, zum Kampfe nicht bereit, 
Bier Tanzenfnechte folgen, fie dienen zum Geleit. 


Schon naht die Mittagsfiunde, e8 brennt ber Sonne Strahl, 
Da tönts wie Pferbgetrappel, wie Schwerterflang durchs Thal, 
Wie wenn vom hohen Felfen der Gießbach niederſchießt, 

Und über Stein und Felder wild braufend fich ergießt. 


Und aus dem dunklen Walde hervor zum Sonnenlicht 
Bon Rofenberg der Ritter mit feinen Knappen bridt: 





Odenwäldbifhes Bauland. 619 


„Wohlauf ihr frühen Wandrer, gebt eure Habe ber, 
Wo nicht, fo büßt mit Kerfer und Tod die Gegenwehr !” 


Der Kaufmann greift zur Waffe und wehrt fich für fein Gut, 
Heil wie die Schwerter klirren, wie fprubelt auf das Blut! 
Wie fhwingt mit Löwengrimme der Ritter dort fein Schwert, 
Wie fauft es durch die Lüfte, wie blutet Dann und Pferd ! 


Dort finft ein Wandrer nieder, ein Lanzenfnecht bier fällt! 
Bon Rofenberg, der Ritter, der hat ihn rafch, zerfpällt; 
Er tobt und haut fo grimmig, der Muth zum Zorn ihm ſchwoll, 
Bis ringsum lag die Straße der todten Wandrer voll. 


Der Ritter fteigt vom Roſſe, wie ift e8 ihm fo heiß! 
Wie ift fein Arm ermattet, wie triefet er von Schweiß ! 
Wie ift fein Schwert vol Scharten, und wie fo blutig roth ! 
Wohl Manchen hater Heute gefandt zum frühen Tod ! 


Drauf fchaut er fih die Beute, die heut er ſchon gemacht, 
Schon lange hat er nimmer fo reiche heimgebradt ; 
BDefieht dann die Sefangnen: „Willfommen in der Haft, 
Ich hab’ dich lang erwartet, du werthe Kaufmannfchaft |” 


Drauf tragen fie die Beute zu Ritters Schloffe fort, 
Sie ziehn mit den Gefangnen, der Ritter fpricht Fein Wort, 
Und hinter dem Gebüfche verſchwinden Alle bald, 
Und wieder ftille wird es und einfam in dem Wald. 


2, 
Ritters Stevel. 


Was rauſchet auf dem Schloffe von Rofenberg zur Nacht, 
Wenn alles eingefchlafen und Niemand hält mehr Wacht ? 
Es fchleichet auf der Mauer ein hohes Frauenbild, 

Deß Gang voll hoher Würde, deß Antlig hold und mild. 








620 Odenwäldiſches Bauland. 


Und wenn fich nichts mehr reget im tiefen dunkeln Thal, 
Da naht es fih ber Mauer, dort wo der Felfen kahl 
Hinausfchaut zu dem tiefen und ſchauerlichen Teich, 

Und aut der Wind durchfaufet das fteile Bergbereich. — 


Süngft hat in einer Mondnacht der Wächter dies gefehn, 
Der meldet fehnell dem Nitter, was eben dort gefchehn ; 
Wie der ed hat vernommen, da wappnet er fich fehnell, 
Und eilet mit dem Knappen hin zur befagten Stell. 


Der Ritter naht der Zinne, und fieht dag Frauenbild, 
Und ſchrecklich eine Ahnung erfüllt fein Herz fo wild; 
Ha! hätte fein Gemahl wohl gebrochen ihre Treu? — 
Der Ritter ftürkt hervor ſchnell, — die Luft Durchgellt ein Schrei, 


Und vor dem Gatten flehend die Gattin nieberfällt ; 
Sein Blick erfprüht von Flammen, die Hand geballt er hält, 
Schon züdt er auf die Arme fein mächtig NRitterfchwert, 
Doch raſch hat noch der Knappe den Morbftreih abgewehrt. 


Und fie ſchaut wie ein Engel den harten Gatten an, 
Die Augen auf den Ritter fo bittend, flehend fahn: 
„O fchone Du der Gattin, die nicht Dein Wort bedacht, 
Und den Gefangnen Nahrung gefpendet in der Nacht.” 


Doc er rief zornerglühend zu feiner Frauen laut: 
„Verruchte Natterbrut du! Du ſchnöde Satansbraut ! 
Haft mein Gebot verachtet und nicht auf mich gehört, 
Empfang nun beine Strafe, du Weib, das mich entehrt !" 


Er faßt fie mit den Armen, wenn auch mit aller Kraft 
Sie, feiner ſich erwehrend, verzweifelnd auf ſich rafft; 
Er wirft fie von der Höhe zum tiefen Teich hinab, 
Dort hat fie bald gefunden ein fühles Wellengrab. 


Da donnern rings die Berge, es blitzt burh Thal und Wald, 
Und aus des Donners Rollen herab die Stimme fchallt: 


Odenwäldiſches Bauland. 621 


„Der Rache Tag ift nahe, — es lebt noch ein Gericht, 
Dem bift du längft verfallen und ihm entgehft du nicht !“ 


Und ſchrecklich tönts dem Ritter, daß ihm das Herz erbebt, 
Er finft zur Erde nieber, wie wenn er nimmer lebt’; 
Erſt als am frühen Morgen die Sonne wieder fchien, 
Da fanden auf der Mauer die Diener liegend ihn. 


8. 
Bitters Strafe. 


Was ſchallen Die Trompeten an jener Burg fo hell? 
Die Rache ift gekommen, ereilt den Ritter ſchnell; 
Es haben die Verwandten bie Kunde bald empfahn, 
Wie an der edlen Gattin der Nitter hat gethan. 


Mir Schwertern und mit Tanzen, zu Wagen und zu Roß, 
Naht nun der Burg von Nofenberg ein ftolzer Kriegertroß, 
Kaufleute haben ihnen aud große Hülf’ gebracht, 

Zu retten die Gefangnen, Die fehmachten dort in Nacht. 


Den erften Sturm zu wagen, ben Mauern fie ſich nahn, 
Es dringen viele Krieger auf Leitern ſchon hinan; 
Der Ritter und die Seinen, die werfen fie hinab, 
Dort fanden fie im Abgrund ein fehauervolles Grab. 


Wohl ſtürmen frifhe Mannen auf jener fteilen Bahn, 
Bon Allen die da famen, drang Keiner dort hinan, 
Bon oben wirft man Felſen, gießt heißes Det herab, 
Und alle finden unten ein frühes blutig Grab. 


Und als die Sonne tauchte zum fernen Ocean, 
Hat Keiner noch vollendet die fleile Felſenbahn; 
Schon wären fie verzagend nach Haufe faft gekehrt, 
Da hat man: „Greift zu Feuer!“ im Heere laut gehört. 





622 Odenwäldiſches Baulanı. 


Schnell gehts von Mund zu Munde: „Eilt Ale fort zum Ward, 
Faͤllt Bäume, bringet Reifer und Stroh zum Brande bald, 
Damit dem Ritter fchleunig ein Feuer werd’ gemacht, 

Daran er fih mag wärmen in kalter Winternacht ! 


Und Alles bringet NReifer und Holz in fohnellem Lauf, 
Das thürmen fie dem Ritter am flarfen Thore auf, 
Drauf naht ein Dann mit Feuer, das fehleudert er ind Stroh, 
Wie Iodert auf bie Flamme, wie brennt es Tichterloh ! 


Es praffelt an dem Thore die Flamme fchredlich auf, 
Berzehrt die ftolze Pforte in immer raſcherm Lauf; 
„Ward dir nicht heut, Herr Ritter, das Feuer gut gemacht? 
Das hätteft du gewißlich fobald noch nicht gedacht ?“ — 


Und ald das Thor verkohlet und eingefallen war, 
Da dringet durch die Breſche herein der Feinde Schaar : 
„est, Ritter, gilts zu fechten, fett wehr’ dich für dein Gut! 
Der Feind der lechzt nach Rache, der Feind der lechzt nach Blut!” 


Und ſchrecklich in den Hallen erfchallt der Waffenflang, 
Der Ritter fchmettert nieder, was ihm entgegendrang; 
Und Schritt vor Schritt nun dringen fie in der Halle vor, 
Bis wo am tiefen Teiche die Felswand ragt empor. 


Der Ritter blickt hinunter von jäher Felfenwand : 


„Ha! das ift Gottes Rache! das ift des Satans Hand!” — 


Es fchwindeln ihm die Sinne, er flürgt den Fels hinab, 
Da bat ihn fohnell verfchlungen ein ſchrecklich Wellengrab. 


Der Feind darauf Die Mauern und Thürme nieberriß, 
Er plünderte die Schäbe, erbrach dad Burgverließ; — 
Es lodert auf die Veſte in ungeheuerm Brand, 

Sie kündet son dem Nitter Befreiung an dem Land. — 


Odenwäldiſches Bauland. 623 


Sept ſauſet in der Veſte der Wind in dunkler Nacht, 
Es wurzelt in den Trümmern die Tann' in flolzer Pracht; 
Und wo fonft Glanz nur ftrahlte, da waltet Nacht und Graus: 


Das ift des Himmels Rache, die traf bes Ritters Haus. 
Engen Huhn. 


Buchens Hochmuth und Strafe. 


Die Stadt Buchen war früher fo reih, daß fie „bas 
Thalerſtädtchen“ genannt wurde und ihre Bürger fi 
rühmten, fie fünnten bie Straßen mit lauter Kronenthalern 
pflaftern. Wegen diefes Prahlens und Stolzes fuchten mehrere 
Orte der Umgegend fih von Buchen unabhängiger zu machen; 
worauf Die von Buchen auf ihre beiden Thore, die nad) Often 
und Weften führen, einige nach Außen fpottende Affen und 
überdies auf bag letztere Thor einen dem Odenwald den 
bloßen H— weifenden Mann ausbauen ließen. Bon biefen 
Steinbildern wurde der Mann unter dem Namen „A... 
bleder” das Wahrzeichen der Stadt und Die von Buchen woll- 
ten damit anzeigen, daß fle bei ihrem Reichthum fowohl die 
erwähnten Orte ald überhaupt die ganze Welt gering fchäßten. 
Zur Strafe für diefen Uebermuth gerietb Buchen alsbald in 
Bermögensabnahme und kam endlich zu einem blutarmen Städt: 
hen herunter. *) 


*) Diefe Sage iſt aus der Erklärung des Wahrzeicheng der Stadt 
entflanden. Es gibt ähnliche Wahrzeichen an anderen Orten, 3 B. an 
der Kirche zu Wölchingen bei Borberg, unter deren Bildwerken fich 
auch zwei fitende Affen befinden, welche den H— oneinanderfioßen. 
Die Sage deutet foldhe Bildnereien aus Beweggrünten, die urfprüngs 
lich felten darin lagen. 

(Siehe Mone?8 „Anzeiger 20,” Jahrg. 1839.) 


Die Lappe. 


Ueber den ergiebigen Feldbezirk „bie Lappe“ hatten ehe⸗ 
mals die Orte Hettingen, Buchen, Hainſtedt und Walddürn ſo 





624 Odenwäldiſches Bauland. 


unaufhörliche Streitigfeiten, daß fie endlich dieſen Strich zur 
Unfruchtbarkeit verwünſchten. Seitdem kam bafelbft nur mage- 
ved Geflrüppe auf und ber Bezirk erhielt den Namen: „das 
verfluchte Wäldchen.“ Später gelang es, die Händel zu ſchlich⸗ 
ten und feit diefer Zeit bringt die Lanpe wieder die fhönften 
Feldfrüchte hervor. 

(S.Mone!8 „Anzeiger 20. Jahrg. 1839.) 


Das ſtrafende Madonnabild. 


Als im October 1631 der Schwedenkönig Guſtav Adolf 
mit ſeinem Heere nach Franken kam, überfiel einer ſeiner wil⸗ 
den Haufen auch das Kloſter Amorbach. Die Mönde deſſel⸗ 
ben entflohen zum Theile; die Zurüdbleibenden "aber wurben 
von .den Soldaten fortgeiagt, dag Klofter geplündert und, was 
man nicht raubte, zerflört. Der Himmel ſah dieſe Greuel 
und Entweihungen des Klofterd ruhig mit an und verhängte 
feine Strafe über die Frevler. Als man ſich aber erfrechte, 
die gottlofe Hand fogar an die Himmelskönigin und Schußheis 
lige der Kirche zu legen, erfolgte auch alsbald die Beftrafung. 
Damals ftand nämlich in dem Schiff der Kirche das Bild der 
Sungfrau Maria, auf dem linken Arme den Jefusfnaben, in 
ber rechten Hand den Ecepter tragend und mit einem koſtba⸗ 
ren blauen Damaftfleide angethan. Diefes Kleid flach einem 
Schwediſchen Fähndrich fo fehr in Die Augen, daß er ed der 
Himmelskönigin abzog und feiner Geliebten als Kriegsbeute 
mit nah Haufe brachte. Kaum hatte fie es aus feiner Hand 
empfangen, als Beide plöglich erblindeten und auch blind biies 
ben, bis der Fähndrich auf Befehl feines Hauptmanns das heis 
lige Gewand wieder nad Amorbach feiner Eigenthümerin zus 
rüdbrachte. Auf dieſes hin erhielt das Pärchen auch fein Geſich 
wieder. 


(Aus AL. Grimm’s: „Die malerifchen und romantifhen Stellen des Oben- 
waldes, in ihrer Borzeit und Gegenwark* Darmſtadt 1824. Lesfe.) 


Odvenwäldifhes Bauland. 623. 


Die gemiedene Kanzel. 


In der Kloſterkirche zu Amorbach, welche feit Lange von 
den Lutheriſchen benügt wird, unterfing ſich einft ein Prediger 
derfelben, gegen den fatholifchen Glauben Ioszuziehen. Da be- 
fam er auf der Kanzel eine Obrfeige von unfichtbarer Hand, 
und feitbem betritt fein lutheriſcher Geiftlicher_mehr diefe Kan⸗ 


zel, fondern es wird von einem Chorfluhl aus geprebigt. *) 
(Nah mündl. enertiefe, mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „Anzeis 
ger 20.” Jahrg. 1838). 


Die Entitehung der Wallfahrtskirche zu 
Walddürn. 


In einer ziemlich rauhen Gegend des Badiſchen Odenwal⸗ 
des, an der Straße von Heidelberg nach Würzburg, liegt die 
hübſch gebaute Stadt Walddürn, die ihren Urſprung höchſt 
wahrſcheinlich einem römifchen Caſtelle verdankt, das fpäter in 
ein teutfches Ritterfchloß umgewandelt wurde, um welches ſich 
nach und nach ein Dorf bildere, welches unter den reichen, vom 
Maine bis zum Nedar begüterten Herren von Dürn oder Di- 
ren, deren Gefchleht in mehrfacher Hinfiht als wohlthätig 
verdient erfcheint, um das Jahr 1236 fich zur Stabt erhob, die 
aber erft feit dem jahre 1330 durch eine Wundergefchichte, fo 
daſelbſt vorfiel, in bedeutende Aufnahme fam. Die Sage, aus 
einer Zeit ftammend, wo das Volk ohne Aufklärung überall nur 
Wunder fuchte und diefelben in feinen abergläubifchen Borflel- 
fungen audy fand, Yautet fo: 

Im 3. 1330 verfohüttete ein Priefter, während ber Meſſe, 
aus Unachtfamfeit yon dem eingefegneten Weine auf das weiße 
Kelchtuch, auf welchem nun augenblidlich das’ Bildnig des Hei⸗ 
lands in blutrother Farbe hervorsrat. Der Priefter erfchraf, ver⸗ 
barg das Tuch, nahm es zu fich und zeigte den Borfall insge⸗ 
heim bei feinen Obern an, welche hierwegen nach Rom berichteten, 
von woher bald die Erlaubniß fam, das Tuch mit dem Wun⸗ 
derbilde zur Öffentlichen Verehrung auszuſetzen. 


*) Diefe Sage CP) riecht bedeutend nach ultramontaner Fabrik. DH 
II. 


⸗ 


626 Odenwäldiſches Bauland. 


Diefe Wunderbegebenheit war in furzer Zeit überall befannt 
und es zogen bie Menfchen von nah und fern, einzeln und in 
ganzen Schaaren, nad Walddürn; befonders in ber erften Hälfte 
bes vorigen Jahrhunderts war das Zufammenftrömen des Bol- 
fes zum Erflaunen groß, da die Anzahl der dahin Wallenden 
jährlich oft auf A0—50,000 ſich belief; ſelbſt das ferne Köln 
fandte feine Walfahrer hierher. — So wurde Walddürn 
einer der befannteften Wallfahrtsorte, wie e8, wenn auch nicht 
mehr fo ſtark wie früher befucht, bis jegt gebliehen if. Die 
Pfarrkirche, ein großes und ſchönes Bauwerk mit reichen Ver⸗ 
zierungen und Einfünften, enthält in einer filbernen Kapſel das 
wunderbare Kelchtuch, woburd dieſelbe die herühmtefte aller 
Badiſchen Walfahrtefichen wurbe, doch if von dem ehema- 


ligen Bildniffe_nur noch eine ſchwache Färbung zu erfennen. 
FU. Nueb, 


Sagen von der Jörgenburg. 


1. Als die f. g. Meerwiefen bei Walddürn noch mit fhiff- 
barem Waffer bededt waren, fland auf dem barangrenzenden 
Schloßbudel die Jörgenburg, welche fpäter von den Fluthen 
verjchlungen wurde. In dem noch vorhandenen Burgfeller Liegt viel 
uralter Wein in der Haut*), die er allmälig durch die Länge 
der Zeit, während die Fäffer verfaulten und Die Dauben ab- 
fielen, ſich felbft gebildet hat. Auch große Schäte hält ber 
Schloßbuckel verborgen; ein Mann, ber fpät in der Nacht dort 
vorbeiging, fah außen einige Kiften fiehen, worauf der Teufel 
faß und den Schlüffel in der Hand trug. 


+) Der Bein in der Haut iſt eine ziemlich allgemeine Vorſtellung 
des Volkes auch am Oberrhein, welches behauptete daß der Wein um 
fih ferbft eine Haut ziehe, je älter er werde, fo daB die Faßdauben 
vermodern und abfallen Können, ohne daß der Wein aus feiner Haut 
ablaufe. Diefe Heberlieferung geht in die Zeit der Römer zurüd, welde 


ben Wein in ledernen Schläuden und Beuteln aufbewahrten, woraus - 


bie Sage eine Weinhaut gemadt hat. 
Mone. 


(Nach mündl. Hebertiefeenng mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone?s „Ans 
zeiger 20.” Jahrg, 1839). 


Lo U U 770, 


Odenwäldiſches Bauland. 627 


2. Einem andern Danne blieb dort beim Adern die Pflug: 
fchar in der Handhabe eines im Boden befindlichen Keſſels 
fteden. Zweimal rief er: „Geh heraus in Gottes Namen !“ als 
es aber nicht ging, das dritte Mal: „Wenn’s nicht in Gottes 
Namen geht, fo geh's in Teufels Namen!» Da verfank der 
Keffel, welcher voll Geldes war, in die Tiefe, die Handhabe 
“aber blieb an der Pflugfchar hängen. Hätte der Mann auch dag 
dritte Mal „in Gottes Namen !” gerufen, ſo würde dag Geld 
ihm gewiß zu Theil geworben feyn. 

(Siehe Mone’s „Anzeiger ⁊c.“) 


Der Mardbrunnen und die Meerweiblein. 


In den Meerwiefen bei Walddürn befindet fich der Mars⸗ 
brunnen, welcher, nachdem er zwei Stunden unter ber Erbe 
geflofien, bei Bretzingen wieber hervorbricht, und z. B. Spreu 
oder Späne, die man zu Walddürn hineingeworfen, bei Bre- 
hingen wieder zu Tage bringt. ?) 

In dem Brunnen hielten fi) vor Zeiten Meerweiblein auf, 
oben wie fchöne Jungfrauen, unten wie Sifche geflaltet. Sie 
famen Abends nad Walddürn in die Spinnftuben, fpannen 
und plauderten mit den andern Mädchen, aber um 9 Uhr eil- 
ten fie ftetd pünktlich von dannen. Einmal verfpäteten fie fich 
bis um Zehn; als fie dies wahrnahmen, fprangen fie erfchroden - 
fort , indem fie den Leuten noch zuriefen, heute feyen fie das 
legte Mal bei ihnen gewefen. Am andern Tage fand man das 
Waffer des Marshrunnens ganz mit Blut gefärbt und die Meers 
weiblein find niemals wieder gefehen ?) worden. 

Bor mehren Jahren ift ein Bauer mit vier Ochfen und einem 
Pferde ?) in dem Brunnen verfunfen. Er befindet fich nebft ſei⸗ 
nem Bieh noch darin, und wenn man bineinruft: „Bauer, 
Bauer mit zwei Paar Ochſen und einem Saul, Pütterle 
vor!” ?) fo Täßt er alsbald Schaumblafen auf die Oberfläche 
fteigen. _ 

1) Bon der Aach im Hegau, welche fih in den Unterfee mündet, 
fagt man ebenfalls, daß fie ein unterirdifcher Arm der Donau ſey. 

3) Es geht hieraus hervor, dag obige Sage aus zwet verfchiede- 
nen Beftandtpeilen vereinigt iſt, nämlich aus Meerweiblein mit halber 
Fiſchgeſtalt und aus Seejungfrauen von menfchlicher Geftalt. Der Ver⸗ 

40" 





628 Ovdenwäldiſches Bauland. 


ſpätung in den Spinnſtuben und beim Tanze begegnen wir in einigen 
verwandten Sagen, z. B. in der vom Schluchtſee, von den Seejung⸗ 
frauen im Kappler Thal ꝛc. 

3) Dergleichen Zuſammenſtellungen der Hausthiere kommen auch 
in den Weisthümern vor, 3. B. achthalbe Roſſe, d. i. ſieben Pferde 
und ein Mauleſel, und find ein volksthümlicher Zug. 


4) Bläßchen empor ! 
(Nah mündl. Veberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone!s „Anz. 
jeiger für Kunde der teutihen Vorzeit.“ Jahrg. 1838.) 


—— 0 —— 


Taubergrund m Mainthal. 


+?6&> 


Hammerwurf des Riefen. 


Die drei uralten Kapellen bei Scheflersheim, Oberwittighau- 
fen und Grünfelvhaufen wurden von Rieſen erbaut, welche 
bie großen fchweren Steine dazu in ihren Schürzen berbeitrugen. 
Als das erfte Kirchlein fertig war, warf der Baumeifter feinen 
Hammer hoch durch die Luft, wit dem Vorhaben, da, wo ber« 
felbe niederfalle, wieder eine Kapelle zu bauen. 

In einer Entfernung von zwei Stunden fiel der Hammer 
zu Boden und richtig ward auch daſelbſt das zweite Kirchlein 
errichtet. Nach defien Vollendung warf der Riefe den Hammer 
ebenfo wie das vorige Mal durch die Luft und erbaute ſodann 
auf dem wieder zwei Stunden entfernten Plage, wo der Ham⸗ 
mer niederfiel,, die dritte Kapelle. In jener bei Schefleröheim 
wird eine der mächtigen Rippen des Niefen aufbewahrt. 


(Rah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.” Jahrg. 1839.) 


Die Riefen und Die Menfchen. 


Als der Grüngrund und die Umgegend noch von Niefen 
bewohnt war, fließen einft zwei derfelben auf einen gewöhnli- 
hen Menfchen. „Was iit das für ein Erdwurm?“ fragte ber 
Eine, worauf der Andere antwortete! „‚Diefe Erbwürmer wer- 
den und noch auffreſſen!“ — Wirklich find auch in der Folge 


630 Taubergrund. 


die Riefen von den andern Menfchen in der ganzen Gegend aus⸗ 


gerottet worden. 


(Nah münblicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's 
Anzeiger für Kunde der teutichen Vorzeit.” Jahrg. 1839. S. 309.) 


Der Bildſtock mit Der Näherin. 


An einem aufgehobenen Feiertag wollte ein fremdes Weib 
mit ihrem Heinen Kinde nah Grünsfeld in die Kirche. Zwi⸗ 
fhen dem Uhlberger Hof und dem Städtchen merfte fie, daß es 
zu fpät fey, daher fie fih am Wege nieverfegte und anfing zu 
nähen, wobei fie fpradh : 

„Gott zu Ehren 
Will ich mein Kind ernähren.“ 

Während fie arbeitete, kam ein Gemitter und erfchlug fie, 
ohne das Kind, welches hart neben ihr Tag, nur im Geringften 
zu beichädigen. — Später wurde zum Andenfen dieſes Vorfalls 
auf dem Plate ein fteinerner Bildſtock errichtet, auf welchem 
die Begebenheit ausgehauen iſt. 

(Aus Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839.) 


Die Zerſtörung von Oberlauda. 


Das Bergſchloß Oberlauda bewohnten ſonſt welche 
vom niedern Adel, die ſich von Lauda nannten. Schon im 
Jahre 1163 fommt, als Zeuge in einer Urkunde, ein Heinricus 
de Luden vor, 

Am Charfreitage des Jahres 1525 zogen die Aufrührifchen 
Bauern von Scheflersheim, nachdem fie dafelbfi das Frauen⸗ 
Elofter ausgeplündert und verbrannt hatten, nah Merkels⸗ 
heim, wo fie ihr Hauptquartier auffchlugen. Bon bier aus 
fhieten fle einen Haufen nach dem Städtchen Unterlauda, 
welcher ſich mit den dortigen Bürgern vereinigte, noch felbigen 
Tages mit ihnen nad) Oberlauda zog und die Burg zur Ueber⸗ 
gabe auffordert... Die Burg Lauda war damals an mehrern 
Orten fohadhaft, und wurde von dem Würzburgifchen Ober: 
amtmann Philipp von Rüdt bewohnt, der in, diefem kriti⸗ 


Taubergrund. 631 


ſchen Augenblicke, außer feiner Familie, nur nich Siegmund 
von Jobal, Erasmus von Fechenbach und einige Knechte 
bei ſich hatte. Als nun Rüdt Miene machte, ſich zu vertheidigen, 
warfen die Bauern Feuer in die Burg und zünbeten fie ſol⸗ 
cherweife an, bei: welcher Gelegenheit fie die Frau des Rüdt 
mit ihren Kindern gefangen nahmen, rein ausplünberten und fie 
noch weiter gemißhandelt hätten, wenn es nicht der Oberans 
führer der Bauern, Florian von Geyer, verhindert hätte. 
Rüdt, der fih den Bauern nicht übergeben wollte, 309 ſich 
mit feiner wenigen Mannſchaft in den .Thurm der Burg und 
wehrte fi dort fo Tange mannhaft, bis der Wind das Feuer 
der brennenden Burg gegen den Thurm jagte, fo daß auch in 
biefem das Holzwerf anfing zu brennen. Bald war ber Fuß⸗ 
boden des Zimmers, in welchem er fich aufhielt, durchgebrannt 
und er fiel mit feinen fämmtlichen Leuten darin hinunter, 
wo fie fo Tange harren mußten, bis alles im Thurme ausge⸗ 
brannt war. Tags darauf hörte man fie um Hülfe rufen, wors 
auf fie Die Bauern, ſämmtlich Iebendig und. nur wenig befchä- 
digt, herauszogen und, troß dieſer "wunderbaren Errettung, 
durch die Spieße gejagt hätten, wenn fich nicht einer der Haupts 
leute, Namens Kunz Beyer, der Gefangenen fehr thätig 
angenommen hätte. Jetzt wurden ihnen die Hände auf den Rüden 
gebunden und fie fümmtlih auf Wagen ins Hauptquartier nach 
Merfelsheim geführt. Da fie aber hier Gefahr Tiefen, von den 
Dauern todtgefchlagen zu werden, bradte man fie nad) Mer⸗ 
gentheim, wo fie bis nach der Schlacht bei Königshofen 
in einem feften Thurme eingefperrt blieben. 

Was der Brand von der Burg übrig gelaffen hatte, wurde 
zuerfi ausgeplündert, dann völlig zerflört. Für dieſes barbarifche 
Betragen mußten die Bauern ſchon einige Tage nachher büßen, 
denn am Pfingfidienflage befam Hans Truchſeß zu Walb- 
burg das Städtchen Lauda mit Akkord, und ließ fogleich zwei 
Bürger und den dortigen Pfarrer, Namens Leonhard Beys, 
enthaupten. Am 20 Juli 1525 fam Bischof Konrad IIL, geb. 
von Thüngen, von Würzburg nad Lauda, um bie Unter- 
thanen wieder in Pflicht zu nehmen, und ließ bei biefer Geles 
genheit noch acht Einwohnern die Köpfe abfehlagen und bie üb- 
rigen um 550 fl. ftrafen. 


6323 Taubergrunt. 


Seit biefer Zeit Kiegt bie Burg wüfle und gegenwärtig fieht 
man nichts mehr von ihr, als einen fehr breiten tiefen Graben, 
welcher einen Hügel von beträchtlichem Umfange umgibt, ber 
mit Weinftöcen bepflanzt if, denen bie Refte dee Grundmauern 
der Burg zu Terraffen dienen. 

(Aus Gottſchalks „Ritterburgen und Bergichldffer Deutſchlands⸗ 6. Band. ©, 177.) 


Die Niederlage der Bauern in der Schlacht 
bei Königshofen. 


An einem Freitag in der. Nacht 
Hat ſich Götz Derling *) aufgemadıt, 
Sein Haufen mit Tich genommen ; 
Und ſechs⸗ und vierzig großer Stüd, 
Schlangen, Falkonet und Feldgefhüg 
Dom Bund thät er befommen. 


Und zog wohl in das Tauberthal, 
Zu Königshofen ihre **) Lager war, 
Des Feinde wollt’ er da warten: 
Sem’ Büchfen richt? er in das Feld, 
Sein Ordnung bat er wohl beftellt, 
Bon Spieß’ und Hellebarten. 


Am Freitag vor Pfingften geſchah, 
Daß man den Bund herziehen fah 
Mit einem großen Heeres; 

Die Bauern zogen den Berg hinan, 
Den Vortheil wollten fie innen han, 
Allda ſich der Feind wehre. 


Dem reiſigen Zeug war ſo jach, 
Der verloren Hauf eilt hinten nach, 
In die Bauern thaͤten ſie brechen. 
Ihr Keiner wollt hie nicht beſtohn, 

Ein jeder meint: wär’ ich darvon! 
Und huben an zu flreichen. 


*) von Berlichingen. 
*) nämlich der aufrüßrerifchen Bauern. 








Taubergrund. 633 
N 


Sie wichen bald und liefen fehr, 
Wohl nach dem Wald war ihr Degehr, 
Ihr Keiner dorft fi) wehren. 

Da blieben bei fechstaufenn Mann, 
Die ihr Leben verloren han, 
Allda that man fie feheeren. 


Zu Würzburg rüft’ man ſich mit Macht, 
Auf Pfingftabend um Mitternacht, 
Wollten helfen den Brüdern, 
Die da Tagen im Land daraus, 
Sie feynd zu lang geblieben aus, 
Waren fie all umkommen. 


Sie zogen fchnell und eilten fehr, 
Nah Königshofen fiund ihr Begehr, 
Der Bund 309 ihn'n entgegen. 
Sie zogen wiederum zurud 
Und fohlugen allda ihre Burgk, 
Als wollten fie fih wehren. 


Der reifig Zeug 308 auf fie dar, 
Die Bauern wurden's bald gewahr, 
Und huben an zu weichen. 

Da blieben bei Viertaufend tobt, 
Wohin fie fommen, das weiß Gott, 
In die Ham’ oder in’s Reiche ꝛc. 


(Aus einem alten Fieber „Reimen von dem Bauernkrieg,” mitgetheilt in Wolff’ e 
„biftorifhen Volksliedern“ S. 228.) 


Ein zweiter Gefiler. 


An einem noch jegt ftehenden Haufe in der Stadt Königs: 
bofen' an der Tauber wohnte einft ein Edelmann, der von 
feinen Unterthanen gleiche Acdhtungsbezeugungen, wie der Land⸗ 
vogt Geßler in der Schweiz, vor feinem außerhalb des Or⸗ 
tes auf einem Pfahl aufgeftedten Hute verlangte, und von 
feinem Fenfter aus einen Jeden niederſchoß, der fich dieſem 
Gebote weigerte. Die darüber empörten Bürger flürmten aber 


634 Taubergrund, 


fein Haus, ſtürzten ihn zum Fenſter des oberen Stodwerfes 
hinaus und ſchloßen füh dem damals ausgebrochenen Bauern⸗ 
kriege an. 
(Bergl, „Univerſal⸗Lexikon von Baden." Karlésruhe 1843. ©. 675.) 


Die heilige Lioba zu Biſchofsheim. 


Das ander Tauber, unter den drei Bifhofsheim im 
Großherzogthum Baden, ift das ſchönſte, größte und älteſte; 
denn es war ſchon vor 1100 Jahren ein Dörfchen oder bifchöf- 
licher Hof, als der große Bonifazius, der Apoflel der 
Zeutfhen, an die Zauber fam, um auch bier den göttlichen 
Samen des Chriftentbums auszuftreuen; denn die Bifchofsheis 
mer, jest gute, Fatholifche Ehriften, wie faft überall im Tauber- 
grund, waren damals noch ſtockblinde Heiden. Bonifazius brachte 
ihnen eine fehr gefchidte und fromme Engländerin, Lioba, 
(Liebe) und wie fie hieß, fo war fie, die leibhaftige Liebe. 
Sie baute ein Nonnenflofter, und diefes wurde der Bilhofs- 
heimer geiftliche Pflanzgarten, aus dem viele weiße Lilien ent- 
fproffen. Ihr Andenten wird in Bifchofsheim in ewigen Ehren 
bleiben; aber ihr Klofter ift nicht mehr. 


2.8983. 


Bon der Ehriftnacht. 


In Samburg und Umgegend geben folgende Sagen über bie 
Chriſtnacht: 


1. Während der Chriſtmette blühen die Aepfelbaͤume, blühen 
ab und tragen Früchte. 


2. Um Mitternacht Tiegt in den Ställen alles Vieh auf 
den Knieen und aus den Brunnen fließt flatt Waſſer, Wein. 
Eine Magd im untern Schloße zu Gamburg, welche zu 
diefer Stunde zufällig den Küchenftänder friſch gefüllt Hatte, 
fand denfelben am nächſten Morgen voll des Föflichen Weins. 





. Zaubergrund. 635 


3. Das in der Chriftnacht das Vieh miteinander fpreche, 
wollte ein Mann nicht glauben; um nun darüber Gewißheit zu 
erlangen, legte er fi in feinen Stall unter die Krippe. Zwi⸗ 
fhen eilf und zwölf Uhr fagten Die Ochſen zu einander: „In 
Kurzem befommen wir in unferm Haufe Trauer, denn unfer 
Herr wird flerben! —“ Wirflih war drei Tage darauf der 
Mann eine Leiche, Ä 


Ein Anderer, der, einer Weite wegen, im Stall auf das 
Reden des Vieh's wartete, wurde am Morgen dafelbft tobt 
gefunden. 

(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.) 


Spinne nicht im Mondfchein! 


Zu Samburg faß eines Abends eine Frau in der Stube 
allein und fpann, ohne anderes Licht als den Mondfchein. Da 
trat ein weißes Männlein herein, Tegte eine Menge Spulen 
hin und fagte: „Dieſe Spulen mußt du, bie ih in einer 
Stunde wieberfomme, alle umfponnen haben, fonft drehe ich 
bir den Hals um!“ — Hierauf ging ed fort; die Frau, in 
größter Angit, wußte ſich Tange nicht zu helfen, endlich aber 
fiel ihr doch ein Rettungsmittel ein. Sie umfpann jede Spule 
einmal, womit fie bis zu des Männleins Rüdfunft fertig 
wurde, Als diefes Die Spulen in Augenfchein nahm, ſprach es: 
„Das hat dir Gott angeratben, dag du ed fo gemacht haft! 
Es hätte dir fonft den Hals gekoſtet!“ Hierauf nahm es die- 
felben und entfernte ſich. Von der Zeit an hat bie Frau nie 
wieder im Mondſchein ſpinnen mögen. 


(Siehe Mone?s „Anzeiger“ Jahrg. 1839.) 


636 TZaubergrunv. . 


Der fchügende Stein. 


Nach der alten Ausfage eines Bergfnappen liegt auf dem 
Berge Muͤhlgluck bei Gamburg ein Stein, worüber fein 
Gewitter ziehen kann, fo daß er das Dorf und die Umgegend 


fhon vor vielem und großen Schaden bewahrt hat. 
(Siehe „Mone’8 Anzeiger“ 1839,) 


/ 


Schäte in und bei Neicholzheim. 


1. Die Bewohner des zweiten Haufes links an der Straße 
von Brombach ber, hörten einft Nachts einen Yärmen, ale 
wenn der Schornftein zufammenftürzte und draußen viele Hunde 
beiten. Beim Hinausfchauen in den Hof fahen fie unter den 
Drennneffeln am Thor ein helles Licht. Während fie nun hin 
und her ſtritten, ob fie hingehen und die Hebung des Schatzes 
verfuchen follten, nahm das Licht allmälig ab und erlofch end⸗ 
lich ganz. Als fie gleich darauf nachforfchten, war weder eine 
Spur des Lichts, noch eine Beſchädigung des Schornfteind zu 
entdeden, 





2. In dem Gärtchen vor demfelben Haufe zeigt fih alle 
fieben Jahre ein nächtliches Fläämmchen, das vom erften Advents⸗ 
bis zum Dreifönigstage ummwandelt. Als einmal zwei Mädchen 
ed von der Straße aus erblidten, wollte die Eine ſtillſchwei⸗ 
gend ein Stück Brod darauf werfen, Die Andere aber rief: „Sieh, 
ein Lichtlein I” und fogleich war das Flämmchen verſchwunden. 





3. Eine Frau, welche auf ihrer Wiefe grafte,, fah darauf 
glänzende Steinen herum liegen. Sie bob vier derſelben für 
ihr Kind daheim auf und that fie unter das Gras in ihre Köze 
(Tragforb). Als fie nah Haufe fam, waren bie Steine zu 
alten Silbermünzen geworden , jede fo groß wie ein halber 

Kronenthafer. | 


\ 


TZaubergrund-Maintpat. 637 


A. Ein fünfzehnjähriges Mädchen fah auf einer Wiefe in 
einem Erlenbufch ein grünes Henfeltöpfchen ftehen, worin etwas 
Glitzerndes zu wimmeln ſchien. Sie holte ihre in der Nähe bes 
findliche Mutter herbei; als fie aber mit ihr zu dem Buſche 
fam, war das Töpfchen verfchwunben. 


(Nah mündlicher Heberlieferung iegenent von Bernd. Baader in Mone’s 
„Anzeiger 20.” Jahrg. 1838. ©. 








°30& 


Sagen aus der Gegend von Wertheim. 





Vorzeichen eines gefegueten Herbſtes. 


1. Auf der Röttbacher Klinge, dreiviertel Stunden 
Mainabwärts von Wertheim, tönt in mandem Sommer ein 
Geffingel, wie fernes Schlittengeläute, welches man die „Schel⸗ 
lengäule” nennt. Es zeigt den vorzüglichen Wein an, der im 
nächften Herbfte gewonnen wird. - 





2. Zu Waldenhaufen imKeller des Haufes am Tindens 
brunnen läßt fi, wenn der folgende Herbft gut ausfallen foll, 
ein Klopfen, wie das eines Küfers, nur fhwächer und dumpfer, 
vernehmen. Dies gefchieht in der Zeit vom erſten Advents - 
bis zum Dreifönigstage, und je beffer die Weinleſe, defto 
deutlicher und häufiger das Klopfen. Horcht man darauf oder 
forfcht man dem Orte nad, woher es tönt, fo hört es augen 
blicklich auf. 


(Nah mündlicher ag mitgetheilt von Bernh. Baater in Mone's „Ans 
zeiger“ Jahrg. 1 


638 Mainthal. 


Der Sichelesacker. 


Auf dem Reicholzheimer Bergfelde gegen Wertheim 
hielt man einſt am Tage vor Mariä Himmelfahrt Aerndte. Als 
Abends das Feſt eingeläutet wurde, hörten die Leute mit der 
Arbeit auf und ermahnten ein Mädchen, welches zu ſchneiden 
fortfuhr, daſſelbe zu thun. „Es mag Gott lieb oder leid ſeyn, 
mein Acker muß noch heute fertig geſchnitten werden!“ — ant⸗ 
wortete das Mädchen, und arbeitete mit doppeltem Eifer fort. 
Nachdem ſie den letzten Schnitt gethan, fiel ſie plötzlich, zur 
Strafe für ihren Frevel, rückwärts in die Sichel und ſtarb an 
der Wunde. Zum Andenken an dieſen Vorfall wurde auf dem 
Acker ein Stein, mit einer darauf eingehauenen Sichel errichtet, 
nnd daher kommt die Benennung des Platzes „Sichelesader.“ 
Dei diefem Steine wädst Fein Hälmchen Gras und wenn man 
ihn zudeckt oder entfernt, kommt er doch allemal wieder auf 


dem alten Plage zum Borfchein. 
(S, Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


Die Kreuze oberhalb Neicholzheim. 


Vor Zeiten gingen einmal neun bis zwölf Höhfelder Burſche 
mit einem ſchönen Mädchen von der Waldenhauſer Kirchweihe 
heim. Auf der Höhe hinter Reicholzheim geriethen fie wegen bes 
Mädchens, das Allen wohlgefiel, miteinander in Streit, wobei 
fämmtlihe Burfche bis auf Einen, und auch das Mädchen, 
welchem fie den Kopf abhieben, getödtet wurden. Der am 
Leben gebliebene Burfche ging noch bis zur Gamburger Steige, 
wo ihn aber die Neue fo heftig erfaßte, daß er fich felbft um- 
brachte. An diefem Platze nun, fo wie an jedem andern, wo 
einer der Burfche gefallen, ſteht ein fteinerned Kreuz, und ein 
hoher Stein, mit einem darauf eingehauenen Schwerte, da, wo 
das Mädchen umfam. Bon dem oberften Kreuze bei Reicholz- 
heim bis zum unterften, war das Blut wie ein Bach gefloffen. 
Die dortigen Aeder haben von dieſem VBorfalle den Namen „Die 
Streitäder”, und wegen beffelben ift Die Waldenhaufer Kirch⸗ 
weihe für immer aufgehoben, Bei den Kreuzen fpuft es in man 





Mainthal. 639 


chen Naͤchten, namentlich geht ein ſchwarzer Mann dort um, 
der ſich den Vorüberwandernden auf den Rüden hängt und eine 


gute Strecke weit won ihnen forttragen Täßt. *) 
(Siche Mone’E „Anzeiger 10. Jahrg. 1838.) 


Der Streitader. m 


(Bergl. vorftehende Sage.) 


D Liebe, blinde Liebe! was haft du fchon vollbracht! 
Wie Biele fhon auf Erven geſtürtzt in Leidensnacht! 
Warme und edle Herzen haft oft du dem Tode geweiht: 
Ob in Paläften geboren, ob im Schoße der Dürftigfeit. 


Lei Wertheim liegt ein Dörfchen, das Reicholzheim ge 
| nannt, 
Da blühte einft ein Mädchen, die Schönft’ im ganzen Land; 
Mer in der Gegend fie fannte, dem ſtets fie vor Augen blieb, 
Zwölf rüftige Jünglinge warben zugleich um ihre Lieb | 


Die Holde ſprach mit Thränen: „Ihr ſeyd mir Alle werth, 
Und gerne folgt’ ich Jedem von euch zu Haus und Herd — 
Sucht euch in Frieden zu einen, und Welchem ihr dann mich beftimmt, 
Er fey verfichert, Daß meine Hand dann gern die feine nimmt.” 


Die Burfche waren Freunde, Doch fchwieg Die Sreundfchaft Hier, 
Stets ſenkt fie ihre Waffen, wo Liebe ſchwingt's Panier! 
Haß trat und Zorn an die Stelle, doch gaben Dem Mädchen fie nad), 
Und zur Befprechung festen fie feſt den nächſten Tag. 


*) Streitäder, Kriegsmatten u. dgl., gibt es in vielen Gemar- 
“Jungen; fie mögen wohl ihre Namen vom fireitigen Feldmaaß oder 
Eigenthumsrechte haben, worüber auch manchmal blutige Händel ent- 
fanden feyn mögen. Sch vermutde daher, daß über folche Felpnamen 
noch hie und da Bolksfagen im Schwunge find. Ob damit überall die 
rohen feinernen Kreuze auf den Feldern sufammenhängen, läßt fich nicht 
mit Gewißpeit behaupten. In der Regel ſtehn diefe Kreuze als Zeichen, 
bag auf ihrem Plate Jemand erfihlagen wurde, daher das Mordwerk⸗ 
zeug (Meffer, Pflugfchar 20.) häufig in rohen Imriffen auf dem Kreuz 
ausgehauen if. More. 





640 | Mainthal. 


Ein Ader warb bezeichnet zu dem Verſammlungsort; 
Als dort die Zwölfe ftanden, da fiel manch ſcharfes Wort, 
Bon Worten fam’s dann zum Dräuen, vom Dräuen fam’s zum 
Streit, 
Und bald flog, fampfgezüdet, jed’ Meſſer aus der Scheid’, 


Bald lagen Zehn am Boden im Blut, fo jung, fo roth, 
Und bald umfing den Eiften der Kämpfer auch der Tod, 
Einer nur war noch übrig — als der auf die Teichen fah, 
Da trat fein Schreckensſchickſal ihm plötzlich graufig nah. 


Er weint: „DO Herr im Himmel, was haben wir gethan! 
Welch gräßlich Werk vollendet im wilden Liebeswahn!“ 
Und in fein pochendes Herz ſenkt er fich den vauchenden Stahl 
Und folget feinen Gegnern in's finftere Todesthal. | 


Die Jungfrau hört die Kunde — fie weinte und verfhwand 
Bon ihr im weiten Maingau nicht mehr die Spur fih fand. 
Aber der Ader wo einftens der Zwölfe Blut trank der Grund, 
Streitader wird er noch heute genannt vom Volkesmund. 


(Aus Dr. 3. Günther’s „Großes poetifhes Sagenbuch der Teutſchen.“ Jena 1844. 
Ohne Namen des Berfaflers.) 


Der Sreijäger. 


Gegen Ende des vorigen Jahrhundert Iebte auf dem Dörr⸗ 
bofe bi Rauenberg ein Säger, der, weil er drei Sreifchüffe 
gethan, Alles was er wollte, ſchießen konnte. Die Freifchüffe 
that er fo, daß er auf ein Tuch kniete und das erftemal gegen 
die Sonne, das zweite Mal gegen den Mond, und bag drits 
temal gegen Gott felbft fhoß, wobei vom Himmel drei Bluts⸗ 
tropfen auf das Tuch fielen. Nach feinem Tode ging er fogar 
am Tage im Walde beim Dörrhofe in feiner Jägerfleidung mit 
Gewehr und Jagdhund umher. Durch den Schieder (Markt⸗ 
ſchieder, Feldmeſſer) vom Laufenhof warb er in einen Sad 
beihworen, in die obere Klinge zwiſchen Grünenmwörth und 





Mainthal. 641 


Mannsfeld getragen und dort unter einem’ Felſen gebannt, Der 
„nie Schneidersfammer” heißt. Seit dieſer Zeit wird bie Klinge 
vom Bieh gemieden; auch iſt ſchon daſelbſt bei Nacht ein ſchwar⸗ 
zer Mann gefehen worden. 

(Siehe Mone’E „Anzeiger 20. Jahrg. 1838.) 


Die Wettenburg. 


Ein halbes Stündchen oberhalb Wertheim auf einem 
Berge, den der Main auf drei Seiten befpült, Tag vor Zeiten 
ein ftattliches Schloß, die Wettenburg genannt. Seine letzte 
Befigerin, eine geizige Gräfin, wollte einen Theil des Maine 
auch um bie vierte Seite ded Berges leiten und diefen dadurch 
zu einer Inſel machen, die den Bettlern unzugänglich wäre. Ver⸗ 
geblich wurde die Gräfin von ihren Untertanen, welche im 
Schweiß ihres Angefichts die Frohndarbeit leiſten mußten, ane 
geflehbt, von ihrem drüdenden Beginnen abzuſtehen; da warf 
fie einen Ring in den Main und fprad : „So wenig ich dieſen 
Ring jemals wiederjehe, fo wenig unterbleibt mein Vorhaben!“ 
Bald darauf, bei einem Feſtgelag im Schloffe, fand fih zu 
ihrem Schredfen der Ring im Bauch eines aufgetragenen 
Karpfen. 

Schon waren die Arbeiten der armen Unterthanen im vollen 
Gange, da fam Gottes Strafgericht und verfenfte die Burg mit 
fammt der Gräfin und ihren andern Bewohnern in die Tiefe 
des Derged. Nur wenige Mauerrefte und ein tiefer Schacht be⸗ 
zeichneten noch die Stelle des Schloffes. 





"In diefen Schacht ließ fich einmal ein Hirte an einem Seile 
hinab , nachdem er feine oben harrenden Gefährten angewieſen, 
ihn auf ein gegebenes Zeichen wieder hinaufzuziehen. Er kam 
in einen Saal, worin ein fehwarzer Hund lag, und etliche Män⸗ 
ner und Frauen in alterthümlicher Tracht, doch regungslos 
wie Steinbilder, beifammen faßen. Da faßte ihn ein Grauen 
und er Tieß fich augenblicklich wieder heraufziehen. 

II. 41 


642 Mainthal. 


Einen Schäfer, der ein andermal hinunter gefliegen war, 
führte eine Gran, die Herrlichkeiten des Schloffes ihm zeigend, 
Dusch viele Säfte und Gemächer, zulettt in eines, worin lauter 
Todtenföpfe an den Wänden aufgerichtet fianden. Ald er wieder 
"aus dem Berge geftiegen war., fand er Vieles rings in ber 
Gegend ganz verändert und erfuhr, daß er nicht, wie er ge⸗ 
glaubt Hatte, nur einige Stunden, fondern fieben Jahre in der 
Tiefe zugebracht Habe. 

Heutigen Tages ift auch der Schacht nicht mehr zu fehenz 
wohl aber hört man noch zuweilen Nachts cin Geläute aus 
dem Schopfe des Berges. 


(Siehe Mon e’8 „Anzeiger 20.) 


Anbere Sagen von der Wettenburg. 


Alle fieben Jahre, am Jahrestage des Untergangs der Burg, 
fpiegelt fi diefelbe vom Grunde des Mains herauf, unb 
Sonntagstinder fehen auf dem Berge, da wo das Schloß ges 
flanden, einge Högle und daneben einen Felfen, worin ein großer 
Ring abgedruckt ifl. Auf dieſen Ring legte ein Küfer einft fein 
Bandmeſſer und fohlief nachher ganz in der Nähe davon ein. 
Beim Erwachen fah er weder Felſen noch Meffer mehr, aber: 
nad) fieben Jahren fand er beides wieder, ald er an dem glei- 
hen Tage dahin kam. 

Ein Schäfer, welcher ſich vor dem Negen in die Höhle ge- 
flüchtet hatte, verfiel darin in Schlaf; als er erwachte, waren 
unterdefien fiebenmal fieben Jahre verfloffen und er traf zu 
Haufe Alles verändert. 


(Nah mündl. Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „An- 
jeiger 20.” Sahrg. 1838. ©, 52.) 


Der Kürlesgarten bei Bifchofäheim. 


HSoch ging es her an Biſchofs Gerhard Tifche, 
In langen Reihen faß der Gäſte Schaar, 
Auf Silberſchüſſeln prangten Riefenfifche 
Und Wildbrät, fo des Forfles Zierde war; 


Mainthal. 643 


Reich fprudelte dazu der Wein, der frifche, 


Im Keller aufbewahrt ſchon manches Jahr, 
Der Befte nur floß heut aus grüner Tonne 
Und flimmte jedes Herz zu lauter Wonne. 


Unter den Gäften hob fih wie ein Rieſe 
Der wilde Kunz von Rofenberg empor; 
Zwei Männer trugen ſchwer an feinem Spieße, 
Und fünf Schuh maß das Schwert, das er erfor; 
Schon Manchen ftredte tobt er auf die Wieſe, 
Bor feiner Kraft erlag der Ritter Flor, 
Er achtete nicht Zucht, noch zarter Sitte, 
Und lebt' ald Unthier in der Menſchen Mitte. 


Auch heut, bei Würzburg’s Bifhof, als der Reben 
Flüffiges Feuer ihm zu Kopfe flieg, 
Prahlt er von Weibern, die fi ihm ergeben 
Und fchewte Taut von manchem Minneſieg, 
Berfpottete das traute Eheleben, ” 
Und pries dagegen, was ihm bot der Krieg. — 
Doch als er Wertheim's Weib verleumbet hatte, 
Erhob fi) zornerfült der Graf, ihr Gatte, 


Und warf den Fehdehandſchuh hin dem Frechen, 
Rief ihn zum Kampf auf Leben und auf Tod. 
Bol Gift ſprach Rofenberg: „Du willſt Dich rächen, 
Du feiner Schäfer weiß und rofenroth ? 
Doch gut, auch dich kann noch mein Schwert durchftechen, 
Das Manchem ſchon ein ſchnelles Ende bot, 
Hielt mich nicht Schüffel und Pofal gebunden, 
Sp lägſt du jest fihon da im Blut und Wunden. 


„Doch in drei Tagen werb’ ich zu dir kommen, 
Dis dahin mad’ zum Tode Dich bereit! —“ 
Der Bifchof und die Säfte, ſchwer beflommen, 
Bermitteln wollen fie den fchlimmen Streit. 

41* 





644 


Mainthal. 


„Blut heiſcht Die Rebe, fo ihr habt vernommen |“ 
Spricht der gefränfte Mann voll Heftigfeit, — 
„Und Agmus, Grafvon Wertheim, wirbniezagen, 
Das Leben für fein edles Weib zu wagen!” 


Bon Bater, Weib und Kindern, treuen Schaaren 
Der Diener froh begrüßt, Tehrt er nah Haus, 
Doch als vom nahen Zweifampf fie erfahren, 

Da brachen Schred und Taute Klagen aus. 

Sein Bater ſpricht, ein. Greis in Silberhaaren: 
„Dubiftein Wertheim, kennſt nicht Todesgraus!“ 
Die Gräfin aber ruft mit bitterm Weinen: 

„So raubt das Schidfal dich fo früh den Deinen |“ 


Ernft fpricht der Graf: „Gott kann den Sieg auch geben 
Dem ſchwächern Arm, er wehrt der böfen That, 
Sn Seine Hand befehl? ich treu mein Leben ; 
Der David fiegen Tieß ob Goliath, © 
Der wird auch mich in dieſem Kampf umfchweben! —“ 
Und ſolcher gottvertrauten Worte Saat 
Entfeimet Troft und Hoffnung in den Seinen — 
Doch noch ein fohönrer Troft fol ihm erfcheinen. 


Unruhig fohlummernd, fieht er Durch drei Nächte 
Den heiligen Georg vor fih im Traum, 
Die Kreuzesfahne ſchwinget feine Rechte, 
Und feine Füße trägt ein Wolkenſaum. 
„Ich fhwebe fhügend um did im Gefechte, - 
Und bring’ dir Sieg, drum gib nicht Sorgen Raum, 
Geſchlagen hat des rohen Sünders Stunde !” 
So tönt es Tieblidy yon des Heiligen Munde. 


Asmus erwacht und fühlt das füße Laben 
Der Troftesworte von dem Wolfenthron; 
Dem Himmel bringt er feines Danfes Gaben, 
Und als der dreien Tage Frift entflohn, 


Mainthal. 645 


Gibt er den Segen ſeinen holden Knaben, 
Küßt ſeinen Vater als getreuer Sohn, 
Umarmt die fromme Gattin feſt und lange 
Und läßt fih wappnen zu dem ernften Gange. 


Die Gräfin aber läßt den Bürgern fünden, 
Welch Ichwerer Kampf dem edlen Manne droht, 
Und fleht: fich zum Gebete zu verbünden, 
Bon ihm Dadurch zu wenden fichern Tod, 
Bon ihm, dem Biedern, der ein Feind der Sünden, 
Den Armen Retter war aus mander Noth. 
Sie ſpricht: „Hört ihr vom Schloß das Glöckchen Täuten, 
Sp wißt ihr feine Mahnung wohl zu deuten !“ 


Als von dem Thurm, aus dunkeln Epheuranfen 
Drei Uhr verfündete der Glocke Mund, 
Stehn Rofenberg und Wertheim in den Schranken 
Im Kürlesgarten dort im Taubergrund. 
Der Helmfturz fällt und rafch wie Die Gedanken 
Flammt auf das Schwert, bligt auf des Schilded Rand, 
Beflügelt find die ſtahlumſchanzten Glieder 
Und im Gebirg halt es von Hieben wieber. 


Da tönt Geläute von des Schloffes Zinnen, 
Und Vater, Weib und Kinder Fnieen hin, 
Den Sieg durch brünftig Beten zu gewinnen, 
Und jebe Lippe bebt: „Gott, fhüge ihn!" 
Durch Seufzer tönt's in heißer Thränen Rinnen: 
„O laß ihn dem gewiſſen Tod entfliehn !“ 
Und wie vom Schloß die Glockenklänge fchallen, 
In Wertheim Alle auf die Kniee fallen. 


Doc in dem Thale kreuzen fich die Klingen, | 
Jetzt fängt fie auf der Schilde breiter Rand, Ä 
Hier gleiten fie von glatten Eifenringen, | 
Dort flürzt ein Hieb den Helmbuſch in den Sand. | 


646 Mainthal. 


Das Panzerhemd zerreißt, die Spangen ſpringen, 
Hier rauſcht ein Blutquell von des Helmes Band, 
Und wüthend ziſchen Hoch herab die Streiche, 
Denn jeder Kämpfer fodert eine Leiche. 


Sept Rofenberg! jetzt naht fih Deine Stunde! — 
Des Grafen Flamberg bligt und Funfen fliehn, 
Dem Gegner fchlägt-er eine tiefe Wunde, 
Und raſſelnd flürzt der RieP zu Boden hin. 
Asmus Löft ihm den Helm, beugt fih zum Munde 
Des Ueberwundenen und fraget ihn: 
„Fühlſt du ob deiner frechen Rede Neue? —“ 
„Mein! — knirſchet Kunz — „ein Narr nur glaubt an Treue!“ 


Da firömt erneute Kraft durch As mus' Glieder, 
Er faßt den Sträubenden, fpricht: „Ich erbarm’ 
Mih Deiner!” — trägt ihn zu der Tauber nieder — 
Da drängt fi froh herbei der Bürger Schwarm, 
Und Jubelruf fchallt aus der Stadt, tönt wieder 
Vom hohen Schloß, als fie des Grafen Arm 
Dreimal den Feind fehn tauden in die Wellen, 

Und hoch dann an das Gegenufer fehnellen. 


Die Wunde brachte nicht den Tod dem Riefen, 
Allein gebrochen war fein freder Muth; 
Nicht fann er mehr auf Schimpf und Blutvergießen 
Und zehrte hin in ſelbſtverbißner Wuth. 
Graf As mus aber und die Seinen ließen 
Nicht ab, dem Herrn zu danken mild und gut, 
Und täglich, um des Kampſes wilde Stunde, 
Erklang das Glöcklein mahnend in die Runde. 





Noch fegt, wo über Wertheims Paradieie 
Die Mittagfonne Segenftrahlen webt, 
Und über Waldung, Weingebirg und Wieſe 
Der Böglein Chor mit Jubelliedern ſchwebt; 








Mainthol. 647 


Manch Schifflein auf dem Mainſtrom bald auf dieſe 
Und bald auf jene Seite ſegelnd ſtrebt: 

Da tönet, bei der dritten Stunde Schlage, 

Vom Thurm der Schall des Glockleins ale Tage. 


(Aus der in ber Didaskalia mitgeteilten Serle „Mainſagen.“ Siete Jahrg. 1844, 
Nr. 58. Vergl. au Mone’s „Anzeiger“ Jahrg. 1835. ©. 163, 


Das Schaf fängt Den Wolf. 


Vor langer Zeit, als die Gegend bei dem Dorf Eichel 
am Main noch mit Wald bededt war, fam ein Mann mit einem 
Schafe zu der dortigen Wallfahrtskirche, Die „Maria zur Eiche” 
heißt. Er band das Schaf außen an die Kirchthüre und ging 
hinein, fein Gebet zu verrichten. Mittlerweile kam aus dem Wald 

ein Wolf gegen das Schaf, dieſes riß fih Ins, und fprang in 
die Kirche und der Wolf ihm nad. Da lief ed zur Thüre zus 
rück, faßte den Strid, der daran hängen geblieben war, und 
ig die Thüre im Hinauslaufen zu. Der Wolf war nun einge⸗ 
fperrt und wurde umgebracht. *) 

(S. Mone!8 „Anzeiger ꝛ⁊c.“ Jahrg. 1837.) 


° Die Leiten, 


Bei einer Befchiegung Wertheims wollten die Franzofen, 
welche die Stadt inne hatten, fih dag Mainthal hinauf zurüds 
ziehen, allein hinter Eichel fanden fie alle Berge am Wege 
bis Urphar von ihren Feinden befegt. Diefe überfchritten, die 
Franzoſen mit Kugeln und Felsftüden und bracdten ihnen eine 
ſolche Niederlage bei, daß der Main durch die Menge ber Leich- 
name geftaut wurde. Die Bauern von Bettingen fchifften 


*) Das über der nörblichen Kirchenthüre ausgehauene Bild: ein 
Midder mit dem Kreuze, gegen den ein Wolf den Rachen auffperrt, 
wird auf diefe Eage gedeutet, fo wie auch das in der Gegend übliche 
Sprüchwort: in Eichel fängt das Schaf den Wolf — darauf Bes 
äug hat. i M. 


‚8 Minthal. 


viele Fluͤchtige über, nahmen ihnen aber alsdann zum Fergen⸗ 
lohn ihre ganze Habe ab, wodurch fie gar reich wurben. Sie 
blieben es jedoch nicht lange, weil das unrechterworbene Gut 
fein Gedeihen hatte. Wegen des damaligen großen Blutbabes 
heißt Urphar: „Die Mörbergrube” und die Gegend ab- 
wärts: „Die Leiten“ (Leiden). Daſelbſt Täpt fich, feit dem 
Treffen, in der Luft ein nächtliches Raſſeln, Schießen und 
Schreien hören, was man auch dem wilden Heere zufchreibt. 


(Rad mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone's „Ans 
zeiger.“ Jahrg. 1839. S. 180.) 


Bon Der Burg zu Wertheim. 


1. Im Archive des Schloffes wird ein lederner Riemen auf- 
bewahrt, der Demjenigen, welcher ihn umhat, Glück auf der 
Sagd und die Gabe verleiht, wahrzufagen und fi in einen 
Hafen zu verwandeln. 





2. Alle dreihundert Jahre fieht man in der Burg Säde 
fieben, welche oben geöffnet und mit Frucht angefült find, 
die, wenn man davon mit nach Haufe nimmt, fih in Gold⸗ 
törner verwandelt. 





3. Auf der Citadelle ift ein Hünengrab zu fehen, und in 
der Nähe des Pulverthburms fiand ein Bäumchen, deflen Krone 
wie ein Korb geflochten war. Darauf pflegten fih Nachts die 
Heren zu feßen und es hieß daher „Das Derenbäumchen.” Jetzt 
ift es weggehauen. 


Die Kapelle im Haslocher Thal. 


Eine Stunde unterhalb Wertheim zieht rechts vom Main, 
bei dem Dorf Hasloch, ein enges, walbiges Thal hinein, 
darin ſteht auf freiem Plate eine verfallene Kapelle. Hier ſah 
einft ein Graf von Wertheim, auf der Jagd, einen weißen 
Hirſch, und legte ſchnell auf ihn an, aber in demſelben Augen 


Meainthed. | 649 


blick verfhwand der Hirfch vor feinen Augen. Wegen biefer 

Erfcheinung ließen der Graf und feine Frau dort die Kapelle 

bauen, und noch jest fehweben ihre Geifter in glänzenden Ges 

fialten in mancher Nacht um die verfallene Kapelle. 
(S. Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1835.) 


Sage aus dem Waldſaſſengau. 


Unweit der alterthümlichen, in deutſchgothiſchem Bauſtyl 
erbauten evangelifchen Kirche der Stadt Wertheim, wird 
in ber Sylveſternacht, in der Straße bei dem fogenannten Neuens 
brunnen, zu mitternächtliher Stunde ein vierrädriger Karren ges - 
ſehen. Derfelbe ift ohne Deichfel. In feierlich ftilem Zuge wird 
der Karren vorwärts gefchoben von drei Männergeftalten ohne 
Köpfe. 

Diefe Scene in Augenfchein zu nehmen, ift nicht jedwedem 
Sterblichen vergännt. Nur gewiffe helfehendere Leute haben das 
Vergnügen folch’ abenteuerlichen Anblickes. Diefelben müſſen 
jedoch wiffen, daß man nicht ftehen bleiben darf, um mit Weile 
das feltfame Begebniß anzufchauen. Denn bebächtig und demüthig 
müſſen die Seher ihre Straße weiter ziehen, fonft find fie des 
Todes. 

A. Afſſum, Lehrer. 


Doktor Luther in Wertheim. 


Auf der Reife zum Wormſer Reichstag kam Doktor Luther 
auch nad Wertheim, wo er im Adler einkehrte, und bie Zeche 
für die Bratwürfte, die er daſelbſt verzehrte, ſchuldig geblieben 
iſt. Als er von ber Eichelfteige aus bie Stabt anfichtig wurde, 
ſprach er: 

„Bom Feuer hat Wertheim nichts zu befah’n, 
Im Waffer aber wird's untergah’n !” 
(Siehe Mone's „Anzeiger 22. Jahrg. 1838.) 





650 %„ Maintal. 


Die ähnlichen Frauen. 


Ein Graf von Wertheim that nad) dem Tode feiner Frau, 
bie er innigft lieb hatte, Das Gelübde, nicht wieder zu heirathen, 
es fey denn, daß er eine Frau fände, welche der Berftorbenen 
ganz ähnlich fähe. Er fuchte lange nadı einer Solchen umher, 
bis er endlich eine fand und fich mit ihr vermählte. 

Auf feinem Grabftein in der Wertheimer Stadtkirche ift er 
nebft feinen beiden Frauen, bie eiftander ganz ähnlich von An- 
geficht find, ausgehauen; das Bild der Erftern trägt einen Rofen- 
franz in der Hand. 

(Siehe Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) 


Der Hirſch zu Wertheim. 


Im vorigen Jahrhundert gefhah es, daß fich ein Hirfch 
zum alten Bergſchloß in Wertheim verirrte. Fürft Karl Tho— 
mas erfah ihn aus feiner Hofhaltung im Thale, und ftredte 
ihn, als er eben über einen Rebftod fprang, durch einen Schuß 
. aus dem oberfien Stockwerk zu Boden. Wegen Diefes gelunge- 
nen Schuffes gab der Fürft feiner Dienerfchaft ein Feft, wobei 
der Hirfch verzehrt wurde; auch Tieß er auf dem Plate, wo 
berfelbe gefallen, das Standbild eines Hirfches, der über einen 
traubenvollen Weinftod fegt, errichten. Diefes fleht noch heute; 
ber Graben heißt Davon der Hirſchgraben und deffen Thor 
das Hirſchthor. 


(Nach mündlicher uepenietetung mitgetheilt von Vernh. Baader in Mone's „An⸗ 
zeiger ꝛc. Jahrg.” 1838.) 


Die rettende Glocke. 


„Auf, hinaus in den Wald! In das herrliche Grün, zu den 
duftenden Tannen und Eichen, 
Wo das Vögelein ſingt und das Hirſchlein ſpringt in den lu⸗ 
ſtigen, freien Bereichen! 








Mainthal. 651 


Hier wirds mir zu eng in ber alten Stadt, melancholiſch macht 
mich der Glocken 

Fefttäglicher Klang in den Mauern fo dumpf — nur draußen 
da winft mir Frohlocken!“ 


Graf Johann mit dem Bart von Wertheim fpracdh 
Zur Jagd gerüftet alfo an der Pforte. — 
„> bleibe! Heut ift erfter Oftertag !" 
Entgegnet ihm fein Weib mit fanftem Worte. 
„Begleit' mich lieber auf dem Kirchengang, 
Mich, die durch Gottes Gnade jüngft genefen. 
Geliebter Mann, iſt's ja doch ſchon fo lang, 
Daß du nicht mehr im Gotteshaus gewefen !” 


Doc er Füßt fie und ſchwingt auf das Roß fich behend: „Ein 
andermal, Liebfte, nicht heute! 
„Ich muß in den Wald, hab zum Beten nicht Zeit!" — Fort 
zieht er mit Jägern und Meute. 
Auf wieherndem Roß, unter Hundegebel, von ſchmetternden 
Hörnern umflungen, 
Iſt raſch aus dem Thore, hinunter am Main, in den buften- 
ben Wald er gedrungen. 


Schon tönet fern und ferner das Geläut, . 
Da ruft der Sraf: „Ade, trübfel’ge Glocke! 
Fuͤrwahr, du bringft mich nicht zum Beten heut, 
Solch ſchönen Tag feir’ ich im Jägerrocke!“ 
Noch einmal tönt Die Glinde wie ein Auf 
Und deutlich ſcheint's zu flehn: „D kehre, kehre!“ 
„Fort⸗ — ruft ee — „Rößlein! Spute deinen Huf, 
Daß ich den Klageton nicht Tänger höre!“ 


Es fpiclet die Sonne mit zitterndem Gold durchs Grün um 
die raufchenden Aeſte, 

Der Gudud ertönt und des Hähers Geſchrei und die Holztaub’ 

girrt aus dem Nefte, 





652 Mainthal. 


Es ſonnt ſich das ſchillernde Schlänglein im Gras, Eichhörn⸗ 
| hen feet im Fluge 
Don Zweige zu Zweig und vol Neugier blidt ed nach dem 
waidlichen Zuge. 


Da ſchwingt auf einmal über'n Haſeldorn 
Sich ſtolz ein weißer Hirſch von ſechzehn Enden; 
Heiſa! wie treibt ſein Roß des Grafen Sporn, 
Wie ſetzt er nach, den Wurfſpieß zu verſenden! 
Jetzt endlich ſtellt ganz nah das Wild ſich dar, 
Doch nur um ſchnell um's Waldeseck zu biegen — 
Fern läßt der Graf zurück der Diener Schaar, 
Sein Roß ſcheint, gleich dem weißen Hirſch, zu fliegen. 


Durch verwachſen Geſtrüpp, noch verſchont von der Axt, in 
des Dickichts verborgnes Geflechte, 
Folgt tief bald hinab, hinauf bald der Graf, und den Spieß 
hält zielend die Rechte; 
Jetzt ſendet er ihn dem Flüchtigen nach, Doch der iſt ihm glüd- 
lich entgangen, 
Sort flieget der Hirſch, ihm nach der Graf mit ſchweißumper⸗ 
leten Wangen. 


Doch mitten in dem athemlofen Lauf 
Schleudert ein Aft den Reiter von dem Pferde, 
Und Hirfh und Renner fliehn im Sturmgefchnauf, 
Betäubt hebt ſchwer der Graf fih von der Erbe. 
Ins Hüfthorn fHößt er laut und oft und lang — 
Doch's Echo nur fohallt von der Berge Rüden, 
Schon dämmerts Abend und vom Felfenhang 
Sieht er den Wolf mit glühendem Aug? ſich bücken. 


„Weh! verirrt in der Nacht, im unheimlichen Wald!” bes 
ginnt der Graf nun zu Elagen, 
Laut pochet ein Herz in der feuchenden Bruft und er fühlt vom 
Durfte fih plagen. 








Mainthat. "653 


»Bringt der Durft mich nicht um, fo werben mich bier bie 
hungrigen Wölfe zerreißen; 

D mein Weib! meine Kinder, ihr Lieben, ihr ſeyd bald Wittwe 
und Flagende Waifen !“ 


Da tönt vom Himmel füßer Klang herab — 
Hoch deoben fieht er eine Glode ſchweben — 

Er fennt am Klang fie, die den Frühgruß gab, 

Die Glocke Wertheims iſt's, er hörts mit Beben; 
Hell tönt fie fort — da wirft aufs Knie er ſich 

Und betet aus des Herzens tiefſtem Grunde: 

„Wohl bringfi du, Glode, heut zum Beten mid | 

D Gott, verzeih 1” ruft er mit blaßem Munde. 


Und die Glocke fie fenkt vor den Grafen fich hin und wandelt 
mit mahnendem Schallen 
Ihm voraus in dem Wald und er Tichtet fi) bald vor ihr zu 
geräumigen Hallen. 
Auf taucht nun der Mond, ftets zieht fie voran, im filbernen 
Klange ſich wiegend, 
Bis der Morgen erglüht, ba erhebt fie fich fchnell, nad) Wertheim's 
Thurme hin fliegend. 


Nah Wertheimd Thurm, der durch den leiſen Flor 
An des befannten Thales Saum erfcheinet — 
Erfchüttert tritt der Graf durchs hohe Thor 
Bald in fein Schloß, wo Alles zagt und weinet. 

Bol Jubels von den Seinigen umringt, 

Stift raſch fein Anbli feines Weibes Klagen: 

„Sey ruhig! Wenn die Glinde wieder klingt,“ 

— Ruft er, fie füßend, — „werb’ ich nie mehr jagen !“ 


(Aus der in der Didasfalia, Jahrg. 1844, ohne Namen des Dichters, mit. 
getheilten Serie Mainfagen. Nr. 263 vom 22. Septbr. Einige Berbeiferungen, 
des dort fehr holprigen Versmaaßes glaubte fid) ver Herausgeber wohl erlauben 
zu dürfen,) 


654 Mainthal, 


Die Gräfin zu Wertheim. 


Empor som goldnen Steome, 
Borbei am fchlanfen Dome, 
Hinauf ind Himmelshlau ! 
Mir winkt aus dichter Stämme Nacht 
In herrlicher Verwäftungspracht 
Zerrifiner Fürftenbau. 


Fort, zwifchen Mauersaden, 
Durch, mit gebeugtem Naden, 
Durchs fleinverhängte Thor ! 
Hinan, wo Thurm auf Thurm fich flellt, 
Wo fühn wie aus der Alpenwelt 
Ein Gipfel ragt hervor! 


Jetzt klettern und jest fpringen, 
Leicht über Kluft ſich fchwingen, 
Tief unten Thal und Fluß: 
Sch weiß nicht, ift es Menfchenipur, 
Iſts ew’ger Fußtritt der Natur, - 
Borüber wallt mein Fuß. 


Sind Wände diefe Rippen ? 
Sind Säulen diefe Klippen ? 
Iſt dieſes Holz nicht Stein? 

SR all der Bau fein Felfenfpiel? 
O Kaftellan, fo fag’ mir viel, 
Recht viel aus jener Zeit! 


Nenn’ alle die Geſchlechter, 

* Nenn’ Fehden mir und Fechter 
Um Brüde, Thor und Haus! 
Bon Freud’ und Frieden melde mir! 
Sprich: weldhe Sänger gingen hier 
Mit Harfen ein und aus? 


Mainthal. 655 


Und ſag' auch, welche Frauen? 
O könnt' ich Eine ſchauen 
In Fülle, ſtolz und mild! 
Dann wölbte ſich mir farbenhell 
Das erkervolle Saalgeſtell 
Ringsum als Wunderbild. 


Du laͤchelſt ſeltſam, Führer! 
Biſt du ein Geiſterſpürer 
Und lebſt in todter Zeit? 
Dein hohles Auge ſah wohl gnug, 
Doch um den Mund ein ſchlauer Zug 
Führt mich jahrhundertweit. 


Und nieder gehn wir, nieder, 
Im Städtchen find wir wieder, 
Der Dom, er fehliegt fih auf. 
Getaucht in Licht und Lebensluft, 
Muß ich hinab in Modergruft, 
Und Särge ftehn zu Hauf! 


Und Ein Sarg ift noch offen; 
Vom Tagesfchein getroffen‘ 
Spielt bleiher Sammt ind Roth; 
Und fhaurig ruht das Himmelsticht 
Auf einem welfen Angeficht 
Bol unverweftlen Tod. 


Aus Purpurfammt und Seide, 
Aus funfelndem Geſchmeide 
Dies Antlitz blühend fproß, 
Und, fchritt Die Jungfrau durch den Saal, 
So ward, ald wenn ein Sonnenftrahl 
Durchs Bogenfenfter floß. ® 


Wie viele Leiern Fangen, 
Wie viele Klingen fprangen 
Im Liebesftreit um fie! 


656 


» 


Mainthal. 


Sie felbft in frifher Jugend Glanz, 
Sie fühlte fih fo Leben ganz, 
Dacht' an den Tod wohl nie! - 


Erhalten auf der Bahre 
Liegt fle dreihundert Jahre — 


O ſchweige, Kaftellan ! 


Ich weiß, was du mir fagen willt: 
Bor diefem ftarren Todtenbild 
Weicht aller Erbenwahn ! 


Geborſtne Schlöffer dauern 
Im Trog zerfpaltner Mauern 
Noch glänzend fpätem Blick. 
Das Menſchenkind hat Feine Frift, 
Es endet, wenns von hinnen iſt, 
Sein zeitliches Gefchid. 


Bei diefer graufen Miene 
Der menſchlichen Ruine 
Erſchauert mir die Haut. 
Wenn meinen Leib empfing die Gruft, 
Steig' er verwandelt auf zur Luft 
Als Gras und buntes Kraut! 


Und jetzt zum Sonnenſcheine, 
Jetzt zu dem Schloßgeſteine 
Der alten Welt empor! 
Doch will ich rückwärts nicht zur Zeit, 
Wil vorwärts ſchau'n zur Ewigkeit, 
Dud das zerfallne Thor. 
Guftav Schwab. 


—_— 1777 


Inhaltsverzeichniß 


des zweiten Bandes. 


Das Rheinthal. Gedicht von Aloys Schreiber. 
Ortenau. 


Die erlöſte Schlange. Aus Mone's „Anzeiger ıc“ . . 
St. Landolins Bad. Aus Demfelben. . . . een 
Das Erucifir von Wittenweier. Aus Demfelben. 20. 
Lahr’s Urfprung. Bon D. 8. . en 
Urfprung von Hohengeroldged. Bon Mar von Ring. oo. 
Walther von Geroldsed. Bon G. K. Diet el... . 
Klofter Schuttern. Bon 3. L. B... ... 
Offenburgs Urſprung. Bon L. H. B... 

Peter von Stauffenberg und die Meerfeye. In fen Romanze 
Aus „Knabe Wunderborn.“ . . . » ... 
Ritter Staufenberg. Von Karl Geib. ... .. 
Meluſine im Stollenwald. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“. 

Der Teufelsſtein auf der Schiehald. Aus Demſelben. 
Der Schatz im Stollenberg. Aus Demfelden. . . » 
Der Fuß in der Wand. Bon Karl Simrod.. 


Hanauer Ländchen. 


Vom Korker Waldgericht. Aus dem Fahrer Hinfenden Bothen. 

Biſchofsheim am hohen Steg. Aus Demſelben.... 

Der Leichenzug zu Scherzheim und das wilde dern. Aus Mone x 
„Anzeiger ꝛ2c.. ren 


Menchtbal und Seitentbä ler. 


Der Bannader. Bon U. Schreiber. . . 2. 2 2 0. . 
Der Ring. Bon Demfelben. > 2 2 0 en nenn 
II. 42 


Seite. 


0 0 G OM 


ei je, 


41 
43 


658 Snpaltsverzeidniß. 


Seite. 
Allerheiligens Stiftung. Von Ed. Bra uer. 2 2... 44 
Allerheiligens Ende. Bon Demfelben. . . -» . 45 
Die Felſenkirche von Aberheiligen. Von Al. S Gelbe en . 47 
Diefelbe. Bon A. Kopiſch. 2 2 2 0. ... 48 
Der Reiterſprung. ea 49 
Der Zigeunerwaldd. 49 

Acherthal und Seitenthäler. 

Türenne's Fall. Bon Georg Rapp. .. ee. 50: 
Das Brigittenfihloß. Bon Al. Schreiben re... 52 
Brigitta von Hohinrot. Von ©. Rapp. . . - . 54 
Das Brigittenfchloß , in 3 Romanzen. Bon Fried, O'tte. 55 
Der Burggeiſt auf Rodeck. Bon A. Schreiber . ... 61 
Der Retter von Rode, Bon Ignaz Hub. » » 2.2. 63 
Die Klofterruine zu Seebad. Bon Fried. Ernie. . . » 66 
Die Helden vom Kappler Thal. Bon D. 9. . . 2... 68 
Das Bergmweiblein. Bon Al. Schreiber. . . 2.2... 69 
Die Frau von Bofenflein. Bon Ignaz Hub. . . 72 
Die drei Zungfrauen aus dem See. Bon A. Sareiser. 7 
Die drei Seefrhweftern. Bon Marlame. .. 79 


Mummelfee und Nachbarfeeen. 


Zchn Romanzen vom Mummelfee. Bon A. Schnezler . . 81-89 


Die Seifter am Mummelſee. Bon Ed. Möride. . 

Der Jäger am Mummelfce. Bon A. Kopifd. . . » 

Der Jägersmann. Bon Emilie Scotzniowsky. 

Mummelſee's Geſchenk. Bon Adolf Stöber. .. 

Eine Wanderung nad dem Mummelfee. Bon Hppolit so eiber. 
Die Braut vom Bergfee. Bon G. Rapp. . 
Der Ritter und das Gerfräulein. Bon Karl 3 elt. 

Die guten Seejungfrauen. Aus Mone’s „Anzeiger ac“ . . _ 
Aus dem »Simplietffimud.“. . . . 0. 

Das Mümmelchen. Bon Al. Schreiber .. 

Der Wildſee. - . . 

Das Männlein vom Ser. Bon q. 8, Dorn. 

Der Nonnenfee. Bon AM. Schreiber. 

Die Nonnen fingen nicht mehr. Aus Mone’s „Anzeiger: 20." 
Der Nire Wechſelbalg. Aus Demfelben. .. 
Anmerkungen zu den Mummelſee⸗Sagen. ....  130— 


Bühl und nächte Umgebung. 


Der Herentfurm zu Bühl. Bon A. Schreiber . 
Diefelbe Sage, Metrifh von Ed, Brauer ... 


1 


w 
⁊ 





Inhaltsverzeigniß. 659 


Die Narrenzunft in Bühl. Bon L.9.B .. . 138 
Das Lindenfirchlein. Bon Al. Schreiber .. 2. 2... 139 


Die Lindenkirhe. Bon Auguft Stöber. ... .. 140 
Der ausgelieferte Schatz Aus Mone's "Anzeiger wu. 1 
Herenbutter. Aus Demfelben. . . . » en 141 


Des Affenthalers Urfprung. Bon 4. Sänelen en 142 
Sagen von der Burg Winded. 


. Die Jungfrau auf der Burg Windeck. Bon A. Schreiber. 144 
. Der lange Gang. Aus Mone's "Anzeiger u... 146 
. Das Huhn zeigt den Kirchenplag. Aus Demfelben. . . . 146 
. Der Hennegraben. Bon U. Schreiber . » 2... 14 
. Der treulofe Schreiber. Aus Mone's „Anzeiger 1  . 151 
. Das Burgfräulein von Windel. Bon U. es reiber . 151 
. Hugo von Windel. Bon Demſelben. . . » 0.0.13 
. Das Fräulein von Windel. Bon G. Rapp... ... 15% 


a a a m wm m u 


9. Die todte Braut. Bon AM. Schreiber .. 0 155 
10. Die Jungfrau auf Burg Lauf. Bon Ludw. Bin. ... 158 
11. Garlinde. Bon A. Schreiber . . . oo... 159 
12. Der nädhtlihe Tanz. Bon Demfelden. . 2 2 2 20. 161 
Die Hub. Bon Demfelben. . . . nn. 163 


Erwin von Steinbach. Bon A. Sſch neaten. ren 16% 
Erwin’s Bild. — Bon Daniel Hir tz. ren 168 
Die Kröte. Ausg Mone’g Anzeiger > 171 
Ruftritt. Aus Demfelden. . . » . .. 171 


Dosgau. — Stadt Baden und nächte Umgebung. 


Baden-Baden. Bon U. Schreiber... . ..» .... 173 
Baden's Urſprung. Bon Ev. Brauer .. 176 
Das alte Schloß zu Baden. Bon Mar von S N enfend o rf. 180 
Die graue Frau von Hohenbaden. Bon Sanaa P ud. ... 180 


Das Vehmgeriht in Baden. . . » re. 184 
Chriſtoph von Baden. Bon Ep. Braue er. 185 
Ludwig von Baden. Bon G. Rapp. .. .. 188 
Sagen vom alten Schloſſe. Aus Mone?s „Anzeiger cu. 192 
GSilbergrube. Bon UM. Schreiber . . . ve... 193 
Der Hungerberg. Bon Demfelben. . . . ren 194 


Das Kreuz auf dem Friedhofe. Bon Demſelben. ...... 195 
Dieſelbe Sage, metriſch von Guf. Mühl. x 2. 2... 186 
Kellers Bild und Kreuz. Bon A. “areiden nen 199 
Kellers Bild. Son Ed. Brauer. . ... Pr 201 
Der Lindenfhmidt. Alted Volkslied. - 2 2 2 203 
Der verfuntene Wagen. . . . ren 205 
Sp fährt man zum Teufel. Bon ã. Scqhnezler. .... 2066 
42* 


660 . Indaltsverzgeihmiß. 


Ein Gefpenft lieſt Meffe. Aus Mone's "Anzeiger ıc. 

Das Reh im Steinwäldchen. Bon A. Sſch western . 

Die Sage vom Balbreit. .. . . . . 

Fremersberg. Bon Fried. Dite. . en 

Der Ahorndbaum. Bon U, S arelben . oo. 

Die Altenburg. Bon Demfelben. . 

Schlage deine Mutter niht! Aus Mone's „Aneiger - 36.0 

Klofter Lichtenthal Bon U. Schreiber. . .» . 

Aus Lichtenthal. Bon Juſt. Kerner . . . . . 

Lichtenthal. Bon A. Schnezler . 

Die Rettung des Kloſters Lichtenthat. Bon Gerh. Self ih 

Die Stiftung des Waiſenhauſes in Lichtenthal. Bon Emilie 

Scotzniovsky. 

Der Waſſerfall von Geroldsau. Von Derfelben. ER 

Die Hütte zu Eberfleinburg. Bon A. Schreiber . -» 

Sagen von ter Burg Alt»Eberftein. Aus Mone's „Anzeiger 2c.« 

Die Belagerung von Alt-Eberftein. Aus Cꝛuſius Schwaͤbiſche 

Chronick.“. . . 

Graf Eberfiein. Bon Lud. uUbland. 

Das Kloſter bei Eberſtein. Bon A. Schre ib er.. 

Die Haueneberfteiner Glocke Aus Mone’g "Anpeiger ꝛc.“ 
Rieſen im Waſſer. Aus Demſelben. oo. .. 

Die Geiſter führen irre. Aus Demſelben. . ER 

Die Drei-Eichenlapelle. Bon AU. Schreiber. . . 


Sagen von der Yburg. Bon Demfelben. . . . . 
Das golvene Kegelfpiel. Aus Mone’g „Anzeiger 2 > ·. 
IAburgs Fall. Bon Ed. Brauer . . 
Die böfe Müllerin von Zell. Aus Mone’ 8 ‚Anzeigen - Ic. 

Fortunat von Baden. Bon Ignaz Hub. . . . . 


Das Blutfeld. Bon AH. Schreiber . 0. 

Die Teufelstangel. Bon Auguf Stöber . 

Die Teufelsfanzel und Klofter Engelsburg. Von Emilie S co he 
niovsky. 

Die Wolfsſchlucht. Von Au. S & rei ib er. . . 

Diefelbe Sage, metrifh von Ed. Brauer . . . 


260 


Anmerkungen zu den Sagen von der Stadt Baden ıc. . 263278 


"Murgtbal. " 
Die Wolfsſchlucht und die Waldfapelle vei Seleagh Von Aus. 
Schnezler... se 
Die Hölle. Aus Mone's „Anzeiger ꝛ.“ rn 
Die Teufelsmühle. Bon U, Schreiber. . . . 


Der Klingel, Bon Demfelben. . . 
Sagen von der Klingelfapelle und vom Schloß Eberſtein Aus 
Krieg's v. Hochfelden «Geſchichte von Eberſtein.. 


- An. A 


279 
282 
233, 
284 


285 


Inpaltsverzeihniß. 


Dee Koch zu Eberfiein. Bon Ger. Helfrich. 

Die Belagerung von Reu-Eberftein. Bon A Schre iber. 

Bon den Grafen von Eberftein. Aus Satobs v. Königs J ofen 
„Elſaäͤß. Chronick.“ 

Der Grafenſprung. Bon Al. S fr re i ber. 

Der Srafenfprung. Metrifh von A. Kopiſch. 


* [2 


Das Rodenweibhen. Bon U. Schreiber. . . 
Das Nefielhemd. Bon A. Schnezler . . . 
Die Gräfin im Nocdertwald. Aus Mone’g Anxeizr u 20.4 
Gaggenau. Bon Ed. Brauer . . 


Die Seifterhöhle. Aus Mone’g „Anzeiger ꝛc.“ 

Hilpertsloch. Von Al. Schreiber. 
Die Eliſabethsquelle zu Rothenfels. Von Berh. Helfrig. . 
Die drei Schweftern. Bon A. Schreiber. . . 


Mudenfturm. Bon ©. Klüber. .: . 
Markgraf Ludwig von Baden, der Zürtenbeimingr Bon Ev, 
Brauer eo . . 
Das Raſtatter Schloß. Anonymus.. 
Albthal. 


Die Entſtehung von Herrenalb. Bon Al. Schreiber. . 

Die Stiftung von Frauenalb. Bon Ed. Brauer. 

Johann von Hohenwart. Bon U. Schreiber . 
Fürſtenzell. Bon Demfelben. 

Die umgehenden Feldmeſſer. Aus m on e's „Anzeiger ꝛc.“ 
Der Ring am Ettlinger Kirchthurm. Bon J. Schneider. 
Streit zwifchen Ettlingen und Brauenalb. Bon Demfelben. . 
Das Rad von Malfd. . . .. 1 


Karlsruhe und nächſte Umgebung. 


Karls⸗Ruhe. Bon Mar Sachs.. oo. 
Die Gründung von Karlsruhe. Bon Ed; Bra aus. . . 
Die weiße Frau. . en 
Kunde von Jenſeits. Bon 2. s ch nezler. >. . 
Die Herenwäfhe. Aus Mone’s „Anzeiger 0." . 
Karl Friedrich im Zahre 1806. Bon Ev. Brauer. . 
Die hohe Ruhe. Aus Mone's „Anzeiger ıc.. 
Gottesaue. Bon Fried. von Maltitz. 0. 
‚Die Geifler zu Gottesaue. Bon A. Schn ezler. .. 
Die Kirche von Hagsfelden. Aus Mone's Anzelger ꝛc.⸗·. 
Die beſchirmten Kronen. Aus Demſelben. 
Rippur. Bon Mar von Schenkendorf.. oo. 
Die Wallfahrtskirche von Bidespeim. Bon 8. 9. 8. .. 


357 
357 
358 


662 Inhaltsverzeichniß. 


Durlacher Fugen 


Durlach's Namendurfprung . oe. 
Die Paulwirthin Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.“ 

Herzog Konrad von Schwaben in Durlach. Von Ed. Bra u er. 
Der Markgraf und die Mönde. Bon G. a 
Geld fonnt fih. Aus Mone’s „Anzeiger 20.0 oo. 


366 


Sagen vom Thurmberg. Aug Demfelben. . . . 366-370 


Sagen von Wolfartsweier. Aus Demfelben. . . .. 
Glocke läutet von ſelbſt. Aus Demſelben. 


Sagen vom Thurmberg bei Wolfartsweier. Aus Demfelben. 372-375 


Das Dorfthier. Aus Demfelben. . . . . . . 
Der verfahrene Schüler. Aus Demfelben. . . . . 
Das freigetige Erbmännlein. Aus Demfelben. . . . 


Erdmannskuchen. Aus Demfelben. . . . 

Sagen von der St. Barbarafirche bei Langenſteinbach. Aus 
Demfelben. . R . . . . . 

&t. Barbara. Bon Ed. Brauer. . . . oo. 


Die weiße Fran. Bon Wilhelm». Chézy 

Der Rothackergeiſt und der wilde Jäger. Aus Mone’g „An- 
zeiger ıc.u . . oo. 

Zunfer Marten und ber wilde Jäger. Aus Demfelben. oo. 


Pforzbeim und Umgegend. 


Das von den Juden getöttete Mägdlein, Aus G. Grim’s 
„Teutſche Sagen. . . 00. 
Die vierhuntert Pforzheimer. Bon en. Brauer. .. 
Die Pforzbeimer Bürger. Bon Adolf Bube..... 
Triumphzug kindlicher Liebe. Von L. H. B.. 
Die Peſt in Pforzheim. Bon Ed. Brauer . oo. 
Die Todten wollen Ruhe. Aus Mone’s „Anzeiger 20. 
Der böfe Hausgeift Blaferle. Aus Demfelben. on 
Hausgeiſt Blaferle. Bon Auguſt Nodna 8 el. . . 
Die Nonnen zu Weißenflein. Aus Mone’s „Anzeiger * 
Der nächtliche Schlachtlärm. Aus Demſelben.... 
Der beſtrafte Sakramentſchänder. Aus Demſelben. 
Der feurige Mann. Aus Demſelben. .. . 


Kraichgau und Eiſengau. 


Die Heine Fürſtengruft zu Bruchſalſ. Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.⸗ 
Der Rekrut auf Ppilippsburg. Bon Karl Simrock... 
Das Gnadenbild zu Waghäuſel. Aus Mone's »Anzeiger ꝛc.“ 
Die Kapelle zu Waghäuſel. Aus Denifelben. . 2... 
Der entheiligte Gürtel: Aus Demfelben. . . . 
Teufelskutſchen. Aus Demfelben. >. 2 200 


370 
372 





Inpaltsverzeihnig. 


Das mifdtpätige Männlein. Aus Demfelben. . 
Das Hündchen von Bretten. Erſte Sage. Bon 8. © imrod. 


Zweite Sage. Bon Mar Sad. . . 220 
Der wachfende Stein. Bon Ludwig Kieffer. . 
Der Schwabe vor Bretten. Bon. . . .. 


Ein Geſpenſt pflügt. Aus Mone's „Anzeiger en 

Gefpenft in's Haus gebracht. Aus Demfelben, . 
Die übel belohnte Here. Aus Demfelben. . . . 
Arbeit in der andern Welt. Aus Demfllben. . . » 
Schab in Flehingen. Aus Demflbn. . . . 
Sage vom alten See. Bon A. Schreiber. oo. 


® ® ® ® 0 


Tiefenau. Rah A. Schreiber . ee. 


Die SeesNonnen von Ziefenau. Bon ganz 5 ub. 

Das verſunkene Kloſter. Bon Lud. Uhland.  . 

Der Nixenquell. Von K. Simrock. . ee 

Die ſchöne Buche. Anonymus . . . 

Der Metzger bei der Herenverfammlung. Aus M one's „An. 
zeiger ꝛc.“. . . 


Der dreifüßige Hafe. Aus Demfelben. . . . . . 
Der Gänsberg. Aus „Badiſches Magazin." . oo. 


Der Teufelsbefchwörer. Aus Mone’s "Anzeiger 20.” . . 
Das beherte Kind in Nußloch. Aus Demſelben.. 


Mannheim und nächſte Umgegend. 


Mannem. Anonymus .. 
Mannheims Urſprung Von L. 8. B. ee 
Die weiße Dame. . en 
Der Npeingeifl. Aus Mone Y\ „Anzeiger 26.0 020. 
Der Saft in der Rheinmüple. Bon Sgua Hub. . . » 
Das Feuer und der Trappgaul. Aus Mone’s „Anzeiger 2.“ 
Die Teufeldlaroffe. Bon Ignaz Hub. . 

Die Here und der Mühlknecht. Aus Mone 7 „Anzeiger ic. 
Der Rofengarten. Aus dem Stadt s und Randbothen.- . 
Das Teufelsloch. Aus Demfelden. . . . 
Das Geläute von Ladenburg. Bon H egewaid. 


Pfälzer Bergſtrafße. 
Der Edle von Handſcucheheim. Aus Baaders "Sagen der 
Pfalz ıc." . . 
Gertraut von Gemmingen. 
Die Todten wollen begraben ſeyn. Aus Mo one x ‚Anzeiger 30. 


® . * “ [2 


Wein aus dem Brunnen. Aus Demfelben. . . . 


Sage vom Schloß Windel, Anonymus. . 
Der Spruch auf der Burg Winde. Aug G. Grimm' 8 „Die 
Bergſtraße ꝛc.⸗ . . ee. 


464 


664 Inhaltsverzeichniß. 


Der Hexenthurm in Weinheim. Bon Lehrer Zimmermann. 
Der Geift des Burgkochs auf Windeck. Bon Demfelben. . 
Die zwei Iehten Burghereen. .  ° 

Das Burgfräulein von Winded. Bon Adaldert v. Chamif fo o 
Die Stiftung von Heiligkrenz. Von Lehrer Zimmermann. 


Heidelberg und nächfte Umgebung. 


An Heidelberg. Bon J. Ch. Hölderlin . . . 
Die Heidelberger Ruine. Bon Nikolaus Lenau » . . 
Redarfage. Bon K. G. Nadler . . . .. 


Der Pfalzgraf am Rhein. Altes Voltslied. een 

Eberhard der Heilige. Bon Heribert Rau. . 

Herzog Dtto der Erlauchte und die ſchöne Weifentochter. Vier 
Romanzen von Eduard Duller.. 


Ludwig der Strenge. Bon Mar von Ring... 

Srievrichs I. Rettung aus Weiber und Pfaffenliſt. Bon Dem- 
felben. . . . . . . . . 

Derbe Warnung. . . . . 


Das Lied der Markgrafen. Altes Vollslied. 
Kurfürſt Friedrich der Sieghafte von der Pfalz. Balladen von 
Ed. Duller . . . . . 

Das Mahl zu Heidelberg. Bon Suf. Schwab. el 
Truplaifer. Bon Ed. Duller. . .. 

Pritſchen⸗Peter. Aus Weidner's Apopbiheanat. 

Konrad Pocher. Ebendaher. . . . 

Ein Schredenstag. 

Heinrich von Valois, Herzog von Anjon. Bon Deren Ran. 

Mäßtgkeitsvereine. Bon L. H. B.. . 

Des Pfalggrafen hölgerner Dom. Bon K. ®. Radler 

Hans von Handfhurhspeim’s Tod. Bon E. S su ler. 

Die Ahnung. Bon Heribert Rau. - .. .. 

Der Pfalzgraf. Aus „Knabe Wunderhorn | ER . 

Der Blitz. Bon Heribert Rau. 


Auf dem Schlofle zu Heidelberg. Bon Mar von S d enten: 


dorf. .. 
Der Hexenbiß. Von a. Schne A 2 . 
Der Rieſenſtein. Von Heinrich Künzel. nn 
Der WVolfsbrunnen. Bon A. Schreiber . . . . 


Die Sage vom Wolfsbrunnen. Anonymus. . ed 
Der Wolfsbrunnen. Fliegendes Blatt. . .. .. 
Am Wolfsbrunnen. Bon Martin Opitz. ee 

Der Zettabühl. Bon peeiber 9 Rau. . . . 
Der Königsſtuhl.. . . . . oo. 
Der Heiligendberg. . ee 


Punker von Rohrbach. Von a. & 6 nezler. .. 








Inhaltsverzeichniß. 665 


Seite 

Neckarthal und Odenwald. 
Der Ritter von Angeloch. Von Al. S dreib! ern . . 2.560 
Ditsberg. .  - .. 3865 
Die Hochzeitfeier. Von H. Be nel . . en 565 
Ritter Landſchaden. Bon Guſt. Schwab. .. 570 


Die heilige Hildegunde zu Schönau. Von L. Grimm. . 572 
Der falſche Eid. Von A. Kopiſch. 575 
Reiter ohne Kopf. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc .  . 53576 
Die weiße Frau. Aus Demfelben. . . . . . . 577 
Sefpenftiger Hund. Aus Demfelben. .77 
Vurg Stolzeneck. Von Al. Schreiber. . 38 
Jukunde von Stolzeneck Bon K. W. Juſſti. .3838882 
Sagen von der heiligen Rotburge.. . .. . .. 384 
Sagen vom Minneberg. - . . . 588 
Der Minneberg. Romanze von 1. & chin ezte er. 392 
Der getreue Hirfh. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“. . . 995 
Das Lied vom Hernberg. Bon D. P. Reimoid.. .  . 598 
Der Michaelsberg. Bon Karl Seib. -. > 202 43539 
Klofter Himmelreih. Bon U Kopiſch. 606061 
Der fromme Lukas. Bon F. W. Krummacher.. 604 
Die weiße Frau zu Guttenberg. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc⸗ 606 
Die Kapelle bei Dallau. Bon AM. Shreiber . .. 608 
Die Nonne zu Dallau. Fliegendes Blatt. ... . 609 
Die Nonne. Bon Lud. Uhland.. oo. . . . 61 


Ddenwäldifches Bauland. 


Doktor Fauft zu Borberg. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.⸗ . 613 
Barum der Schiliingftadter Sdutze zu at » vor Amt kommt. 

Aus Demfelben. . . . . 614 
Wölfingen. Aus Demfelben. . - 2.0.0.6 
Bon der Burg zu Borberg. Aus Demfelben. . . . . 615 
Die meineidige Hochzeit. Aus Demfelben. . .. 617 


Roſenberg. In drei Romanzen von Eugen Huhn.. . 618 
Buchens Hohmuth und Strafe. Aus Mone’s „Anzeiger ıc.- 623 
Die Lappe. Aus Demfelben. . . . . . 623 
Das firafende Madonnabild. Bon 8. Sri mm . . . 624 
Die gemiedene Kanzel. Aus Mone’s "Anzeiger 10.  . 625 
Die Entſtehung der Walfahrtsticche zu Walddürn. Bon 3 1. 
RNueb . 625 


Sagen von der Zörgenburg. Aus Mone e’8 „Anzeiger ꝛc.“. 626 
Der Marsbrunnen und die Meerweiblein. Aus Demfelben. . 627 


666 . Inbaltsverzeichniß. 


Taubergrund und Mainthal. 


Hammerwurf des Rieſen. Aus Mone's „Anzeiger 0. . 
Die Riefen und die Menfhen. Aus Demſelben. . . 
Der Bildftod mit der Näherin. Aus Demfelben. . . 

Die Zerfiörung von Oberlauda. Bon Gottfhall . . 
Die Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Königshofen. 
Aus W olff’ 8 „Hiſtor. Volksliedern.“. . 

Ein zweiter Geßler. . en 
Die heilige Lioba zu Biſchofsheim. Von 8. 9. B. .. 
Bon der Chriſtnacht. Aus Mone's „Anzeiger 2.“ 
Spinne nicht im Mondſchein! Aus Demfelben. . 
Der ſchützende Stein. Aus Demſelben. .. 
Schätze in und bei Reicholzheim. Aus Demſelben. 


Sagen aus der Gegend bei Wertheim. 


Borzeichen eines guten Herbftes. Aus Mone’g Anzeiger 20. 

Der Sicheles⸗Acker. Aus Demfelben. . 

Die Kreuze oberhalb Reicholzheim. Aus Demfelben.. . 

Der Streitader. Aus Gäntpers „Doet. Sagenbuch 20." . 

Der Freifäger. Aus Mone's „Anzeiger 20. . . 

Die Wettenburg. Aus Demfelden. . . 

Der Kürlesgarten bei Bifchofsheim. Aus einer : Serie „Bain 
fagen.“ . . . 

Das Schaf fängt den Wolf, Aus Mo ne’$- Anzeige. 1 20." 

Die Leiten. Aus Demfelben. . . . 

Bon der Burg zu Wertheim. Aus Demfelben. .. 

Die Kapelle im Haslocher Thal. Aus Demſelben.. . 

Sage aus dem Waldfaffengau. Bon Aſſum.. 0. 

Dr. Luther in Wertheim. Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.“ . 

Die ähnlihen Frauen. Aus Demfelben. 0. 

Der Hirfh zu Wertheim. Aus Demfelben. . oo. 

Die rettende Slode. Aus einer Serie »Mainfagen.« . 

Die Gräfin zu Wertheim. Bon Guſtav Schwab. 





298 











Berihtigungen: 


Seite 220, Ber 10 von unten lieg „ummwebet.” 

263, am Schluß des Gedichts Ties „Brauer’ ftatt „Bauer. 
286, Zeile 19 von unten lies „framwen’ flatt „rawen.“ 

542, Vers 1, muß ftatt „eines?“ „ein; ſtehen. 

„ 984, le K. W. „Juſti.“ 

599, Zeile 18 von oben lied „Ritterburgen.’ 


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